Diskussion:Warum jener mechanische Prozeß richtige Ergebnisse erzeugt (Code): Unterschied zwischen den Versionen

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(Ist Heideggers Ansatz der Seinskritik computerfeindlich bzw. codefeindlich?)
(Ist Heideggers Ansatz der Seinskritik computerfeindlich bzw. codefeindlich?: corr)
 
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Das Be-dienen eines Computers ist als Verfallenheit lesbar. Die positive bzw. negative Wertung des Computers hängt davon ab, ob er (der Computer) dem Dasein oder das Dasein ihm (in Form des be-dienens) zuhanden ist.
 
Das Be-dienen eines Computers ist als Verfallenheit lesbar. Die positive bzw. negative Wertung des Computers hängt davon ab, ob er (der Computer) dem Dasein oder das Dasein ihm (in Form des be-dienens) zuhanden ist.
 
Man könnte von einer Art der Entfremdung sprechen, die uns in dem Moment befällt, oder eher, die sich in dem Moment auswirkt (sie ist ja schon in uns angelegt) da wir im Umgang mit bestimmten Dingen (in diesem Fall der Computer oder die Informatik) unsere Selbstbestimmung aufgeben.  
 
Man könnte von einer Art der Entfremdung sprechen, die uns in dem Moment befällt, oder eher, die sich in dem Moment auswirkt (sie ist ja schon in uns angelegt) da wir im Umgang mit bestimmten Dingen (in diesem Fall der Computer oder die Informatik) unsere Selbstbestimmung aufgeben.  
'''Das ist quasi eine Neuformulierung des aufklärerischen Ideals. Es geht nicht um den Wert des Computers sondern um die Form seiner Verwendung.''' --[[Benutzer:Richardd|Richardd]] 09:14, 21. Apr. 2008 (CEST)
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'''Das ist quasi eine Neuformulierung des aufklärerischen Ideals. Es geht nicht um den Wert des omputers sondern um die Form seiner Verwendung.''' --[[Benutzer:Richardd|Richardd]] 09:14, 21. Apr. 2008 (CEST)
  
 
: Es ist zu unterscheiden: der Mensch ist unweigerlich in der Welt und versteht sich in und aus diesem Verhältnis. Das ist ein "Vorrang" im Vergleich zu Dingen in der Welt, aber das hat noch nichts mit Eigentlichkeit zu tun. Auch im "alltäglichen Selbstsein" besteht dieser Vorrang:
 
: Es ist zu unterscheiden: der Mensch ist unweigerlich in der Welt und versteht sich in und aus diesem Verhältnis. Das ist ein "Vorrang" im Vergleich zu Dingen in der Welt, aber das hat noch nichts mit Eigentlichkeit zu tun. Auch im "alltäglichen Selbstsein" besteht dieser Vorrang:
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: Die Eigentlichkeit kommt erst im 2. Abschnitt ab dem "Sein zum Tode" zur Sprache: "Die bisherige Interpretation beschränkte sich, ansetzend bei der durchschnittlichen Alltäglichkeit, auf die Analyse des indifferenten bzw. uneigentlichen Existierens. ... Solange die existenziale Struktur des eigentlichen Seinkönnens nicht in die Existenzidee hineingenommen wird, fehlt der eine ''existenziale'' Interpretation führenden Vor-sicht die Ursprünglichkeit." (SZ S. 232f) --[[Benutzer:Anna|anna]] 13:42, 21. Apr. 2008 (CEST)
 
: Die Eigentlichkeit kommt erst im 2. Abschnitt ab dem "Sein zum Tode" zur Sprache: "Die bisherige Interpretation beschränkte sich, ansetzend bei der durchschnittlichen Alltäglichkeit, auf die Analyse des indifferenten bzw. uneigentlichen Existierens. ... Solange die existenziale Struktur des eigentlichen Seinkönnens nicht in die Existenzidee hineingenommen wird, fehlt der eine ''existenziale'' Interpretation führenden Vor-sicht die Ursprünglichkeit." (SZ S. 232f) --[[Benutzer:Anna|anna]] 13:42, 21. Apr. 2008 (CEST)
  
Ganz wie Sie sagten, liegt der Vorrang des Daseins mit in der Auslegung  
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Ganz wie Sie sagten, liegt der Vorrang des Daseins mit in der Auslegung seines Seins aus dem Verständnis seines Seins in der Welt und aus dem Verhältnis zu ihr. Die Betonung liegt jedoch hierbei auf "in und '''im Verhältnis''' zu ihr" (der Welt).
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In den Worten
  
seines Seins aus dem Verständnis seines Seins in der Welt und aus dem
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::'''''aus''' "dem Seienden her zu verstehen, zu dem es [das Dasein; R.D.] sich wesenhaft ständig und zunächst verhält, '''aus''' der "Welt""''
  
Verhältnis zu ihr. Die Betonung liegt jedoch hierbei auf "in und im
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ist jedoch der Bezug auf eine Auslegung mit Hilfe von Kategorien für Seiendes (das kein Dasein ist) eindeutig gegenüber einer Auslegung mit Hilfe von Existentialien unterschieden, womit die Grundlegung der uneigentlichen Seinsweise, zwar ungesagt, vorgezeichnet ist. Das antike Seinsverständnis als gegenwärtige Anwesenheit entbehrt in seiner zeitlichen Festgeschriebenheit der Möglichkeit eines phänomenologischen Zugangs zur Daseinsauslegung über das Existential, weil die Verhältnishaftigkeit sich auf metaphysische Verhältnisse beschränkt (deren Möglichkeit im aristotelischen Kontinuum gelegt ist, auch wenn Aristoteles z.B. von phronesis spricht). Das Existential ist ja wie ich unter P.S. beschrieben habe bloß eine Bezeichnung aus der Notlage der Begriffsbildung, die keine explizit dynamischen Worte zulässt. (ich glaube Heidegger spricht in diesem Zusammenhang von der formalen Anzeige)
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Dass der Mensch sich aus seinem Sein in der Welt, seinem Verhältnis zu ihr versteht bedeutet natürlich noch keine Eigentlichkeit, sonst gäbe es keine Seinsvergessenheit. Wohl aber liegt in diesem Vorrang des Daseins zur Seinsfrage die Problematik "begründet", dass das Dasein aus seinem Verständnis für das Seienende das kein Dasein ist, dieses kategoriale Verständnis auf sich rückzuprojezieren kann. Wie Heidegger ausdrücklich sagt, liegt in dieser Nähe des Daseins zum Sein gleichzeitig seine Ferne zu demselben. Wollte man machiavellistisch Urteilen könnte man sagen, dass dem Dasein sein Verfallen aus seiner Auszeichnung erwächst.
  
Verhältnis zu ihr" (der Welt), wobei die Auslegung aus "dem Verhältnis"
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''der Mensch ist unweigerlich in der Welt und versteht sich in und aus diesem Verhältnis'', wir sprechen ja auch von Dasein. Das Bewusstsein dieses Umstandes ist aber nicht gleichursprünglich mit dem Umstand selbst. Man denke, nur zur Illustrierung ohne Gewähr an das Heraufkommen der Hermeneutik
 
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Siehe hier: [http://philo.at/wiki/index.php/Diskussion:Die_wunderbarste_geistige_Maschine%2C_die_je_entstand_%28Code%29 Hermeneutik und Reziprozität] --[[Benutzer:Richardd|Richardd]] 15:22, 21. Apr. 2008 (CEST)
sich hierbei als des Vehikels einer formalen Anzeige bedürftig zeigt
 
 
 
(ich bin mir nicht sicher ob der Gebrauch dieses Begriffs hier gegeben
 
 
 
ist). In den worten "aus "dem Seienden her zu verstehen, zu dem es [das
 
 
 
Dasein; R.D.] sich wesenhaft ständig und zunächst verhält, aus der
 
 
 
"Welt""" ist jedoch der Bezug auf eine Auslegung mit Hilfe von
 
 
 
Kategorien für Seiendes (das kein Dasein ist) eindeutig gegenüber einer
 
 
 
Auslegung mit Hilfe von Existentialien unterschieden, womit die
 
 
 
Grundlegung der uneigentlichen Seinsweise, zwar ungesagt, vorgezeichnet
 
 
 
ist. Das antike Seinsverständnis als gegenwärtige Anwesenheit entbehrt
 
 
 
in seiner zeitlichen Festgeschriebenheit der Möglichkeit eines
 
 
 
phänomenologischen Zugangs zur Daseinsauslegung über das Existential,
 
 
 
weil die Verhältnishaftigkeit sich auf metaphysische Verhältnisse
 
 
 
beschränkt (deren Möglichkeit im aristotelischen Kontinuum gelegt ist,
 
 
 
auch wenn Aristoteles z.B. von phronesis spricht).
 
Dass der Mensch sich aus seinem Sein in der Welt, seinem Verhältnis zu
 
 
 
ihr versteht bedeutet natürlich noch keine Eigentlichkeit, sonst gäbe
 
 
 
es keine Seinsvergessenheit. Wohl aber liegt in diesem Vorrang des
 
 
 
Daseins zur Seinfrage die Problematik "begründet", dass das Dasein aus
 
 
 
seinem Verständnis für das Seienende das kein Dasein ist, dieses
 
 
 
kategoriale Verständnis auf sich rückzuprojezieren kann. Wie Heidegger
 
 
 
ausdrücklich sagt, liegt in dieser Nähe des Daseins zum Sein
 
 
 
gleichzeitig seine Ferne zu demselben. Wollte man machiavellistisch
 
  
Urteilen könnte man sagen, dass dem Dasein sein Verfallen aus seiner
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:Ich stimme zu. Das In-der-Welt-Sein bringt es mit sich, dass Dasein sich im Verbund mit innerweltlichem Seienden findet und versteht. Damit ist angelegt, dass es jene Züge verfehlt, die nur in den ausgezeichneten Situationen sichtbar werden, in welchen das innerweltliche Seiende zurücktritt und/oder verschwindet. Diese Züge führt Heidegger über Tod, Angst etc. ein. Das ergibt "Eigentlichkeit", und zwar in einem von Husserl markat unterschiedenen Sinn. --[[Benutzer:Anna|anna]] 19:12, 21. Apr. 2008 (CEST)
  
Auszeichnung erwächst.
 
 
''der Mensch ist unweigerlich in der Welt und versteht sich in und aus diesem Verhältnis'', wir sprechen ja auch von Dasein. Das Bewusstsein dieses Umstandes ist aber nicht gleichursprünglich mit dem Umstand selbst. Man denke, nur zur Illustrierung ohne Gewähr an das Heraufkommen der Hermeneutik
 
[http://philo.at/wiki/index.php/Diskussion:Die_wunderbarste_geistige_Maschine%2C_die_je_entstand_%28Code%29] --[[Benutzer:Richardd|Richardd]] 15:22, 21. Apr. 2008 (CEST)
 
 
===P.S.===
 
===P.S.===
 
Ebendieselbe Auslegung ließe sich auf Plauderei oder eine Vorlesungen anwenden, was sich vordergründig (und nur vordergründig) natürlich hinsichtlich der heideggerschen Auslegung des Geredes gegen ihn selbst, oder zumindest seine Philosophie richten würde. Die heideggersche Auslegung des Geredes als uneigentliche Rede, muss als dehnbare Beschreibungsform in actu verstanden werden. Jede Rede kann Gerede sein, jedes Gerede Rede. Das bedeutet keinen Fehler in Heideggers Philosophie, sondern einen Fehler in unserem Verständnis. Wollte man jede Form von Vorlesung als Gerede bezeichnen, so ist das weniger eine Abwertung der Vorlesung als viel eher eine Aufwertung des Geredes, oder ein Verständnis für die Starrheit des geschriebenen Wortes, auch Heidegger benutzte Tinte oder Bleistift.  --[[Benutzer:Richardd|Richardd]] 09:35, 21. Apr. 2008 (CEST)
 
Ebendieselbe Auslegung ließe sich auf Plauderei oder eine Vorlesungen anwenden, was sich vordergründig (und nur vordergründig) natürlich hinsichtlich der heideggerschen Auslegung des Geredes gegen ihn selbst, oder zumindest seine Philosophie richten würde. Die heideggersche Auslegung des Geredes als uneigentliche Rede, muss als dehnbare Beschreibungsform in actu verstanden werden. Jede Rede kann Gerede sein, jedes Gerede Rede. Das bedeutet keinen Fehler in Heideggers Philosophie, sondern einen Fehler in unserem Verständnis. Wollte man jede Form von Vorlesung als Gerede bezeichnen, so ist das weniger eine Abwertung der Vorlesung als viel eher eine Aufwertung des Geredes, oder ein Verständnis für die Starrheit des geschriebenen Wortes, auch Heidegger benutzte Tinte oder Bleistift.  --[[Benutzer:Richardd|Richardd]] 09:35, 21. Apr. 2008 (CEST)

Aktuelle Version vom 22. April 2008, 08:38 Uhr

Husserl wäre ein Informatiker geworden

Wenn ich das so lese, kann ich mir sehr gut vorstellen, wie Husserl in Überlegungen zum Phänomen 'Code' passt. Ich denke, er wäre fasziniert gewesen und hätte seine Überlegungen bestätigt gefunden in den Errungenschaften und Auseinandersetzungen über Algorithmen, Methoden und formalen Grundlagen in der Informatik.

Rechen-REGELN

Aus aktullem Anlass (ich besuche auch noch eine LV "Formale Grundlagen der Informatik") möchte ich eine formale Grammatik vorstellen, die es mittels Regeln ermöglichen soll, so etwas ähnliches wie eine Multiplikation zu bewerkstelligen. Beispiel: a*aaa=aaaa

In formalen Sprachen unterscheidet man zwischen Terminalsymbolen und Nicht-Terminalsymbolen:

  • Terminalsymbole stellen Symbole dar, die nicht mehr verändert werden können, also: Endresultate sind.
  • Nicht-Terminalsymbole wandelt man vermittels Regeln in Terminal- oder in andere Nicht-Terminalsymbole um.
  • Man beginnt mit einem Startsymbol (z.B.: S) das automatisch ein Nicht-Terminalsymbol ist.
  • Schlussendlich muss das entstandene "Wort" vollkommen aus Terminalsymbolen bestehen.

Die Herausforderung besteht darin, die richtigen Regeln (=Grammatik) für eine formal beschriebene Sprache zu finden. In meinem Beispiel lautet die Sprache:

L= am * a3n = am+3n | m,n >= 1

Aber das bedeutet im Prinzip nur (hier kommt die Husserlsche Bedeutung von uneigentlichen Symbolen zum Tragen, wenn man ihren Umgang beherrscht) , dass das kleinste Wort der Sprache so aussieht: a*aaa=aaaa und der zweite Term (hier aaa) immer ein Vielfaches von 3 sein muss. Außerdem muss die Anzahl der 'a'-Symbole nach dem = der Summe der Anzahl der 'a'-Symbole vor dem = entsprechen. Kurzschreibweise: a*a³=a^4

Nun hat man sich die Regeln zu überlegen, die alle gültigen Wörter dieser Sprache produzieren kann. Ich präsentiere nun eine mögliche Lösung:

  • Die Menge der Terminalsymbole ist: {a,*,=}
  • Die Menge der Non-Terminalsymbole ist: {A,S,X}

Regeln:

  1. S --> aXa
  2. X --> aXa
  3. X --> *aaaAaaa
  4. A --> aaaAaaa
  5. A --> =

Zeichenmanipluation aufgrund von Regeln

Man startet immer mit dem StartSymbol und gibt danach an welche Regel man anwendet. Dementsprechend wird das Zeichen auf der linken Seite vom Pfeil mit der rechten Seite vom Pfeil ersetzt:

START: S Regel 1: aXa Regel 3: a*aaaAaaaa Regel 5: a*aaa=aaaa

Als Ergebnis haben wir das kleinste Wort der Sprache L: a*a³=a^4 Dieses Regelwerk kann man dem Computer beibringen und er kann zum Beispiel überprüfen, ob jemand richtig gerechnet hat, wenngleich auch die Rechenprozesse beim Menschen nicht nach diesen Regeln ablaufen, würde ich mal behaupten (und gerade das ist ja das Spannende daran).

Ein Statistik-Professor an der Uni Wien hat mal gesagt, dass die mathematische Notation im Prinzip so etwas ist wie Abkürzungen von Denkprozessen (Soweit ich das verstanden habe, entspricht das auch Husserls Vorstellung von der "Ökonomie der geistigen Arbeitsleistung":

Die Symbole sind das große natürliche Hilfsmittel, [...] durch welches diese wesentlichen Unvollkommenheiten unseres Intellekts [...] unschädlich gemacht werden. Auf eigentüm­lichen, höheres Denken ersparenden Umwegen befähigen sie den menschlichen Geist zu Leistungen, die er direkt, in eigentlicher Erkenntnisarbeit, niemals vollbringen könnte. Die Symbole die­nen der Ökonomie der geistigen Arbeitsleistung wie die Werkzeuge und Maschinen der Ökonomie der mechanischen Arbeits­leistung

Jedoch der Forderung, in der Wissenschaft gleich mit dieser Ökonomie zu beginnen, wie es Husserl meinem Verständnis nach vorschlägt, und den direkten unmittelbaren, evt. auch blinden Prozess (der sich anstatt mit den Symbolen mit schwer verarbeitbaren inhaltsreichen Vorstellungen abzumühen hat) wegzulassen, kann ich nicht ganz zustimmen.

Husserl sagt zwar: "Wir denken natürlich nicht daran, die vorlogische Anwendung von Zeichen ganz zu verwerfen", doch einen Satz weiter heißt es, weil die vorlogische Anwendung von Zeichen nur im Durchschnitt zum Richtigen führt, soll "die Wissenschaft nur die Verwendung lo­gisch berechtigter Zeichen" verwenden. Kommt man nicht gerade dadurch, dass man sich zunächst nicht auf Abkürzungen verlassen kann, auf neue Wege? Ich denke, das lässt sich diskutieren.



Die Regel 5 "A --> =" in der Darstellung von andyk macht meiner Meinung nach deutlich, wie die Grenzen zwischen einer grammatikalischen Darstellung und einem inhaltlichen Schluss verwischt werden können. Durch die Ersetzbarkeit des Symboles A durch "=" wird auf rein automatischer Ebene ein inhaltlicher Schluss simuliert.
Es liegt an der Zweideutigkeit von Ersetzbarkeit des Symbols A. Das kann man (wie oben) als Spielregel verstehen, vgl. "zwei glatt, drei verkehrt" beim Stricken. Oder eine anspruchsvollere Verwendung: In einer Interpretation der vorgelegten Sprache sind Identitätsaussagen möglich. Das schließt eine Ontologie (für diese Sprache) ein, die zumindest aus Dingen und Relationen besteht. Und unter diesen Annahmen kann man das Symbol A durch ein Symbol "=" ersetzen, was eine intuitive Hilfe bei der Interpretation gibt. Die Interpretation ist ihrerseits auf zwei verschiedene Weisen zu verstehen, einmal als formale Interpretation hinsichtlich einer künstlich konstruierten Welt (Modelltheorie), andererseits im gewöhnlichen Sinn "inhaltlich", d.h. in unserem praktischen Verständnis der Multiplikation. Der Weg ist ähnlich jendem vom "zwei glatt, drei verkehrt" zum Rückenmuster eines Pullovers. --anna 12:21, 21. Apr. 2008 (CEST)
Ebenso interpretiert z.B. der User eines Computers rein formale Vorgänge eines "Rechners" als menschliche Kommunikation. Das Zusammenspiel von einzelnen Bildpunkten "baut" eine Benutzeroberfläche auf. Fragwürdig wird hierbei natürlich inwieweit nicht sogar alle menschlichen Sinnschlüsse in relative, formale Sprachbestimmungen auflösbar sind, die von uns hinterher (oder irgendwann, oder auch nie) mit einer Sinnlichkeit belegt und "überladen" werden (um einen weiteren tragfähigen Fachbegriff einzuführen). Letztendlich könnte man ja meinen, dass uns die "eigentlichen" Vorstellungen sowieso immer entgehen (man bedenke hier die Mehrdeutigkeit).
Bestimmte rein formale Vorgänge. Also nicht die Umdrehungsgeschwindigkeit der Festplatte. Will sagen: auch hier gibt es eine geeignete Abstimmung zwischen der Grammatik (Syntax) und der formalen/inhaltlichen Interpretation. Wir können eine Region am Monitor zusätzlich zu ihrer Existenz als Pixelkonstrukt als Checkbox "überladen", weil ihr Funktionieren in diese Einbettung passt. (Wie die Substitution von "A" durch "=". Wenn wir mit "=" nicht mehr anfangen könnten, als mit "A" hätte die Ersetzungsregel keine Pointe.) --anna 12:21, 21. Apr. 2008 (CEST)
Wenn der Umgang des Arztes mit dem Patienten, organisationstechnisch und in "inhumaner" Sicht sogar behandlungstechnisch, auf eine Klassifikationsfrage reduziert wird und die essentielle Bedeutung dieser Reduktion für so gut wie jeden Vorgang in der Gesellschaft bewusst geworden ist (was auch immer das heißen mag), kann die "menschliche" Seite der sinnlichen Überladung dieser Prozesse nur noch mit Hindernissen eingefordert, bzw. überhaupt erkannt werden. Die ethischen Grundlagen des Handelns stehen nicht bloß vor einer Wertverschiebungsproblematik sondern vor einem Legitimationsdilemma der Ethik überhaupt. --Richardd 05:30, 19. Apr. 2008 (CEST)
Das ist mir zu drastisch. Jedenfalls folgt es nicht aus den vorherigen zwei Absätzen. Gesellschaftliche Vorgänge (Reisen, Tauschen, Spielen ...) lassen sich mit kunstvollen Mechanismen und Maschinen korrelieren (Transport, Kreditkartenabbuchung, LAN-Parties ...). Wir sagen "Die Reise nach Kairo ..." und das passt zur Flugnummer plus Abflugs- und Ankunftszeit plus Ortsveränderung eines Körpers. Wir reden z.B: nicht von einer "Reise nach Kairo" wenn uns der CIA abfängt und gefesselt dorthin transportiert. Ich sehe schon die Versuchung, die Linie sehr großflächig zu ziehen. Aber man sollte vielleicht vorsichtiger sein. --anna 12:21, 21. Apr. 2008 (CEST)

Allopoietische und Autopoietische Systeme

Ich denke, man kann hier eine Unterscheidung der Luhmannschen Systemtheorie heranziehen: die zwischen allopoietischen (etwas anderes machend) und autopoietischen (sich selbst machende) Systeme. Allopoietische Systeme sind z.B. Computer. Sie wurden irgendwann mal gebaut und verfügen über vielfältige Algorithmen. Diese wenden sie nun auf den Input, der an sie herantritt, an. Das ist blinde Zeichenmanipulation, wie ich sie oben dargestellt habe (wobei Husserl interessanterweise eher die eigentlichen Vorstellungen zu den blinden Zeichenmanipulationen rechnen würde). Wenn autopoietische Systeme denselben Input erhalten, werden sie unter Umständen auf dasselbe Ergebnis kommen. Doch wir unterstellen unseren Ergebnissen nun, das ist der Unterschied, Sinn und nur aufgrund dieser Basis verändern wir uns selbst, unsere Umwelt, unser weiteres Handeln. Ich denke, dass man hier nicht vor einem Legitimationsproblem steht, weil wir gar nicht anders können als mit Sinn zu operieren, und das macht unsere eigentliche Flexibilität aus. Es eröffnen sich mit dem Ergebnis neue Verweisungszusammenhänge, aufgrund derer wir weiterhandeln oder weiterreden können. Ein Arzt kann sich entschließen, dass er sich einmal nicht an ICD-8 hält, weil er sich z.B. an den Hippokratischen Eid erinnert, der es in diesem Fall erfordert, dem Patienten mehr als 8 Minuten Zeit zu widmen.

Das sozusagen prekäre und fehlgreifende, zumindest in diesem Kontext, an Luhmanns Sinnkonstruktion ist, dass ja der Sinn selbst auf eine notwendige Unterscheidung rekurriert. So gesehen käme der Sinn in diesem Verständnis einer relationalen Zusammensetzung wie ich sie angedeutet habe ziemlich nahe, da Luhmann die erkenntnistheoretische Grundlage der "inneren Erfahrung" ausspart, da sie ihn ja dezidiert nicht interessiert. Man könnte sagen, dass seine Sinnkonstruktion auf einem rekursiven, pseudobinären Unterscheidungsschema beruht, "pseudobinär" deshalb, weil die beiden Seiten der Unterscheidung jeweils noch einer unendlich rekursiven Selbstunterscheidung bedürfen, die auf keinen Fall eingeholt werden kann. Luhmann setzt die Theorie des Sinns an um sich sogleich meilenweit von ihrer erkenntnistheoretischen Form wegzubewegen, hin zu fertigen, nachvollziehbaren Unterscheidungen, die eben deshalb prekär sind, weil sie nachvollziehbar sind, also aus dem Leben gegriffen sind. Deine Argumentation ist nicht zielführend, als Luhmanns Sinnkonzept gerade die uneigentliche Vorstellung befördert, dies aber hinter "verständlichen" Begriffen wie Liebe oder Macht als generalisierten Kommunikationsmedien verschleiert. Der Unterschied zwischen autopoietischen Systemen und z.B. Computern ist nicht ganz so klar, wie er oft dargestellt wird von Luhmann und Schülern. Eigentliche Vorstellungen im husserlschen Sinn werden bei Luhmann garnicht berücksichtigt, wozu also das Rekurrieren auf ihn?, am ehesten ließe sich noch von Medium/Form sprechen, dass das aber etwas vollkommen anderes ist, brauche ich nicht erst zu erwähnen.

Die paradoxale Form jeder Sinnkonstruktion forciert ja eben meine Annahme. Der Vergleich des Menschen mit einem Computer im trivialen Sinn ist hier garnicht mehr nötig. Warten wir auf die in den nächsten Tagen erfolgende Herausgabe von "Die Moral der Gesellschaft" --Richardd 10:02, 19. Apr. 2008 (CEST)


Ich wollte eigentlich nicht auf Luhmanns Systemtheorie und seinen Sinnbegriff selbst hinweisen, vielleicht hätte ich Luhmann gar nicht erwähnen sollen. Es ging mir mehr um die Unterscheidung zwischen trivialer und nicht-trivialer Maschine (wie Heinz von Foerster sagen würde), wobei wir uns manchmal wie nicht-triviale Maschinen verhalten. Das tun auch Computer, wenn sie kaputt sind - oder wenn sie eine Fehlermeldung ausspucken (wobei anders gesehen manche Fehlermeldungen auch vorhergesehen/berechenbar/trivial sein müssen, sonst könnte ja keine Fehlermeldung erscheinen). Das Problem des Unberechenbaren/Unentscheidbaren/Nicht-Trivialen ist glaube ich etwas, was uns noch länger beschäftigen wird (auch in Richtung zu dem, was Dirk Baecker wie unten angeführt sagt) und wo - durchaus kompatibel mit der Einsicht in die Notwendigkeit von Klassifikationen - noch Platz für Handlungsspielraum und ethische Reflexionen ist. --Andyk 10:51, 21. Apr. 2008 (CEST)

Exkurs zu Luhmann: Die Notwendigkeit, Sinn vorauszusetzen

Aber wenn wir gerade bei Luhmanns Sinnbegriff sind: Das Verhältnis von Luhmanns Theorie zu seinem Sinnkonzept ist meines Erachtens selbst ein Problematisches, weil Sinn (auch für das System Wissenschaft und damit der Soziologie ) eine Voraussetzung des Systems ist, etwas worauf operiert wird. Deswegen kann man zwar sagen, Sinn basiert auf einer Unterscheidung (konkret: Aktualität/Möglichkeit), jedoch ist auch das Aussprechen dieser Unterscheidung in der Theorie nur im Medium Sinn möglich. Aus der Sicht der Luhmannschen Systemtheorie ist Sinn (und auch Welt oder Realität) etwas Vorgegebenes, um nicht zu sagen: Ontologisches. Darüber ist sich Luhmann aber sehr wohl im Klaren, da man davon ausgehen muss, dass Systeme (auch die Soziologie als Teil des Wissenschaftssystems) Fixpunkte brauchen, Elemente, die zwar prinzipiell noch weiter auflösbar wären, jedoch für das System den Status von etwas Endgültigem erhalten. Wäre das nicht der Fall, käme keine Reduktion von Komplexität (darum geht es Luhmann ja) zustande. Wie verhält sich das nun zu uneigentlichen oder eigentlichen Vorstellungen? Vielleicht kann man, wie du (Richard) gesagt hast, gar keine Parallele finden außer die, dass man Unterscheidungen als uneigentliche Vorstellungen interpretiert. Wenn man eine Unterscheidung UNTER den Sinnbegriff legt, stimmt das schon. Doch wenn man annimmt, dass zwar in der Analyse eine Unterscheidung feststellbar ist, doch das Festhalten dieser Unterscheidung im Medium Sinn erfolgt, bleibt es ein für-das-System-Vorgegebenes: Ist das eine eigentliche Vorstellung? Etwas Relational-Zusammengesetztes ist es, soweit ich das zur Zeit einsehe, nicht.--Andyk 10:51, 21. Apr. 2008 (CEST)

Uneigentliche Zeichenmanipulation objektiv höherwertig?

Das hängt meines Erachtens auch mit der Frage zusammen, die letzten Freitag in der Vorlesung am Schluss gestellt wurde: Ob nämlich die uneigentliche, algorithmische Zeichenmanipulation eine objektiv höhere Wertigkeit habe? Prof. Hrachovec antwortet darauf, dass Husserl dem wahrscheinlich zustimmen würde, man aber bedenken muss, dass es auch andere Analysefilter gibt, die "simultan oder sukzessive auf Situationen angewendet werden können". Er bringt ein Beispiel innerhalb einer Diskussionsrunde, das ich paraphrasierend kurz darstellen will:
Ich kann in einer Diskussion feststellen, dass es a.) eine logische und b.) eine rhetorisch-politische Gesetzlichkeit gibt. Weiters kann ich feststellen, dass in diesem Ablauf gewisse logische Gesetze nicht befolgt werden - z.B. begeht jemand einen Fehlschluss. Warum begeht er diesen Fehlschluss? In Anbetracht des Analysefilters von b.) ist es ganz sinnvoll, weil dieser Jemand sonst seine rhetorische Pointe verlieren würde.

Dass es verschiedene Gesetzlichkeiten gibt, ist in bestimmten Kontexten (traditionelle Kontexte) mit Sicherheit richtig. Leicht nachvollziehbar ist aber ebenfalls, dass z.B. Heideggers Umwertung der husserlschen Begriffe "eigentlich" und "uneigentlich" zwar aus einem anderen Antrieb heraus durchgeführt wird, letztendlich aber die heideggersche Auslegung alle anderen Gesetzlichkeiten (die logische zwar nicht explizit, auf jeden Fall aber die sprachliche) von ihrem Ausgangspunkt einholt. Die Trennung der Gesetzlichkeiten ist auch in bestimmten anderen Konstrukten garnicht mehr zu erkennen. --Richardd 10:27, 19. Apr. 2008 (CEST)


An diesen Bemerkungen kann man einiges klar machen. Husserl beginnt mit sinnlich verbürgten, eigentlichen Zeichen, also z.B. ein Krach bei einer Kollision. Daran gewöhnen wir uns, darum können wir Zeichen systematisch nutzen (Fiebermessung). Darüber hinaus gibt es sinnlich nicht direkt verdrahtete Zeichen, abstrakte Merkmale (Rituale, Schriftzeichen etc.), die auch durch Gewöhnung funktionieren. Aber - und hier setzt er als Mathematiker und Systematiker an - dieses Training entspricht nicht den höchsten Forderungen der Wissenschaft - nach Wahrheit. Er sieht über den Gewohnheitsbereich hinaus eine Dimension der kritischen Prüfung der Zeichenpraxis durch die Logik.

Diese logische Prüfung erfolgt nach Kriterien, die im Vergleich mit Alltagspraxis "abgeboben" sind. Das ist kein Wunder, es geht gerade um die entsprechende Distanz. Vom Ausgangspunkt gesehen richtet sie sich speziell auf "uneigentliche" Zeichen, weil die ein breiteres Feld eröffnen (der Krach, die Multiplikation). Husserls Ergebnis ist dann die wunderbare Maschine der Arithmetik, also die Kombination von Uneigentlichkeit mit Wissenschaftsgewinn. Das wiederum ist die Folie, vor deren Hintergrund Heidegger - gegen die formalen Wissenschaften - den Blick auf die "Eigentlichkeit" zurücklenkt. Nun allerdings nicht als Verbürgtheit durch sinnliche Erfahrung, sondern als eine ontologische Kategorie des Menschen in der Welt. --anna 13:04, 21. Apr. 2008 (CEST)


Geistesgegenwart als knappste Ressource in der Wirtschaft

Und noch einen Aspekt möchte ich anführen, den ich vor einigen Tagen in dem Buch von Dirk Baecker - Die nächste Gesellschaft - gelesen habe. Im Folgenden eine Aneinanderreihung von wichtigen Stellen (S.19-21):

Die Betriebswirtschaftslehre ist [...] es gewohnt, das Unbestimmte auszuschließen, nicht es in Rechnung zu stellen, also einzuschließen. [...] Die Nachfrage von Preisen, Kosten, Nutzen und Gewinnen führt keinen Schritt weiter, wenn es darum geht, die Arbeit von GIs auf einem gefährlichem Flugzeugdeck zu koordinieren, die Wachsamkeit der Mannschaft eines Atomkraftwerks sicherzustellen oder sicheres Arbeiten unter den Stressbedingungen der Intensivstation zu unterstützen. Hier hilft nur der Rechner Mensch, das heißt eine hochgradig komplexe Einheit, die wahrnehmungsfähig und kommunikationsfähig ist, die trainiert und ausgebildet werden kann und die bei all dem zusätzlich in der Lage ist, ihre eigenen Bedingungen zu beobachten, zu reflektieren, zu beschreiben. Der Rechner Mensch ist seit der Neuzeit nur in den beiden Formen seiner Abwertung auf die Funktion der Arbeitskraft und seiner Aufwertung zum Potenzial einer humanistischen Selbstverwirklichung gewürdigt worden. Erst die neueren Kognitionswissenschaften entdecken, dass wir es hier mit einer Einheit zu tun haben, die schon kann, was wir Maschinen und Computern noch lange nicht beibringen können. [...] Die innovativen Unternehmen der nächsten Gesellschaft werden entdecken, dass Geistesgegenwart [...] im Umgang mit Menschen, Maschinen und Ideen die knappste Ressource von allen ist. Und sie werden entdecken, dass nur der Mensch diese Ressource bereitstellen kann.

Vernetzung

Ich denke, dass der Computer, der regelbasierte Zeichenmanipulation durchführt, die wir im Anschluss als inhaltliche Schlüsse deuten können, deswegen wichtig ist, weil er diese Schlüsse für uns - und hier kommen wir wieder mehr zum Thema Code zurück - direkt weiterverarbeitbar macht, sie fließen unmittelbar in unsere Kommunikation ein. Ich klicke in diesem Wiki auf Seite speichern und der Computer übernimmt für mich das Eintragen der Seite in der Datenbank, er analysiert die Veränderungen, die ich auf der Wiki-Seite gemacht habe, er veranlasst es, dass man nachher sieht, dass ich gerade die Wiki-Seite verändert habe, und vieles mehr. Aufgrund dieser Änderungen wird es möglich, dass wir hier komfortabel und zu genau den Zeiten, zu denen wir das wollen, kommunizieren können. Und das, ohne eine Ahnung von den technischen Vorgänge haben zu müssen, die dabei ablaufen - denn die Oberfläche ist grundsätzlich intuitiv oder zumindest einfach zu erlernen.--Andyk 08:46, 19. Apr. 2008 (CEST)

Die Praktikabilität von Computern habe ich mit keiner Silbe bezweifelt. Viel eher ging es mir um die Problematik eines "eigentlichen" Vorstellens. --Richardd 10:06, 19. Apr. 2008 (CEST)

Ich finde es schön, zuzusehen, wie wir diese Zusammenhänge sprachlich zu beschreiben suchen. Tatsächlich ist es völlig korrekt, zu sagen: es gibt ein formal-maschinelles System und wir "überladen" es mit Sinn. Man könnte zwei Beispiele diskutieren:

  • Die Soundkarte (in) digitalisiert akustische Schwingungen, der Player schickt Impulse an die Soundkarte (out) und wir deuten das als Musik.
  • Der Taschenrechner folgt einem Algorithmus und wir deuten den Endzustand als Addition.

Im ersten Fall sind wir vielleicht geneigt, zu sagen: "Es ist zuerst Musik, dann lassen wir uns Maschinen einfallen, dadurch produzieren wir akustische Aufzeichnungen, die wir "dann" als Musik re-identifizieren. Das ist eine Argumentation Heideggers: primär ist die Musikerfahrung, nicht die Aufzeichnung mit anschließender Rückübersetzung. So richtet sich Heidegger gegen Husserl und in der Folge dann Derrida gegen Heidegger. Wir beginnen immer bei der (Ton-)Spur. Das geht mit dem 2. Beispiel besser. Addition ist immer schon ein Algorithmus, sozusagen noch bevor wir ihn in der Schule lernen. --anna 13:04, 21. Apr. 2008 (CEST)


Zur Motivation der Vorlesung "Code"

Andreas Kirchner formuliert es einprägsam:

Wir leben in einer Zeit, in der die Informatik einen großen Teil unseres Lebens beherrscht, wir aber nicht imstande sind, die Informatik gemäß unserem Leben einzurichten, sondern es eher an den Möglichkeiten und Einschränkungen, die die Informatik vorgibt, auszurichten. Wir erleben, dass in Pflegeheimen oder Krankenhäusern das Personal Stunden vor dem Computer sitzen muss und Terrabyteweise die Datenbanken füllt, anstatt ihrer eigentlichen Be-rufung nachzugehen: Der Pflege von Alten und Kranken. Dies wäre ein weiterer Fall des Paradoxons, dass durch die Zielsetzung, die Menschen besser zu pflegen, die Menschen SELBST in den Hintergrund gelangen, und nur noch zu einem kontrollier-&steuerbaren Objekt werden. Aber man will natürlich nur die bestmögliche Pflege für alle. Dies werte ich als eine Stützung meiner Überzeugung , dass es ein neues Wissenschaftsmodell benötigt, um die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis wieder zu nivellieren und ein kreatives forschend-handelndes Be-Greifen mit dem, was man eigentlich erreichen will, zu fördern. Man sollte vermeiden, in zu statisch definierte Begrifflichkeiten zu verfallen, die in der Informatik, bedingt durch ihre Struktur, natürlich freudig aufgenommen werden, die aber dann in den konkreten Lebensbereichen oft zur Handlungsunfähigkeit veranlassen, da das System ganz einfach keinen Raum lässt, bestimmte Fälle des Alltags zu berücksichtigen, die also zum Beispiel auch nicht Honoriert werden (vgl.: Der Arzt hat für einen Patienten ca. 8 Minuten zur Verfügung.. die Verrechnung erfolgt über ICD-10, jedoch ist dort nicht vermerkt, dass ein offenes und lockeres Gespräch die Arzt-Patient-Beziehung verbessert und vielleicht erst dadurch eine wahrheitsgetreue Anamnese zulässt). All diesen Problemen muss sich die Informatik stellen, natürlich in der Hoffnung, die Philosophie als Ratgeber zur Seite zu haben.

Ist Heideggers Ansatz der Seinskritik computerfeindlich bzw. codefeindlich?

Ein wesentlicher Bestandteil der eigentlichen Seinsweise bei Heidegger beruht auf der Erhabenheit des Daseins über die in seinem ontisch-ontologischen Vorrang zur Seinsfrage vorgezeichnete Neigung, sein eigenes Sein aus "dem Seienden her zu verstehen, zu dem es sich wesenhaft ständig und zunächst verhält, aus der "Welt"".(GA 2, §5) Die uneigentliche Seinsweise ist also zufürderst im Dasein selbst angelegt, kritisch wird die Situation bloß, wenn das Dasein sich nur noch von den Gegenständen her versteht, die in einer metaphysisch statischen Auslegung dazu verleiten, den Menschen ebenso als zeitlos festgeschriebenen Gegenstand anzusehen. Sollte der Mensch sich bloß noch aus der Welt seines Umgangs verstehen kann man von Verfallenheit sprechen. Das Be-dienen eines Computers ist als Verfallenheit lesbar. Die positive bzw. negative Wertung des Computers hängt davon ab, ob er (der Computer) dem Dasein oder das Dasein ihm (in Form des be-dienens) zuhanden ist. Man könnte von einer Art der Entfremdung sprechen, die uns in dem Moment befällt, oder eher, die sich in dem Moment auswirkt (sie ist ja schon in uns angelegt) da wir im Umgang mit bestimmten Dingen (in diesem Fall der Computer oder die Informatik) unsere Selbstbestimmung aufgeben. Das ist quasi eine Neuformulierung des aufklärerischen Ideals. Es geht nicht um den Wert des omputers sondern um die Form seiner Verwendung. --Richardd 09:14, 21. Apr. 2008 (CEST)

Es ist zu unterscheiden: der Mensch ist unweigerlich in der Welt und versteht sich in und aus diesem Verhältnis. Das ist ein "Vorrang" im Vergleich zu Dingen in der Welt, aber das hat noch nichts mit Eigentlichkeit zu tun. Auch im "alltäglichen Selbstsein" besteht dieser Vorrang:

Das Man ist ein Existenzial und gehört als ursprüngliches Phänomen zur positiven Verfassung des Daseins. (SZ 129)

Die Eigentlichkeit kommt erst im 2. Abschnitt ab dem "Sein zum Tode" zur Sprache: "Die bisherige Interpretation beschränkte sich, ansetzend bei der durchschnittlichen Alltäglichkeit, auf die Analyse des indifferenten bzw. uneigentlichen Existierens. ... Solange die existenziale Struktur des eigentlichen Seinkönnens nicht in die Existenzidee hineingenommen wird, fehlt der eine existenziale Interpretation führenden Vor-sicht die Ursprünglichkeit." (SZ S. 232f) --anna 13:42, 21. Apr. 2008 (CEST)

Ganz wie Sie sagten, liegt der Vorrang des Daseins mit in der Auslegung seines Seins aus dem Verständnis seines Seins in der Welt und aus dem Verhältnis zu ihr. Die Betonung liegt jedoch hierbei auf "in und im Verhältnis zu ihr" (der Welt). In den Worten

aus "dem Seienden her zu verstehen, zu dem es [das Dasein; R.D.] sich wesenhaft ständig und zunächst verhält, aus der "Welt""

ist jedoch der Bezug auf eine Auslegung mit Hilfe von Kategorien für Seiendes (das kein Dasein ist) eindeutig gegenüber einer Auslegung mit Hilfe von Existentialien unterschieden, womit die Grundlegung der uneigentlichen Seinsweise, zwar ungesagt, vorgezeichnet ist. Das antike Seinsverständnis als gegenwärtige Anwesenheit entbehrt in seiner zeitlichen Festgeschriebenheit der Möglichkeit eines phänomenologischen Zugangs zur Daseinsauslegung über das Existential, weil die Verhältnishaftigkeit sich auf metaphysische Verhältnisse beschränkt (deren Möglichkeit im aristotelischen Kontinuum gelegt ist, auch wenn Aristoteles z.B. von phronesis spricht). Das Existential ist ja wie ich unter P.S. beschrieben habe bloß eine Bezeichnung aus der Notlage der Begriffsbildung, die keine explizit dynamischen Worte zulässt. (ich glaube Heidegger spricht in diesem Zusammenhang von der formalen Anzeige) Dass der Mensch sich aus seinem Sein in der Welt, seinem Verhältnis zu ihr versteht bedeutet natürlich noch keine Eigentlichkeit, sonst gäbe es keine Seinsvergessenheit. Wohl aber liegt in diesem Vorrang des Daseins zur Seinsfrage die Problematik "begründet", dass das Dasein aus seinem Verständnis für das Seienende das kein Dasein ist, dieses kategoriale Verständnis auf sich rückzuprojezieren kann. Wie Heidegger ausdrücklich sagt, liegt in dieser Nähe des Daseins zum Sein gleichzeitig seine Ferne zu demselben. Wollte man machiavellistisch Urteilen könnte man sagen, dass dem Dasein sein Verfallen aus seiner Auszeichnung erwächst.

der Mensch ist unweigerlich in der Welt und versteht sich in und aus diesem Verhältnis, wir sprechen ja auch von Dasein. Das Bewusstsein dieses Umstandes ist aber nicht gleichursprünglich mit dem Umstand selbst. Man denke, nur zur Illustrierung ohne Gewähr an das Heraufkommen der Hermeneutik Siehe hier: Hermeneutik und Reziprozität --Richardd 15:22, 21. Apr. 2008 (CEST)

Ich stimme zu. Das In-der-Welt-Sein bringt es mit sich, dass Dasein sich im Verbund mit innerweltlichem Seienden findet und versteht. Damit ist angelegt, dass es jene Züge verfehlt, die nur in den ausgezeichneten Situationen sichtbar werden, in welchen das innerweltliche Seiende zurücktritt und/oder verschwindet. Diese Züge führt Heidegger über Tod, Angst etc. ein. Das ergibt "Eigentlichkeit", und zwar in einem von Husserl markat unterschiedenen Sinn. --anna 19:12, 21. Apr. 2008 (CEST)

P.S.

Ebendieselbe Auslegung ließe sich auf Plauderei oder eine Vorlesungen anwenden, was sich vordergründig (und nur vordergründig) natürlich hinsichtlich der heideggerschen Auslegung des Geredes gegen ihn selbst, oder zumindest seine Philosophie richten würde. Die heideggersche Auslegung des Geredes als uneigentliche Rede, muss als dehnbare Beschreibungsform in actu verstanden werden. Jede Rede kann Gerede sein, jedes Gerede Rede. Das bedeutet keinen Fehler in Heideggers Philosophie, sondern einen Fehler in unserem Verständnis. Wollte man jede Form von Vorlesung als Gerede bezeichnen, so ist das weniger eine Abwertung der Vorlesung als viel eher eine Aufwertung des Geredes, oder ein Verständnis für die Starrheit des geschriebenen Wortes, auch Heidegger benutzte Tinte oder Bleistift. --Richardd 09:35, 21. Apr. 2008 (CEST)