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Es war Verdacht und Arbeit nötig, um eine andere Perspektive auf diese beiden Bilder zu gewinnen. Was aber ändert diese nun? Ändert sie überhaupt etwas? Bleibt die Struktur wirklich die gleiche? Hat das konkrete Schicksal des Philoumenos in unserer Erzählung eine Bedeutung oder ist sie ein Detail, dass wir abstrahieren können in unserer Suche nach dem Allgemeinen? Liegt nicht in der Antwort auf diese Frage die philosophische Grundentscheidung der wir nachgehen? Darüber möchte ich gerne noch diskutieren. ([[Benutzer:Mi5er|Mi5er]] 00:31, 10. Dez. 2010 (UTC)) | Es war Verdacht und Arbeit nötig, um eine andere Perspektive auf diese beiden Bilder zu gewinnen. Was aber ändert diese nun? Ändert sie überhaupt etwas? Bleibt die Struktur wirklich die gleiche? Hat das konkrete Schicksal des Philoumenos in unserer Erzählung eine Bedeutung oder ist sie ein Detail, dass wir abstrahieren können in unserer Suche nach dem Allgemeinen? Liegt nicht in der Antwort auf diese Frage die philosophische Grundentscheidung der wir nachgehen? Darüber möchte ich gerne noch diskutieren. ([[Benutzer:Mi5er|Mi5er]] 00:31, 10. Dez. 2010 (UTC)) | ||
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+ | :Danke für diesen wunderschönen Beitrag und für die Korrekturen und Erweiterungen an meiner Darstellung (im Anschluss an Voutounos Chrysanthos). In der Vorlesung habe ich die Ikone zm Beispiel einer philosophischen Pointe gemacht. Ich habe sie "entheiligt" und mit Naomi Campbell und dem "Paris Match" cover in eine Reihe gestellt. Nach wie vor würde ich festhalten, dass es hier vergleichbare Strukturen gibt. Ich habe mich dem Phänomen des Heiligen über diese Strukturen genähert. Ein direkter Weg steht mir nicht zur Verfügung. Die Erläuterungen zu Philoumenos drehen das Verhältnis um. Sie machen deutlich, welche realen Erfahrungen sich des "Mechanismus" der Heiligsprechung bedienen, um ansprechbar zu werden. Und insoferne ändert sich wohl etwas durch die Darstellung. Sie verdeutlicht die "Teilhabe" auf eine unersetzbare Weise. | ||
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+ | :Ich hatte geschrieben: "Unaufgearbeitete Erfahrungsreste, unverdauliche Brocken im Zusammenhang der Kommunikation, sind nicht bloß verpaßte Aufgaben. Es ist auch illusorisch, die Erledigung aller Aufgaben zu verlangen." Mord aus religiösen Motiven ist so etwas Ungeheuerliches. Das "dürfte es heute gar nicht mehr geben". Aber es geschieht. Es ist nicht unplausibel, einem solchen Archaismus durch eine archaische Gedankenbewegung zu begegnen. Und dann noch: die Selbstzufriedenheit darüber, dass in Europa soetwas nicht vorkommt, ist fehl am Platz. --[[Benutzer:Anna|anna]] 08:10, 10. Dez. 2010 (UTC) |
Aktuelle Version vom 17. Dezember 2010, 17:10 Uhr
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Inhaltsverzeichnis
Das Beispiel von Bruder Philoumenos und wie er zum Heiligen wurde
Das Beeindruckende an der Gegenüberstellung der beiden Bilder aus dem Vortrag des Voutounos Chrysanthos war, dass durch das Nebeneinander der zum Ausdruck kommenden Wirklichkeiten die innere Struktur, wie sie in der Ikone am Werk ist, durch eine Abspaltung sichtbar gemacht wird. Dem transzendent-heilig-ideellen „Abbild“ des Heiligen wird sein materiell-irdisch-körperliches „Vorbild“ gegenübergestellt. Oder, platonisch gedacht vielleicht umgekehrt, der realen Idee des Heiligen ihre irdische Erscheinung.
Als als ich den Heiligen fragen will, ob er sich in den gezeigten Darstellungen gut getroffen fühlt und ob er findet, dass wir ihm und seiner Heiligkeit mit unseren Interpretationen gerecht werden fällt mir auf, dass ich seinen Namen gar nicht weiß. Was mich interessiert ist, ob und was seine ganz konkrete Geschichte für unsere Abstrakte bedeutet. Also mache ich mich auf die Suche nach ihm. Ich will die „Grammatik“ dieser Schematisierung besser verstehen. Nachdem ich ihn gefunden habe, haben mich die beiden Bilder nun doch erwischt.
Der Jakobsbrunnen und sein Hüter
Im Tal zwischen den Bergen Gerizim und Ebal lag einst der Ort Shechem oder Sichem. An dieser Stelle befindet sich noch immer der „Jakobsbrunnen“ - nach dem Gelehrten Andre Parrot eine jener „heiligen Orte“ aus der Bibel, der geographisch am authentischsten zugeordnet werden kann.
In der biblischen Tradition wird der Ort zweimal bezeichnet. Einmal (Genesis 33:19) kauft Jakob bei Sichem jenes Grundstück, auf dem später Josef begraben wird. Nach dem Johannesevangelium soll er an dieser Stelle auch einen Brunnen gegraben haben. Im 5. Buch Mose wird Israel auch als „Quelle Jakobs“ bezeichnet. Dieses „Deuteronomium“ ist auch Bestandteil der Tora.
Im Johannesevangelium wird weiters geschildert, wie Jesus am „Jakobsbrunnen“ einer nicht namentlich bezeichneten samaritanischen Frau begegnet. In dem theologischen Gespräch zwischen den beiden bezeichnet Jesus sich als „lebendiges Wasser“ und offenbart sich ihr als Messias der Juden und der Samariter. Der Brunnen steht symbolisch für die gemeinsame Vergangenheit des Volkes Israel. In den orthodoxen Kirchen wird die namenlose Frau als Photina verehrt. http://de.wikipedia.org/wiki/Jakobsbrunnen
Heute ist an der Stelle Sichems die Stadt Nablus. Wir befinden uns in der palästinensischen „West Bank“. Der Jakobsbrunnen gehört seit 1860 zu einem griechisch orthodoxen Kloster der „Brotherhood of the Holy Sepulchre“. (http://en.wikipedia.org/wiki/Brotherhood_of_the_Holy_Sepulchre) Dieser „Orden“ hat sich zur Aufgabe gemacht, die christlichen „heiligen Stätten“ aus der Bibel im Heiligen Land zu bewachen und zu beschützen. Gegen Ende des 19. Jdts wurde von den Griechen mit dem Bau der Kirche St. Photini begonnen. Die Arbeiten wurden aber während des ersten Weltkriegs eingestellt. Erst 2007 wurde die Kirche fertiggestellt.
Im Jahr 1979 wird Vater Philomenos, ein Mönch der „Brotherhood of the Holy Sepulchre“ zum Wächter des Jakobsbrunnen bestellt.
Philomenous wurde 1913 im Ort Orounto auf Cypern als Zwillingsbruder des späteren Archimandriten Elpidios Hasapis als Sohn des Bäckers und Gastwirtes George Hadapis und seiner Frau Magdalene geboren. 1939 ist er der Bruderschaft beigetreten. Nach dem Zeugnis seines „spirituellen Sohnes“, dem Mönch Yeghia Yenovkian, zeichneten er sich vor allem durch drei persönliche Tugenden aus: „The first might have been partly from nature, but assuredly aided by Grace: this was his soft sweet voice, which I can still hear today. The second was a meticulous fidelity to small things, but specifically to the Divine Service. He never omitted one word of any day's service. When we were alone in some remote monastery, particularly for Matins, he slowly and carefully chanted each word of every psalm and canon. Not even at the Monastery of St. Sabba was the reading done so well. But when there were pilgrims for the Divine Liturgy and vespers, he made the usual abridgements lest the service be too long and some be tempted to leave. Later on, privately, he would read every word that had not been chanted in the church. Those who stayed with him for some time saw the copies of the menaion, horologion, synaxarion, etc. and noticed that the markers were always in place and the volumes never dusty, which earned the Divine Promise, Well done thou good and faithful servant, because thou hast been faithful over little things, I will set thee over great things Enter thou into the joy of the Lord (Matt. 25:21). Third, and as unobtrusive, almost secret, was his humility.“
Im November 1979 wurde Vater Philoumenos in seiner Kirche gefoltert und erschlagen.
Martyrium und Heiligsprechung
„The crowning moment of Father Philoumenos’ earthly pilgrimage came on November 16/29, 1979 at the shrine built on the site of Jacob's Well. The Saint experienced a martyric death at the hands of extremist Jewish Zionists who massacred him with an ax in the evening, while he was performing Vespers at the Well of Jacob where he lived as a loyal guardian of the Holy Places and centuries old way of life. The week before his martyrdom, a group of fanatical Zionists had come to the monastery at Jacob's Well, claiming it as a Jewish holy place and demanding that all crosses and icons be removed. Of course, the Saint pointed out that the floor upon which they were standing had been built by Emperor Constantine before 331 A.D. and had served as an Orthodox Christian holy place for sixteen centuries before the Israeli State was created, and had been in Samaritan hands eight centuries before that. The group left with threats, insults and obscenities of the kind which local Christians suffer regularly. After a few days, on November 16/29, 1979, during a torrential downpour, a group broke into the monastery. The saint had already put on his epitrachelion for Vespers. ,They burst into the monastery and with a hatchet butchered Archimandrite Philoumenos in the form of a cross. With one vertical stroke they clove his face, with another horizontal stroke they cut his cheeks as far as his ears. His eyes were plucked out. The fingers of his right hand were cut into pieces and its thumb was hacked off. These were the fingers with which he made the sign of the Cross. The murderers were not content with the butchering of the innocent monk, but proceeded to desecrate the church as well. A crucifix was destroyed, the sacred vessels were scattered and defiled, and the church was in general subjected to sacrilege of the most appalling type.‘ The piecemeal chopping of the three fingers with which he made the Sign of the Cross showed that he was tortured in an attempt to make him renounce his Orthodox Christian Faith. The body of the Saint was handed over to the Orthodox 6 days after his massacre, but retained its flexibility and was buried in the cemetery of Mount Zion. Saint Philoumenos served in the Holy Land for 46 years (1933-1979).“ (http://orthodoxwiki.org/Philoumenos_(Hasapis)_of_Jacob's_Well)
Als nach vier Jahren sein Körper wie bei griechischen Mönchen üblich exhumiert wurde, war sein Körper noch unversehrt und verströmte Wohlgeruch. Ein Jahr später wurde sein Grab erneut im Beisein von orthodoxen Würdenträgern geöffnet. Sein Körper war noch immer unversehrt. 2008 wurde Philoumenos heilig gesprochen.
Ikonen und Ikonographie
Wie Ikonen und Ikonographie funktionieren steht hier http://de.wikipedia.org/wiki/Ikone Hier nun die Geschichte in Bildern:
Entzifferung
Was mich zuletzt schockiert hat war, dass ich erst heute gesehen habe, wie diese Ikone und alle Ikonen des Philoumenos seine Heiligkeit darstellt, obwohl es so offensichtlich ist:
Im Krug fließt das „lebendige Wasser“ Jesus Christus mit der Geste des Brunnenwächters ineinander. So weit so gut. Hier geht es um das Leben des Philoumenos. Dies scheint aber nicht so entscheidend zu sein, denn die anderen Ikonen lassen den Krug weg.
Bleibt neben dem Heiligenschein das für uns aus einem „Stiegengeländer“ hervorgegangene und als „Hirtenstab“ interpretierte Kreuz. Philoumenos war kein Bischof, ein Stab kann es nicht sein. Dieses Kreuz kommt aber in allen Ikonendarstellungen dieses Heiligen vor. In „unserer“ Ikone hängt an diesem Kreuz auch noch ein Strick (oder umgekehrt) - das konnten wir in dem uns zur Verfügung stehenden Bildausschnitt natürlich genausowenig gut erkennen wie die Brunnenvorrichtung. Verbindungen werden deutlich.
Zumindest in der westlichen christlichen Ikonographie steht das Kreuz allgemein für Bekenner. Das trifft auf Philoumenos zu. In dieser Ikonographie ist aber auch üblich, Märtyrer mit einem Symbol ihres Martyriums zu attribuieren und sie damit unverwechselbar zu identifizieren.
Dem Philoumenos wurde das Zeichen des Kreuzes ins Gesicht geschlagen. Die Horizontale hat ihn gezeichnet, die Vertikale getötet. Es ist dieses Kreuz, dass ich in diesen heiligen Abbildungen, in diesen Abbildungen des Heiligen nun sehen kann. Nicht ein harmloses Stiegengeländer als Symbol vielleicht für die vorbildliche Bescheidenheit dieses Mönchs wurde schematisiert, nicht nur seine Treue zur Christus sondern....
Der Krug symbolisiert das Leben der realen Person und das Kreuz steht für den Märtyrertod als dessen Krönung. Beide zusammen, Leben und Sterben bezeichnen diese Heiligkeit.
Der Übergang zur Transzendenz ist schwierig. In jedem einzelnen Schritt. Das ist das Beispiel des Heiligen Philoumenos.
Voutounos Chrysanthos Punkt ist trotzdem nicht falsch. Die Frage ist, was wir aus unserer Rezeptionsgeschichte folgern. Voutounos hat uns bloß unabsichtlich in die Irre geführt. Für ihn wird wohl der Name St. Philoumenos auf der Ikone lesbar, die Ikonographie und Tradition bekannt und ein Missverständnis so weit ausgeschlossen sein, dass es ihm gar nicht in den Sinn kommt. In der Absicht uns ein Verhältnis von zwei Bildern zu zeigen hat er diese beschnitten und in ihrer Größe angeglichen, damit sie besser ins Bild passen. Unser Blick ist seiner Absicht gefolgt. Seine Idee hat unsere Wahrnehmung der präsentierten Wirklichkeit strukturiert. Für unsere Interpretation ist entscheidend, in welcher Reihenfolge wir informiert werden. Die erste Begegnung prägt. Die Remediatisierungen, die Konstruktion des Mythos, all das findet in dieser Ikone vielleicht weiterhin statt. Aber nun eben so und nicht anders.
Es war Verdacht und Arbeit nötig, um eine andere Perspektive auf diese beiden Bilder zu gewinnen. Was aber ändert diese nun? Ändert sie überhaupt etwas? Bleibt die Struktur wirklich die gleiche? Hat das konkrete Schicksal des Philoumenos in unserer Erzählung eine Bedeutung oder ist sie ein Detail, dass wir abstrahieren können in unserer Suche nach dem Allgemeinen? Liegt nicht in der Antwort auf diese Frage die philosophische Grundentscheidung der wir nachgehen? Darüber möchte ich gerne noch diskutieren. (Mi5er 00:31, 10. Dez. 2010 (UTC))
- Danke für diesen wunderschönen Beitrag und für die Korrekturen und Erweiterungen an meiner Darstellung (im Anschluss an Voutounos Chrysanthos). In der Vorlesung habe ich die Ikone zm Beispiel einer philosophischen Pointe gemacht. Ich habe sie "entheiligt" und mit Naomi Campbell und dem "Paris Match" cover in eine Reihe gestellt. Nach wie vor würde ich festhalten, dass es hier vergleichbare Strukturen gibt. Ich habe mich dem Phänomen des Heiligen über diese Strukturen genähert. Ein direkter Weg steht mir nicht zur Verfügung. Die Erläuterungen zu Philoumenos drehen das Verhältnis um. Sie machen deutlich, welche realen Erfahrungen sich des "Mechanismus" der Heiligsprechung bedienen, um ansprechbar zu werden. Und insoferne ändert sich wohl etwas durch die Darstellung. Sie verdeutlicht die "Teilhabe" auf eine unersetzbare Weise.
- Ich hatte geschrieben: "Unaufgearbeitete Erfahrungsreste, unverdauliche Brocken im Zusammenhang der Kommunikation, sind nicht bloß verpaßte Aufgaben. Es ist auch illusorisch, die Erledigung aller Aufgaben zu verlangen." Mord aus religiösen Motiven ist so etwas Ungeheuerliches. Das "dürfte es heute gar nicht mehr geben". Aber es geschieht. Es ist nicht unplausibel, einem solchen Archaismus durch eine archaische Gedankenbewegung zu begegnen. Und dann noch: die Selbstzufriedenheit darüber, dass in Europa soetwas nicht vorkommt, ist fehl am Platz. --anna 08:10, 10. Dez. 2010 (UTC)