Diskussion:Kommunikation, Zeichen, Kontext, Code (Code): Unterschied zwischen den Versionen

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(Der Kommunikationsbegriff (kurz zusammengefasst und tw. auf Johanna eingehend))
 
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Ich begegne dem Begriff "Kommunikation" im Alltag als einem System zum sozialen Austausch von Informationen unter Menschen, was aber mit einschließt, dass mindestens einer, der am Austausch beteiligt ist, über einen Grad an Nichtwissen, oder vielleicht besser Nichtinformation, verfügt. Kommunikation bedeutet demnach auch Information.
 
Ich begegne dem Begriff "Kommunikation" im Alltag als einem System zum sozialen Austausch von Informationen unter Menschen, was aber mit einschließt, dass mindestens einer, der am Austausch beteiligt ist, über einen Grad an Nichtwissen, oder vielleicht besser Nichtinformation, verfügt. Kommunikation bedeutet demnach auch Information.
  
Über die tatsächliche physikalische Übertragung von Kommunikation kann man nicht sicher sein, denn das würde ja bedeuten, dass Bewusstsein des anderen, der empfangen soll, ist soweit geöffnet, dass eine Übertragung stattfinden kann.
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Über die tatsächliche physikalische Übertragung von Kommunikation kann man nicht sicher sein, denn das würde ja bedeuten, dass das Bewusstsein des anderen, der empfangen soll, soweit geöffnet ist, dass eine Übertragung stattfinden kann.
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---johanna 29.01.2008
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== Der Kommunikationsbegriff (kurz zusammengefasst und tw. auf Johanna eingehend) ==
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Kommunikation lässt sich zunächst als "Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen" begreifen (Maletzke), der Kommunikationswissenschafter Klaus Merten listet als "elementare Eigenschaften von Kommunikation" zusätzlich noch Profanität (Kommunikationsprozesse können mit geringem Aufwand von jedem initiiert werden), Universalität (menschl. Kommunikation reicht in alle Lebensbereiche), Flüchtigkeit (Kommuniaktionsprozesse als solche lassen sich nicht "erfassen", od. zumindest erst "im Nachhinein"... das macht auch alle Reflexionen darüber schwierig... erschwerend kommt hinzu, dass eine Reflexion ja auch wiederum durch Kommunikationsprozesse bedingt ist) und Relationalität (Kommunikation ist eine relationale Größe / hat dynamischen Prozesscharakter zwischen (mind.) zwei Polen, ist kein fassbares "Objekt" in dem Sinn). Dass es mit dem Kommunikationsbegriff nicht so einfach ist, zeigt sich vielleicht auch dadurch, dass Merten einmal 160 (sic!) Definitionen dieses Begriffs zusammengetragen, untersucht und verglichen hat.
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Zur Frage ob man Kommunikation "in keinem Fall", "auch nicht im Nichtstun" entkommen kann: Eine Frage der Perspektive und des Kommunikationsbegriffs. Geht man mit Paul Watzlawick, gilt das Axiom "Man kann nicht nicht (sic!) kommunizieren", da für Watzlawick einerseits gilt, dass "Verhalten" kein Gegenteil kennt, man sich ständig "verhält", also sich "nicht nicht  verhalten kann", andererseits jedes Verhalten = Kommunikation ist. Handeln, Nichthandeln, Worte, Schweigen haben alle sog. "Mitteilungscharakter". Ein Beispiel: Jemand sitzt in einem überfüllten Wartesaal, mit geschlossenen Augen und hochgezogenen Schultern. "Kommuniziert" dieser jemand? Für Watzlawick schon, denn durch die geschlossenen Augen teilt sie/er den Menschen in ihrer/seiner Umwelt sehr wohl etwas mit (ganz davon abgesehen, dass schon ihre/seine bloße Präsenz "Bedeutung" haben kann): Nämlich, dass sie/er nicht sprechen oder angesprochen werden möchte o.ä.  - Für gewöhnlich wird das auch "verstanden" und man wird sie/ihn "in Ruhe lassen"!  Wie sieht es aus wenn man bewusst "nicht kommunizieren" möchte? (Das von Watzlawick  benannte "schizophrene Dilemma" in diesem Zusammenhang ist folgendes: Der krampfhafte Versuch, nichts aussagen zu wollen, und durch dieses "nichts aussagen" nicht schon wieder etwas auszusagen, der scheitern muss.)
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Versucht man einen etwas mehr "pragmatischeren", "humanspezifischen" Kommunikationsbegriff zu verwenden, muss man zunächst Watzlawick insofern kritisieren, dass er offenbar keine Unterscheidung zwischen "Verhalten" und "Handeln" trifft, sondern diese Begriffe synonym verwendet. (vgl. etwa R. Burkart, 2002). Eine Unterscheidung, die aber durchaus Berechtigung hat, da man "Kommunikation" als eine Form von Verhalten sehen kann. "Handeln", als humanspezifische Form von "Verhalten" beinhaltet nämlich Intention - man spricht von "zweck- und zielgebundenem Verhalten". Mit Max Weber ließe sich hier noch der Begriff "soziales Handeln" davon differenzieren (also ein- oder mehrere Gegenüber -und sei es nur gedanklich- implizierend), was uns schließlich zu "kommunikativem Handeln" führt: soziales Handeln mit expliziter Ausrichtung auf ein/mehrere Gegenüber. "Kommunikation" liegt dann vor, wenn zwei oder mehrere Individuen ihr kommunikatives Handeln aufeinander richten und "Verständigung" entsteht ("Kommunikationserfolg"). "Kommunikation" wie sie in der modernen Kommunikationswissenschaft aufgefasst wird kommt um die Phänomene "Intention" und "Verstehen" nicht herum. Für den Humanbereich lässt sich (mit Burkart) festhalten: Kommunikation kann sehr wohl NICHT stattfinden, entweder, weil man nichts mitteilen WILL oder weil eine Mitteilung NICHT VERSTANDEN wurde.
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Zu "Kommunikation und Gesellschaft" empfehle ich u.a. die "Theorie des kommunikativen Handelns" von Jürgen Habermas.
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--[[Benutzer:Moritz|Moritz]] 22:47, 30. Jan. 2008 (CET)

Aktuelle Version vom 30. Januar 2008, 22:53 Uhr

Überlegungen zum Begriff „Kommunikation“

Wenn man sagt, dass Kommunikation in allem gegeben ist - entkommt man der Kommunikation somit in keinem Fall, auch nicht im Nichtstun? Auch das Nichtstun ist ja eine Art von Kommunikation, auch so vermittelt man seiner Welt etwas, es sei denn man ist alleine u. die Welt bzw. Gesellschaft befindet sich im Unwissen darüber, dass man existiert. Alleine in seiner Wohnung, keine gesellschaftlichen Kontakte: Ist das dann auch noch Kommunikation? Hier stellt sich dann die Frage: Was ist überhaupt Kommunikation? Für mich ist wesentlich, dass Kommunikation auf einer Differenz beruht: auf der einen Seite das Individuum und sein Bewusstsein und auf der anderen Seite die Gesellschaft. Geht man aber von der einen Extremsituation aus, dass alles Kommunikation ist, auch das Denken, dann ist Denken ja bereits eine Sprache über die man sich mitteilen kann. Das Problem darin ist aber, dass ein Mensch immer etwas anders wahrnimmt, als er es ausdrückt. Die andere Extremsituation sehe ich z. B. bei Luhmann, wenn er sagt, dass Menschen nicht kommunizieren können, auch ihre Gehirne nicht, nicht einmal das Bewusstsein (Niklas Luhmann: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch). Nur die Kommunikation kann seiner Meinung nach kommunizieren. Hier wird die Kommunikation zwischen zwei Individuen geleugnet, angefochten. - Soviel einmal zur Anregung, was Kommunikation sein könnte. Bei Luhmann beschreibt Kommunikation ja eher die Selbsterhaltung, Selbsterschaffung eines Systems, d. h. bestimmte Gedanken sind bereits in der Gesellschaft vorhanden u. werden weitergedacht bzw. erhalten. Soziale Systeme bestehen ausschließlich aus Kommunikation und nicht aus Individuen od. Subjekten. Außerdem würde Luhmanns zentraler These nach nur in das System aufgenommen, was zum „Thema“ passe; dafür bediene sich das System (er nennt es ein autopoietisches System) binären Codes, wie z. B. Moral: Gut/Böse (wobei hier von der Religion unterschieden wird).

Ich begegne dem Begriff "Kommunikation" im Alltag als einem System zum sozialen Austausch von Informationen unter Menschen, was aber mit einschließt, dass mindestens einer, der am Austausch beteiligt ist, über einen Grad an Nichtwissen, oder vielleicht besser Nichtinformation, verfügt. Kommunikation bedeutet demnach auch Information.

Über die tatsächliche physikalische Übertragung von Kommunikation kann man nicht sicher sein, denn das würde ja bedeuten, dass das Bewusstsein des anderen, der empfangen soll, soweit geöffnet ist, dass eine Übertragung stattfinden kann. ---johanna 29.01.2008


Der Kommunikationsbegriff (kurz zusammengefasst und tw. auf Johanna eingehend)

Kommunikation lässt sich zunächst als "Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen" begreifen (Maletzke), der Kommunikationswissenschafter Klaus Merten listet als "elementare Eigenschaften von Kommunikation" zusätzlich noch Profanität (Kommunikationsprozesse können mit geringem Aufwand von jedem initiiert werden), Universalität (menschl. Kommunikation reicht in alle Lebensbereiche), Flüchtigkeit (Kommuniaktionsprozesse als solche lassen sich nicht "erfassen", od. zumindest erst "im Nachhinein"... das macht auch alle Reflexionen darüber schwierig... erschwerend kommt hinzu, dass eine Reflexion ja auch wiederum durch Kommunikationsprozesse bedingt ist) und Relationalität (Kommunikation ist eine relationale Größe / hat dynamischen Prozesscharakter zwischen (mind.) zwei Polen, ist kein fassbares "Objekt" in dem Sinn). Dass es mit dem Kommunikationsbegriff nicht so einfach ist, zeigt sich vielleicht auch dadurch, dass Merten einmal 160 (sic!) Definitionen dieses Begriffs zusammengetragen, untersucht und verglichen hat.

Zur Frage ob man Kommunikation "in keinem Fall", "auch nicht im Nichtstun" entkommen kann: Eine Frage der Perspektive und des Kommunikationsbegriffs. Geht man mit Paul Watzlawick, gilt das Axiom "Man kann nicht nicht (sic!) kommunizieren", da für Watzlawick einerseits gilt, dass "Verhalten" kein Gegenteil kennt, man sich ständig "verhält", also sich "nicht nicht verhalten kann", andererseits jedes Verhalten = Kommunikation ist. Handeln, Nichthandeln, Worte, Schweigen haben alle sog. "Mitteilungscharakter". Ein Beispiel: Jemand sitzt in einem überfüllten Wartesaal, mit geschlossenen Augen und hochgezogenen Schultern. "Kommuniziert" dieser jemand? Für Watzlawick schon, denn durch die geschlossenen Augen teilt sie/er den Menschen in ihrer/seiner Umwelt sehr wohl etwas mit (ganz davon abgesehen, dass schon ihre/seine bloße Präsenz "Bedeutung" haben kann): Nämlich, dass sie/er nicht sprechen oder angesprochen werden möchte o.ä. - Für gewöhnlich wird das auch "verstanden" und man wird sie/ihn "in Ruhe lassen"! Wie sieht es aus wenn man bewusst "nicht kommunizieren" möchte? (Das von Watzlawick benannte "schizophrene Dilemma" in diesem Zusammenhang ist folgendes: Der krampfhafte Versuch, nichts aussagen zu wollen, und durch dieses "nichts aussagen" nicht schon wieder etwas auszusagen, der scheitern muss.)

Versucht man einen etwas mehr "pragmatischeren", "humanspezifischen" Kommunikationsbegriff zu verwenden, muss man zunächst Watzlawick insofern kritisieren, dass er offenbar keine Unterscheidung zwischen "Verhalten" und "Handeln" trifft, sondern diese Begriffe synonym verwendet. (vgl. etwa R. Burkart, 2002). Eine Unterscheidung, die aber durchaus Berechtigung hat, da man "Kommunikation" als eine Form von Verhalten sehen kann. "Handeln", als humanspezifische Form von "Verhalten" beinhaltet nämlich Intention - man spricht von "zweck- und zielgebundenem Verhalten". Mit Max Weber ließe sich hier noch der Begriff "soziales Handeln" davon differenzieren (also ein- oder mehrere Gegenüber -und sei es nur gedanklich- implizierend), was uns schließlich zu "kommunikativem Handeln" führt: soziales Handeln mit expliziter Ausrichtung auf ein/mehrere Gegenüber. "Kommunikation" liegt dann vor, wenn zwei oder mehrere Individuen ihr kommunikatives Handeln aufeinander richten und "Verständigung" entsteht ("Kommunikationserfolg"). "Kommunikation" wie sie in der modernen Kommunikationswissenschaft aufgefasst wird kommt um die Phänomene "Intention" und "Verstehen" nicht herum. Für den Humanbereich lässt sich (mit Burkart) festhalten: Kommunikation kann sehr wohl NICHT stattfinden, entweder, weil man nichts mitteilen WILL oder weil eine Mitteilung NICHT VERSTANDEN wurde.

Zu "Kommunikation und Gesellschaft" empfehle ich u.a. die "Theorie des kommunikativen Handelns" von Jürgen Habermas. --Moritz 22:47, 30. Jan. 2008 (CET)