Eine Fehlkonstruktion (ThsG): Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 11. Februar 2005, 21:58 Uhr

Gewissheit ist ein subjektiver Zustand. Zu Beginn der "Phänomenologie des Geistes" ist damit noch mehr gemeint. Es handelt sich um die erste im Entwicklungsprozess des "erscheinenden Wissens" auftretende Bewusstseinsform. Also um Hegels Version der Weltsicht von Otto Normalverbraucher.

Es stellen sich folgende Fragen:

  1. Welches Wissen wird Otto zugeschrieben?
  2. Welche Rolle spielen dabei Sinnesdaten?
  3. Sinnliche Gewissheit ist die erste Station der Entwicklung des Hegelschen "Wissens". Wie wirkt sich das auf ihre Konstruktion aus?


(1) Ottos Wissen ist auf Gegenstände gerichtet. Das setzt Hegel vor jeder weiteren Erörterung voraus. Otto weiss die Sache und nicht, dass die Sache eine Beschaffenheit besitzt. Hegels Vorgabe für die betrachtete Wissensform besteht in der Stipulation des simplen Subjekt-Objekt-Schemas als der Grundform des Erkennens.

Diese Position ist schwierig festzumachen. Denn Hegels Absicht zielt dahin, eine solche Festsetzung aufzulösen. Man muss sich aber fragen, wer sie denn überhaupt trifft. Welche Wissensform operiert mit einem solchen Subjekt-Objekt-Modell? Aus heutiger Sicht ist klar, dass es sich nicht um das Alltagsbewusstsein handeln kann. Hegels Gesprächspartner ist der naive Realismus der empiristischen Philosophietradition.

(2) Hegel wendet sich nicht an die Adresse des habituellen Wissens, auf Grund dessen Menschen sich in ihrer Umwelt zurechtfinden. Er begegnet einer bestimmten erkenntnistheoretischen Lehre, nach der die Legitimation des Wissens im "Zeugnis" der Sinnesempfindung liegt. Diese Position läßt sich auch im Alltag finden: "Ich glaube es erst, wenn ich es gesehen habe". Aber sie ist im Kern eine philosophische Lehrmeinung.

Der philosophische Schwung der "Phänomenologie des Geistes" entsteht durch die Widerlegung dieser Position. Sie ist tatsächlich nicht vertretbar, aber die Unterstellung, dass Sinnesgewissheit sich auf Gegenstände stützt, ist bei der Argumentation für dieses Resultat eher hinderlich. Es ist zu offensichtlich, dass die Sinne uns keine Gegenstände liefern. Wer so etwas behauptet, muss darauf hingewiesen werden, dass er eine falsche Vorstellung von kognitiven Legitimationsverfahren hat - von Wissen. Man kann Gewissheit darüber besitzen, dass eine Ampel rot ist. "Ich bin der Ampel (des Rots) gewiss" ist ein möglicher Sprachausdruck. Hinsichtlich der Rechtfertigung von Wissensansprüchen führt er jedoch in eine Sackgasse.

(3) Eine zusätzliche philosophische Perspektive ergibt sich daraus, dass die sinnliche Gewissheit ganz zu Beginn der Wissensentwicklung Hegels steht. Dadurch gerät sie in den Fragenkreis von Unmittelbarkeit und Vermittlung. Philosophie soll ohne Voraussetzungen anfangen und Hegels ingeniöse Lösung besteht darin, die Komponenten des Subjekt-Objekt-Schemas einleitend als "unmittelbar" zu setzen. Damit ist wohl gemeint: im ersten Schritt treten die beiden "gleichursprünglich" und bestimmungslos, als reine Setzung, auf. Den Anfang macht das bloße Dass des Schemas.

Der Nachvollzug dieser Gedankenakrobatik unterbleibt hier. Wichtig ist zu beachten, dass sie nicht zu Hegels systematischen Vorgaben passt. Selbst wenn man konzediert, dass Ottos Wissensform (statt habituell und unausgefaltet zu sein) beim Unmittelbarkeitsverhältnis von Wissen und Gegenstand beginnt, muss man in Rechnung stellen, dass es sich beim allgemeinen Ansatz um ein Verhältnis zu einem Verhältnis handelt (Sophie zu Otto). Hegel gibt im ersten Satz vor, dass auch dieses gedoppelte Verhältnis unmittelbar zu sein hat. Aber wie soll man das denken?

Unmittelbar heißt in diesem Zusammenhang "aufnehmend", nicht unvermittelt im technischen Sinn. Dem Aufnehmen liegen Voraussetzungen zu Grunde, zumindest die Selbsteinschränkung des Begreifens. Die vorliegenden Notizen machen jedoch deutlich, wie umfangreich der Katalog von Hegel an Ottos Wissensform herangetragener Voraussetzungen de facto ist. Das Thema "Wie kommt man von der Unmittelbarkeit zur Vermittlung" sollte man darum hier vermeiden. Hegel beginnt holistisch, beim Wissen von Wissen. Der deduktive Zug, den er zusätzlich ins Spiel bringt, ist wenig aussichtsreich.


Dialektik der sinnlichen Gewissheit (ThsG)




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