Verstehen ist kein Bewusstseinszustand (LWBT): Unterschied zwischen den Versionen

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Man sieht in dem Verstehen das Eigentliche, im Zeichen das Nebensächliche. - Übrigens, wozu dann das Zeichen überhaupt? - Nur um sich Andern verständlich zu machen?  [Aber wie ist das möglich? Aber wie geschieht dies?] - Hier wird das Zeichen als eine Medizin angesehen, die im Andern die gleichen Magenschmerzen hervorrufen soll, wie ich sie habe.
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Auf die Frage "was meinst du", muß zur Antwort kommen: p; und nicht: "ich meine das, was ich mit 'p' meine".
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Wenn Verstehen in Analogie zu körperlichen ''Zuständen'' betrachtet wird, dann legt sich nahe, es als ''verursacht'' zu betrachten. Wie das Morgenrot Hoffnung oder ein Medikament physische Effekte auslöst. Dann können unterschiedliche Trigger die gleiche Wirkung haben. Sie sind Behelfe, um zu einem übereinstimmenden Zustand zu gelangen, wie z.B. heavy metal ein Artillerieangriff.
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Die ''Wirkung'' lateinischer Sprüche:
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*Quae fugiunt celeri, carpite poma manu.
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*Sero venientibus ossa.
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Die ''Interpretation'' eines Textes. Es kommt nicht auf das "Sprachgefühl" an. Wann hat man diesen Text verstanden? Wenn man ihn übersetzen ''kann''. Woraus besteht dieses Können? Worte werden durch Worte ersetzt. Aber es muss doch der ''Sinn'' getroffen werden. Wie trifft man den?! Liegt (oder steht) der irgendwo?
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Ovid, Metamorphosen, Beginn.
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"Du musst den Satz verstehen, damit Du ihn richtig übersetzen kannst." Dazu reicht es nicht, die Zeichen betrachten und lesen zukönnen. Die Inschrift kann einen Eindruck erzeugen, aber sie reicht nicht aus. Was ist zusätzlich nötig? Eine Medizin wirkt durch chemische Prozesse auf den Körper ein. So wird man sich die Einwirkung des Zeichens auf den Menschen nicht vorstellen, obwohl man sagen kann, dass ein Zeichen "Verstehen bewirkt". Wenn man den Ovidschen Satz in der Schularbeit so übersetzt hat, dass der Lehrer nichts daran rot anstreicht - hat man ihn dann verstanden? Fehlt noch etwas? Was ist der Unterschied dazu:
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Eine Wittgensteinsche Spezialität: zu einer gegebenen Antwort die Frage zu überprüfen, welche zu dieser Antwort führt. Welches ''Anliegen'' steht hinter der Auskunft, dass etwas verstanden worden ist? Die Mittteilung über einen persönlichen Zustand? Das ist die psychologisierende Betrachtung. Nach ihr hat ein Satz einen Sinn, zu dem der Sprechende Zugang hat: "Ich meine das, was ich mit 'p' meine." Umgangssprachlich: Ich werde doch wohl wissen, was ich mit diesen Worten meine! Dagegen steht Wittgensteins These, dass das Meinen mit der Behandlung des Satzes als Satzes in einer Sprache zusammenfällt. Mit "p" meine ich p.
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:"Was meinst Du mit 'handy'?" - "Ich meine handlich." - "Ich meine Mobiltelephon."
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"Du kannst nicht handlich meinen, 'Handy' heißt Mobiltelephon."
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*Ich meine handlich.
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*Ich meine, was ich mit 'handlich' meine.
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Der erste Fall legt die Sprecherin auf einen Sprachgebrauch fest, der zweite lässt einen Spielraum. Es ist auch möglich, das zu meinen, was man mit Mobiltelephon meint. Ist das eine Hilfe?
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[[Kategorie: L. Wittgenstein: Big Typescript]]
 
[[Kategorie: L. Wittgenstein: Big Typescript]]

Aktuelle Version vom 25. Mai 2012, 08:36 Uhr

Verstehen ist kein Bewusstseinszustand (LWBT)

Man sieht in dem Verstehen das Eigentliche, im Zeichen das Nebensächliche. - Übrigens, wozu dann das Zeichen überhaupt? - Nur um sich Andern verständlich zu machen?  [Aber wie ist das möglich? Aber wie geschieht dies?] - Hier wird das Zeichen als eine Medizin angesehen, die im Andern die gleichen Magenschmerzen hervorrufen soll, wie ich sie habe.

Auf die Frage "was meinst du", muß zur Antwort kommen: p; und nicht: "ich meine das, was ich mit 'p' meine".
Korrektur der Reitbauer Tabelle: es steht nicht: "und nicht: "ich meine das. Was ich mit 'p' meine."
Reitbauer59a.jpeg
Reitbauer60a.jpeg
Reitbauer61a.jpeg

Wenn Verstehen in Analogie zu körperlichen Zuständen betrachtet wird, dann legt sich nahe, es als verursacht zu betrachten. Wie das Morgenrot Hoffnung oder ein Medikament physische Effekte auslöst. Dann können unterschiedliche Trigger die gleiche Wirkung haben. Sie sind Behelfe, um zu einem übereinstimmenden Zustand zu gelangen, wie z.B. heavy metal ein Artillerieangriff.

Die Wirkung lateinischer Sprüche:

  • Quae fugiunt celeri, carpite poma manu.
  • Sero venientibus ossa.

Die Interpretation eines Textes. Es kommt nicht auf das "Sprachgefühl" an. Wann hat man diesen Text verstanden? Wenn man ihn übersetzen kann. Woraus besteht dieses Können? Worte werden durch Worte ersetzt. Aber es muss doch der Sinn getroffen werden. Wie trifft man den?! Liegt (oder steht) der irgendwo?

Aurea prima sata est aetas, quae vindice nullo sponte sua, sine lege fidem rectumque colebat. Poena metusque aberant, nec verba minantia fixo aere legebantur, nec supplex turba timebat iudicis ora sui, sed erant sine vindice tuti. Zuerst ist das goldene Zeitalter entstanden, das ohne Richter freiwillig ohne Gesetz Treue und Recht pflegte. Strafe und Furcht gab es nicht, keine drohenden Worte wurden auf angebrachter Erztafel gelesen und keine bittflehende Menge fürchtete das Wort ihres Richters, sondern sie waren ohne Rächer sicher.

Ovid, Metamorphosen, Beginn.

"Du musst den Satz verstehen, damit Du ihn richtig übersetzen kannst." Dazu reicht es nicht, die Zeichen betrachten und lesen zukönnen. Die Inschrift kann einen Eindruck erzeugen, aber sie reicht nicht aus. Was ist zusätzlich nötig? Eine Medizin wirkt durch chemische Prozesse auf den Körper ein. So wird man sich die Einwirkung des Zeichens auf den Menschen nicht vorstellen, obwohl man sagen kann, dass ein Zeichen "Verstehen bewirkt". Wenn man den Ovidschen Satz in der Schularbeit so übersetzt hat, dass der Lehrer nichts daran rot anstreicht - hat man ihn dann verstanden? Fehlt noch etwas? Was ist der Unterschied dazu:

Goldenen Zeitalter war, dass erste, die, mit nicht aus eigenem Antrieb, ohne das Gesetz des Glaubens 
und haben das Richtige. Strafe und Furcht waren abwesend, noch drohende Worte auf ehernen Tafeln zu 
lesen, und nicht Masse der Bittsteller Angst der Richter's Gesicht, aber sie waren sicher, ohne ein 
Rächer. (Google Translate)

Der zweite Absatz kommt aus einem anderen Manuskript, MS 108, S.247. Der Kontext ist die Fähigkeit zur Kommunikation durch sprachliche Zeichen.

Eine Wittgensteinsche Spezialität: zu einer gegebenen Antwort die Frage zu überprüfen, welche zu dieser Antwort führt. Welches Anliegen steht hinter der Auskunft, dass etwas verstanden worden ist? Die Mittteilung über einen persönlichen Zustand? Das ist die psychologisierende Betrachtung. Nach ihr hat ein Satz einen Sinn, zu dem der Sprechende Zugang hat: "Ich meine das, was ich mit 'p' meine." Umgangssprachlich: Ich werde doch wohl wissen, was ich mit diesen Worten meine! Dagegen steht Wittgensteins These, dass das Meinen mit der Behandlung des Satzes als Satzes in einer Sprache zusammenfällt. Mit "p" meine ich p.

"Was meinst Du mit 'handy'?" - "Ich meine handlich." - "Ich meine Mobiltelephon."

"Du kannst nicht handlich meinen, 'Handy' heißt Mobiltelephon."

  • Ich meine handlich.
  • Ich meine, was ich mit 'handlich' meine.

Der erste Fall legt die Sprecherin auf einen Sprachgebrauch fest, der zweite lässt einen Spielraum. Es ist auch möglich, das zu meinen, was man mit Mobiltelephon meint. Ist das eine Hilfe?