Kant und Hegel (IH): Unterschied zwischen den Versionen
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== Von den Ideen überhaupt == | == Von den Ideen überhaupt == | ||
− | Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft | + | '''Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft''' |
Des ersten Buchs der transzendentalen Dialektik erster Abschnitt | Des ersten Buchs der transzendentalen Dialektik erster Abschnitt | ||
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Plato bediente sich des Ausdrucks Idee so, daß man wohl sieht, er habe darunter etwas verstanden, was nicht allein niemals von den Sinnen entlehnt wird, sondern welches [322] so gar die Begriffe des Verstandes, mit denen sich Aristoteles beschäftigte, weit übersteigt, indem in der Erfahrung niemals etwas damit Kongruierendes angetroffen wird. Die Ideen sind bei ihm Urbilder der Dinge selbst, und nicht bloß Schlüssel zu möglichen Erfahrungen, wie die Kategorien. Nach seiner Meinung flossen sie aus der höchsten Vernunft aus, von da sie der menschlichen zu Teil geworden, die sich aber jetzt nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustande befindet, sondern mit Mühe die alten, jetzt sehr verdunkelten, Ideen durch Erinnerung (die Philosophie heißt) zurückrufen muß. Ich will mich hier in keine literarische Untersuchung einlassen, um den Sinn auszumachen, den der erhabene Philosoph mit seinem Ausdrucke verband. Ich merke nur an, daß es gar nichts Ungewöhnliches sei, sowohl im gemeinen Gespräche, als in Schriften, durch die Vergleichung der Gedanken, welche ein Verfasser über seinen Gegenstand äußert, ihn so gar besser zu verstehen, als er sich selbst verstand, indem er seinen Begriff nicht genugsam bestimmte, und dadurch bisweilen seiner eigenen Absicht entgegenredete, oder auch dachte. | Plato bediente sich des Ausdrucks Idee so, daß man wohl sieht, er habe darunter etwas verstanden, was nicht allein niemals von den Sinnen entlehnt wird, sondern welches [322] so gar die Begriffe des Verstandes, mit denen sich Aristoteles beschäftigte, weit übersteigt, indem in der Erfahrung niemals etwas damit Kongruierendes angetroffen wird. Die Ideen sind bei ihm Urbilder der Dinge selbst, und nicht bloß Schlüssel zu möglichen Erfahrungen, wie die Kategorien. Nach seiner Meinung flossen sie aus der höchsten Vernunft aus, von da sie der menschlichen zu Teil geworden, die sich aber jetzt nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustande befindet, sondern mit Mühe die alten, jetzt sehr verdunkelten, Ideen durch Erinnerung (die Philosophie heißt) zurückrufen muß. Ich will mich hier in keine literarische Untersuchung einlassen, um den Sinn auszumachen, den der erhabene Philosoph mit seinem Ausdrucke verband. Ich merke nur an, daß es gar nichts Ungewöhnliches sei, sowohl im gemeinen Gespräche, als in Schriften, durch die Vergleichung der Gedanken, welche ein Verfasser über seinen Gegenstand äußert, ihn so gar besser zu verstehen, als er sich selbst verstand, indem er seinen Begriff nicht genugsam bestimmte, und dadurch bisweilen seiner eigenen Absicht entgegenredete, oder auch dachte. | ||
− | Plato bemerkte sehr wohl, daß unsere Erkenntniskraft ein weit höheres Bedürfnis fühle, als bloß Erscheinungen nach synthetischer Einheit buchstabieren, um sie als Erfahrung lesen zu können, und daß unsere Vernunft natürlicher Weise sich zu Erkenntnissen aufschwinge, die viel weiter gehen, als daß irgend ein Gegenstand, den Erfahrung geben kann jemals mit ihnen kongruieren könne, die aber nichtsdestoweniger ihre Realität haben und keinesweges bloße Hirngespinste sein. | + | Plato bemerkte sehr wohl, <font color="purple">daß unsere Erkenntniskraft ein weit höheres Bedürfnis fühle, als bloß Erscheinungen nach synthetischer Einheit buchstabieren</font>, um sie als Erfahrung lesen zu können, und daß unsere Vernunft natürlicher Weise sich zu Erkenntnissen aufschwinge, die viel weiter gehen, als daß irgend ein Gegenstand, den Erfahrung geben kann jemals mit ihnen kongruieren könne, die aber nichtsdestoweniger ihre Realität haben und keinesweges bloße Hirngespinste sein. |
− | Plato fand seine Ideen vorzüglich in allem was praktisch ist, | + | Plato fand seine Ideen vorzüglich in allem was praktisch ist, d.i. auf Freiheit beruht, welche ihrerseits unter Erkenntnissen [323] steht, die ein eigentümliches Produkt der Vernunft sind. Wer die Begriffe der Tugend aus Erfahrung schöpfen wollte, wer das, was nur allenfalls als Beispiel zur unvollkommenen Erläuterung dienen kann, als Muster zum Erkenntnisquell machen wollte (wie es wirklich viele getan haben), der würde aus der Tugend ein nach Zeit und Umständen wandelbares, zu keiner Regel brauchbares zweideutiges Unding machen. Dagegen wird ein jeder inne, daß, wenn ihm jemand als Muster der Tugend vorgestellt wird, er doch immer das wahre Original bloß in seinem eigenen Kopfe habe, womit er dieses angebliche Muster vergleicht, und es bloß darnach schätzt. Dieses ist aber die Idee der Tugend, in Ansehung deren alle mögliche Gegenstände der Erfahrung zwar als Beispiele (Beweise der Tunlichkeit desjenigen im gewissen Grade, was der Begriff der Vernunft heischt), aber nicht als Urbilder Dienste tun. Daß niemals ein Mensch demjenigen adäquat handeln werde, was die reine Idee der Tugend enthält, beweiset gar nicht etwas Chimärisches in diesem Gedanken. Denn es ist gleichwohl alles Urteil, über den moralischen Wert oder Unwert, nur vermittelst dieser Idee möglich; mithin liegt sie jeder Annäherung zur moralischen Vollkommenheit notwendig zum Grunde, so weit auch die ihrem Grade nach nicht zu bestimmende Hindernisse in der menschlichen Natur uns davon entfernt halten mögen. |
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− | Aber nicht bloß in demjenigen, wobei die menschliche Vernunft wahrhafte Kausalität zeigt, und wo Ideen wirkende Ursachen (der Handlungen und ihrer Gegenstände) werden, nämlich im Sittlichen, sondern auch in Ansehung der Natur selbst, sieht Plato mit Recht deutliche Beweise [325] ihres Ursprungs aus Ideen. Ein Gewächs, ein Tier, die regelmäßige Anordnung des Weltbaues (vermutlich also auch die ganze Naturordnung) zeigen deutlich, daß sie nur nach Ideen möglich sein; daß zwar kein einzelnes Geschöpf, unter den einzelnen Bedingungen seines Daseins, mit der Idee des Vollkommensten seiner Art kongruiere (so wenig wie der Mensch mit der Idee der Menschheit, die er sogar selbst als das Urbild seiner Handlungen in seiner Seele trägt), daß gleichwohl jene Ideen im höchsten Verstande einzeln, unveränderlich, durchgängig bestimmt, und die ursprünglichen Ursachen der Dinge sind, und nur das Ganze ihrer Verbindung im Weltall einzig und allein jener Idee völlig adäquat sei. Wenn man das Übertriebene des Ausdrucks absondert, so ist der Geistesschwung des Philosophen, von der kopeilichen Betrachtung des Physischen der Weltordnung zu der architektonischen Verknüpfung derselben nach Zwecken, d.i. nach Ideen, hinaufzusteigen, eine Bemühung, die Achtung und Nachfolge verdient; | + | Aber nicht bloß in demjenigen, wobei die menschliche Vernunft wahrhafte Kausalität zeigt, und wo Ideen wirkende Ursachen (der Handlungen und ihrer Gegenstände) werden, nämlich im Sittlichen, sondern auch in Ansehung der Natur selbst, sieht Plato mit Recht deutliche Beweise [325] ihres Ursprungs aus Ideen. <font color="purple">Ein Gewächs, ein Tier, die regelmäßige Anordnung des Weltbaues (vermutlich also auch die ganze Naturordnung) zeigen deutlich, daß sie nur nach Ideen möglich sein</font>; daß zwar kein einzelnes Geschöpf, unter den einzelnen Bedingungen seines Daseins, mit der Idee des Vollkommensten seiner Art kongruiere (so wenig wie der Mensch mit der Idee der Menschheit, die er sogar selbst als das Urbild seiner Handlungen in seiner Seele trägt), daß gleichwohl jene Ideen im höchsten Verstande einzeln, unveränderlich, durchgängig bestimmt, und die ursprünglichen Ursachen der Dinge sind, und <font color="purple">nur das Ganze ihrer Verbindung im Weltall einzig und allein jener Idee völlig adäquat sei</font>. Wenn man das Übertriebene des Ausdrucks absondert, so ist der Geistesschwung des Philosophen, von der kopeilichen Betrachtung des Physischen der Weltordnung zu der architektonischen Verknüpfung derselben nach Zwecken, d.i. nach Ideen, hinaufzusteigen, eine Bemühung, die Achtung und Nachfolge verdient; ... |
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− | + | Der transzendentale Gebrauch der reinen Vernunft, ihre Prinzipien und Ideen, sind es also, welche genau zu kennen uns jetzt obliegt, um den Einfluß der reinen Vernunft und den Wert derselben gehörig bestimmen und schätzen zu können. Doch, ehe ich diese vorläufige Einleitung bei Seite lege, ersuche ich diejenige, denen Philosophie am Herzen liegt (welches mehr gesagt ist, als man gemeiniglich antrifft), wenn sie sich durch dieses und das Nachfolgende überzeugt finden sollten, <font color="purple">den Ausdruck Idee seiner ursprünglichen Bedeutung nach in Schutz zu nehmen, damit er nicht fernerhin unter die übrigen Ausdrücke, womit gewöhnlich allerlei Vorstellungsarten in sorgloser Unordnung bezeichnet werden, gerate, und die Wissenschaft dabei einbüße</font>. Fehlt es uns doch nicht an Benennungen, die jeder Vorstellungsart gehörig angemessen sind, ohne daß wir nötig haben, in das Eigentum einer anderen einzugreifen. Hier ist eine Stufenleiter derselben. Die Gattung ist Vorstellung überhaupt (repraesentatio). Unter ihr steht die Vorstellung mit Bewußtsein (perceptio). Eine Perzeption, die sich lediglich auf das Subjekt, als die Modifikation seines Zustandes bezieht, ist Empfindung (sensatio), eine objektive Perzeption ist Erkenntnis (cognitio). Diese ist entweder Anschauung oder Begriff (intuitus vel conceptus). Jene bezieht sich unmittelbar auf den Gegenstand und ist einzeln; dieser mittelbar, vermittelst eines Merkmals, was mehreren Dingen gemein sein kann. Der Begriff ist entweder ein empirischer oder reiner Begriff, und der reine Begriff, so fern er lediglich im Verstande seinen Ursprung hat (nicht im reinen Bilde der Sinnlichkeit), heißt Notio. Ein Begriff aus Notionen, der die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt, ist die Idee, oder der Vernunftbegriff. Dem, der sich einmal an diese Unterscheidung gewöhnt hat, muß es unerträglich fallen, die Vorstellung der roten Farbe Idee nennen zu hören. Sie ist nicht einmal Notion (Verstandesbegriff) zu nennen. | |
== Von den transzendentalen Ideen == | == Von den transzendentalen Ideen == | ||
− | Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft | + | '''Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft''' |
Des ersten Buchs der transzendentalen Dialektik zweiter Abschnitt | Des ersten Buchs der transzendentalen Dialektik zweiter Abschnitt | ||
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− | Nun geht der transzendentale Vernunftbegriff jederzeit nur auf die absolute Totalität in der Synthesis der Bedingungen, und endigt niemals, als bei dem schlechthin, d.i. in jeder Beziehung, Unbedingten. Denn die reine Vernunft überläßt alles dem Verstande, der sich zunächst auf die Gegenstände der Anschauung oder vielmehr deren Synthesis in der Einbildungskraft bezieht. Jene behält sich allein die absolute Totalität im Gebrauche der Verstandesbegriffe vor, und sucht die synthetische Einheit, welche in der Kategorie gedacht wird, bis zum Schlechthinunbedingten hinauszuführen. Man kann daher diese die Vernunfteinheit der Erscheinungen, so wie jene, welche die Kategorie ausdrückt, Verstandeseinheit nennen. So bezieht sich demnach die Vernunft nur auf den Verstandesgebrauch, und zwar nicht so fern dieser den Grund möglicher Erfahrung enthält (denn die absolute Totalität der Bedingungen ist kein in einer Erfahrung brauchbarer Begriff, weil keine Erfahrung [331] unbedingt ist), sondern um ihm die Richtung auf eine gewisse Einheit vorzuschreiben, von der der Verstand keinen Begriff hat, und die darauf hinaus geht, alle Verstandeshandlungen, in Ansehung eines jeden Gegenstandes, in ein absolutes Ganzes zusammen zu fassen. Daher ist der objektive Gebrauch der reinen Vernunftbegriffe jederzeit transzendent, indessen daß der von den reinen Verstandesbegriffen, seiner Natur nach, jederzeit immanent sein muß, indem er sich bloß auf mögliche Erfahrung einschränkt. | + | Nun geht der transzendentale Vernunftbegriff jederzeit nur auf die absolute <font color="purple">Totalität in der Synthesis der Bedingungen</font>, und endigt niemals, als bei dem schlechthin, d.i. in jeder Beziehung, Unbedingten. Denn die reine Vernunft überläßt alles dem Verstande, der sich zunächst auf die Gegenstände der Anschauung oder vielmehr deren Synthesis in der Einbildungskraft bezieht. Jene behält sich allein die absolute Totalität im Gebrauche der Verstandesbegriffe vor, und sucht die synthetische Einheit, welche in der Kategorie gedacht wird, bis zum Schlechthinunbedingten hinauszuführen. Man kann daher diese die <font color="purple">Vernunfteinheit der Erscheinungen, so wie jene, welche die Kategorie ausdrückt, Verstandeseinheit nennen</font>. So bezieht sich demnach die Vernunft nur auf den Verstandesgebrauch, und zwar nicht so fern dieser den Grund möglicher Erfahrung enthält (denn die absolute Totalität der Bedingungen ist kein in einer Erfahrung brauchbarer Begriff, weil keine Erfahrung [331] unbedingt ist), sondern <font color="purple">um ihm die Richtung auf eine gewisse Einheit vorzuschreiben, von der der Verstand keinen Begriff hat, und die darauf hinaus geht, alle Verstandeshandlungen, in Ansehung eines jeden Gegenstandes, in ein absolutes Ganzes zusammen zu fassen</font>. Daher ist der objektive Gebrauch der reinen Vernunftbegriffe jederzeit transzendent, indessen daß der von den reinen Verstandesbegriffen, seiner Natur nach, jederzeit immanent sein muß, indem er sich bloß auf mögliche Erfahrung einschränkt. |
− | Ich verstehe unter der Idee einen notwendigen Vernunftbegriff, dem kein kongruierender Gegenstand in den Sinnen gegeben werden kann. Also sind unsere jetzt erwogene reine Vernunftbegriffe transzendentale Ideen. Sie sind Begriffe der reinen Vernunft; denn sie betrachten alles Erfahrungserkenntnis als bestimmt durch eine absolute Totalität der Bedingungen. Sie sind nicht willkürlich erdichtet, sondern durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, und beziehen sich daher notwendiger Weise auf den ganzen Verstandesgebrauch. Sie sind endlich transzendent und übersteigen die Grenze aller Erfahrung, in welcher also niemals ein Gegenstand vorkommen kann, der der transzendentalen Idee adäquat wäre. Wenn man eine Idee nennt: so sagt man dem Objekt nach (als von einem Gegenstande des reinen Verstandes) sehr viel, dem Subjekte nach aber (d.i. in Ansehung seiner Wirklichkeit unter empirischer Bedingung) eben darum sehr wenig, weil sie, als der Begriff eines Maximum, in concreto niemals kongruent kann gegeben werden. Weil nun das letztere im bloß spekulativen Gebrauch der Vernunft eigentlich die ganze Absicht ist, und die Annäherung zu einem Begriffe, der aber in der Ausübung doch niemals erreicht wird, eben so viel ist, als ob der Begriff ganz und gar verfehlet würde: so heißt es von einem dergleichen Begriffe: er ist nur eine Idee. So würde man sagen können: das absolute Ganze aller Erscheinungen ist nur eine Idee, denn, da wir dergleichen niemals im Bilde entwerfen können, so bleibt es ein Problem ohne alle Auflösung. Dagegen, weil es im praktischen Gebrauch des Verstandes ganz allein um die Ausübung nach Regeln zu tun [332] ist, so kann die Idee der praktischen Vernunft jederzeit wirklich, ob zwar nur zum Teil, in concreto gegeben werden, ja sie ist die unentbehrliche Bedingung jedes praktischen Gebrauchs der Vernunft. Ihre Ausübung ist jederzeit begrenzt und mangelhaft, aber unter nicht bestimmbaren Grenzen, also jederzeit unter dem Einflusse des Begriffs einer absoluten Vollständigkeit. Demnach ist die praktische Idee jederzeit höchst fruchtbar und in Ansehung der wirklichen Handlungen unumgänglich notwendig. In ihr hat die reine Vernunft sogar Kausalität, das wirklich hervorzubringen, was ihr Begriff enthält; daher kann man von der Weisheit nicht gleichsam geringschätzig sagen: sie ist nur eine Idee; sondern eben darum, weil sie die Idee von der notwendigen Einheit aller möglichen Zwecke ist, so muß sie allem Praktischen als ursprüngliche, zum wenigsten einschränkende, Bedingung zur Regel dienen. | + | <font color="purple">Ich verstehe unter der Idee einen notwendigen Vernunftbegriff, dem kein kongruierender Gegenstand in den Sinnen gegeben werden kann.</font> Also sind unsere jetzt erwogene reine Vernunftbegriffe transzendentale Ideen. Sie sind Begriffe der reinen Vernunft; denn sie betrachten alles Erfahrungserkenntnis als bestimmt durch eine absolute Totalität der Bedingungen. Sie sind nicht willkürlich erdichtet, sondern durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, und beziehen sich daher notwendiger Weise auf den ganzen Verstandesgebrauch. Sie sind endlich transzendent und übersteigen die Grenze aller Erfahrung, in welcher also niemals ein Gegenstand vorkommen kann, der der transzendentalen Idee adäquat wäre. Wenn man eine Idee nennt: so sagt man dem Objekt nach (als von einem Gegenstande des reinen Verstandes) sehr viel, dem Subjekte nach aber (d.i. in Ansehung seiner Wirklichkeit unter empirischer Bedingung) eben darum sehr wenig, weil sie, als der Begriff eines Maximum, in concreto niemals kongruent kann gegeben werden. Weil nun das letztere im bloß spekulativen Gebrauch der Vernunft eigentlich die ganze Absicht ist, und die Annäherung zu einem Begriffe, der aber in der Ausübung doch niemals erreicht wird, eben so viel ist, als ob der Begriff ganz und gar verfehlet würde: so heißt es von einem dergleichen Begriffe: er ist nur eine Idee. So würde man sagen können: das absolute Ganze aller Erscheinungen ist nur eine Idee, denn, da wir dergleichen niemals im Bilde entwerfen können, so bleibt es ein Problem ohne alle Auflösung. Dagegen, weil es im praktischen Gebrauch des Verstandes ganz allein um die Ausübung nach Regeln zu tun [332] ist, so kann die Idee der praktischen Vernunft jederzeit wirklich, ob zwar nur zum Teil, in concreto gegeben werden, ja sie ist die unentbehrliche Bedingung jedes praktischen Gebrauchs der Vernunft. Ihre Ausübung ist jederzeit begrenzt und mangelhaft, aber unter nicht bestimmbaren Grenzen, also jederzeit unter dem Einflusse des Begriffs einer absoluten Vollständigkeit. Demnach ist die praktische Idee jederzeit höchst fruchtbar und in Ansehung der wirklichen Handlungen unumgänglich notwendig. In ihr hat die reine Vernunft sogar Kausalität, das wirklich hervorzubringen, was ihr Begriff enthält; daher kann man von der Weisheit nicht gleichsam geringschätzig sagen: sie ist nur eine Idee; sondern eben darum, weil sie die Idee von der notwendigen Einheit aller möglichen Zwecke ist, so muß sie allem Praktischen als ursprüngliche, zum wenigsten einschränkende, Bedingung zur Regel dienen. |
== Was ist ein Buch? == | == Was ist ein Buch? == | ||
− | Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten § 31/II | + | '''Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten § 31/II''' |
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Der Büchernachdruck ist von Rechtswegen verboten | Der Büchernachdruck ist von Rechtswegen verboten | ||
− | Schrift ist nicht unmittelbar Bezeichnung eines Begriffs (wie etwa ein Kupferstich, der als Porträt, oder ein Gipsabguß, der als die Büste eine bestimmte Person vorstellt) sondern eine Rede ans Publikum, d.i. der Schriftsteller spricht durch den Verleger öffentlich. – Dieser aber, nämlich der Verleger, spricht (durch seinen Werkmeister, operarius, den Drucker) nicht in seinem eigenen Namen (denn sonst würde er sich für den Autor ausgeben), sondern im Namen des Schriftstellers, wozu er also nur durch eine ihm von dem letzteren erteilte Vollmacht (mandatum) berechtigt ist. – Nun spricht der Nachdrucker durch seinen eigenmächtigen Verlag zwar auch im Namen des Schriftstellers, aber ohne dazu Vollmacht von demselben zu haben (gerit se mandatarium absque mandato); folglich begeht er an dem von dem Autor bestellten (mithin einzig rechtmäßigen) [405] Verleger ein Verbrechen der Entwendung des Vorteils, den der letztere aus dem Gebrauch seines | + | Schrift ist nicht unmittelbar Bezeichnung eines Begriffs (wie etwa ein Kupferstich, der als Porträt, oder ein Gipsabguß, der als die Büste eine bestimmte Person vorstellt) sondern eine Rede ans Publikum, d.i. der Schriftsteller spricht durch den Verleger öffentlich. – Dieser aber, nämlich der Verleger, spricht (durch seinen Werkmeister, operarius, den Drucker) nicht in seinem eigenen Namen (denn sonst würde er sich für den Autor ausgeben), sondern im Namen des Schriftstellers, wozu er also nur durch eine ihm von dem letzteren erteilte Vollmacht (mandatum) berechtigt ist. – Nun spricht der Nachdrucker durch seinen eigenmächtigen Verlag zwar auch im Namen des Schriftstellers, aber ohne dazu Vollmacht von demselben zu haben (gerit se mandatarium absque mandato); folglich begeht er an dem von dem Autor bestellten (mithin einzig rechtmäßigen) [405] Verleger ein Verbrechen der Entwendung des Vorteils, den der letztere aus dem Gebrauch seines Rechts ziehen konnte und wollte (furtum usus); also ist der Büchernachdruck von rechtswegen verboten. |
Die Ursache des rechtlichen Anscheins einer gleichwohl beim ersten Anblick so stark auffallenden Ungerechtigkeit, als der Büchernachdruck ist, liegt darin: daß das Buch einerseits ein körperliches Kunstprodukt (opus mechanicum) ist, was nachgemacht werden kann (von dem, der sich im rechtmäßigen Besitz eines Exemplars desselben befindet), mithin daran ein Sachenrecht statthat; andrerseits aber ist das Buch auch bloße Rede des Verlegers ans Publikum, die dieser, ohne dazu Vollmacht vom Verfasser zu haben, öffentlich nicht nachsprechen darf (praestatio operae), ein persönliches Recht, und nun besteht der Irrtum darin, daß beides mit einander verwechselt wird. | Die Ursache des rechtlichen Anscheins einer gleichwohl beim ersten Anblick so stark auffallenden Ungerechtigkeit, als der Büchernachdruck ist, liegt darin: daß das Buch einerseits ein körperliches Kunstprodukt (opus mechanicum) ist, was nachgemacht werden kann (von dem, der sich im rechtmäßigen Besitz eines Exemplars desselben befindet), mithin daran ein Sachenrecht statthat; andrerseits aber ist das Buch auch bloße Rede des Verlegers ans Publikum, die dieser, ohne dazu Vollmacht vom Verfasser zu haben, öffentlich nicht nachsprechen darf (praestatio operae), ein persönliches Recht, und nun besteht der Irrtum darin, daß beides mit einander verwechselt wird. | ||
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== Die Idee == | == Die Idee == | ||
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Zweiter Teil: Die subjektive Logik oder die Lehre vom Begriff | Zweiter Teil: Die subjektive Logik oder die Lehre vom Begriff | ||
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Dritter Abschnitt | Dritter Abschnitt | ||
− | Die Idee ist der adäquate Begriff, das objektive Wahre oder das Wahre als solches. Wenn irgend etwas Wahrheit hat, hat es sie durch seine Idee, oder etwas hat nur Wahrheit, insofern es Idee ist. – Der Ausdruck Idee ist sonst oft in der Philosophie, wie im gemeinen Leben, auch für Begriff, ja gar für eine bloße Vorstellung gebraucht worden; »ich habe noch keine Idee von diesem Rechtshandel, Gebäude, Gegend«, will weiter nichts ausdrücken als die Vorstellung. Kant hat den Ausdruck Idee wieder dem Vernunftbegriff vindiziert. – Der Vernunftbegriff soll nun nach Kant der Begriff vom Unbedingten, in Ansehung der Erscheinungen aber transzendent sein, d.h. von ihm kein ihm adäquater empirischer Gebrauch gemacht werden können. Die Vernunftbegriffe sollen zum Begreifen, die Verstandesbegriffe zum Verstehen der Wahrnehmungen dienen. – In der Tat aber, wenn die letzteren wirklich Begriffe sind, so sind sie Begriffe, – es wird durch sie begriffen, und ein Verstehen der Wahrnehmungen durch Verstandesbegriffe wird ein Begreifen sein. Ist aber das Verstehen nur ein Bestimmen der Wahrnehmungen durch solche Bestimmungen, z.B. Ganzes und Teile, Kraft, Ursache und dergleichen, so bedeutet es nur ein Bestimmen durch die Reflexion, so wie auch mit dem Verstehen nur das bestimmte Vorstellen von ganz bestimmtem sinnlichen Inhalte gemeint sein kann; wie wenn einer, dem man den Weg bezeichnet, daß er am Ende des Waldes links gehen müsse, etwa erwidert: »ich verstehe«, so will das Verstehen weiter nichts sagen als das Fassen in die Vorstellung und ins Gedächtnis. – Auch Vernunftbegriff ist ein etwas ungeschickter Ausdruck; denn der Begriff ist überhaupt etwas Vernünftiges; und insofern die Vernunft vom Verstande und dem Begriff als solchem unterschieden wird, so ist sie die Totalität des Begriffs und der Objektivität. – In [463] diesem Sinne ist die Idee das Vernünftige; – sie ist das Unbedingte darum, weil nur dasjenige Bedingungen hat, was sich wesentlich auf eine Objektivität bezieht, aber eine nicht durch es selbst bestimmte, sondern eine solche, die noch in der Form der Gleichgültigkeit und Äußerlichkeit dagegen ist, wie noch der äußerliche Zweck hatte. | + | <font color="purple">Die Idee ist der adäquate Begriff, das objektive Wahre oder das Wahre als solches. Wenn irgend etwas Wahrheit hat, hat es sie durch seine Idee, oder etwas hat nur Wahrheit, insofern es Idee ist.</font> – Der Ausdruck Idee ist sonst oft in der Philosophie, wie im gemeinen Leben, auch für Begriff, ja gar für eine bloße Vorstellung gebraucht worden; »ich habe noch keine Idee von diesem Rechtshandel, Gebäude, Gegend«, will weiter nichts ausdrücken als die Vorstellung. Kant hat den Ausdruck Idee wieder dem Vernunftbegriff vindiziert. – Der Vernunftbegriff soll nun nach Kant der Begriff vom Unbedingten, in Ansehung der Erscheinungen aber transzendent sein, d.h. von ihm kein ihm adäquater empirischer Gebrauch gemacht werden können. Die Vernunftbegriffe sollen zum Begreifen, die Verstandesbegriffe zum Verstehen der Wahrnehmungen dienen. – In der Tat aber, wenn die letzteren wirklich Begriffe sind, so sind sie Begriffe, – es wird durch sie begriffen, und ein Verstehen der Wahrnehmungen durch Verstandesbegriffe wird ein Begreifen sein. Ist aber das Verstehen nur ein Bestimmen der Wahrnehmungen durch solche Bestimmungen, z.B. Ganzes und Teile, Kraft, Ursache und dergleichen, so bedeutet es nur ein Bestimmen durch die Reflexion, so wie auch mit dem Verstehen nur das bestimmte Vorstellen von ganz bestimmtem sinnlichen Inhalte gemeint sein kann; wie wenn einer, dem man den Weg bezeichnet, daß er am Ende des Waldes links gehen müsse, etwa erwidert: »ich verstehe«, so will das Verstehen weiter nichts sagen als das Fassen in die Vorstellung und ins Gedächtnis. – Auch Vernunftbegriff ist ein etwas ungeschickter Ausdruck; denn der Begriff ist überhaupt etwas Vernünftiges; und insofern die Vernunft vom Verstande und dem Begriff als solchem unterschieden wird, so ist sie die Totalität des Begriffs und der Objektivität. – In [463] diesem Sinne ist die Idee das Vernünftige; – sie ist das Unbedingte darum, weil nur dasjenige Bedingungen hat, was sich wesentlich auf eine Objektivität bezieht, aber eine nicht durch es selbst bestimmte, sondern eine solche, die noch in der Form der Gleichgültigkeit und Äußerlichkeit dagegen ist, wie noch der äußerliche Zweck hatte. |
Indem nun der Ausdruck Idee für den objektiven oder realen Begriff zurückbehalten und von dem Begriff selbst, noch mehr aber von der bloßen Vorstellung unterschieden wird, so ist ferner noch mehr diejenige Schätzung der Idee zu verwerfen, nach welcher sie für etwas nur Unwirkliches genommen und von wahren Gedanken gesagt wird, es seien nur Ideen. Wenn die Gedanken etwas bloß Subjektives und Zufälliges sind, so haben sie allerdings keinen weiteren Wert, aber sie stehen den zeitlichen und zufälligen Wirklichkeiten darin nicht nach, welche ebenfalls keinen weiteren Wert als den von Zufälligkeiten und Erscheinungen haben. Wenn dagegen umgekehrt die Idee darum den Wert der Wahrheit nicht haben soll, weil sie in Ansehung der Erscheinungen transzendent [ist], weil ihr kein kongruierender Gegenstand in der Sinnenwelt gegeben werden könne, so ist dies ein sonderbarer Mißverstand, indem der Idee deswegen objektive Gültigkeit abgesprochen wird, weil ihr dasjenige fehle, was die Erscheinung, das unwahre Sein der objektiven Welt ausmacht. In Ansehung der praktischen Ideen erkennt es Kant, daß ›nichts Schädlicheres und eines Philosophen Unwürdigeres gefunden werden könne als die pöbelhafte Berufung auf vorgeblich gegen die Idee widerstreitende Erfahrung; diese würde selbst gar nicht existieren, wenn z.B. Staatsanstalten zu rechter Zeit nach den Ideen getroffen wären und an deren Statt nicht rohe Begriffe, eben darum, weil sie aus Erfahrung geschöpft worden, alle gute Absicht vereitelt hätten.‹ Kant sieht die Idee als etwas Notwendiges, als das Ziel an, das als das Urbild für ein [464] Maximum aufzustellen und dem den Zustand der Wirklichkeit immer näherzubringen das Bestreben sein müsse. | Indem nun der Ausdruck Idee für den objektiven oder realen Begriff zurückbehalten und von dem Begriff selbst, noch mehr aber von der bloßen Vorstellung unterschieden wird, so ist ferner noch mehr diejenige Schätzung der Idee zu verwerfen, nach welcher sie für etwas nur Unwirkliches genommen und von wahren Gedanken gesagt wird, es seien nur Ideen. Wenn die Gedanken etwas bloß Subjektives und Zufälliges sind, so haben sie allerdings keinen weiteren Wert, aber sie stehen den zeitlichen und zufälligen Wirklichkeiten darin nicht nach, welche ebenfalls keinen weiteren Wert als den von Zufälligkeiten und Erscheinungen haben. Wenn dagegen umgekehrt die Idee darum den Wert der Wahrheit nicht haben soll, weil sie in Ansehung der Erscheinungen transzendent [ist], weil ihr kein kongruierender Gegenstand in der Sinnenwelt gegeben werden könne, so ist dies ein sonderbarer Mißverstand, indem der Idee deswegen objektive Gültigkeit abgesprochen wird, weil ihr dasjenige fehle, was die Erscheinung, das unwahre Sein der objektiven Welt ausmacht. In Ansehung der praktischen Ideen erkennt es Kant, daß ›nichts Schädlicheres und eines Philosophen Unwürdigeres gefunden werden könne als die pöbelhafte Berufung auf vorgeblich gegen die Idee widerstreitende Erfahrung; diese würde selbst gar nicht existieren, wenn z.B. Staatsanstalten zu rechter Zeit nach den Ideen getroffen wären und an deren Statt nicht rohe Begriffe, eben darum, weil sie aus Erfahrung geschöpft worden, alle gute Absicht vereitelt hätten.‹ Kant sieht die Idee als etwas Notwendiges, als das Ziel an, das als das Urbild für ein [464] Maximum aufzustellen und dem den Zustand der Wirklichkeit immer näherzubringen das Bestreben sein müsse. | ||
− | Indem sich aber das Resultat ergeben hat, daß die Idee die Einheit des Begriffs und der Objektivität, das Wahre ist, so ist sie nicht nur als ein Ziel zu betrachten, dem sich anzunähern sei, das aber selbst immer eine Art von Jenseits bleibe, sondern daß alles Wirkliche nur insofern ist, als es die Idee in sich hat und sie ausdrückt. Der Gegenstand, die objektive und subjektive Welt überhaupt sollen mit der Idee nicht bloß kongruieren, sondern sie sind selbst die Kongruenz des Begriffs und der Realität; diejenige Realität, welche dem Begriffe nicht entspricht, ist bloße Erscheinung, das Subjektive, Zufällige, Willkürliche, das nicht die Wahrheit ist. Wenn gesagt wird, es finde sich in der Erfahrung kein Gegenstand, welcher der Idee vollkommen kongruiere, so wird diese als ein subjektiver Maßstab dem Wirklichen gegenübergestellt; was aber ein Wirkliches wahrhaft sein solle, wenn nicht sein Begriff in ihm und [wenn] seine Objektivität diesem Begriffe gar nicht angemessen ist, ist nicht zu sagen; denn es wäre das Nichts. Das mechanische und chemische Objekt wie das geistlose Subjekt und der nur des Endlichen, nicht seines Wesens bewußte Geist haben zwar, nach ihrer verschiedenen Natur, ihren Begriff nicht in seiner eigenen freien Form an ihnen existierend. Aber sie können überhaupt nur insofern etwas Wahres sein, als sie die Vereinigung ihres Begriffs und der Realität, ihrer Seele und ihres Leibes sind. Ganze, wie der Staat, die Kirche, wenn die Einheit ihres Begriffs und ihrer Realität aufgelöst ist, hören auf zu existieren; der Mensch, das Lebendige ist tot, wenn Seele und Leib sich in ihm trennen; die tote Natur, die mechanische und chemische Welt – wenn nämlich das Tote für die unorganische Welt genommen wird, sonst hätte es gar keine positive Bedeutung –, die tote Natur also, wenn sie in ihren Begriff und ihre Realität geschieden wird, ist nichts als die subjektive Abstraktion einer gedachten Form und einer formlosen Materie. Der Geist, der nicht Idee, [465] Einheit des Begriffs selbst mit sich, – der Begriff [wäre], der den Begriff selbst zu seiner Realität hätte, wäre der tote, geistlose Geist, ein materielles Objekt. | + | Indem sich aber das Resultat ergeben hat, daß die Idee die Einheit des Begriffs und der Objektivität, das Wahre ist, so ist sie <font color="purple">nicht nur als ein Ziel zu betrachten, dem sich anzunähern sei, das aber selbst immer eine Art von Jenseits bleibe, sondern daß alles Wirkliche nur insofern ist, als es die Idee in sich hat und sie ausdrückt. Der Gegenstand, die objektive und subjektive Welt überhaupt sollen mit der Idee nicht bloß kongruieren, sondern sie sind selbst die Kongruenz des Begriffs und der Realität; diejenige Realität, welche dem Begriffe nicht entspricht, ist bloße Erscheinung, das Subjektive, Zufällige, Willkürliche, das nicht die Wahrheit ist.</font> Wenn gesagt wird, es finde sich in der Erfahrung kein Gegenstand, welcher der Idee vollkommen kongruiere, so wird diese als ein subjektiver Maßstab dem Wirklichen gegenübergestellt; was aber ein Wirkliches wahrhaft sein solle, wenn nicht sein Begriff in ihm und [wenn] seine Objektivität diesem Begriffe gar nicht angemessen ist, ist nicht zu sagen; denn es wäre das Nichts. Das mechanische und chemische Objekt wie das geistlose Subjekt und der nur des Endlichen, nicht seines Wesens bewußte Geist haben zwar, nach ihrer verschiedenen Natur, ihren Begriff nicht in seiner eigenen freien Form an ihnen existierend. <font color="purple">Aber sie können überhaupt nur insofern etwas Wahres sein, als sie die Vereinigung ihres Begriffs und der Realität, ihrer Seele und ihres Leibes sind.</font> Ganze, wie der Staat, die Kirche, wenn die Einheit ihres Begriffs und ihrer Realität aufgelöst ist, hören auf zu existieren; der Mensch, das Lebendige ist tot, wenn Seele und Leib sich in ihm trennen; die tote Natur, die mechanische und chemische Welt – wenn nämlich das Tote für die unorganische Welt genommen wird, sonst hätte es gar keine positive Bedeutung –, die tote Natur also, wenn sie in ihren Begriff und ihre Realität geschieden wird, ist nichts als die subjektive Abstraktion einer gedachten Form und einer formlosen Materie. <font color="purple">Der Geist, der nicht Idee, [465] Einheit des Begriffs selbst mit sich, – der Begriff [wäre], der den Begriff selbst zu seiner Realität hätte, wäre der tote, geistlose Geist, ein materielles Objekt.</font> |
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− | + | == Das Eigentümliche an der geistigen Produktion == | |
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+ | '''G.F.W. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts''' | ||
− | + | § 41 | |
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+ | Die Person muß sich eine äußere Sphäre ihrer Freiheit geben, um als Idee zu sein. Weil die Person der an und für sich seiende unendliche Wille in dieser ersten, noch ganz abstrakten Bestimmung ist, so ist dies von ihm Unterschiedene, was die Sphäre seiner Freiheit ausmachen kann, gleichfalls als das von ihm unmittelbar Verschiedene und Trennbare bestimmt. | ||
− | + | § 42 | |
− | + | Das von dem freien Geiste unmittelbar Verschiedene ist für ihn und an sich das Äußerliche überhaupt – eine Sache, ein Unfreies, Unpersönliches und Rechtloses. | |
− | + | Sache hat wie das Objektive die entgegengesetzten Bedeutungen; das eine Mal, wenn man sagt: das ist die Sache, es kommt auf die Sache, nicht auf die Person an, die Bedeutung des Substantiellen, das andere Mal, gegen die Person (nämlich nicht das besondere Subjekt), ist die Sache das Gegenteil des Substantiellen, das seiner Bestimmung nach nur Äußerliche. – Was für den freien Geist, der vom bloßen Bewußtsein wohl unterschieden werden muß, das Äußerliche ist, ist es an und für sich; darum ist die Begriffsbestimmung der Natur dies, das Äußerliche an ihr selbst zu sein. | |
− | + | § 43 | |
+ | Die Person hat als der unmittelbare Begriff und damit auch [als] wesentlich einzelne eine natürliche Existenz, teils an ihr selbst, teils als eine solche, zu der sie als einer Außenwelt sich verhält. – Nur von diesen Sachen, als die es unmittelbar, nicht von Bestimmungen, die es durch die Vermittlung des Willens zu werden fähig sind, ist hier bei der Person, die selbst noch in ihrer ersten Unmittelbarkeit ist, die Rede. | ||
− | == | + | <font color="purple">Geistige Geschicklichkeiten</font>, Wissenschaften, Künste, selbst Religiöses (Predigten, Messen, Gebete, Segen in geweihten Dingen), Erfindungen usf. <font color="purple">werden Gegenstände des Vertrags, anerkannten Sachen in Weise des Kaufens, Verkaufens usf. gleichgesetzt</font>. Man kann fragen, ob der Künstler, der Gelehrte usf. im juristischen Besitze seiner Kunst, Wissenschaft, seiner Fähigkeit, eine Predigt zu halten, Messe zu lesen usw. sei, d. i. ob dergleichen Gegenstände Sachen seien. <font color="purple">Man wird Anstand nehmen, solche Geschicklichkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten usf. Sachen zu nennen; da über dergleichen Besitz einerseits als über Sachen verhandelt und kontrahiert wird, er andererseits aber ein Inneres und Geistiges ist, kann der Verstand über die juristische Qualifikation desselben in Verlegenheit sein, da ihm nur der Gegensatz: daß etwas entweder Sache oder Nicht-Sache (wie das Entweder unendlich, Oder endlich), vorschwebt.</font> |
− | + | Kenntnisse, Wissenschaften, Talente usf. sind freilich dem freien Geiste eigen und ein Innerliches desselben, nicht ein Äußerliches, aber ebensosehr kann er ihnen durch die Äußerung ein äußerliches Dasein geben und sie veräußern (s. unten), wodurch sie unter die Bestimmung von Sachen gesetzt werden. Sie sind also nicht zuerst ein Unmittelbares, sondern werden es erst durch die Vermittlung des Geistes, der sein Inneres [105] zur Unmittelbarkeit und Äußerlichkeit herabsetzt. – Nach der unrechtlichen und unsittlichen Bestimmung des römischen Rechts waren die Kinder Sachen für den Vater und dieser hiermit im juristischen Besitze seiner Kinder, und doch wohl stand er auch im sittlichen Verhältnisse der Liebe zu ihnen (das freilich durch jenes Unrecht sehr geschwächt werden mußte). Es fand darin also eine, aber ganz unrechtliche Vereinigung der beiden Bestimmungen von Sache und Nicht-Sache statt. – Im abstrakten Rechte, das nur die Person als solche, somit auch das Besondere, was zum Dasein und Sphäre ihrer Freiheit gehört, nur insofern zum Gegenstande hat, als es als ein von ihr Trennbares und unmittelbar Verschiedenes ist – dies mache seine wesentliche Bestimmung aus, oder es könne sie nur erst vermittels des subjektiven Willens erhalten –, kommen geistige Geschicklichkeiten, Wissenschaften usf. allein nach ihrem juristischen Besitze in Betracht; der Besitz des Körpers und des Geistes, der durch Bildung, Studium, Gewöhnung usf. erworben wird und als ein inneres Eigentum des Geistes ist, ist hier nicht abzuhandeln. Von dem Übergange aber eines solchen geistigen Eigentums in die Äußerlichkeit, in welcher es unter die Bestimmung eines juristisch-rechtlichen Eigentums fällt, ist erst bei der Veräußerung zu sprechen. | |
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+ | ... | ||
§ 68 | § 68 | ||
− | Das Eigentümliche an der geistigen Produktion kann durch die Art und Weise der Äußerung unmittelbar in solche Äußerlichkeit einer Sache umschlagen, die nun ebenso von anderen produziert werden kann; so daß mit deren Erwerb der nunmehrige Eigentümer, außerdem daß er damit sich die mitgeteilten Gedanken oder die technische Erfindung zu eigen machen kann, welche Möglichkeit zum Teil (bei schriftstellerischen Werken) die einzige Bestimmung und den Wert des Erwerbs ausmacht, zugleich in den Besitz der allgemeinen Art und Weise, sich so zu äußern und solche Sachen vielfältig hervorzubringen, kommt. | + | Das Eigentümliche an der geistigen Produktion kann durch die Art und Weise der Äußerung unmittelbar in solche Äußerlichkeit einer Sache umschlagen, die nun ebenso von anderen produziert werden kann; so daß mit deren Erwerb der nunmehrige Eigentümer, außerdem daß er damit sich die mitgeteilten Gedanken oder die technische Erfindung zu eigen machen kann, welche Möglichkeit zum Teil (bei schriftstellerischen Werken) die einzige Bestimmung und den Wert des Erwerbs ausmacht, <font color="purple">zugleich in den Besitz der allgemeinen Art und Weise, sich so zu äußern und solche Sachen vielfältig hervorzubringen, kommt</font>. |
Bei Kunstwerken ist die den Gedanken in einem äußerlichen Material verbildlichende Form als Ding so sehr das Eigentümliche des produzierenden Individuums, daß ein Nachmachen derselben wesentlich das Produkt der eigenen [146] geistigen und technischen Geschicklichkeit ist. Bei einem schriftstellerischen Werke ist die Form, wodurch es eine äußerliche Sache ist, so wie bei der Erfindung einer technischen Vorrichtung, mechanischer Art – dort, weil der Gedanke nur in einer Reihe vereinzelter abstrakter Zeichen, nicht in konkreter Bildnerei dargestellt wird, hier, weil er überhaupt einen mechanischen Inhalt hat –, und die Art und Weise, solche Sachen als Sachen zu produzieren, gehört unter die gewöhnlichen Fertigkeiten. – Zwischen den Extremen des Kunstwerks und der handwerksmäßigen Produktion gibt es übrigens Übergänge, die bald mehr, bald weniger von dem einen oder dem anderen an sich haben. | Bei Kunstwerken ist die den Gedanken in einem äußerlichen Material verbildlichende Form als Ding so sehr das Eigentümliche des produzierenden Individuums, daß ein Nachmachen derselben wesentlich das Produkt der eigenen [146] geistigen und technischen Geschicklichkeit ist. Bei einem schriftstellerischen Werke ist die Form, wodurch es eine äußerliche Sache ist, so wie bei der Erfindung einer technischen Vorrichtung, mechanischer Art – dort, weil der Gedanke nur in einer Reihe vereinzelter abstrakter Zeichen, nicht in konkreter Bildnerei dargestellt wird, hier, weil er überhaupt einen mechanischen Inhalt hat –, und die Art und Weise, solche Sachen als Sachen zu produzieren, gehört unter die gewöhnlichen Fertigkeiten. – Zwischen den Extremen des Kunstwerks und der handwerksmäßigen Produktion gibt es übrigens Übergänge, die bald mehr, bald weniger von dem einen oder dem anderen an sich haben. | ||
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Indem der Erwerber eines solchen Produkts an dem Exemplar als einzelnem den vollen Gebrauch und Wert desselben besitzt, so ist er vollkommener und freier Eigentümer desselben als eines einzelnen, obgleich der Verfasser der Schrift [147] oder der Erfinder der technischen Vorrichtung Eigentümer der allgemeinen Art und Weise bleibt, dergleichen Produkte und Sachen zu vervielfältigen, als welche allgemeine Art und Weise er nicht unmittelbar veräußert hat, sondern sich dieselbe als eigentümliche Äußerung vorbehalten kann. | Indem der Erwerber eines solchen Produkts an dem Exemplar als einzelnem den vollen Gebrauch und Wert desselben besitzt, so ist er vollkommener und freier Eigentümer desselben als eines einzelnen, obgleich der Verfasser der Schrift [147] oder der Erfinder der technischen Vorrichtung Eigentümer der allgemeinen Art und Weise bleibt, dergleichen Produkte und Sachen zu vervielfältigen, als welche allgemeine Art und Weise er nicht unmittelbar veräußert hat, sondern sich dieselbe als eigentümliche Äußerung vorbehalten kann. | ||
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+ | [[Kategorie:Eine Idee haben]] |
Aktuelle Version vom 28. Mai 2010, 08:45 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Anschauungsbeispiel
Das Spektakel und die Struktur
Von den Ideen überhaupt
Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft
Des ersten Buchs der transzendentalen Dialektik erster Abschnitt
...
Plato bediente sich des Ausdrucks Idee so, daß man wohl sieht, er habe darunter etwas verstanden, was nicht allein niemals von den Sinnen entlehnt wird, sondern welches [322] so gar die Begriffe des Verstandes, mit denen sich Aristoteles beschäftigte, weit übersteigt, indem in der Erfahrung niemals etwas damit Kongruierendes angetroffen wird. Die Ideen sind bei ihm Urbilder der Dinge selbst, und nicht bloß Schlüssel zu möglichen Erfahrungen, wie die Kategorien. Nach seiner Meinung flossen sie aus der höchsten Vernunft aus, von da sie der menschlichen zu Teil geworden, die sich aber jetzt nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustande befindet, sondern mit Mühe die alten, jetzt sehr verdunkelten, Ideen durch Erinnerung (die Philosophie heißt) zurückrufen muß. Ich will mich hier in keine literarische Untersuchung einlassen, um den Sinn auszumachen, den der erhabene Philosoph mit seinem Ausdrucke verband. Ich merke nur an, daß es gar nichts Ungewöhnliches sei, sowohl im gemeinen Gespräche, als in Schriften, durch die Vergleichung der Gedanken, welche ein Verfasser über seinen Gegenstand äußert, ihn so gar besser zu verstehen, als er sich selbst verstand, indem er seinen Begriff nicht genugsam bestimmte, und dadurch bisweilen seiner eigenen Absicht entgegenredete, oder auch dachte.
Plato bemerkte sehr wohl, daß unsere Erkenntniskraft ein weit höheres Bedürfnis fühle, als bloß Erscheinungen nach synthetischer Einheit buchstabieren, um sie als Erfahrung lesen zu können, und daß unsere Vernunft natürlicher Weise sich zu Erkenntnissen aufschwinge, die viel weiter gehen, als daß irgend ein Gegenstand, den Erfahrung geben kann jemals mit ihnen kongruieren könne, die aber nichtsdestoweniger ihre Realität haben und keinesweges bloße Hirngespinste sein.
Plato fand seine Ideen vorzüglich in allem was praktisch ist, d.i. auf Freiheit beruht, welche ihrerseits unter Erkenntnissen [323] steht, die ein eigentümliches Produkt der Vernunft sind. Wer die Begriffe der Tugend aus Erfahrung schöpfen wollte, wer das, was nur allenfalls als Beispiel zur unvollkommenen Erläuterung dienen kann, als Muster zum Erkenntnisquell machen wollte (wie es wirklich viele getan haben), der würde aus der Tugend ein nach Zeit und Umständen wandelbares, zu keiner Regel brauchbares zweideutiges Unding machen. Dagegen wird ein jeder inne, daß, wenn ihm jemand als Muster der Tugend vorgestellt wird, er doch immer das wahre Original bloß in seinem eigenen Kopfe habe, womit er dieses angebliche Muster vergleicht, und es bloß darnach schätzt. Dieses ist aber die Idee der Tugend, in Ansehung deren alle mögliche Gegenstände der Erfahrung zwar als Beispiele (Beweise der Tunlichkeit desjenigen im gewissen Grade, was der Begriff der Vernunft heischt), aber nicht als Urbilder Dienste tun. Daß niemals ein Mensch demjenigen adäquat handeln werde, was die reine Idee der Tugend enthält, beweiset gar nicht etwas Chimärisches in diesem Gedanken. Denn es ist gleichwohl alles Urteil, über den moralischen Wert oder Unwert, nur vermittelst dieser Idee möglich; mithin liegt sie jeder Annäherung zur moralischen Vollkommenheit notwendig zum Grunde, so weit auch die ihrem Grade nach nicht zu bestimmende Hindernisse in der menschlichen Natur uns davon entfernt halten mögen.
...
Aber nicht bloß in demjenigen, wobei die menschliche Vernunft wahrhafte Kausalität zeigt, und wo Ideen wirkende Ursachen (der Handlungen und ihrer Gegenstände) werden, nämlich im Sittlichen, sondern auch in Ansehung der Natur selbst, sieht Plato mit Recht deutliche Beweise [325] ihres Ursprungs aus Ideen. Ein Gewächs, ein Tier, die regelmäßige Anordnung des Weltbaues (vermutlich also auch die ganze Naturordnung) zeigen deutlich, daß sie nur nach Ideen möglich sein; daß zwar kein einzelnes Geschöpf, unter den einzelnen Bedingungen seines Daseins, mit der Idee des Vollkommensten seiner Art kongruiere (so wenig wie der Mensch mit der Idee der Menschheit, die er sogar selbst als das Urbild seiner Handlungen in seiner Seele trägt), daß gleichwohl jene Ideen im höchsten Verstande einzeln, unveränderlich, durchgängig bestimmt, und die ursprünglichen Ursachen der Dinge sind, und nur das Ganze ihrer Verbindung im Weltall einzig und allein jener Idee völlig adäquat sei. Wenn man das Übertriebene des Ausdrucks absondert, so ist der Geistesschwung des Philosophen, von der kopeilichen Betrachtung des Physischen der Weltordnung zu der architektonischen Verknüpfung derselben nach Zwecken, d.i. nach Ideen, hinaufzusteigen, eine Bemühung, die Achtung und Nachfolge verdient; ...
...
Der transzendentale Gebrauch der reinen Vernunft, ihre Prinzipien und Ideen, sind es also, welche genau zu kennen uns jetzt obliegt, um den Einfluß der reinen Vernunft und den Wert derselben gehörig bestimmen und schätzen zu können. Doch, ehe ich diese vorläufige Einleitung bei Seite lege, ersuche ich diejenige, denen Philosophie am Herzen liegt (welches mehr gesagt ist, als man gemeiniglich antrifft), wenn sie sich durch dieses und das Nachfolgende überzeugt finden sollten, den Ausdruck Idee seiner ursprünglichen Bedeutung nach in Schutz zu nehmen, damit er nicht fernerhin unter die übrigen Ausdrücke, womit gewöhnlich allerlei Vorstellungsarten in sorgloser Unordnung bezeichnet werden, gerate, und die Wissenschaft dabei einbüße. Fehlt es uns doch nicht an Benennungen, die jeder Vorstellungsart gehörig angemessen sind, ohne daß wir nötig haben, in das Eigentum einer anderen einzugreifen. Hier ist eine Stufenleiter derselben. Die Gattung ist Vorstellung überhaupt (repraesentatio). Unter ihr steht die Vorstellung mit Bewußtsein (perceptio). Eine Perzeption, die sich lediglich auf das Subjekt, als die Modifikation seines Zustandes bezieht, ist Empfindung (sensatio), eine objektive Perzeption ist Erkenntnis (cognitio). Diese ist entweder Anschauung oder Begriff (intuitus vel conceptus). Jene bezieht sich unmittelbar auf den Gegenstand und ist einzeln; dieser mittelbar, vermittelst eines Merkmals, was mehreren Dingen gemein sein kann. Der Begriff ist entweder ein empirischer oder reiner Begriff, und der reine Begriff, so fern er lediglich im Verstande seinen Ursprung hat (nicht im reinen Bilde der Sinnlichkeit), heißt Notio. Ein Begriff aus Notionen, der die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt, ist die Idee, oder der Vernunftbegriff. Dem, der sich einmal an diese Unterscheidung gewöhnt hat, muß es unerträglich fallen, die Vorstellung der roten Farbe Idee nennen zu hören. Sie ist nicht einmal Notion (Verstandesbegriff) zu nennen.
Von den transzendentalen Ideen
Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft
Des ersten Buchs der transzendentalen Dialektik zweiter Abschnitt
...
Nun geht der transzendentale Vernunftbegriff jederzeit nur auf die absolute Totalität in der Synthesis der Bedingungen, und endigt niemals, als bei dem schlechthin, d.i. in jeder Beziehung, Unbedingten. Denn die reine Vernunft überläßt alles dem Verstande, der sich zunächst auf die Gegenstände der Anschauung oder vielmehr deren Synthesis in der Einbildungskraft bezieht. Jene behält sich allein die absolute Totalität im Gebrauche der Verstandesbegriffe vor, und sucht die synthetische Einheit, welche in der Kategorie gedacht wird, bis zum Schlechthinunbedingten hinauszuführen. Man kann daher diese die Vernunfteinheit der Erscheinungen, so wie jene, welche die Kategorie ausdrückt, Verstandeseinheit nennen. So bezieht sich demnach die Vernunft nur auf den Verstandesgebrauch, und zwar nicht so fern dieser den Grund möglicher Erfahrung enthält (denn die absolute Totalität der Bedingungen ist kein in einer Erfahrung brauchbarer Begriff, weil keine Erfahrung [331] unbedingt ist), sondern um ihm die Richtung auf eine gewisse Einheit vorzuschreiben, von der der Verstand keinen Begriff hat, und die darauf hinaus geht, alle Verstandeshandlungen, in Ansehung eines jeden Gegenstandes, in ein absolutes Ganzes zusammen zu fassen. Daher ist der objektive Gebrauch der reinen Vernunftbegriffe jederzeit transzendent, indessen daß der von den reinen Verstandesbegriffen, seiner Natur nach, jederzeit immanent sein muß, indem er sich bloß auf mögliche Erfahrung einschränkt.
Ich verstehe unter der Idee einen notwendigen Vernunftbegriff, dem kein kongruierender Gegenstand in den Sinnen gegeben werden kann. Also sind unsere jetzt erwogene reine Vernunftbegriffe transzendentale Ideen. Sie sind Begriffe der reinen Vernunft; denn sie betrachten alles Erfahrungserkenntnis als bestimmt durch eine absolute Totalität der Bedingungen. Sie sind nicht willkürlich erdichtet, sondern durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, und beziehen sich daher notwendiger Weise auf den ganzen Verstandesgebrauch. Sie sind endlich transzendent und übersteigen die Grenze aller Erfahrung, in welcher also niemals ein Gegenstand vorkommen kann, der der transzendentalen Idee adäquat wäre. Wenn man eine Idee nennt: so sagt man dem Objekt nach (als von einem Gegenstande des reinen Verstandes) sehr viel, dem Subjekte nach aber (d.i. in Ansehung seiner Wirklichkeit unter empirischer Bedingung) eben darum sehr wenig, weil sie, als der Begriff eines Maximum, in concreto niemals kongruent kann gegeben werden. Weil nun das letztere im bloß spekulativen Gebrauch der Vernunft eigentlich die ganze Absicht ist, und die Annäherung zu einem Begriffe, der aber in der Ausübung doch niemals erreicht wird, eben so viel ist, als ob der Begriff ganz und gar verfehlet würde: so heißt es von einem dergleichen Begriffe: er ist nur eine Idee. So würde man sagen können: das absolute Ganze aller Erscheinungen ist nur eine Idee, denn, da wir dergleichen niemals im Bilde entwerfen können, so bleibt es ein Problem ohne alle Auflösung. Dagegen, weil es im praktischen Gebrauch des Verstandes ganz allein um die Ausübung nach Regeln zu tun [332] ist, so kann die Idee der praktischen Vernunft jederzeit wirklich, ob zwar nur zum Teil, in concreto gegeben werden, ja sie ist die unentbehrliche Bedingung jedes praktischen Gebrauchs der Vernunft. Ihre Ausübung ist jederzeit begrenzt und mangelhaft, aber unter nicht bestimmbaren Grenzen, also jederzeit unter dem Einflusse des Begriffs einer absoluten Vollständigkeit. Demnach ist die praktische Idee jederzeit höchst fruchtbar und in Ansehung der wirklichen Handlungen unumgänglich notwendig. In ihr hat die reine Vernunft sogar Kausalität, das wirklich hervorzubringen, was ihr Begriff enthält; daher kann man von der Weisheit nicht gleichsam geringschätzig sagen: sie ist nur eine Idee; sondern eben darum, weil sie die Idee von der notwendigen Einheit aller möglichen Zwecke ist, so muß sie allem Praktischen als ursprüngliche, zum wenigsten einschränkende, Bedingung zur Regel dienen.
Was ist ein Buch?
Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten § 31/II
Ein Buch ist eine Schrift (ob mit der Feder oder durch Typen, auf wenig oder viel Blättern verzeichnet, ist hier gleichgültig), welche eine Rede vorstellt, die jemand durch sichtbare Sprachzeichen an das Publikum hält. – Der, welcher zu diesem in seinem eigenen Namen spricht, heißt der Schriftsteller (autor). Der, welcher durch eine Schrift im Namen eines anderen (des Autors) öffentlich redet, ist der Verleger. Dieser, wenn er es mit jenes seiner Erlaubnis tut, ist der rechtmäßige, tut er es aber ohne dieselbe, der unrechtmäßige Verleger, d.i. der Nachdrucker. Die Summe aller Kopeien der Urschrift (Exemplare) ist der Verlag.
Der Büchernachdruck ist von Rechtswegen verboten
Schrift ist nicht unmittelbar Bezeichnung eines Begriffs (wie etwa ein Kupferstich, der als Porträt, oder ein Gipsabguß, der als die Büste eine bestimmte Person vorstellt) sondern eine Rede ans Publikum, d.i. der Schriftsteller spricht durch den Verleger öffentlich. – Dieser aber, nämlich der Verleger, spricht (durch seinen Werkmeister, operarius, den Drucker) nicht in seinem eigenen Namen (denn sonst würde er sich für den Autor ausgeben), sondern im Namen des Schriftstellers, wozu er also nur durch eine ihm von dem letzteren erteilte Vollmacht (mandatum) berechtigt ist. – Nun spricht der Nachdrucker durch seinen eigenmächtigen Verlag zwar auch im Namen des Schriftstellers, aber ohne dazu Vollmacht von demselben zu haben (gerit se mandatarium absque mandato); folglich begeht er an dem von dem Autor bestellten (mithin einzig rechtmäßigen) [405] Verleger ein Verbrechen der Entwendung des Vorteils, den der letztere aus dem Gebrauch seines Rechts ziehen konnte und wollte (furtum usus); also ist der Büchernachdruck von rechtswegen verboten.
Die Ursache des rechtlichen Anscheins einer gleichwohl beim ersten Anblick so stark auffallenden Ungerechtigkeit, als der Büchernachdruck ist, liegt darin: daß das Buch einerseits ein körperliches Kunstprodukt (opus mechanicum) ist, was nachgemacht werden kann (von dem, der sich im rechtmäßigen Besitz eines Exemplars desselben befindet), mithin daran ein Sachenrecht statthat; andrerseits aber ist das Buch auch bloße Rede des Verlegers ans Publikum, die dieser, ohne dazu Vollmacht vom Verfasser zu haben, öffentlich nicht nachsprechen darf (praestatio operae), ein persönliches Recht, und nun besteht der Irrtum darin, daß beides mit einander verwechselt wird.
Die Idee
G.F.W. Hegel: Logik
Zweiter Teil: Die subjektive Logik oder die Lehre vom Begriff
Dritter Abschnitt
Die Idee ist der adäquate Begriff, das objektive Wahre oder das Wahre als solches. Wenn irgend etwas Wahrheit hat, hat es sie durch seine Idee, oder etwas hat nur Wahrheit, insofern es Idee ist. – Der Ausdruck Idee ist sonst oft in der Philosophie, wie im gemeinen Leben, auch für Begriff, ja gar für eine bloße Vorstellung gebraucht worden; »ich habe noch keine Idee von diesem Rechtshandel, Gebäude, Gegend«, will weiter nichts ausdrücken als die Vorstellung. Kant hat den Ausdruck Idee wieder dem Vernunftbegriff vindiziert. – Der Vernunftbegriff soll nun nach Kant der Begriff vom Unbedingten, in Ansehung der Erscheinungen aber transzendent sein, d.h. von ihm kein ihm adäquater empirischer Gebrauch gemacht werden können. Die Vernunftbegriffe sollen zum Begreifen, die Verstandesbegriffe zum Verstehen der Wahrnehmungen dienen. – In der Tat aber, wenn die letzteren wirklich Begriffe sind, so sind sie Begriffe, – es wird durch sie begriffen, und ein Verstehen der Wahrnehmungen durch Verstandesbegriffe wird ein Begreifen sein. Ist aber das Verstehen nur ein Bestimmen der Wahrnehmungen durch solche Bestimmungen, z.B. Ganzes und Teile, Kraft, Ursache und dergleichen, so bedeutet es nur ein Bestimmen durch die Reflexion, so wie auch mit dem Verstehen nur das bestimmte Vorstellen von ganz bestimmtem sinnlichen Inhalte gemeint sein kann; wie wenn einer, dem man den Weg bezeichnet, daß er am Ende des Waldes links gehen müsse, etwa erwidert: »ich verstehe«, so will das Verstehen weiter nichts sagen als das Fassen in die Vorstellung und ins Gedächtnis. – Auch Vernunftbegriff ist ein etwas ungeschickter Ausdruck; denn der Begriff ist überhaupt etwas Vernünftiges; und insofern die Vernunft vom Verstande und dem Begriff als solchem unterschieden wird, so ist sie die Totalität des Begriffs und der Objektivität. – In [463] diesem Sinne ist die Idee das Vernünftige; – sie ist das Unbedingte darum, weil nur dasjenige Bedingungen hat, was sich wesentlich auf eine Objektivität bezieht, aber eine nicht durch es selbst bestimmte, sondern eine solche, die noch in der Form der Gleichgültigkeit und Äußerlichkeit dagegen ist, wie noch der äußerliche Zweck hatte.
Indem nun der Ausdruck Idee für den objektiven oder realen Begriff zurückbehalten und von dem Begriff selbst, noch mehr aber von der bloßen Vorstellung unterschieden wird, so ist ferner noch mehr diejenige Schätzung der Idee zu verwerfen, nach welcher sie für etwas nur Unwirkliches genommen und von wahren Gedanken gesagt wird, es seien nur Ideen. Wenn die Gedanken etwas bloß Subjektives und Zufälliges sind, so haben sie allerdings keinen weiteren Wert, aber sie stehen den zeitlichen und zufälligen Wirklichkeiten darin nicht nach, welche ebenfalls keinen weiteren Wert als den von Zufälligkeiten und Erscheinungen haben. Wenn dagegen umgekehrt die Idee darum den Wert der Wahrheit nicht haben soll, weil sie in Ansehung der Erscheinungen transzendent [ist], weil ihr kein kongruierender Gegenstand in der Sinnenwelt gegeben werden könne, so ist dies ein sonderbarer Mißverstand, indem der Idee deswegen objektive Gültigkeit abgesprochen wird, weil ihr dasjenige fehle, was die Erscheinung, das unwahre Sein der objektiven Welt ausmacht. In Ansehung der praktischen Ideen erkennt es Kant, daß ›nichts Schädlicheres und eines Philosophen Unwürdigeres gefunden werden könne als die pöbelhafte Berufung auf vorgeblich gegen die Idee widerstreitende Erfahrung; diese würde selbst gar nicht existieren, wenn z.B. Staatsanstalten zu rechter Zeit nach den Ideen getroffen wären und an deren Statt nicht rohe Begriffe, eben darum, weil sie aus Erfahrung geschöpft worden, alle gute Absicht vereitelt hätten.‹ Kant sieht die Idee als etwas Notwendiges, als das Ziel an, das als das Urbild für ein [464] Maximum aufzustellen und dem den Zustand der Wirklichkeit immer näherzubringen das Bestreben sein müsse.
Indem sich aber das Resultat ergeben hat, daß die Idee die Einheit des Begriffs und der Objektivität, das Wahre ist, so ist sie nicht nur als ein Ziel zu betrachten, dem sich anzunähern sei, das aber selbst immer eine Art von Jenseits bleibe, sondern daß alles Wirkliche nur insofern ist, als es die Idee in sich hat und sie ausdrückt. Der Gegenstand, die objektive und subjektive Welt überhaupt sollen mit der Idee nicht bloß kongruieren, sondern sie sind selbst die Kongruenz des Begriffs und der Realität; diejenige Realität, welche dem Begriffe nicht entspricht, ist bloße Erscheinung, das Subjektive, Zufällige, Willkürliche, das nicht die Wahrheit ist. Wenn gesagt wird, es finde sich in der Erfahrung kein Gegenstand, welcher der Idee vollkommen kongruiere, so wird diese als ein subjektiver Maßstab dem Wirklichen gegenübergestellt; was aber ein Wirkliches wahrhaft sein solle, wenn nicht sein Begriff in ihm und [wenn] seine Objektivität diesem Begriffe gar nicht angemessen ist, ist nicht zu sagen; denn es wäre das Nichts. Das mechanische und chemische Objekt wie das geistlose Subjekt und der nur des Endlichen, nicht seines Wesens bewußte Geist haben zwar, nach ihrer verschiedenen Natur, ihren Begriff nicht in seiner eigenen freien Form an ihnen existierend. Aber sie können überhaupt nur insofern etwas Wahres sein, als sie die Vereinigung ihres Begriffs und der Realität, ihrer Seele und ihres Leibes sind. Ganze, wie der Staat, die Kirche, wenn die Einheit ihres Begriffs und ihrer Realität aufgelöst ist, hören auf zu existieren; der Mensch, das Lebendige ist tot, wenn Seele und Leib sich in ihm trennen; die tote Natur, die mechanische und chemische Welt – wenn nämlich das Tote für die unorganische Welt genommen wird, sonst hätte es gar keine positive Bedeutung –, die tote Natur also, wenn sie in ihren Begriff und ihre Realität geschieden wird, ist nichts als die subjektive Abstraktion einer gedachten Form und einer formlosen Materie. Der Geist, der nicht Idee, [465] Einheit des Begriffs selbst mit sich, – der Begriff [wäre], der den Begriff selbst zu seiner Realität hätte, wäre der tote, geistlose Geist, ein materielles Objekt.
Das Eigentümliche an der geistigen Produktion
G.F.W. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts
§ 41
Die Person muß sich eine äußere Sphäre ihrer Freiheit geben, um als Idee zu sein. Weil die Person der an und für sich seiende unendliche Wille in dieser ersten, noch ganz abstrakten Bestimmung ist, so ist dies von ihm Unterschiedene, was die Sphäre seiner Freiheit ausmachen kann, gleichfalls als das von ihm unmittelbar Verschiedene und Trennbare bestimmt.
§ 42
Das von dem freien Geiste unmittelbar Verschiedene ist für ihn und an sich das Äußerliche überhaupt – eine Sache, ein Unfreies, Unpersönliches und Rechtloses.
Sache hat wie das Objektive die entgegengesetzten Bedeutungen; das eine Mal, wenn man sagt: das ist die Sache, es kommt auf die Sache, nicht auf die Person an, die Bedeutung des Substantiellen, das andere Mal, gegen die Person (nämlich nicht das besondere Subjekt), ist die Sache das Gegenteil des Substantiellen, das seiner Bestimmung nach nur Äußerliche. – Was für den freien Geist, der vom bloßen Bewußtsein wohl unterschieden werden muß, das Äußerliche ist, ist es an und für sich; darum ist die Begriffsbestimmung der Natur dies, das Äußerliche an ihr selbst zu sein.
§ 43
Die Person hat als der unmittelbare Begriff und damit auch [als] wesentlich einzelne eine natürliche Existenz, teils an ihr selbst, teils als eine solche, zu der sie als einer Außenwelt sich verhält. – Nur von diesen Sachen, als die es unmittelbar, nicht von Bestimmungen, die es durch die Vermittlung des Willens zu werden fähig sind, ist hier bei der Person, die selbst noch in ihrer ersten Unmittelbarkeit ist, die Rede.
Geistige Geschicklichkeiten, Wissenschaften, Künste, selbst Religiöses (Predigten, Messen, Gebete, Segen in geweihten Dingen), Erfindungen usf. werden Gegenstände des Vertrags, anerkannten Sachen in Weise des Kaufens, Verkaufens usf. gleichgesetzt. Man kann fragen, ob der Künstler, der Gelehrte usf. im juristischen Besitze seiner Kunst, Wissenschaft, seiner Fähigkeit, eine Predigt zu halten, Messe zu lesen usw. sei, d. i. ob dergleichen Gegenstände Sachen seien. Man wird Anstand nehmen, solche Geschicklichkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten usf. Sachen zu nennen; da über dergleichen Besitz einerseits als über Sachen verhandelt und kontrahiert wird, er andererseits aber ein Inneres und Geistiges ist, kann der Verstand über die juristische Qualifikation desselben in Verlegenheit sein, da ihm nur der Gegensatz: daß etwas entweder Sache oder Nicht-Sache (wie das Entweder unendlich, Oder endlich), vorschwebt.
Kenntnisse, Wissenschaften, Talente usf. sind freilich dem freien Geiste eigen und ein Innerliches desselben, nicht ein Äußerliches, aber ebensosehr kann er ihnen durch die Äußerung ein äußerliches Dasein geben und sie veräußern (s. unten), wodurch sie unter die Bestimmung von Sachen gesetzt werden. Sie sind also nicht zuerst ein Unmittelbares, sondern werden es erst durch die Vermittlung des Geistes, der sein Inneres [105] zur Unmittelbarkeit und Äußerlichkeit herabsetzt. – Nach der unrechtlichen und unsittlichen Bestimmung des römischen Rechts waren die Kinder Sachen für den Vater und dieser hiermit im juristischen Besitze seiner Kinder, und doch wohl stand er auch im sittlichen Verhältnisse der Liebe zu ihnen (das freilich durch jenes Unrecht sehr geschwächt werden mußte). Es fand darin also eine, aber ganz unrechtliche Vereinigung der beiden Bestimmungen von Sache und Nicht-Sache statt. – Im abstrakten Rechte, das nur die Person als solche, somit auch das Besondere, was zum Dasein und Sphäre ihrer Freiheit gehört, nur insofern zum Gegenstande hat, als es als ein von ihr Trennbares und unmittelbar Verschiedenes ist – dies mache seine wesentliche Bestimmung aus, oder es könne sie nur erst vermittels des subjektiven Willens erhalten –, kommen geistige Geschicklichkeiten, Wissenschaften usf. allein nach ihrem juristischen Besitze in Betracht; der Besitz des Körpers und des Geistes, der durch Bildung, Studium, Gewöhnung usf. erworben wird und als ein inneres Eigentum des Geistes ist, ist hier nicht abzuhandeln. Von dem Übergange aber eines solchen geistigen Eigentums in die Äußerlichkeit, in welcher es unter die Bestimmung eines juristisch-rechtlichen Eigentums fällt, ist erst bei der Veräußerung zu sprechen.
...
§ 68
Das Eigentümliche an der geistigen Produktion kann durch die Art und Weise der Äußerung unmittelbar in solche Äußerlichkeit einer Sache umschlagen, die nun ebenso von anderen produziert werden kann; so daß mit deren Erwerb der nunmehrige Eigentümer, außerdem daß er damit sich die mitgeteilten Gedanken oder die technische Erfindung zu eigen machen kann, welche Möglichkeit zum Teil (bei schriftstellerischen Werken) die einzige Bestimmung und den Wert des Erwerbs ausmacht, zugleich in den Besitz der allgemeinen Art und Weise, sich so zu äußern und solche Sachen vielfältig hervorzubringen, kommt.
Bei Kunstwerken ist die den Gedanken in einem äußerlichen Material verbildlichende Form als Ding so sehr das Eigentümliche des produzierenden Individuums, daß ein Nachmachen derselben wesentlich das Produkt der eigenen [146] geistigen und technischen Geschicklichkeit ist. Bei einem schriftstellerischen Werke ist die Form, wodurch es eine äußerliche Sache ist, so wie bei der Erfindung einer technischen Vorrichtung, mechanischer Art – dort, weil der Gedanke nur in einer Reihe vereinzelter abstrakter Zeichen, nicht in konkreter Bildnerei dargestellt wird, hier, weil er überhaupt einen mechanischen Inhalt hat –, und die Art und Weise, solche Sachen als Sachen zu produzieren, gehört unter die gewöhnlichen Fertigkeiten. – Zwischen den Extremen des Kunstwerks und der handwerksmäßigen Produktion gibt es übrigens Übergänge, die bald mehr, bald weniger von dem einen oder dem anderen an sich haben.
§ 69
Indem der Erwerber eines solchen Produkts an dem Exemplar als einzelnem den vollen Gebrauch und Wert desselben besitzt, so ist er vollkommener und freier Eigentümer desselben als eines einzelnen, obgleich der Verfasser der Schrift [147] oder der Erfinder der technischen Vorrichtung Eigentümer der allgemeinen Art und Weise bleibt, dergleichen Produkte und Sachen zu vervielfältigen, als welche allgemeine Art und Weise er nicht unmittelbar veräußert hat, sondern sich dieselbe als eigentümliche Äußerung vorbehalten kann.