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Version vom 11. Dezember 2011, 12:26 Uhr
In der Vorlesung, vom 9. Dezember haben wir etwas von den grundlegenden Werten der Lebensgemeinschaften erfahren, die in ihren Vorläufen vom Haus über das Dorf, die Dörfer, zum Staat, als Ziel einer Selbstgenügsamkeit als autarkeia erreicht wird: Als bestehend zum bloßen Leben, aber doch des möglichst vollkommenen Lebens willen. Arendt, mit der ich mich ebenfalls gerade beschäftige, könnte man in Analogie zur griechischen Tradition hier durchaus gegenlesen: Arbeiten, Herstellen und Handeln hat den Menschen seit „Menschengedenken“ umgetrieben. Und Handeln als zentraler übergeordneter Begriff, agere: handeln, verhandeln, führen; vitam agere: „Ein Leben führen“ ist dem Menschen substanziell seiner Essenz, seiner ousia existentiell eingeschrieben. Zwei Faktoren sind hier auffällig, die sich in der Geschichte wirkmächtig fortsetzen und in einer Art von „den Menschen aufgegeben“, weitergeführt werden. Punkt A: Die, bis in die Moderne (weit)verbreitete Ansicht, dass eben der Mensch nicht gleich sei, dass es so etwas wie „Höhere“ und „Niederere“ Menschen gäbe, also die, die führen und die, die geführt werden müssen. Aristoteles: „Wenn aber bei den Barbaren Weib und Sklave dieselbe Stellung haben, so liegt der Grund hiervon darin, daß ihnen überhaupt dasjenige fehlt, was von Natur zum Regieren bestimmt ist, vielmehr die Gemeinschaft hier nur die Verbindung einer Sklavin mit einem Sklaven ist.“ Punkt B: Wenn es Menschen mindestens zweier Klassen gäbe, dann besteht zumindest die Chance, denn man kann auch durch „niedere Tätigkeiten“ zu Geld kommen, sich mit diesem Geld bei sogenannten Wissenden „einzukaufen“ um von ihrem Wissen einen Teil zu lukrieren, zu partizipieren und dadurch in der Hierarchie in die höhere Klasse der Privilegierten aufzusteigen. „Man kann durchaus behaupten, dass die Sophisten diejenigen waren, die den Lehrerberuf erstmals professionell ausübten. Ihr Ruf wurde in der Darstellung ihrer aristokratischen Gegenspieler (wie Platon) jedoch dadurch geschmälert, dass die Sophisten Geld (Lohn) für ihre Dienste nahmen. Im antiken Griechenland der vordemokratischen Zeit war Bildung ein aristokratisches Privileg und folglich war es bis dahin nicht üblich gewesen, dass sich (aristokratische) Lehrende für ihre Tätigkeit Lohn bezahlen ließen.“ Diese zwei Facetten, also, prinzipielle Ungleichheit und doch gewisse Aufstiegsmöglichkeit der Protagonisten durch Wissensgenerierung, zieht sich eigentlich ungebrochen durch die Geschichte bis in die Moderne. Das Christentum als Buchreligion hat zwar das theoretische Rüstzeug einer „besseren Welt“ geliefert: Das heißt vor Gott sind alle gleich, wie wir aber wissen, in der praktischen Umsetzung dieses „Ideals“, doch wieder durch den ausübenden (Christ)Menschen, am Menschen(kind) im Sinne des Wortes, versagt. Also, könnte man konstatieren, die starken Veränderungen die der Mensch durchfuhr, ergaben Transfers durch technischen Fortschritt, durch neue Maschinen, neue Methoden, immer differenziertere Arbeitsteilung, eine mittlerweile spürbare Besserstellung vom allgemein bedingten Niveau her, änderte aber an der Grundsätzlichkeit der Betrachtung des Menschen, geteilt in Klassifizierungen, wenig. Rousseau sagt:1 „Man kann nicht fragen, was die Quelle der natürlichen Ungleichheit ist, weil die Antwort sich in der einfachen Definition des Wortes ausgedrückt fände. Man kann noch weniger danach suchen, ob es nicht eine wesenhafte Verbindung zwischen den zwei Arten der Ungleichheit gäbe. Denn das hieße mit anderen Worten zu fragen ob die Befehlenden notwendigerweise mehr wert wären als die Gehorchenden, und ob die Stärke des Körpers oder des Geistes, die Weisheit oder die Tugend, sich stets in den selben Individuen und entsprechend zu ihrer Macht und zu ihrem Reichtum fände. Dies wäre eine Frage, die vielleicht dazu taugt, um unter Sklaven, wenn ihre Herren zuhören, verhandelt zu werden, die jedoch nicht vernünftigen und freien Menschen ansteht, welche die Wahrheit suchen.“ Der geflügelte Satz einer jeden ökonomischen Philosophie ist Rousseaus Einleitungssatz zum zweiten Teil seines Diskurses über die Ungleichheit unter den Menschen von 1755: „Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: Das gehört mir!, und der Leute fand die einfältig genug waren, ihm zu glauben, ist der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft (société civile).“2 Diese sogenannte bürgerliche Gesellschaft hat sich eben schon aus diesen genannten Gründen sofort auseinander dividiert, denn ganz offensichtlich gab es zu jeder Zeit immer Genügende die „einfältig genug“ waren und immer bereit anderen zu „glauben“. Auch einer der Gründe, warum es so kompliziert ausfällt von einer humanitas society, eine gerechte Gesellschaftsordnung zu installieren. Denn die einen haben sich schon ihren überzeugenden Zaun installiert, und dieses eingehegte Terrain durch autoritative „Sprechakte“ unter ihre autonome Verfügungsgewalt gestellt. Oder anders ausgedrückt: Den sogenannten „Gläubigen“ wurde ganz deutlich klargelegt, dass dies alles nur zu ihrem Besten und Wohlwollen passiert. Ist es doch die Not, welche am meisten würdelos ducken lässt. Der Arme ist gar nicht imstande, den Kopf so hoch zu tragen, wie der Stolz es verlangt. Wie also, wenn vor allem rechtens wäre, dass jeder Mensch so angenehm wie möglich lebt? Wenn richtiges Recht gerade auch auf Glück angewendet würde und auf sein hungerndes Gegenteil? Das sind Fragen, die aus der urrechtlichen zu wirtschaftlichen Erwägungen zwangsläufig führen müssen. Doch darüber hinausgehend, wie Gewissensbisse durch Ungleichheit und Fragen nach dem gerechten Preis. Es war damals neu, nicht nur dem politischen Rechtsanspruch, sondern neuerdings einen wirtschaftlichen Rechtsanspruch, einer naturrechtlichen Marktkritik abzuleiten. In diesem Gefolge entstand eine eigentümliche Mischform: Die juristische Sozialutopie. Fichte hat sie ausgeführt, in seiner Schrift: „Der geschlossene Handelsstaat“, die 1800 erschien, als „Anhang zur Rechtslehre“. Nach der es vor allem eudämonisch im Anspruch antritt, abgetan als Sozialutopie: „Jeder will so angenehm leben als möglich: Und da jeder dies als Mensch fordert, und keiner mehr oder weniger Mensch ist als der andere, so haben in dieser Forderung alle gleich recht.“ (Werke III, Meiner, S. 432.) Und der Staat wird nicht als Schützer des Eigentums vorgestellt, das er in ungleicher Verteilung vorfindet und belässt, sondern umgekehrt, es wird „Bestimmung des Staates, jedem erst das Seinige zu geben, ihn in sein Eigentum erst einzusetzen, und sodann ihn dabei zu schützen.“ Es ist eine gute Frage, ob der ethische Individualist Fichte zum wirtschaftlichen Sozialisten wurde, weil er durch den wirtschaftlichen Individualismus seinen ethischen bedroht sah. Aber an Fichte erhellt sich: Sozialismus ist das, was man unter dem Namen Moral so lange vergebens gesucht hat. Natürlich ist das Fichte, der alles dem einzelnen Menschen, sprich dem Ich zugrunde legt. Die „Urrechte“ sind die des vernünftigen Einzelnen, und es ist sein „Ich denke“, das die Rechte nicht nur hat, sondern entwickelt. Fichte zeichnet 3 Urrechte aus: Verfügung des Individuum über seinen Leib, sein Eigentum und seine Sphäre als Person. Es gibt bei Fichte kein Eigentumsrecht auf Sachen, sondern nur auf Handlungen derart, dass kein anderer befugt sein sollte, dieses Stück Boden zu bebauen, oder es nur einer Gruppe erlaubt sein soll, zum Beispiel Schuhe herzustellen. Schon wieder die Frage nach dem immerwiederkehrenden Gleichen: Natürlich ist das der Schnee von gestern, hinweggefegt vom großen Besen des Neoliberalismus und seinen hoch dotierten Fegern? Ernst Bloch sagt zum Beispiel über Fichte: Diese ,Harmonie der Interessen‘ die der große Philosoph Adam Smith voraussetzt, ist von Fichte durchschaut, bevor sie noch ihren ganzen Trug sichtbar gemacht hatte. In Fichte wendet sich, zwar ein ökonomischer Laie, aber ein spekulativer Eingeweihter - gegen die „Spekulanten und ihren sogenannten Spieltrieb.“ Bloch wird zu Ende über Fichte sagen: „,Der geschlossene Handelsstaat‘ bleibt das erste, aus Urrechten deduzierte und utopisch ausgemalte System organisierter Arbeit. Ja, sogar Fichte hält Sozialismus für möglich in einem einzigen, genügend großen und autarken Land. Philosophie und Wirtschaft - Fichte ist auf diesem Feld ungleich interessanter als sein Berliner Nachfolger Hegel, der im Jahr 1803 in einem ausgedehnten Zeitschriftenaufsatz mit dem Begriff „politische Ökonomie“ herausrückt.“3 Was den bürgerlichen Staat anbelangt, so kann er, und ist er, im Grunde und in erster Linie ein Syndikat zum Schutz und zur Verteidigung der herrschenden Klientel und ihren Interessen. Man kann sich ja nur unschwer des Eindrucks erwehren, dass der „moderne Staat“, obwohl jungfräulich unschuldig an diesen Entwicklungen, sich diese jedoch zur Unterhaltung seines Volkes an die Fahnen heftet. Unter dem Motto, dem Volk sein Konsum, „Handy für alle“ kaschiert er seine Unfähigkeit zu wirtschaften und die dabei automatisch generierten progressiven Steuerbelastungen. Wir leben laut Sloterdijk „in einer Ordnung der Dinge, die man cum grano salis als einen massenmedial animierten, steuerstaatlich zugreifenden Semi-Sozialismus auf eigentumswirtschaftlicher Grundlage definieren muss.“4 Zum Schluss möchte ich nochmals auf die Ungleichheit des „Gleichen“ zurückkommen. Und dabei kommt man nicht an Alexis de Tocqueville5 vorbei, der unter anderem „die Gefährdung der Freiheit durch die Gleichheit“ konstatiert. Seine entscheidende Ausgangsbeobachtung ist die, dass moderne demokratische Gesellschaften zwar die Freiheit lieben, dass Freiheit aber nicht das wesentliche Ziel ihrer Wünsche ist. „Die ewige Liebe der Demokraten gilt der Gleichheit.“ Es gibt eine berechtigte Leidenschaft für die Gleichheit, die die Menschen anspornt, sich um die Anerkennung und Achtung um ihresgleichen zu bemühen, man könnte sagen eine Leidenschaft für die Gleichheit aus Stärke. Aber es gibt auch eine „entartete Gleichheitssucht“, wo die Schwachen versuchen, die Starken auf ihr Niveau herunterzuziehen. Und in dieser Gleichheitssucht (und dass ist die Weitsicht von de Tocqueville) steckt die größte Gefahr der modernen Demokratie, nämlich die Verlockung, eine Ungleichheit in der Freiheit die Gleichheit in der Knechtschaft vorzuziehen. Denn je größer die Gleichheit zwischen den Bürgern ist, desto geringer wird die Bereitschaft des Einzelnen, einem bestimmten anderen zu glauben oder gar zu gehorchen. Gerade weil die Menschen sich als gleichartig verstehen, glauben sie nicht aneinander. Gleichzeitig aber wächst die Bereitschaft an die größte Zahl, an die Masse zu glauben. In der Demokratie sind alle Bürger unabhängig und schwach. Sie erwarten deshalb nichts vom Nächsten, aber alles vom Staat. Tocqueville hat dieses Grundproblem der Demokratie in aller Schärfe gesehen und war deshalb in der Lage, unseren heutigen „vorsorgenden Sozialstaat“ vorauszusehen. Zunehmend mischt sich der Staat auch in die geringfügigsten Angelegenheiten seiner Bürger ein. Er sorgt für die Gesundheit, Arbeit, die Erziehung und Bildung und präsentiert sich automatisch als „Helfer in allen Nöten“. Aber er sorgt auch für unsere geistige Gesundheit und flößt uns die korrekten Gefühle und „moralischen Ideen“ ein (aus dieser Sicht ist der Aufschrei über Zugangsbeschränkungen zu Studien an der Universität, nur zu verständlich). De Tocqueville schreibt von „demokratischen Despotismus“. In modernen Massendemokratien sind die Regierenden keine Tyrannen mehr, sondern Vormünder. Und die Regierten bewegen sich im Hamsterrad der kleinen Lüste und Vergnügungen (siehe dazu die Lotterien, Wettbüros, Peep-Shows verschwinden wieder durch die Konkurrenz im Internet, Millionenshows, wo der Bürger mit Erwartungshaltungen eingelullt, ihm aber gleichzeitig direktes Geld und indirektes Steuergeld aus der Tasche gezogen wird), als Protagonisten der Einförmigkeit. Einer der zumindest einen theoretischen Kult der Gleichförmigkeit zelebriert ist der Sozialismus. Für den Liberalen ist klar: Mit der aggressiven Forderung nach Gleichheit bedroht die Gesellschaft die Freiheit des Einzelnen! Laut eingefleischter Liberaler haben wir heute eine spirituelle Knechtschaft in politischer Freiheit. Es ist State of the Art Gleichheit als einen Wert an sich zu sehen und daraus folgt zwingend, dass Ungleichheit ein ethisches Problem ist. Doch realistischerweise kann Gleichheit heute nur heißen: Inklusion, die freigestellte Teilnahme aller an allen sozialen Systemen. Dabei ergibt die Perspektive eines funktionierenden Staates die Gleichheit nur als Gleichgültigkeit. Zur allerletzt möchte ich noch kurz einen Begriff problematisieren, der sich in den letzten Jahren zusehens aus einer zugegebenermaßen enormen nachzuholenden Bedürftigkeit, in eine mittlerweile in allen Lebensbereichen überbordende Verengung und gleichzeitige Übertriebenheit verstiegen hat. Der Begriff zu deutsch: Politische Korrektheit. Norbert Bolz sagt:6 „Politische Korrektheit ersetzt heute passgenau die religiöse Richtigkeit. Sie ist der Religionsersatz der Akademiker. Die moralische Gewissheit der Politischen Korrektheit kompensiert die kognitive Ungewissheit des modernen Lebens. Und Stabilität gewinnt dieser Akademikerglaube gerade durch seine Distanz zum gesunden Menschenverstand.“ Die Behandlung des Ungleichen als Gleiches wird heute als Wert konzipiert - die Farbigen und die Weißen, die Kinder und die Erwachsenen, die Frauen und die Männer, die Armen und die Reichen, die Großen und die Kleinen, die Dummen und die Klugen. Der Geist der Politischen Korrektheit sagt, Wahrheit ist relativ und er kämpft gegen die Intoleranz. Niemand und nichts soll verachtenswert sein. Der gesunde Menschenverstand sagt einem aber: Man kann nicht das Gute finden und bewundern, ohne das Schlechte mit zu entdecken - und zu verachten. Die Politische Korrektheit treibt dem Menschen das Unterscheiden aus und erschwer damit die Identitätsbildung. Ungerecht ist nicht die Ungleichheit, sondern das, was motivierte Menschen am Aufstieg hindert. Und um das einzusehen braucht man keine Theorie der Gesellschaft, sondern nur gesunden Menschenverstand. Das Ärgernis für die Egalitaristen, dass nämlich die Ungleichheit ständig neu entsteht. quasi die Gesellschaft antreibt, dem kann keine Nivellierung trotzen. Der Mensch an sich ist als Wert gleich. Aber auf Grund von Vererbung, Lebensbedingungen, Interessen und Vorstellungen, Zielen und Verwirklichungen und sicherlich noch einigem mehr wird es niemals Gleichheit, im Sinne von Gleichmacherei, unter den Menschen geben.
Rousseau: Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen(1755). Meiner, Hamburg, 1995, S. 79. 2 Ebenda. S. 191. 3 Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. 2. Band, S. 637. 4 Peter Sloterdijk: Die Revolution der gebenden Hand. In: „Die Zukunft des Kapitalismus“. Hg. von Frank Schirrmacher, 2010, S. 65. 5 Alexis de Tocqueville: Über die Demokratie in Amerika. --Felber Franz 12:26, 11. Dez. 2011 (CET)