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-- Stefan | -- Stefan |
Aktuelle Version vom 8. Juni 2007, 11:50 Uhr
... zur Willensfreiheit in fünf Sätzen
Vor der eigenen Tür
Tatsächlich ist bei aller berechtigten Kritik an der nicht voraussetzungslosen Naturwissenschaft, die im Gegenteil stets mit Prämissen arbeitet und arbeiten muss, in die tiefen Gestrüppe des eigenen Gartens zu schauen. Wenn eine der Stärken der Philosophie ihre lebensweltliche Anbindung ist, so soll an Fichtes Wort erinnert werden: "Welche Philosophie man wählt, hängt davon ab, was für ein Mensch man ist." Ich korrigiere: ... was für ein Mensch man sein möchte. Wenn mir Begriff und Anspruch resp. Reichweite der Willensfreiheit durch das Seminar zwar weit differenzierter geworden sind, so bin ich doch mit ihrer grundsätzlichen Prämisse in das Seminar gegangen: Ich wollte bewiesen haben, was ich behaupten wollte - die Freiheit des Willens. Tatsächlich stehe ich am Ende des Seminars vor der nicht bewiesenen und nicht widerlegten Willensfreiheit und wie immer stehe ich mitten drin. Mag sie als Illusion gelten, wenn sie nicht gemessen werden kann, ich entkomme ihr doch praktisch nicht und theoretisch auch nicht ihrer Existenzfrage.
-- Christine
Ist Willensfreiheit Glaubenssache?
Es scheint nicht so, als ob die jüngsten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse mehr Klarheit in dieses uralte philosophische Grundthema gebracht hätten. Es sind nicht so sehr neue wissenschaftliche Ergebnisse, die zu neuen Erkenntnissen führen, sondern alte Standpunkte, aus denen heraus die neuen Ergebnisse - befürwortend oder ablehnend - interpretiert werden. So bleibt die Antwort auf die Frage, ob und wie frei der menschliche - ja sogar der tierische - Wille sei, bis auf weiteres Anschauungs- bzw. Glaubenssache. Wobei es schwieriger scheint, ohne Glaube an Willensfreiheit zurechtzukommen, als ohne Glaube an Gott.
-- Raimund
Vorsicht gegenüber tiefen Fragen
Perfekt nachgemachte Menschen sind Menschen. Science-Fiction Programme, die "Cylons" mit Schmerzen und Hoffnungen so durchs Leben steuern, dass wir den Unterschied nicht merken, bewirken menschliche Verhaltensweisen. Kann es sein, dass wir Cylons sind, ohne es zu wissen? Ist die Entdeckung des Bereitschaftspotenzials vielleicht ein Indiz dafür, dass bewusste Freiheit nur eine Fassade darstellt, hinter der sich bio-technische Prädetermination verbirgt? Was soll dann über diese Programme gesagt werden? Sind sie gottähnliche Konstrukte oder Zufallstreffer? Die erste Antwort reproduziert uralte Ordnungsvorstellungen. (Die Cylons glauben fest an Gott.) Der zweite Fall ist in sich widersprüchlich. Gesammelte Zufälle ergeben kein Programm. Zwischen undurchschauten Ereignissen und fragmentierten Zwecken besteht ein Konflikt. Das ist - auf der Stufe der Prinzipien - dasselbe Bild, das sich im täglichen Leben bietet. Sehr weit führt dieser Typ von Fragen also nicht.
-- Herbert
Trennung von Materie und Geist
Die Debatte um die Willensfreiheit entspricht in weiten Strecken der Debatte um die Trennung zwischen Materie und Geist. Die Materie lässt sich, unter Vernachlässigung des Geistes, einfach messen und wie erfolgreich diese Ignoranz war und ist, zeigt der naturwissenschaftliche Fortschritt und die ständige Verfeinerung der Messmethoden. Dabei ist vorerst zu hinterfragen, was messen eigentlich bedeutet? Messen bedeutet Vergleichen mit Bekanntem. Dabei geht es nicht um Information, diese liegt erst in den gemessenen Unterschieden. Wie sollten aus Messungen nun neue Erkenntnisse gewonnen werden? Und geht es bei der Willensfreiheit nicht genau um Information und deren Übertragung? Anders und mit Bateson gefragt, warum wirken Placebos? Die Trennung zwischen Materie (Determinismus) und Geist (Willen) führt zwar einerseits zu immer genaueren Messungen und einer Fülle von Buch- und HTML-Seiten anderseits, trägt aber wenig zu einem besseren Verständnis bei und die so geführte Debatte ist über weite Strecken entbehrlich. Wichtiger als die Frage nach dem Primat von Geist oder Materie ist, wie beide gemeinsam zu denken und zu untersuchen sind. Dadurch würde sich jedoch ein Gutteil der Diskussion auf einen Schlag erübrigen.
-- Stefan
Metaphysik
Es war und ist ein Scheinproblem. Die begriffliche Verwirrungsmetaphysik sitzt wieder am Thron des philosophischen Diskurses. Warum sie das tut, ist leicht zu beantworten: Poesie! Nichts verzaubert die Menschen mehr als so zauberhafte Begriffe wie Freiheit.
Lässt sich darüber also mehr sagen? Vielleicht. Ist es sinnvoll darüber mehr zu sagen? Mitnichten.
-- Christian
Selbstbestimmt oder gezogen
Wenn es um den Freiheitsbegriff und die damit verbundenen Implikationen geht, so fällt der Philosophie dabei meiner Ansicht nach die Rolle zu, ein differenziertes Begriffsgebäude zu schaffen, in dessen Rahmen eine adäquate Diskussion auch mit den Naturwissenschaftlern stattfinden kann. In Zeiten rapiden technischen Fortschrittes und im Lichte neuester Erkenntnisse auf dem Gebiet der Neurophysiologie scheint eine solche Diskussion besonders notwendig und die Philosophie soll mit Hinsicht auf ihre eigene Geschichte (samt mancherlei Verwirrungen) den galoppierenden Materialismus der Naturwissenschaftler einbremsen. Sie darf dabei aber nicht in die metaphysische Falle tappen und sich nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass es zur Zeit (noch?) nicht möglich ist, einen definitiven Beweis für oder gegen die Willensfreiheit zu führen. Alle in diese Richtung gehenden Behauptungen sind ideologisch motiviert; Willensfreiheit ist und bleibt Glaubenssache. Ehe etwas anderes bewiesen ist, glaube ich daher lieber weiterhin an meine (personale) Freiheit, anstatt mich als Bauer auf dem Schachbrett des Lebens umhergezogen zu fühlen.
-- Florian
Was bedeutet uns Freiheit?
Abstrakte Worte wie Freiheit und Wille haben nur Bedeutung innerhalb der sprachlichen Verständigung zwischen uns Menschen und nirgends sonst. Hinter dem scheinbar einfachen Satz "Überlege dir, was du eigentlich willst!" verbirgt sich in einem ganz lebenspraktischen Sinn die alltägliche Forderung, ein Bewusstsein zu entwickeln für den meist spannungsgeladenen Spielraum, in dem wir stehen, wenn wir zwischen unmittelbaren sinnlichen Wünschen und zeitlich weiterreichenden Überlegungen mit einem dahinter stehenden Ideal, von wie wir sein wollen, abzuwägen haben. Dabei treffen wir unsere Entscheidungen mit Sicherheit nicht unabhängig von (oftmals zufällig scheinenden) früheren Erfahrungen, biologischen (neuronalen) und gesellschaftlich/kulturellen Dispositionen usw. In dieser Komplexität unserer intersubjektiv (sprachlich) geteilten Welt sind wir niemals frei von sinnlichen Wünschen, aber das Bewusstsein zu haben, frei-willig entscheiden zu können und so unseren Erfahrungsspielraum ein kleines bisschen zu erweitern, ist offensichtlich ein spezifisch menschliches Bedürfnis, das ohne unsere (abstrakte) Sprache nicht denkbar wäre.
Natürlich haben wir die Freiheit, uns zu fragen, inwieweit unsere Entscheidungen in diesem Spielraum grundsätzlich determiniert sind, aber wir haben auch die Freiheit, diese Frage mit einem Achselzucken zu beantworten.
-- Alex
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<h level="2" i="1">== Kontext ==</h>
Freiheit im Kopf (Seminar Hrachovec, 2006/07)
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