Freiheit im Kopf? (FiK): Unterschied zwischen den Versionen

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Jede Wissenschaft legt ein Sachgebiet fest, auf das sich ihre Untersuchungen verpflichten. Die Philosophie kann als Darstellung und Analyse einer Dreiecksbeziehung zwischen Denk- und Handlungsweisen betrachtet werden. Anders als viele andere Disziplinen misst sie dem alltäglichen Verständnis der Welt einen hohen Stellenwert bei. Seit Sokrates nimmt sie die Meinungen des Marktplatzes ernst. Zweitens bezieht sie sich auf Spezialisierungen, die zur Präzisierung und Weiterentwicklung des Alltagsverstandes entwickelt werden. Und diese beiden Gesichtspunkte bezieht sie- drittens - auf theoretische Entwürfe, die auf allgemeinverständlichen oder technischen Vorgaben aufbauen und deren Besonderheiten in umfassendere gedankliche Orientierungen einbauen.
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== Anstoß ==
  
<center>[[Bild:intuition_unter_druck.jpg|thumb|none]]</center>
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Die menschliche Zivilisation, wie sie die Neuauflage der Science-Fiction-Serie "Battlestar Galactica" zeigt, ist von "Cylons" bedroht. Das sind Roboter, die sich zu neuronalen Maschinen weiterentwickelt haben. Die jüngsten Exemplare sind von Menschen nicht zu unterscheiden. Im Verhör gelingt es Kara Thrace nicht, das Geheimnis des hungrigen, schwitzenden Apparates zu durchdringen, der ihr gegenübersitzt. Sein Verhalten ist vollständig durch ein Programm determiniert - und er verhält sich wie ein Mensch.
  
An der Formulierung ''Das Gehirn und seine Freiheit'' lassen sich die genannten Faktoren ablesen. Der Titel verweist auf unterschiedliche Bezugssysteme:
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<center>[[Image:Bsg.jpg|500px|Leoben Conoy und Kara Thrace]]</center>
  
* Durchschnittliche Kenntnisse der menschlichen Anatomie und die Fähigkeit, verantwortlich zu handeln, gehören zur Grundausstattung aller Personen einer modernen Gesellschaft.
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* In den letzten Jahren hat die Neurophysiologie Instrumente entwickelt, welche es erlauben, Hirnzustände zum Zeitpunkt bewusster Handlungen aufzuzeichnen. Dadurch können präzise Beziehungen zwischen neurologischen Abläufen und sogenannten "geistigen Zuständen" hergestellt werden. Das Bewusstsein einer freien Handlung wird mit bildgebenden Verfahren, die unter die Schädeldecke reichen, verknüpft.
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Könnte es sein, dass in Wirklichkeit Katee Sackhoff (Lieutenant "Starbuck") so wie ihr Gegenüber gänzlich durch ihre Nervenausstattung vorprogrammiert ist und sich nur einbildet, frei zu handeln? Könnte eine verborgene Gesetzmäßigkeit den Verlauf aller bewussten menschlichen Zustände vorschreiben? Derart grundlegende Zweifel sind nicht durch einzelne Untersuchungen zu lösen. Sie verweisen auf einen anderen Fragetypus. Genau betrachtet werfen sie das Problem auf, wie mit solchen Fragen überhaupt umzugehen ist. Eine Orientierung über den methodischen Beitrag der Philosophie in dieser Sache ist angebracht.
* Die Hirnmessung und das Selbstverständnis vieler Menschen als freie Wesen passen nicht leicht zusammen. Es fragt sich, welche alltäglichen Annahmen und welche allgemeinen Festlegungen im Spiel sind, wenn die Abbildung nervlicher Erregungszustände als Beitrag zum Verständnis von Handlungen und Verantwortung genommen wird.
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Jede Wissenschaft legt ein Sachgebiet fest, auf das sich ihre Untersuchungen verpflichten. Philosophie kann als Darstellung und Analyse einer Dreiecksbeziehung zwischen Denk- und Handlungsweisen betrachtet werden. Anders als rein theoretische Disziplinen misst sie dem alltäglichen Verständnis der Welt einen hohen Stellenwert bei. Seit Sokrates nimmt sie die Meinungen des Marktplatzes ernst. Zweitens bezieht sie sich auf Spezialisierungen, die zur Präzisierung des Alltagsverstandes entwickelt werden und seine Intuitionen unter Druck setzen. Diese beiden Gesichtspunkte bezieht sie - drittens - auf theoretische Entwürfe, die auf allgemeinverständlichen oder technischen Vorgaben aufbauen und deren Besonderheiten in umfassendere gedankliche Orientierungen einbauen.
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<center>[[Bild:intuition_unter_druck.jpg|600px|Dreiecksbeziehung zwischen Denk- und Handlungsweisen]]</center>
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Die Szene aus "Battleship Galactica" wirft Zweifel über das Normalverständnis des Verhältnisses von Gehirn und Freiheit auf. An ihr lassen sich die genannten Faktoren ablesen. "Gehirn und Freiheit" verweist auf unterschiedliche Bezugssysteme:
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# Durchschnittliche Kenntnisse der menschlichen Anatomie und die Fähigkeit, verantwortlich zu handeln, gehören zur Grundausstattung aller Personen einer modernen Gesellschaft.
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# In den letzten Jahren hat die Neurophysiologie Instrumente entwickelt, welche es erlauben, Hirnzustände zum Zeitpunkt bewusster Handlungen aufzuzeichnen. Dadurch können präzise Beziehungen zwischen neurologischen Abläufen und so genannten "geistigen Zuständen" hergestellt werden. Das Bewusstsein einer freien Handlung wird mit bildgebenden Verfahren, die unter die Schädeldecke reichen, verknüpft.
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# Die Hirnmessung und das Selbstverständnis vieler Menschen als freie Wesen passen nicht leicht zusammen. Es fragt sich, welche alltäglichen Annahmen und welche allgemeinen Festlegungen im Spiel sind, wenn die Abbildung nervlicher Erregungszustände als Beitrag zum Verständnis von Handlungen und Verantwortung genommen wird.
  
 
Perspektiven, die im Bereich der Überkreuzung dieser Zugangsweisen angesiedelt sind, betreffen philosophische Interessen. In den Worten Benjamin Libets, eines US-amerikanischen Neurophysiologen, ist die Problemstellung so gefasst:
 
Perspektiven, die im Bereich der Überkreuzung dieser Zugangsweisen angesiedelt sind, betreffen philosophische Interessen. In den Worten Benjamin Libets, eines US-amerikanischen Neurophysiologen, ist die Problemstellung so gefasst:
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: "Wie das Gehirn mit Willensakten umgeht, ist eine Frage von grundlegender Bedeutung für die Rolle des bewussten Willens und darüber hinaus für die Frage nach der Willensfreiheit. Ge­meinhin nimmt man an, dass bei einem Willensakt der bewusste Wille vor oder bei Beginn der Gehirnaktivitäten erscheinen würde, die zu der Handlung führen. Wenn das richtig wäre, dann würde der Willensakt durch den bewussten Geist eingelei­tet und bestimmt. Was aber, wenn das nicht der Fall wäre? Ist es möglich, dass die spezifischen Hirnaktivitäten, die zu einem Willensakt führen, vor dem bewussten Handlungswillen anfan­gen? Mit anderen Worten, bevor die Person sich dessen bewusst ist, dass sie eine Handlungsabsicht hat?" (Benjamin Libet)
 
: "Wie das Gehirn mit Willensakten umgeht, ist eine Frage von grundlegender Bedeutung für die Rolle des bewussten Willens und darüber hinaus für die Frage nach der Willensfreiheit. Ge­meinhin nimmt man an, dass bei einem Willensakt der bewusste Wille vor oder bei Beginn der Gehirnaktivitäten erscheinen würde, die zu der Handlung führen. Wenn das richtig wäre, dann würde der Willensakt durch den bewussten Geist eingelei­tet und bestimmt. Was aber, wenn das nicht der Fall wäre? Ist es möglich, dass die spezifischen Hirnaktivitäten, die zu einem Willensakt führen, vor dem bewussten Handlungswillen anfan­gen? Mit anderen Worten, bevor die Person sich dessen bewusst ist, dass sie eine Handlungsabsicht hat?" (Benjamin Libet)
  
In diesem Aufriss treten eine Anzahl von Faktoren in ein Verhältnis zueinander: ein Gehirn, der Willensakt eines bewussten Geistes (einer Person) und die Willensfreiheit. Gefragt wird, ob eine freie Handlung als Ergebnis Hirnaktivitäten auslöst, oder umgekehrt ihr Auftauchen im Bewusstsein die Folge von Hirnaktivitäten ist. Im ersten Fall stößt das Bewusstsein unsere körperlichen Aktivitäten an, im zweiten Fall ist es deren Folgeerscheinung. Im Rahmen des Körper-Geist-Dualismus hieße das, dass unsere Eigeninterpretation als ungezwungene Akteurinnen nicht zutrifft. Die Selbstwahrnehmung der Freiheit täuscht darüber hinweg, dass uns die Aktivität des Gehirns in unseren Entscheidungen zuvorkommt.   
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In diesem Aufriss treten eine Anzahl von Faktoren in ein Verhältnis zueinander: ein Gehirn, der Willensakt eines bewussten Geistes (einer Person) und die Willensfreiheit. Gefragt wird, ob eine freie Handlung als Ergebnis Hirnaktivitäten auslöst oder umgekehrt ihr Auftauchen im Bewusstsein die Folge von Hirnaktivitäten ist. Im ersten Fall stößt das Bewusstsein unsere körperlichen Aktivitäten an, im zweiten Fall ist es deren Folgeerscheinung. Im Rahmen des Körper-Geist-Dualismus hieße das, dass unsere Eigeninterpretation als ungezwungene AkteurInnen nicht zutrifft. Die Selbstwahrnehmung der Freiheit täuscht darüber hinweg, dass uns die Aktivität des Gehirns in unseren Entscheidungen zuvorkommt.   
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In Libets Darstellung greifen die Auffassung, dass freie Menschen die Herrschaft über ihren Körper haben, und die experimentelle Überprüfung körperlicher Abläufe ineinander. Sie ist so angesetzt, wie z. B. eine Untersuchung, ob ein Placebo, also die ''Vorstellung'' eines wirksamen Präparates, physische Folgen haben kann. Libets Ergebnisse deuten auf einen starken Einfluss neuronaler Abläufe in diesem psychosomatischen Zusammenhang. Damit ist ein Thema angesprochen, das seit der Entstehung der neuzeitlichen Naturwissenschaft für Kontroversen sorgt:
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: "Gleichzeitig geht die Mehrzahl der geistes- und sozialwissenschaftlichen Diskussionsteilnehmer davon aus, dass der Mensch in seinem Fühlen, Denken und Handeln nicht vollkommen durch seine biologische Natur einschließlich seiner Hirnvorgänge festgelegt ist, sondern dass seine Subjektivität und Intentionalität (das Handeln aus Gründen und nicht nur aus Ursachen) und auch seine Gesellschaftlichkeit die biologische Natur des Menschen transzendieren. 'Der Mensch ist mehr als seine Natur und seine Hirnfunktionen!', heißt es." (Gerhard Roth)
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== Angebot ==
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Die folgenden Seiten gehen der beschriebenen Herausforderung auf mehrfache Weise nach. Sie bieten Ansichten und Argumentationsverläufe aus der aktuellen Debatte zwischen Hirnphysiologie und Philosophie. Entstanden sind sie als Projektarbeit eines Seminars am Institut für Philosophie an der Universität Wien.
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: Gleichzeitig geht die Mehrzahl der geistes- und sozialwissenschaftlichen Diskussionsteilnehmer davon aus, dass der Mensch in seinem Fühlen, Denken und Handeln nicht vollkommen durch seine biologische Natur einschließlich seiner Hirnvorgänge festgelegt ist, sondern dass seine Subjektivität und Intentionalität (das Handeln aus Gründen und nicht nur aus Ursachen) und auch seine Gesellschaftlichkeit die biologische Natur des Menschen transzendieren. »Der Mensch ist mehr als seine Natur und seine Hirnfunktionen!«, heißt es." (Gerhard Roth)
 
  
Philosophische Optionen:
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Die folgenden Perspektiven werden dargestellt:
  
* Kant
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* Wie sieht der experimentelle Ansatz Benjamin Libets genauer aus? [[Benjamin Libet und die Folgen (FiK)]]
* Naturalismus
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* Welches terminologische Instrumentarium wird in der philosophischen Forschung des Körper-Geist-Zusammenhangs normalerweise angewandt? [[Kartographie des Freiheitsbegriffs (FiK)]]
* Moderation
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* In welche Richtung kann sich eine inter-disziplinäre Debatte über Freiheit angesichts der Hirnforschung entwickeln? [[Die Debatte in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie (FiK)]]
* Selbstverständigung
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* Wie sieht ein anerkannter Philosoph des deutschen Sprachraums, Ernst Tugendhat, das Problem der Willensfreiheit? [[Ernst Tugendhat zum Begriff der Willensfreiheit (FiK)]]
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* Zu welchen Ergebnissen kommt eine Gruppe von PhilosophInnen in Ausbildung, wenn sie sich mit den Anstößen der Fachdiskussion befasst? [[Seminar: Freiheit im Kopf (FiK)]]
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* Einige Zusammenfassungen: [[Daraus folgt (FiK)]]
  
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[[Vom Wildwuchs zum Nutzgarten (FiK)]]
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[[Vom Wildwuchs zum Nutzgarten (FiK)]]</div>
  
  
 
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Aktuelle Version vom 2. Oktober 2007, 13:34 Uhr

Anstoß

Die menschliche Zivilisation, wie sie die Neuauflage der Science-Fiction-Serie "Battlestar Galactica" zeigt, ist von "Cylons" bedroht. Das sind Roboter, die sich zu neuronalen Maschinen weiterentwickelt haben. Die jüngsten Exemplare sind von Menschen nicht zu unterscheiden. Im Verhör gelingt es Kara Thrace nicht, das Geheimnis des hungrigen, schwitzenden Apparates zu durchdringen, der ihr gegenübersitzt. Sein Verhalten ist vollständig durch ein Programm determiniert - und er verhält sich wie ein Mensch.


Leoben Conoy und Kara Thrace


Könnte es sein, dass in Wirklichkeit Katee Sackhoff (Lieutenant "Starbuck") so wie ihr Gegenüber gänzlich durch ihre Nervenausstattung vorprogrammiert ist und sich nur einbildet, frei zu handeln? Könnte eine verborgene Gesetzmäßigkeit den Verlauf aller bewussten menschlichen Zustände vorschreiben? Derart grundlegende Zweifel sind nicht durch einzelne Untersuchungen zu lösen. Sie verweisen auf einen anderen Fragetypus. Genau betrachtet werfen sie das Problem auf, wie mit solchen Fragen überhaupt umzugehen ist. Eine Orientierung über den methodischen Beitrag der Philosophie in dieser Sache ist angebracht.

Hintergrund

Jede Wissenschaft legt ein Sachgebiet fest, auf das sich ihre Untersuchungen verpflichten. Philosophie kann als Darstellung und Analyse einer Dreiecksbeziehung zwischen Denk- und Handlungsweisen betrachtet werden. Anders als rein theoretische Disziplinen misst sie dem alltäglichen Verständnis der Welt einen hohen Stellenwert bei. Seit Sokrates nimmt sie die Meinungen des Marktplatzes ernst. Zweitens bezieht sie sich auf Spezialisierungen, die zur Präzisierung des Alltagsverstandes entwickelt werden und seine Intuitionen unter Druck setzen. Diese beiden Gesichtspunkte bezieht sie - drittens - auf theoretische Entwürfe, die auf allgemeinverständlichen oder technischen Vorgaben aufbauen und deren Besonderheiten in umfassendere gedankliche Orientierungen einbauen.


Dreiecksbeziehung zwischen Denk- und Handlungsweisen


Die Szene aus "Battleship Galactica" wirft Zweifel über das Normalverständnis des Verhältnisses von Gehirn und Freiheit auf. An ihr lassen sich die genannten Faktoren ablesen. "Gehirn und Freiheit" verweist auf unterschiedliche Bezugssysteme:

  1. Durchschnittliche Kenntnisse der menschlichen Anatomie und die Fähigkeit, verantwortlich zu handeln, gehören zur Grundausstattung aller Personen einer modernen Gesellschaft.
  2. In den letzten Jahren hat die Neurophysiologie Instrumente entwickelt, welche es erlauben, Hirnzustände zum Zeitpunkt bewusster Handlungen aufzuzeichnen. Dadurch können präzise Beziehungen zwischen neurologischen Abläufen und so genannten "geistigen Zuständen" hergestellt werden. Das Bewusstsein einer freien Handlung wird mit bildgebenden Verfahren, die unter die Schädeldecke reichen, verknüpft.
  3. Die Hirnmessung und das Selbstverständnis vieler Menschen als freie Wesen passen nicht leicht zusammen. Es fragt sich, welche alltäglichen Annahmen und welche allgemeinen Festlegungen im Spiel sind, wenn die Abbildung nervlicher Erregungszustände als Beitrag zum Verständnis von Handlungen und Verantwortung genommen wird.

Perspektiven, die im Bereich der Überkreuzung dieser Zugangsweisen angesiedelt sind, betreffen philosophische Interessen. In den Worten Benjamin Libets, eines US-amerikanischen Neurophysiologen, ist die Problemstellung so gefasst:

"Wie das Gehirn mit Willensakten umgeht, ist eine Frage von grundlegender Bedeutung für die Rolle des bewussten Willens und darüber hinaus für die Frage nach der Willensfreiheit. Ge­meinhin nimmt man an, dass bei einem Willensakt der bewusste Wille vor oder bei Beginn der Gehirnaktivitäten erscheinen würde, die zu der Handlung führen. Wenn das richtig wäre, dann würde der Willensakt durch den bewussten Geist eingelei­tet und bestimmt. Was aber, wenn das nicht der Fall wäre? Ist es möglich, dass die spezifischen Hirnaktivitäten, die zu einem Willensakt führen, vor dem bewussten Handlungswillen anfan­gen? Mit anderen Worten, bevor die Person sich dessen bewusst ist, dass sie eine Handlungsabsicht hat?" (Benjamin Libet)

In diesem Aufriss treten eine Anzahl von Faktoren in ein Verhältnis zueinander: ein Gehirn, der Willensakt eines bewussten Geistes (einer Person) und die Willensfreiheit. Gefragt wird, ob eine freie Handlung als Ergebnis Hirnaktivitäten auslöst oder umgekehrt ihr Auftauchen im Bewusstsein die Folge von Hirnaktivitäten ist. Im ersten Fall stößt das Bewusstsein unsere körperlichen Aktivitäten an, im zweiten Fall ist es deren Folgeerscheinung. Im Rahmen des Körper-Geist-Dualismus hieße das, dass unsere Eigeninterpretation als ungezwungene AkteurInnen nicht zutrifft. Die Selbstwahrnehmung der Freiheit täuscht darüber hinweg, dass uns die Aktivität des Gehirns in unseren Entscheidungen zuvorkommt.

In Libets Darstellung greifen die Auffassung, dass freie Menschen die Herrschaft über ihren Körper haben, und die experimentelle Überprüfung körperlicher Abläufe ineinander. Sie ist so angesetzt, wie z. B. eine Untersuchung, ob ein Placebo, also die Vorstellung eines wirksamen Präparates, physische Folgen haben kann. Libets Ergebnisse deuten auf einen starken Einfluss neuronaler Abläufe in diesem psychosomatischen Zusammenhang. Damit ist ein Thema angesprochen, das seit der Entstehung der neuzeitlichen Naturwissenschaft für Kontroversen sorgt:

"Gleichzeitig geht die Mehrzahl der geistes- und sozialwissenschaftlichen Diskussionsteilnehmer davon aus, dass der Mensch in seinem Fühlen, Denken und Handeln nicht vollkommen durch seine biologische Natur einschließlich seiner Hirnvorgänge festgelegt ist, sondern dass seine Subjektivität und Intentionalität (das Handeln aus Gründen und nicht nur aus Ursachen) und auch seine Gesellschaftlichkeit die biologische Natur des Menschen transzendieren. 'Der Mensch ist mehr als seine Natur und seine Hirnfunktionen!', heißt es." (Gerhard Roth)

Angebot

Die folgenden Seiten gehen der beschriebenen Herausforderung auf mehrfache Weise nach. Sie bieten Ansichten und Argumentationsverläufe aus der aktuellen Debatte zwischen Hirnphysiologie und Philosophie. Entstanden sind sie als Projektarbeit eines Seminars am Institut für Philosophie an der Universität Wien.




Strukturskizze


Die folgenden Perspektiven werden dargestellt:


<root><br /> <h level="2" i="1">== Kontext ==</h>

Freiheit im Kopf (Seminar Hrachovec, 2006/07)

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