Diskussion:6. Oktober 2011: Unterschied zwischen den Versionen
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− | "Der Todestrieb zielt demgegenüber auf die Wiederherstellung eines früheren, eines Ausgangszustandes" - Was genau kann damit gemeint sein - ein symbiotischer Zustand mit der ersten Bezugsperson, quasi ein 'reales(?!) Bündel' sein, völlige Unmittelbarkeit? Und/oder sogar pränatal - ein quasi völlig verschwommenes sein, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Zustand noch-völligerer Unmittelbarkeit? Sind hier Spuren gelegt, die den Ausgangszustand andeuten (und wäre das dann sozusagen 'im' Es zu verorten, da sie dorthin verdrängt/'vergessen' wurden spätestens nach Ausbrechen der symbiotischen Beziehung?) | + | Dann aber das weitere Zitat, welches auch in Zusammenhang mit dem Todestrieb steht: "Das Ziel allen Lebens ist der Tod, und zurückgreifend: Das Leblose war früher da als das Lebende” |
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Wenn meine obige Idee passen würde, bedeute dies, das etwas 'Lebendes' hieße, in die Kultur hineingewachsen zu sein, oder so. Also leblos würde dann den unmittelbaren Zustand meinen, ein unkonstituiertes Ding quasi und somit stünde dann eine (abgeschlossene) Subjektwerdung erst für 'Leben'? | Wenn meine obige Idee passen würde, bedeute dies, das etwas 'Lebendes' hieße, in die Kultur hineingewachsen zu sein, oder so. Also leblos würde dann den unmittelbaren Zustand meinen, ein unkonstituiertes Ding quasi und somit stünde dann eine (abgeschlossene) Subjektwerdung erst für 'Leben'? | ||
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+ | '''Zusätzliche Anmerkungen zu den Begriffen "lebend" und "leblos" im Text "Konzepte des Unbewussten" von Rhode-Dachser''' | ||
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+ | Der Todestrieb ist laut Freuds Strukturmodell der Psyche im Es verankert, wie im Text erwähnt wird (vgl. Rhode-Dachser 2005, S. 5-6). Das Es ist schon vor dem Ich und dem Über-Ich ausgebildet, da wir beispielsweise schon den Trieb bei Neugeborenen beobachten können, nach der Brust zu suchen, während das Baby aber noch nicht die Erfahrung gemacht hat, ein eigenes, existentielles Selbst zu sein. Ich verstehe den Beginn des Lebens bei Freud als gleichbedeutend mit der Entstehung des Es und würde daher schon vor der Geburt von "lebend" sprechen, also bei Embryonen. | ||
+ | Von "leblos" würde ich schließlich sprechen, wenn das Es aufhört zu existieren und somit der Todestrieb vollends befriedigt wurde. Das bedeutet dann die Rückkehr zum ursprünglichen Anfangszustand, einem Zustand vor dem Es. | ||
+ | --[[Benutzer:Aleatico|Aleatico]] 12:54, 16. Okt. 2011 (CEST) | ||
− | + | Ja, danke für die Gliederung - ich war wohl so angetan von einer Art neuen Interpretation von Leben. Habe JdL gelesen und inzwischen halbwegs begriffen. Wenn ich richig laß, ist es eine Art Urzustand, damaliger Substanzen "die das Sterben noch leicht hatten"(s.148 in das Ich und das Es) und dieses 'Wissen' um diese Rückwärtsbewegung wäre dann der Todestrieb. Fraglich war vorher für mich, 'woher' überhaupt der Todestrieb das Drängen in diese Richtung hat. Eigentlich ist eine Umschreibung mit Begriffen wie destruktiv, Selbstzerstörung, Vernichtung usw dann eigentlich oder genau genommen falsch. Richtig wären diese Umschreibungen nur innerhalb des Glaubens an einen "Trieb zur Vervollkommnung" usw (s.151). --[[Benutzer:CoS|CoS]] 22:08, 16. Okt. 2011 (CEST) | |
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+ | Der Artikel und die Kommentare scheinen einen alten Streit zwischen PsychoanlytikerInnen und NeurowissenschaftlerInnen widerzuspiegeln. Versuch einer Kurzfassung in eigenen Worten: | ||
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+ | * Der Vorwurf der NeurowissenschaftlerInnen: Die Psychoanalyse arbeitet unwissenschaftlich, weil sie zu spekulativ vorgeht und zu wenig auf objektiven Studien aufbaut. | ||
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+ | * Der Vorwurf der PsychoanlytikerInnen: Die Neurowissenschaft erkennt wichtige Bedeutungen nicht, weil diese nicht auf einer Zahlenskala messbar sind. | ||
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+ | Ein Kritikpunkt zum Artikel, der in den Positings von der pro-psychoanalytischen Seite gebracht wurde, den ich teilen kann: Die Tatsache, dass z.B. Behinderte davon träumen, nicht behindert zu sein, spricht nicht gegen die These, dass Träume etwas mit der realen Welt zu tun haben. Allerdings ist mir nicht klar ob Prof. Voss das so behauptet hat, sie hat das etwas schwächer formuliert. Vielleicht wäre es angemessen gewesen, auch die Psychoanalyse in dem Artikel zu Wort kommen zu lassen. | ||
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+ | Meine allgemeine Meinung abgesehen vom Artikel: Spekulationen dienen der Thesenfindung, aber diese Thesen müssen in entsprechenden Studien nachgewiesen werden. Wir können es WissenschaftlerInnen vor hundert Jahren nicht zum Vorwurf machen, dass die damalige Wissenschaftskultur noch nicht so weit entwickelt war wie heute. Allerdings kann ein Vorwurf jenen gemacht werden, die das heute nicht akzeptieren wollen, was zum Beispiel in der so sogenannten Alternativmedizin ein Problem darstellt. Den Vorwurf an die Neurowissenschaften, dass diese (überspitzt formuliert) nur Zahlen misst und Zahlen keine Bedeutung haben, kann ich nicht teilen. Es ist in vielen Situationen möglich, z.B. gemessenen Gehirnaktivitäten sinngebend zu interpretieren. | ||
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+ | Dazu möcht ich ebensfalls Stellung nehmen, da es recht gut passt, da ich diesen Themen recht skeptisch gegenüber stehe. | ||
+ | Ein Beispiel: Noch besuche ich eine VO, die sich u.a. mit 'psychoanalytischer Forschung' befasst. Unter anderem Dinge wie das sogenannte Objektbeziehungsinventar (ORI), Sydney Blatt gilt als Kopf der Forschungsgruppe. "Das ORI ist ein projektives Messinstrument, um Beschreibungen des Selbst und bedeutender Anderer zu erheben. Es wird in Form eines semi-strukturierten Interviews geführt, in dem die interviewten Perosnen gebeten werden, jede der folgenden Figuren zu beschreiben: Mutter, Vater, einen bedeutenden Anderen (...), ein Haustier, sich selbst und den Therapeuten." Anschließend sollen dann verwendete Adjektive genauer ausgeführt werden, also die der einzelnen Personen, bsp. Mutter - kalt, etc. Wie kommt man dazu dieses ORI zu entwickeln: Im Zuge der Forschungsarbeiten entdeckten S.Blatt und co das die "kognitive Ebene depressiver junger Erwachsener im Vergleich zu nicht depressiven signifikant niedriger war und in der Beschreibung der Eltern signifikant weniger Themen der Fürsorge und Pflege auftraten" Tatsächlich? Überraschendes Ergebnis. Erster Punkt: Warum wird in quant. Forschung grundsätzlich immer der signifikante Unterschied 'gesucht'? | ||
+ | In der stat. Methodenleere (sic!) sind Ergebnisse nur dann relevant wenn sie signifkante Unterschiede aufweisen. Menschen werden nicht mehr in ihrer Ganzheit betrachtet. Ich fürchte, dass liegt u.a. daran, weil es billiger- effizienter ist, Dinge messbar zu machen und somit dann schlussendlich ganze Gruppen zusammenfassen zu können, weil sie anhand von Messmethoden dann diese und jene Ergebnisse aufweisen. Und niemand fragt warum. Das ist ein weiterer Punkt, letztes Semester hörte ich einen Vortrag anhand der Ringvorlesung "Gendered Subjects-sind wir nie modern gewesen". Eine Psychologin meinte unter Anderem, wie wichtig es sei in Therapien Menschen wieder leistungsfähig zu machen. Vor kurzem laß ich wiederum bei Freud, dass die Behandlung zum Ziel hat, die Leistungs- und '''Genußfähigkeit''' wieder herzustellen (Darstellungen der Psychoanalyse, S.12). | ||
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+ | Ohne nun weiter das Wiki an falscher Stelle in die Ecke zu diskutieren, empfehle ich mal was Neurowissenschaften betrifft Sigrid Schmitz, ganz Allgemein und beispielsweise dies: http://www.uni-graz.at/kffwww/media_archiv/download/schmitz.mp3 (hat 'leider' weniger mit unseren Thematik zu tun, aber dreht sich um vermeintlich objektive Ergebnisse der Neuro/BioWissenschaften) | ||
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+ | (Quelle ORI-Ziate: John S. Auerbach, Erfahrungen des Selbst in der Schizophrenie und der Borderline-Persönlichkeitsstörung) | ||
+ | (Wenn jemand wissen will, wie genau der Vortrag der Ring VO ablief und wer ihn hielt, möge bitte nachfragen, dann suche ich die Mitschrift raus) | ||
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+ | Und vlt doch noch etwas zum '''Standard Artikel''' | ||
+ | Beispielsweise das: "Auch eine Psychoanalytikerin aus unserem Team war nicht in der Lage, zu erkennen, welche der Träume von Behinderten stammten". Natürlich nicht. Ich glaube nicht, dass man das ad hoc rausraten kann. Das ist auch nicht Sinn der Deutung in einer Analyse, wenn denn überhaupt Deutung vorrangig ist? Vielleicht ist es einfach relevant, dass durch einen bestimmten Traum etwas in Bewegung gerät und im Sprechen in einer Analyse symbolisiert werden kann und dadurch wiederum anderes. | ||
+ | Oder: "einem Bereich der Psyche, in dem allerlei emotionaler Müll lagert" diese Formulierung zeigt schon einen falschen Zugang zur Thematik von Seiten des Autors? | ||
+ | Oder:"Der Hirnstamm produziert, während wir schlafen, völlig willkürlich Nervensignale, und das Gehirn versucht, daraus halbwegs nachvollziehbare Geschichten zu basteln - ohne tiefere Bedeutung" Wenn man ein Hirn während des Schlafes 'beobachtet' (beachte hier vlt tatsächlich den link weiter oben) - natürlich passier etwas, irgendwas. Natürlich wird irgendwo irgendwas bunt flimmern. Das wäre auch tagsüber so. Was 'in' einem Menschen dann passiert, ist eben meiner Meinung nach nicht messbar. | ||
+ | Grundsätzlich können Ergebnisse aus den Naturwissenschaften natürlich interessante Sachen liefern, aber nicht ohne diese zu hinterfragen, was da eigentlich 'konstruiert' wurde und dann zu überlegen welchen Teil man 'mitnehmen' will oder kann. | ||
+ | --[[Benutzer:CoS|CoS]] 21:00, 20. Okt. 2011 (CEST) |
Aktuelle Version vom 22. Oktober 2011, 14:47 Uhr
Einiges zum Rhode Dachser Text, Konzepte des Unbewussten-Freud:
"Der Todestrieb zielt demgegenüber auf die Wiederherstellung eines früheren, eines Ausgangszustandes" - Was genau kann damit gemeint sein - ein symbiotischer Zustand mit der ersten Bezugsperson, quasi ein 'reales(?!) Bündel' sein, völlige Unmittelbarkeit? Und/oder sogar pränatal - ein quasi völlig verschwommenes sein, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Zustand noch-völligerer Unmittelbarkeit? Sind hier Spuren gelegt, die den Ausgangszustand andeuten (und wäre das dann sozusagen 'im' Es zu verorten, da sie dorthin verdrängt/'vergessen' wurden spätestens nach Ausbrechen der symbiotischen Beziehung?)[Unmittelbarkeit meint nicht einen "bewussten - direkten Zugang haben zu" sondern eher ein ausgeliefert sein gegenüber Allem, rein empfangender Körper, völlige 'Sinnmaschine' ..so irgendwie].
Dann aber das weitere Zitat, welches auch in Zusammenhang mit dem Todestrieb steht: "Das Ziel allen Lebens ist der Tod, und zurückgreifend: Das Leblose war früher da als das Lebende”
Wenn meine obige Idee passen würde, bedeute dies, das etwas 'Lebendes' hieße, in die Kultur hineingewachsen zu sein, oder so. Also leblos würde dann den unmittelbaren Zustand meinen, ein unkonstituiertes Ding quasi und somit stünde dann eine (abgeschlossene) Subjektwerdung erst für 'Leben'?
Folgendes Zitat wiederum beantwortet das eigentlich als 'eher Ja'? "Denn der verdrängte Trieb hört nie auf, nach seiner vollen Befriedigung zu streben, die für Freud in der identischen Wiederherstellung eines primären Befriedigungserlebnisse besteht" Für mich nur nach wie vor unklar wie nun mit Begriffen wie leblos/lebend umgegangen würde.Habe den Eindruck lebend bezeichnet etwas/jemand der_die bereits eine Subjektkonstituierung 'hinter' sich hat, also Ich/Es/Über-Ich ausgebildet sind??
--CoS 20:34, 8. Okt. 2011 (CEST)
Zusätzliche Anmerkungen zu den Begriffen "lebend" und "leblos" im Text "Konzepte des Unbewussten" von Rhode-Dachser
Der Todestrieb ist laut Freuds Strukturmodell der Psyche im Es verankert, wie im Text erwähnt wird (vgl. Rhode-Dachser 2005, S. 5-6). Das Es ist schon vor dem Ich und dem Über-Ich ausgebildet, da wir beispielsweise schon den Trieb bei Neugeborenen beobachten können, nach der Brust zu suchen, während das Baby aber noch nicht die Erfahrung gemacht hat, ein eigenes, existentielles Selbst zu sein. Ich verstehe den Beginn des Lebens bei Freud als gleichbedeutend mit der Entstehung des Es und würde daher schon vor der Geburt von "lebend" sprechen, also bei Embryonen. Von "leblos" würde ich schließlich sprechen, wenn das Es aufhört zu existieren und somit der Todestrieb vollends befriedigt wurde. Das bedeutet dann die Rückkehr zum ursprünglichen Anfangszustand, einem Zustand vor dem Es.
--Aleatico 12:54, 16. Okt. 2011 (CEST)
Ja, danke für die Gliederung - ich war wohl so angetan von einer Art neuen Interpretation von Leben. Habe JdL gelesen und inzwischen halbwegs begriffen. Wenn ich richig laß, ist es eine Art Urzustand, damaliger Substanzen "die das Sterben noch leicht hatten"(s.148 in das Ich und das Es) und dieses 'Wissen' um diese Rückwärtsbewegung wäre dann der Todestrieb. Fraglich war vorher für mich, 'woher' überhaupt der Todestrieb das Drängen in diese Richtung hat. Eigentlich ist eine Umschreibung mit Begriffen wie destruktiv, Selbstzerstörung, Vernichtung usw dann eigentlich oder genau genommen falsch. Richtig wären diese Umschreibungen nur innerhalb des Glaubens an einen "Trieb zur Vervollkommnung" usw (s.151). --CoS 22:08, 16. Okt. 2011 (CEST)
1856 6. Mai: Sigmund Freud wird als Sohn des jüdischen Textilkaufmanns Jacob Freud und dessen ebenfalls jüdischer Ehefrau Amalia (geb. Nathanson) in Freiberg (heute: Pribor/Tschechien) geboren.
1860 ==
Umzug der Familie nach Wien.
1873-1881
Freud studiert Medizin an der Wiener Universität.
1876-1882
Forschungstätigkeit am Wiener Physiologischen Institut.
1880
Einjähriger Militärdienst.
1881
Promotion in Medizin.
1882-1885
Anstellung am Allgemeinen Krankenhaus in Wien. Freud ist an der Entdeckung der schmerzstillenden Wirkung des Kokains beteiligt.
1885
Habilitation in Neuropathologie in Wien.
1885-1902
Er ist Dozent für Neuropathologie an der Wiener Universität und beschäftigt sich mit hirnanatomischen Forschungen.
1885/86
Freud beobachtet an der Pariser Nervenklinik Salpêtrière Frauen mit seelischen Erkrankungen ohne organischen Befund (Hysterien). Jean-Martin Charcot (1825-1893) behandelt diese Patientinnen mittels Hypnose oder Suggestion. Freud bietet an, die Arbeiten Charcots ins Deutsche zu übersetzen, und erhält eine Zusage.
1886
Nach vierjähriger Verlobungszeit Heirat mit Martha Bernays, Tochter einer Hamburger jüdischen Familie.
Freud eröffnet eine neurologische Praxis in Wien.
1895
Gemeinsam mit Josef Breuer (1842-1925) stellt er in "Studien über die Hysterie" die Methode der freien Assoziation vor. Da die Ursache seelischer Störungen verdrängte traumatische Erfahrungen seien, kann der Analytiker durch Deutung spontaner Äußerungen von Patienten auf deren verschlüsselte Ängste schließen und den Patienten von seiner Neurose befreien.
1895
Geburt der Tochter Anna Freud (1895-1982), des fünften der insgesamt sechs Kinder.
1897
Freud formuliert in einem Brief an Wilhelm Fliess nach selbstanalytischen Betrachtungen den "Ödipus-Komplex": Er bemerkt seine Verliebtheit in seine Mutter bei gleichzeitiger Eifersucht gegen den Vater und hält sie für allgemeingültig. Damit ersetzt er die Lehre vom pathogenen Trauma durch die Lehre von der pathogenen Wunscherfüllung.
1900
"Die Traumdeutung" erscheint. Freud führt hier die grundlegenden Begriffe der frühen Psychoanalyse ein. Der Hauptantrieb menschlichen Verhaltens entspringe unterbewußten kindlichen Sexualphantasien, denen gesellschaftliche Normierungen gegenüberstehen. Mittels "Sublimierung" kann der Mensch die unterdrückte Libido in kulturelle Leistungen umwandeln. Träume seien verschlüsselte Hinweise auf den Konflikt zwischen menschlichen Wünschen und Verboten.
1901
In "Psychopathologie des Alltagslebens" beschäftigt sich Freud mit der Bedeutung von Vergeßlichkeit und Versprechern. Diese Fehlleistungen können nach Freud jedoch auch durch Egoismus, Feindseligkeit oder Eifersucht entstehen.
1902
Freud erhält die Professur für Neuropathologie an der Wiener Universität.
In den Tagungen der "Psychologischen Mittwochs-Vereinigung" in Freuds Wohnung wird die neue Deutungskunst diskutiert und erprobt.
1905
In "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" beschreibt Freud die sexuelle Komponente des normalen und des pathogenen Verhaltens. Er gesteht erstmalig bereits dem Kleinkind erotische Impulse zu und betont nochmals den Sexualtrieb als die größte Antriebskraft menschlichen Verhaltens.
1908
Der Erste Internationale Psychoanalytische Kongreß findet in Salzburg statt.
1910
Gründung des "Zentralblatts für Psychoanalyse" und der "Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung". Auf Freuds Vorschlag wird Carl Gustav Jung (1875-1961) zum Präsidenten gewählt.
1913
In der Schrift "Totem und Tabu" analysiert Freud Inzestverbote bei den Aborigenes. Die religiöse Anbetung eines Totems und der soziale Zusammenhalt seien Ergebnis verdrängter Inzestwünsche und Aggressionen.
1916/17
Freud hält an der Wiener Universität zum letzten Mal die Vorlesung "Einführung in die Psychoanalyse".
1919
Gründung des "Internationalen Psychoanalytischen Verlags".
1920
In "Jenseits des Lustprinzips" revidiert Freud die Wunscherfüllungstheorie und gelangt zum Triebdualismus von Tod und Eros.
1923
Bei Freud wird Krebs diagnostiziert. Bis zu seinem Tod muß er sich 33 Operationen unterziehen.
1923-1930
Freud modifiziert die Struktur des "psychischen Apparats" in das "Es" (Unterbewußtsein), in das "Ich" (Vermittlungsinstanz zwischen dem "Es" und der Außenwelt) und das "Über-Ich" (auferlegte Normen und Verhaltensmuster).
1930
Er erhält den Goethepreis der Stadt Frankfurt (Main). Antisemitische Organisationen protestieren gegen die Verleihung des Preises an einen jüdischen Wissenschaftler.
"Das Unbehagen in der Kultur" erscheint. Freud erkärt hier, der Ursprung religiösen Glaubens sei der infantile, präödipale Wunsch, mit der omnipotenten Mutter zu einer Einheit zu verschmelzen.
1933
Die gemeinsam mit Albert Einstein verfaßte Schrift "Warum Krieg?" erscheint.
10. Mai: Bei der von den Nationalsozialisten inszenierten Bücherverbrennung werden auch Freuds Werke verbrannt.
1935
Freud wird Ehrenmitglied der British Royal Society of Medicine.
1938
Nationalsozialistische Repressionen nach dem "Anschluß" Österreichs an das Deutsche Reich zwingen Freud in das Exil nach Großbritannien. Bis zu seinem Tod praktiziert er in London.
1939
23. September: Sigmund Freud stirbt in London.
(se)
Kommentar zum Standard-Artikel von Barbarix 17:04, 20. Okt. 2011 (CEST)
Der Artikel und die Kommentare scheinen einen alten Streit zwischen PsychoanlytikerInnen und NeurowissenschaftlerInnen widerzuspiegeln. Versuch einer Kurzfassung in eigenen Worten:
- Der Vorwurf der NeurowissenschaftlerInnen: Die Psychoanalyse arbeitet unwissenschaftlich, weil sie zu spekulativ vorgeht und zu wenig auf objektiven Studien aufbaut.
- Der Vorwurf der PsychoanlytikerInnen: Die Neurowissenschaft erkennt wichtige Bedeutungen nicht, weil diese nicht auf einer Zahlenskala messbar sind.
Ein Kritikpunkt zum Artikel, der in den Positings von der pro-psychoanalytischen Seite gebracht wurde, den ich teilen kann: Die Tatsache, dass z.B. Behinderte davon träumen, nicht behindert zu sein, spricht nicht gegen die These, dass Träume etwas mit der realen Welt zu tun haben. Allerdings ist mir nicht klar ob Prof. Voss das so behauptet hat, sie hat das etwas schwächer formuliert. Vielleicht wäre es angemessen gewesen, auch die Psychoanalyse in dem Artikel zu Wort kommen zu lassen.
Meine allgemeine Meinung abgesehen vom Artikel: Spekulationen dienen der Thesenfindung, aber diese Thesen müssen in entsprechenden Studien nachgewiesen werden. Wir können es WissenschaftlerInnen vor hundert Jahren nicht zum Vorwurf machen, dass die damalige Wissenschaftskultur noch nicht so weit entwickelt war wie heute. Allerdings kann ein Vorwurf jenen gemacht werden, die das heute nicht akzeptieren wollen, was zum Beispiel in der so sogenannten Alternativmedizin ein Problem darstellt. Den Vorwurf an die Neurowissenschaften, dass diese (überspitzt formuliert) nur Zahlen misst und Zahlen keine Bedeutung haben, kann ich nicht teilen. Es ist in vielen Situationen möglich, z.B. gemessenen Gehirnaktivitäten sinngebend zu interpretieren.
Dazu möcht ich ebensfalls Stellung nehmen, da es recht gut passt, da ich diesen Themen recht skeptisch gegenüber stehe.
Ein Beispiel: Noch besuche ich eine VO, die sich u.a. mit 'psychoanalytischer Forschung' befasst. Unter anderem Dinge wie das sogenannte Objektbeziehungsinventar (ORI), Sydney Blatt gilt als Kopf der Forschungsgruppe. "Das ORI ist ein projektives Messinstrument, um Beschreibungen des Selbst und bedeutender Anderer zu erheben. Es wird in Form eines semi-strukturierten Interviews geführt, in dem die interviewten Perosnen gebeten werden, jede der folgenden Figuren zu beschreiben: Mutter, Vater, einen bedeutenden Anderen (...), ein Haustier, sich selbst und den Therapeuten." Anschließend sollen dann verwendete Adjektive genauer ausgeführt werden, also die der einzelnen Personen, bsp. Mutter - kalt, etc. Wie kommt man dazu dieses ORI zu entwickeln: Im Zuge der Forschungsarbeiten entdeckten S.Blatt und co das die "kognitive Ebene depressiver junger Erwachsener im Vergleich zu nicht depressiven signifikant niedriger war und in der Beschreibung der Eltern signifikant weniger Themen der Fürsorge und Pflege auftraten" Tatsächlich? Überraschendes Ergebnis. Erster Punkt: Warum wird in quant. Forschung grundsätzlich immer der signifikante Unterschied 'gesucht'?
In der stat. Methodenleere (sic!) sind Ergebnisse nur dann relevant wenn sie signifkante Unterschiede aufweisen. Menschen werden nicht mehr in ihrer Ganzheit betrachtet. Ich fürchte, dass liegt u.a. daran, weil es billiger- effizienter ist, Dinge messbar zu machen und somit dann schlussendlich ganze Gruppen zusammenfassen zu können, weil sie anhand von Messmethoden dann diese und jene Ergebnisse aufweisen. Und niemand fragt warum. Das ist ein weiterer Punkt, letztes Semester hörte ich einen Vortrag anhand der Ringvorlesung "Gendered Subjects-sind wir nie modern gewesen". Eine Psychologin meinte unter Anderem, wie wichtig es sei in Therapien Menschen wieder leistungsfähig zu machen. Vor kurzem laß ich wiederum bei Freud, dass die Behandlung zum Ziel hat, die Leistungs- und Genußfähigkeit wieder herzustellen (Darstellungen der Psychoanalyse, S.12).
Ohne nun weiter das Wiki an falscher Stelle in die Ecke zu diskutieren, empfehle ich mal was Neurowissenschaften betrifft Sigrid Schmitz, ganz Allgemein und beispielsweise dies: http://www.uni-graz.at/kffwww/media_archiv/download/schmitz.mp3 (hat 'leider' weniger mit unseren Thematik zu tun, aber dreht sich um vermeintlich objektive Ergebnisse der Neuro/BioWissenschaften)
(Quelle ORI-Ziate: John S. Auerbach, Erfahrungen des Selbst in der Schizophrenie und der Borderline-Persönlichkeitsstörung) (Wenn jemand wissen will, wie genau der Vortrag der Ring VO ablief und wer ihn hielt, möge bitte nachfragen, dann suche ich die Mitschrift raus)
Und vlt doch noch etwas zum Standard Artikel Beispielsweise das: "Auch eine Psychoanalytikerin aus unserem Team war nicht in der Lage, zu erkennen, welche der Träume von Behinderten stammten". Natürlich nicht. Ich glaube nicht, dass man das ad hoc rausraten kann. Das ist auch nicht Sinn der Deutung in einer Analyse, wenn denn überhaupt Deutung vorrangig ist? Vielleicht ist es einfach relevant, dass durch einen bestimmten Traum etwas in Bewegung gerät und im Sprechen in einer Analyse symbolisiert werden kann und dadurch wiederum anderes. Oder: "einem Bereich der Psyche, in dem allerlei emotionaler Müll lagert" diese Formulierung zeigt schon einen falschen Zugang zur Thematik von Seiten des Autors? Oder:"Der Hirnstamm produziert, während wir schlafen, völlig willkürlich Nervensignale, und das Gehirn versucht, daraus halbwegs nachvollziehbare Geschichten zu basteln - ohne tiefere Bedeutung" Wenn man ein Hirn während des Schlafes 'beobachtet' (beachte hier vlt tatsächlich den link weiter oben) - natürlich passier etwas, irgendwas. Natürlich wird irgendwo irgendwas bunt flimmern. Das wäre auch tagsüber so. Was 'in' einem Menschen dann passiert, ist eben meiner Meinung nach nicht messbar. Grundsätzlich können Ergebnisse aus den Naturwissenschaften natürlich interessante Sachen liefern, aber nicht ohne diese zu hinterfragen, was da eigentlich 'konstruiert' wurde und dann zu überlegen welchen Teil man 'mitnehmen' will oder kann. --CoS 21:00, 20. Okt. 2011 (CEST)