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Dem entsprechend besteht ein Gleichklang zwischen menschlicher Verständigung und maschineller Datenübertragung. Dazu wird noch einiges zu sagen sein. Zunächst einmal möchte ich bloß die Prioritäten umdrehen. Wenn man so beginnt sind die Missverständnisse eine unangenehme Nebenerscheinung. Im jetzigen Ablauf sind sie der Anfang. Wittgenstein: "Ein philosophisches Problem hat die Form: »Ich kenne mich nicht aus.«" - Philosophische Untersuchungen, §123
 
Dem entsprechend besteht ein Gleichklang zwischen menschlicher Verständigung und maschineller Datenübertragung. Dazu wird noch einiges zu sagen sein. Zunächst einmal möchte ich bloß die Prioritäten umdrehen. Wenn man so beginnt sind die Missverständnisse eine unangenehme Nebenerscheinung. Im jetzigen Ablauf sind sie der Anfang. Wittgenstein: "Ein philosophisches Problem hat die Form: »Ich kenne mich nicht aus.«" - Philosophische Untersuchungen, §123
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--[[Benutzer:Anna|anna]] 08:34, 16. Nov. 2007 (UTC)
  
 
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Aktuelle Version vom 16. November 2007, 09:34 Uhr

Ich versuche auf dieser Seite einen zusammenfassenden Überblick zu den bisherigen Beiträge zur Diskussion im Wiki. --anna 09:58, 14. Nov. 2007 (UTC)

Code und Verantwortung

Die Ausgangssituation: ein (mittlerweile) alltäglicher Ablauf (Homepage) wird gestört. Es erscheinen "sonderbare" Zeichen, die als Computercode zu erkennen sind. Zwei Ebenen der Mitteilung sind im Spiel. Das Beispiel sollte verdeutlichen, wie computertechnisch wirksame Zeichensequenzen auffällig werden können und wie sie damit in den Bereich der Humanwissenschaften hineinspielen.

Daran knüpfte sich die Frage: Wo liegt die Fehlerquelle? Wer ist schuld? Einerseits ist die Frage durch die Themenstellung provoziert. Die Pointe besteht ja in einer Störung. Andererseits ist es doch bemerkenswert, dass gleich nach Verantwortung gesucht wird. (Das lag allerdings auch in meiner Darstellung: Ich wurde gefragt: Können Sie da nicht etwas machen?) Es läßt sich aber auch eine mehr systemorientierte Betrachtungsweise anwenden. Ein praktischer Verstehenszusammenhang wird durch eine technische Auffälligkeit durchkreuzt. So beschrieben ist es vergleichbar mit den Spuren, die ein Wasserrohrbruch auf der Wand erzeugt.

Damit sind wir bei einem ersten Streitpunkt. Es gibt Störungen durch "höhere Gewalt", durch maschinelle Fehlfunktionen und durch menschliche Absicht. Also Erdbeben, Wasserrohrbruch, Bombenanschlag. (Diese Punkte lassen sich auch kombinieren.) Es ist für unsere Praxis oft wichtig, diese Faktoren passend auseinander zu halten. Das Beispiel des php-Codes führt vor Augen, dass wir damit in einen mehrschichtigen Bereich kommen. Die Zeichensequenzen sind unverständlich und sinnvoll. Für die einen sind sie "wirres Zeug", für die anderen enthalten sie wichtige Informationen. Das ist von einer Situation zu unterscheiden, in der z.B. ein Hardwaredefekt eine Buchstabensuppe erzeugt. Damit sind wir bei einer zentralen Eigenschaft von Code. Richardd formuliert es so:

Die Fehlermeldung erscheint deshalb, weil ein gewisser Vorgang eine Regelwidrigkeit hervorruft und einen "Überschuss" an Information erzeugt, der mit dem Sprachvorrat des jeweiligen Systems nicht fassbar ist. Einziger Anhaltspunkt bleibt die Tatsache, DASS ein Übertritt vorgekommen ist und in einem Idealfall weiß man noch, an welcher Stelle im "sequentiellen" Ablauf der Fehler auftrat.

Das ist ganz auf der "systemtheoretischen" Ebene ausgedrückt:

  • ein Vorgang, der sich mit Hilfe eines "Sprachvorrats" realisiert (Webabfrage)
  • eine Überlastung der Ausdruckskapazität dieses Vorgangs (Irritation)

Der interessante Punkt ist nun, dass diese Überlastung sich in auffälligem Code ausdrückt, also in Zeichenketten, die aus dem homogenisierten Ablauf "herausfallen" und dennoch nicht einfach ein "breakdown" sind, wie etwa ein kaputter Schaltkreis. Wir stehen vor fremdartigen Sprachausdrücken, d.h. wir haben eine verstehende Voreinstellung, die gleichzeitig auf dem Prüfstand steht. In dieser Konstellation spiegelt sich eine grundlegende Beschaffenheit moderner Gesellschaften: das Alltagsablauf beruht auf Sprachen, die nicht allgemein verständlich sind.

Hier tritt ein wichtiger Unterschied auf: einerseits Vorgänge wie der Klimawandel oder die Entwicklung einer Tumorzelle. Das sind keine sprachlichen oder sprachgesteuerten Vorgänge. (Sie können verbal analysiert und auf dieser Basis beeinflusst werden.) Und andererseits etwas wie Diplomatie oder Kaufverträge, also konstitutiv sprachliche Abläufe. Das menschliche Leben ist weitgehend hybrid aus beiden Dimensionen zusammengesetzt. Um ein beliebiges Beispiel zu nehmen: ein Busunfall. Und hier ergibt sich auch leicht die Frage: Ist jemand schuld?

Verantwortung hängt an Kommunikationssystemen. Sie hängt daran, dass in sprachgesteuerten Umgebungen Alternativen thematisierbar und wählbar sind. Dass Menschen sich bestimmter Mechanismen (Werkzeuge) bedienen, ist im Kontext zu sehen. Johanna: " Werkzeuge sind höchstens so gut wie die Menschen, die diese verwenden." So wird deutlich, dass "Maschinensprache" eine Herausforderung ist. Sie scheint in beide Richtungen zu oszillieren: als Maschinenprodukt steht sie auf der Seite der Cola-Automaten, als Sprache auf der Seite der Verständigung. Mein Anfangsbeispiel gibt einen Schnappschuss, in dem die Maschine gleichzeitig in Verständigung integriert ist und sie durchkreuzt.

Das Unbewusste

Die Rede von der "Sprache des Unbewussten" ist ähnlich suggestiv und problematisch, wie "Maschinensprache". Das Unbewusste kennt keine Behauptungen und Schlussketten, aber es "meldet sich" mit sprachlich fassbaren "Mitteilungen". Träume, Fehlleistungen können als kodierte Zeichenfolgen aufgefasst werden. In dieser Linie lassen sich die Gehirnvorgänge mit bewussten Zuständen in Beziehung setzen. Ebenso kann es mit Computern und Internet versucht werden. Das wirre Auf und Ab von Elektropotenzialen ist konstruierbar als ein Sprachgeschehen. Ein bestimmtes Feuern bzw. eine Hemmung der Neuronen signalisiert Aggression, eine Chipladung signalisiert: "You have Mail".

Das führt geradewegs in einen Prinzipienstreit. Soll man die Welt so sehen, dass sie sich aus miniaturisierten materiellen Bestandteilen aufbaut, oder machen die überhaupt nur Sinn, wenn man aus größeren Zusammenhängen herkommt? Sowohl das Unbewusste, als auch die informatische Infrastruktur enthalten ein Potenzial der Beunruhigung. Sie lösen bisweilen Störungen in konventionellen Abläufen aus. Die "Götter" (Silvia), die in diesen Bereichen wohnen, besitzen eine eigenartige Macht über das Menschenleben. Und wie es schon in solchen theologischen Denkformen ist, ihre Existenz und Beschaffenheit ist durch zumindest drei Eigenheiten charakterisiert. Sie sind

  • unergründlich, unfassbar, völlig fremd
  • integriert in Welt und Gesellschaft
  • prekär integriert, adressierbar und bewegbar durch spezielle Vermittlungsformen

Richardd thematisiert diese Zusammenhänge:

Die Annahme des Unbewussten subjektiviert das "noch" Unbekannte, welches, übertragen auf ein größeres Feld, eine Allmacht simuliert. Angewendet auf einen Computer träfe das also zu, wenn jemand, der nicht Programmierer ist, ein Programm benutzt und die ausgegebene Humansprache als "eigentliche" Sprache festsetzt, das Wirken und Werken "hinter" der Humansprache, dargestellt vom "unhintergehbaren" Binärcode, aber als "wunderbares" und unbeschreibliches Vorgehen versteht.

Diese Beschreibung trifft wohl für viele Fälle zu! Die Fehlermeldung fungiert wie Freuds Fehlleistungen als Indikator einer seltsamen, wunderbaren "Tiefendimension". Die Frage ist dann: kann man die einfach durch Fachleute entschlüsseln lassen? Zerfällt sie in Naturabläufe und Materie für Expertinnen? Oder muss man lernen, mit den ungebändigten Kräften jenseits des (jeweils im Moment) Fassbaren zu leben?


Verhältnis Code und Sprache

In den Beiträgen ist das Verhältnis der traditionellen Sprachphilosphie zum Einstiegsbeipiel angesprochen worden. Richardd:

Diese Verständnisart hat es mit dem trivialen Sprachverständnis gemein, die eigentlichen Dinge als hinter den Worten befindlich aufzufassen. Das Wort ist so immer bloß ein Bezeichner für etwas, der (in seiner spezifischen Ausformung) willkürlich auf ein Bezeichnetes (das eigentliche "Ding") angewendet wird. Sprache ist in diesem Sinne also bloßes Kommunikationsinstrument. Ebenso ist der Code im Trivialverständnis ein bloßes Instrument auf ein Wort dahinter hinzuweisen, mit der Beschränkung, dass es eben nur noch eingeweihten Personen möglich ist den "Inhalt" nachzuvollziehen.
Nun gibt es eine Vielzahl an Theorien, die ein solches Sprachverständnis forcieren --> Benjamin; Heidegger; Derrida; Luhmann;

Also: eine Website teilt etwas über die Fakultät mit. Ihre Komponenten verweisen auf den Dekan, Bürozeiten, Veranstaltungen. Es ist genau richtig, dass für gewöhnlich Sprache und Code parallel nach diesem einfachen Modell aufgefasst werden und dass die genannten Autoren es in Frage stellen. Ich habe als Einstieg in die Vorlesung nicht die Darstellung der Normalverständnisses und seine Problematisierung durch solche Theorien gewählt, sondern einen Vorgang, der diese Perspektiven aufreisst. Conny bzw. Angi:

Es ist das Verhältnis von Code-Sprache-Mensch meiner Meinung nach eine sehr interessantes Thema, das im Rahmen der nächsten Vorlesung hoffentlich ausführlich behandelt wird.
Eine Behandlung des Themas Sprache und Code in der nächsten Vorlesung wäre wünschenswert.

Diese Erwartungen sind natürlich berechtigt und werden berücksichtigt. Ich bitte allerdings um etwas Geduld. Der Grund ist, dass in der Philosophie, anders als in der Informatik oder der Linguistik, oft nicht direkt nach einem theoretischen Reglement vorgegangen wird.

Intuition unter druck.jpg

Die Informationstheorie bietet eine Operationalisierung. Angi skizziert das so:

Wenn Kommunikation nach dem "Sprecher-Kanal-Hörer-Modell" aufgebaut wird, dann heißt dies, eine Botschaft oder Information mit Hilfe von Sprache zu übermitteln. Dieser Austausch erfolgt durch eine den "Kanalbedingungen" gemäße Codierung. Die Codierung enthält außerdem soziale und semantische Implikationen, weiters encodiert der Sender die Botschaft, was vom Hörer einen Decodiervorgang auf mehreren Ebenen abverlangt. Er muss die Codierung übersetzen und aus diesem dann die Informationen ableiten, welche sprachlich codiert worden sind. Das beste Ergebnis wäre natürlich, wenn der Sender dasselbe aussendet, was der Hörer versteht. Dann wäre die Vermittlung mit Hilfe der Sprache als Code gelungen. Leider kommt es oft zu (De)Codierungsfehlern (Missverständnisse).

Dem entsprechend besteht ein Gleichklang zwischen menschlicher Verständigung und maschineller Datenübertragung. Dazu wird noch einiges zu sagen sein. Zunächst einmal möchte ich bloß die Prioritäten umdrehen. Wenn man so beginnt sind die Missverständnisse eine unangenehme Nebenerscheinung. Im jetzigen Ablauf sind sie der Anfang. Wittgenstein: "Ein philosophisches Problem hat die Form: »Ich kenne mich nicht aus.«" - Philosophische Untersuchungen, §123

--anna 08:34, 16. Nov. 2007 (UTC)



Kontext: Code: Kommunikation und Kontrolle (Vorlesung Hrachovec, 2007/08)