Spiel ohne Bildungsideal (BD14): Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 27. November 2014, 12:02 Uhr
Gregory Bateson hat einen Dialog geschrieben Benutzer:Andyka/Über Spiele und Ernst. Er kann als Kontrast zu Schillers Überlegungen dienen. In der Diskussion über diesen Text Benutzer Diskussion:Andyka/Über Spiele und Ernst finden sich Anhaltspunkte zur Analyse der Teleologie des Bildungsbegriffs.
Bateson Zitate
V: Den Klischees? Ja - da ist es dasselbe. Wir alle haben eine Menge fertiger Redewendungen und Vorstellungen, und der Drucker hat fertige Druckstöcke, die alle in Redewendungen angeordnet sind. Wenn aber der Drucker etwas Neues drucken will - sagen wir mal, irgendwas in einer neuen Sprache, dann muß er diese alte Ordnung der Buchstaben aufbrechen. Und so ist es auch, wenn wir etwas Neues denken oder sagen wollen, dann müssen wir all unsere fertigen Vorstellungen aufbrechen und die Teile mischen.
T: Aber Pappi, der Drucker mischt doch die Buchstaben nicht. Oder doch? Er schüttelt sie bestimmt nicht in einer Tüte durch. Er setzt sie einzeln an ihren Platz - alle A's in einen Kasten, alle B's in einen anderen und all die Kommas in wieder einen anderen und so weiter.
V: Ja, das stimmt. Sonst würde er ja verrückt, wenn er versuchen würde, ein A zu finden, das er gerade braucht.
T: Pappi, haben unsere Gespräche Regeln? Der Unterschied zwischen einem Spiel und einfach nur so spielen ist doch, daß ein Spiel Regeln hat.
V: Ja. Laß mich darüber nachdenken. Ich glaube schon, daß wir eine Art Regeln haben... und ich glaube auch, daß ein Kind, das mit Bauklötzchen spielt, Regeln hat. Die Klötzchen selbst bilden so etwas wie Regeln. Sie halten in bestimmten Lagen ein Gleichgewicht und in anderen nicht. Und es wäre eine Art Schummeln, wenn das Kind Klebstoff verwenden würde, um die Klötzchen in einer Stellung zu halten, aus der sie sonst umfallen würden.
T: Aber was für Regeln haben wir denn?
V: Na ja, die Ideen, mit denen wir spielen, bringen eine Art Regeln mit sich. Es gibt Regeln darüber, wie Ideen stehenbleiben und einander stützen. Und wenn sie falsch zusammengefügt sind, fällt das ganze Gebäude in sich zusammen.
T: Kein Leim, Pappi?
V: Nein, kein Leim. Nur Logik.
V: Wir wollen uns nochmal die Frage vornehmen, die du gestellt hast, und von der ich gesagt habe, sie sei für heute zu schwierig. Wir sprachen über den Drucker, der seine Klischees aufbricht, und du sagtest, daß er doch eine Art Ordnung unter seinen Buchstaben beibehält - um nicht verrückt zu werden. Und dann fragtest du: "An was für eine Ordnung sollen wir uns halten, damit wir nicht verrückt werden, wenn wir in ein Durcheinander geraten?" Mir scheint, daß "die Regeln" des Spiels nur ein anderer Name für diese Art Ordnung ist.
T: Ja - und Schummeln ist das, was uns ins Durcheinander bringt.
V: In gewissem Sinne ja. Das stimmt. Nur ist das Entscheidende an dem Spiel, daß wir zwar in ein Durcheinander geraten, aber auch auf der anderen Seite wieder rauskommen, und wenn es kein Durcheinander gäbe, wäre unser "Spiel" wie Canasta oder Schach - und gerade das wollen wir ja nicht.
V: Ja. Der Punkt ist, daß der Zweck dieser Gespräche darin besteht, die "Regeln" zu diskutieren. Es ist wie das Leben - ein Spiel, dessen Zweck darin besteht, die Regeln herauszufinden, wobei sich die Regeln andauernd verändern und immer unentdeckbar bleiben.
T: Aber das bezeichne ich doch nicht als Spiel, Pappi.
V: Vielleicht nicht. Ich würde es als ein Spiel bezeichnen oder zumindest irgendwie als "spielen". Aber es ist sicher nicht wie Schach oder Canasta. Eher so wie das, was kleine Hunde und Kätzchen tun. Vielleicht. Ich weiß es nicht
Zu A. Kirchners Überlegungen
- "Basierend auf der Irritation halten wir fest, dass man im Dunkeln startet, das heißt in einem Bereich, der strukturiert oder unstrukturiert sein mag, je nachdem, ob man eher neugierig nach einer versteckten Struktur ist, oder einen Verdacht der Absenz von Struktur hegt. Jedenfalls hat man sich nicht vorab geeinigt auf alle zulässigen Züge. Das ist nicht etwas, das man versäumt hat, denn in welchem Bereich würde man dies tun? Und welchen Regeln würde man dort folgen?"
Diese Beschreibung eignet sich gut für den Beginn des Bildungsromans und zwar sowohl hinsichtlich der physiologischen Ausgangslage eines Natur-Kultur-Entwicklungsprozesses, als auch für die Sozialisation. Batesons "Logik" setzt auf einem "Durcheinander" auf. Die Pointe ist das Starten, das einer Person zugeschrieben wird. Darin ist eine vorweggenommene Synthesefähigkeit enthalten: sie startet im Dunkel und kommt ans Licht. Teleologien sind rückbezüglich. (Das gilt auch für die Variante des Konstruktivismus, der entsprechend das (spielerische) Gespräch sich im Verlauf entwickelt.)
Regeln sind explizit oder lassen sich zumindest explizieren. Die Praktiken und Konventionen, aus denen sie ein Spiel machen, können sie nicht ausschöpfen. (Welche Anzüge sind Skispringern erlaubt?) Die Festschreibungen setzen individuelle und soziale Praktiken voraus. Sie nehmen sie sozusagen in Dienst. Die Idee des Federballspiels bedient sich einer bestimmten Art von "Ball". Im Spiel erfüllt dieses leichte Ding einen Zweck, darin steckt eine Zielausrichtung durch Feedback. Ich brauche ein passendes Flugobjekt und finde das Ding, das sich dazu eignet. Ist nun die menschliche Lebensführung insgesamt nach einem solchen Muster zu fassen?
A. Kirchners Optionen:
- das Dunkle durch unsere Strukturierungsfähigkeiten zur Ordnung bringen
- mit Erfahrung und Sprachbausteinen dem Dunklen sein Geheimnis entlocken
- Struktur im Prozess entstehen und sich entwickeln zu lassen
In keiner der drei Sichtweisen schält sich ein übergeordneter Sinn heraus, der garantieren würde, dass die beiden Seiten "wirklich" zusammenpassen. Spiele realisieren eine ad hoc Synthese, die immer aus der Balance gebracht werden kann. Und "die Person" in ihrem Balanceakt zwischen Dunkel und Struktur? Eines ist deutlich: "Reflexion" und "Selbstwerdung" sind prekäre Hilfen.