Verstehen 1 (LWBT): Unterschied zwischen den Versionen

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'''Die auf dieser Seite verwendeten Tabellen stammen aus der Diplomarbeit von [http://sammelpunkt.philo.at:8080/1185/ Nicolas Reitbauer].'''
  
  
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== Sätze ''werden'' nicht verstanden ==
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== [[Sätze ''werden'' nicht verstanden (LWBT)]] ==
 
 
<pre style="white-space: pre-wrap; white-space: -moz-pre-wrap; word-wrap: break-word">
 
Kann man denn etwas Anderes als einen Satz verstehen?
 
Oder: Ist es erst ein Satz, wenn man es versteht? Also: Kann man Etwas anders, als als Satz verstehen?
 
 
 
Man möchte davon reden, "einen Satz zu erleben".
 
Läßt sich dieses Erlebnis niederschreiben?
 
 
 
Da ist es wichtig, daß es in einem gewissen Sinn keinen halben Satz gibt.
 
Das heißt, vom halben Satz gilt, was vom Wort gilt, daß es nur im Zusammenhang des Satzes Bedeutung hat.
 
 
 
Das Verstehen fängt aber erst mit dem Satz an.
 
</pre>
 
 
 
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=== Tatsachen als Sätze erleben ===
 
 
 
Im MS 110 stellt Wittgenstein die Frage, was "einfache" Tatsachen von Sätzen, die ebenfalls Tatsachen sind, unterscheidet. Die Welt besteht generell aus Tatsachen, da machen Sätze keinen Unterschied.
 
 
 
:Das Satzzeichen besteht darin, dass sich seine Elemente, die Wörter, in ihm auf bestimmte Art und Weise zueinander verhalten.
 
 
 
:Das Satzzeichen ist eine Tatsache. (TLP 3.14)
 
 
 
:Dass das Satzzeichen eine Tatsache ist, wird durch die gewöhnliche Ausdrucksform der Schrift oder des Druckes verschleiert.
 
Denn im gedruckten Satz z.B. sieht das Satzzeichen nicht wesentlich verschieden aus vom Wort. (TLP 3.143)
 
 
 
Andererseits ''besteht'' aber ein Unterschied. Sätze können etwas, was z.B. Holzstöße nicht können.
 
 
:Im Satz drückt sich der Gedanke sinnlich wahrnehmbar aus. (TLP 3.1)
 
 
 
:Wir benützen das sinnlich wahrnehmbare Zeichen (Laut- oder Schriftzeichen etc.) des Satzes als Projektionsmethode der möglichen Sachlage.
 
Die Projektionsmethode ist das Denken des Satz-Sinnes. (TLP 3.11)
 
 
 
Wittgenstein bemerkt, dass er diesen Unterschied erklären muss. Verstehen und Satz sind unzertrennlich. Dann sind Sätze ''doch'' etwas besonderes. Worin besteht das dann? In einem Erlebnis.
 
 
 
:'''Ich erlebe eine Tatsache als Satz.'''
 
 
 
''Wie kommt hier das Erlebnis ins Spiel?'' Und zwar ein ''ganzheitliches'' Erlebnis.
 
 
 
Wittgenstein geht von der Beobachtung aus, dass es einen ''Übergang'' von nicht-sprachlichen zu sprachlichen Tatsachen gibt. Ovid, Ars Amatoria 3, 576:
 
 
 
<font color="purple">
 
:fUgiUnt carPITe mANu QUaE pomA CELerI
 
 
 
:QUAE FUGIUNT CELERI CARPITE POMA MANU
 
:Quae fugiunt, celeri carpite poma manu.
 
:Poma, quae fugiunt, carpite celeri manu.
 
</font>
 
 
 
Auch einfache Tatsachen sind ganzheitlich, sie setzen sich aus Komponenten zusammen. Aber Sätze sind dazu noch einheitlich ''aufgefasst''. Es sind Tatsachen zu einem bestimmten Zweck, nämlich der Projektion der Sachlage. ''Daher'' kommt der Erlebnischarakter. Die Überprüfung der Satzverwendung im Tractatus führt zum Bild der Innerlichkeit des Sprechens.
 
 
 
=== Ideal Sprache? ===
 
 
 
''Die'' Sprache war im Tractatus als Ideal vorausgesetzt. Wenn das relativiert wird, muss es ''unterschiedliche'' Projektionsweisen des Satzzeichens auf die Welt geben. Z.B. die gewöhnliche ''deutsche'' Projektionsweise. Wer sich in ihr bewegt, hat keine andere Möglichkeit, als die Verwendung von Satzzeichen, sollte es Probleme geben, durch die Verwendung anderer (deutsch verstandener) Satzzeichen zu erläutern.
 
 
 
In 211 im Vergleich zum Manuskript geändert:
 
 
 
:Nicht übernommen: "Sprache der Anordnung der Sessel im Zimmer. Ich kann die Leute die mir auf der Straße entgegen kommen als Sprache deuten."
 
 
 
:Am Schluß aber/also müssen sich die Zeichen unterscheiden.
 
 
 
:"Beispiel" transferiert.
 
 
 
=== Paukenschlag ===
 
 
 
Siehe [[Verstehen:_Übersicht_(LWBT)]]
 
 
 
Handschriftlich hinzugefügt: "(und darum interessiert es uns nicht)"
 
 
 
Worum immer es sich beim Verstehen handelt, es beginnt beim Satz. Das ist eine Variation von "Die Welt ist alles, was der Fall ist" - keine Liste von Dingen. Es ist koextensiv mit diesen Strukturen. Wir verfügen nicht über einen '''Zugang''' zu den gegebenen Strukturen, der sie von außen aufzubauen gestattet. Wir können uns nicht für das Verstehen interessieren, weil es immer schon in unseren Sätzen liegt. Die Ergänzung von WA 3.267.14 ist eine Überleitung zu WA 3.268.10, wo es um die Unmöglichkeit der Metalogik geht.
 
 
 
Ausgelassen sind in 213 die Passagen WA 3.268.1 - 3.268.9. (Siehe den Kontext der nächsten Bemerkung.) Anstelle einer assoziativen Entwicklung der Sprung zu einer apodiktischen Bemerkung. Das ausgelassene Material enthält aber eine für die spätere Entwicklung zentrale Formulierung. In ihr wird die Tatsachenwelt des Tractatus über die Frage des Verstehens mit der Aufgabe der Philosophie generell verbunden.
 
 
 
<div align="center">
 
[[Bild:LW-MS110-192.jpg|400px]] [[Bild:LW-MS100-193.jpg|400px]]
 
</div>
 
 
 
''Die Philosophie läßt alles wie es ist.'' Diese Bemerkung steht im TS 213 auf Seite 218, im Kapitel über die Methode der Philosophie. Wieder aufgenommen TS 220, S. 81 (Frühfassung der "Philosophischen Untersuchungen").
 
  
 
=== [[Exkurs zur Philosophie der Nicht-Intervention (LWBT)]] ===
 
=== [[Exkurs zur Philosophie der Nicht-Intervention (LWBT)]] ===
  
== Verstehen ist kein Thema ==
+
== [[Verstehen ist kein Thema (LWBT)]] ==
 
 
<pre style="white-space: pre-wrap; white-space: -moz-pre-wrap; word-wrap: break-word">
 
Wie es keine Metaphysik gibt, so gibt es keine Metalogik. Das Wort "Verstehen", der Ausdruck "einen Satz verstehen", ist auch nicht metalogisch, sondern ein Ausdruck wie jeder andre der Sprache.
 
 
 
Wir haben es also in unsern Betrachtungen mit dem Verstehen des Satzes nicht zu tun; denn wir selbst müssen ihn verstehen, damit er für uns ein Satz ist.
 
 
 
Es wäre ja auch seltsam, daß die Wissenschaft und die Mathematik die Sätze gebraucht, aber von ihrem Verstehen nicht spricht.
 
</pre>
 
 
 
[[Bild:reitbauer58a.jpeg|center]]
 
 
 
== Verstehen ist kein Bewusstseinszustand ==
 
 
 
<pre style="white-space: pre-wrap; white-space: -moz-pre-wrap; word-wrap: break-word">
 
Man sieht in dem Verstehen das Eigentliche, im Zeichen das Nebensächliche. - Übrigens, wozu dann das Zeichen überhaupt? - Nur um sich Andern verständlich zu machen?  [Aber wie ist das möglich? Aber wie geschieht dies?] - Hier wird das Zeichen als eine Medizin angesehen, die im Andern die gleichen Magenschmerzen hervorrufen soll, wie ich sie habe.
 
 
 
Auf die Frage "was meinst du", muß zur Antwort kommen: p; und nicht: "ich meine das, was ich mit 'p' meine".
 
</pre>
 
 
 
 
 
[[Bild:reitbauer59a.jpeg|center]]
 
 
 
[[Bild:reitbauer60a.jpeg|center]]
 
 
 
[[Bild:reitbauer61a.jpeg|center]]
 
 
 
== Die Sprache ist ein Ganzes ==
 
 
 
Die gesamte Sprache kann nicht mißverstanden werden. Denn sonst gäbe es zu diesem Mißverständnis wesentlich keine Aufklärung .
 
Das heißt eben, die ganze Sprache muß für sich selbst sprechen.
 
 
 
Man kann es auch so sagen: wenn man sich immer in einem Sprachsystem ausdrückt und also, was ein Satz meint, nur durch Sätze dieses Systems erklärt, so fällt am Schluß die Meinung ganz aus der Sprache, also aus der Betrachtung, heraus und es bleibt die Sprache, das Einzige, was wir betrachten können.
 
 
 
Gesprochenes kann man nur durch die Sprache erklären, darum kann man die Sprache (in diesem Sinne) nicht erklären.
 
  
Ich will doch sagen: Die ganze Sprache kann man nicht interpretieren.
+
=== [[Exkurs zur Arbeit der Philosophie (LWBT)]] ===
Eine Interpretation ist immer nur eine im Gegensatz zu einer andern. Sie hängt sich an das Zeichen und reiht es in ein weiteres System ein.
 
  
Alles was ich in der Sprache tun kann, ist etwas sagen: das eine sagen. (Das eine sagen im Raume der Möglichkeiten dessen, was ich hätte sagen können.)
+
== [[Verstehen ist kein Bewusstseinszustand (LWBT)]] ==
  
== Sprachliche Mitteilungen sind übersichtlich ==
+
== [[Die Sprache ist ein Ganzes (LWBT)]] ==
  
Wenn Frege gegen die formale Auffassung der Arithmetik spricht, so sagt er gleichsam: diese kleinlichen Erklärungen, die Symbole betreffend, sind müßig, wenn wir diese verstehen. Und das Verstehen ist quasi das Sehen eines Bildes, aus dem dann alle Regeln folgen (wodurch sie verständlich werden). Frege sieht aber nicht, daß dieses Bild nur wieder ein Zeichen ist, oder ein Kalkül, der uns den geschriebenen Kalkül erklärt.
+
== [[Sprachliche Mitteilungen sind übersichtlich (LWBT)]] ==
Aber das Verständnis gleicht überhaupt immer dem, welches wir für einen Kalkül kriegen, wenn wir seine Entstehung, oder seine praktische Anwendung kennen lernen. Und natürlich lernen wir auch da wieder nur einen uns übersichtlichern Symbolismus statt des fremden kennen. (Verstehen heißt hier übersehen.)
 
  
Wenn komplizierte Vorgänge beim Verstehen des Wortes "und" eine Rolle spielen und das Verstehen etwas für uns Wesentliches ist, wie kommt es, daß diese Vorgänge in der symbolischen Logik nie erwähnt werden? Wie kommt es, daß von ihnen in der Logik nie die Rede ist, noch sein braucht?
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== [[Sprechen erklärt sich selbst (LWBT) ]]==
  
== Sprechen erklärt sich selbst ==
 
  
 
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[[Kategorie: L. Wittgenstein: Big Typescript]]
 
[[Kategorie: L. Wittgenstein: Big Typescript]]

Aktuelle Version vom 1. Juni 2012, 06:17 Uhr