Diskussion:Höhle (CP): Unterschied zwischen den Versionen

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Ich nehme Bemerkungen vorweg, die im Anschluss an die beiden Platon-Stellen aus dem "Phaidon" geplant waren. Parmenides hatte zwei Wege angegeben. Zulässig ist es, zu sagen, "(es) ist" und zu bestreiten, dass "(es) nicht ist". Ausgeschlossen dagegen, zu sagen, dass "(es) nicht ist" und zu bestreiten, dass "(es) ist". Dieses "einai" steht für die Zuschreibbarkeit zu einem Subjekt schlechthin, dafür, dass etwas irgendwie beschaffen ist. Aus diesem "sein" bildet er das Partizip Präsens "seiend" ("on") und Nominalisiert es dazu noch zum "Sein". Dabei handelt es sich um die pure Form des "Es-gibt-etwas", ohne jede Spezifikation. Das ist deshalb interessant, weil es auch ''kein Bild'' sein kann. Bilder haben Form''en'', d.h. sie zeichnen sich durch Unterschiede aus. (Ich werde in einem Refarat Ende des Monats die These vertreten, dass erst der frühe Wittgenstein das Problem des "glatten" Seins und der Bildhaftigkeit richtig dargestellt hat.)
 
Ich nehme Bemerkungen vorweg, die im Anschluss an die beiden Platon-Stellen aus dem "Phaidon" geplant waren. Parmenides hatte zwei Wege angegeben. Zulässig ist es, zu sagen, "(es) ist" und zu bestreiten, dass "(es) nicht ist". Ausgeschlossen dagegen, zu sagen, dass "(es) nicht ist" und zu bestreiten, dass "(es) ist". Dieses "einai" steht für die Zuschreibbarkeit zu einem Subjekt schlechthin, dafür, dass etwas irgendwie beschaffen ist. Aus diesem "sein" bildet er das Partizip Präsens "seiend" ("on") und Nominalisiert es dazu noch zum "Sein". Dabei handelt es sich um die pure Form des "Es-gibt-etwas", ohne jede Spezifikation. Das ist deshalb interessant, weil es auch ''kein Bild'' sein kann. Bilder haben Form''en'', d.h. sie zeichnen sich durch Unterschiede aus. (Ich werde in einem Refarat Ende des Monats die These vertreten, dass erst der frühe Wittgenstein das Problem des "glatten" Seins und der Bildhaftigkeit richtig dargestellt hat.)
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Vgl. dazu [[Parmenides (IH)]], [[Wittgensteins "Tractatus": Platon ein für allemal (BD)]]
  
 
Vor diesem Hintergrund also ein Stück aus dem Phaidon. Man muss sich daran erinnern, dass ''das'' Sein als Ganzes keine Unterschiede aufweisen kann, denn um diese einzuführen, bräuchte man Differenzierung und die wiederum benötigt die interne Negation ("Grün, im Unterschied zu rot").   
 
Vor diesem Hintergrund also ein Stück aus dem Phaidon. Man muss sich daran erinnern, dass ''das'' Sein als Ganzes keine Unterschiede aufweisen kann, denn um diese einzuführen, bräuchte man Differenzierung und die wiederum benötigt die interne Negation ("Grün, im Unterschied zu rot").   
 
  
 
:Also ungefähr so, sprach Sokrates, müssen wir uns selbst fragen: Welcherlei Dingen kommt es wohl zu, dies zu erfahren, das Zerstieben, und für welche muß man also fürchten, daß ihnen dieses begegne, welchen aber kommt es nicht zu? Dann müssen wir untersuchen, zu welchen von beiden die Seele gehört, und hieraus und demgemäß entweder Mut fassen oder besorgt sein für unsere Seelen?  
 
:Also ungefähr so, sprach Sokrates, müssen wir uns selbst fragen: Welcherlei Dingen kommt es wohl zu, dies zu erfahren, das Zerstieben, und für welche muß man also fürchten, daß ihnen dieses begegne, welchen aber kommt es nicht zu? Dann müssen wir untersuchen, zu welchen von beiden die Seele gehört, und hieraus und demgemäß entweder Mut fassen oder besorgt sein für unsere Seelen?  
 
  
 
Was nicht zusammengesetzt ist, kann nicht zerfallen. Das ist ein logischer Schluss. Zerfallen kennen wir aus der Körperwelt. Eine Zahl oder die Eigenschaft, athenischer Bürger zu sein, können nicht zerfallen. Nach dieser Logik vermeidet man Zerfall, wenn man sich in den Bereich dessen begibt, das daran aus begrifflicher Notwendigkeit nicht teilhaben kann. --[[Benutzer:Anna|anna]] 17:23, 10. Nov. 2010 (UTC)
 
Was nicht zusammengesetzt ist, kann nicht zerfallen. Das ist ein logischer Schluss. Zerfallen kennen wir aus der Körperwelt. Eine Zahl oder die Eigenschaft, athenischer Bürger zu sein, können nicht zerfallen. Nach dieser Logik vermeidet man Zerfall, wenn man sich in den Bereich dessen begibt, das daran aus begrifflicher Notwendigkeit nicht teilhaben kann. --[[Benutzer:Anna|anna]] 17:23, 10. Nov. 2010 (UTC)

Version vom 12. November 2010, 07:56 Uhr

Schmerz-Vision?

Harmut Böhme analysiert das platonische Verständnis von Erkenntnis und findet "die Funktion des sokratischen Wissensbegriffs [...] daß nämlich die Festschreibung der Wahrheit auf das Sein (im Gegenzug zum ewigen Werden) - ein Gedanke des Parmenides - den Sinn hat, die Erfahrung von der lebendigen Mächtigkeit der Bilder zu suspendieren: die Bildermacht steht der Emanzipation der Person von ihrer Bindung an den Leib im Wege."

Interessant dazu ist ein Podcast. Der Autor wundert sich, warum es keine Bilder von Schmerz in der Google Bildersuche gibt. Es gibt die hochstilisierten Bilder vom Weltschmerz und Werbebilder von Pharma-Firmen. "Es gibt keine Schmerz-Vorbilder", wie man damit umgeht, dass Menschen körperliche Schmerzen haben.

Der Autor ist Pfarrer. Und da wir in dieser Vorlesung auch über Christentum und seinen Platonismus reden (werden), ist interessant zu hören, was er sagt. Er wundert sich, dass wir heute in unserer Bilderwelt keine realistischen Bilder von Schmerz haben und bezieht diesen Umstand auf die Voraussetzungen, die christliche Botschaft zu verkünden: "In DER Welt bin ich also Pfarrer. In DER Welt rede ich von Leid und Schmerz, von der Überwindung des Leides und der Befreiung aus dem Leid, in einer Gesellschaft die nicht einmal mehr Bilder von Schmerz hat."

Ich bin nicht sicher, ob sie früher Bilder hatte. Anbei ein ungeschützter Versuch, Böhme und den Podcast zu verbinden (Als unwissenschaftliche Hintergrundmusik empfohlen: ein Lied über Contergan):

  • Die Mächtigkeit des Bildes von der Emanizipation der Person vom Leib und hin zum Guten und Wahren beruht auch darauf, dass man sich als körperliche Person überwiegend mit seinen Mängeln erkennt und sich mit der Höhlensituation identifiziert.
    • Hierzu passt auch das Zitat von Elisabeth List auf der Hauptseite: "Vor allem die Fähigkeit von Denken und Vorstellen, das leibgebundene Hier und Jetzt in Bildern und Gedanken zu transzendieren, im Denken an einem anderen Ort zu sein, war Anlaß zu solcher Faszination, und aus eben diesem Grund behielten die Phänomene des Geistes und des Bewußtseins lange eine theologisch-mystische Qualität. Das besondere Interesse, das sie auf sich zogen, war aber möglicherweise verantwortlich für das relative Desinteresse an der spezifischen Leiblichkeit menschlicher Bewußtseinsleistungen, ganz abgesehen davon, daß Leiblichkeit mit den ängstigenden und bedrohenden Erfahrungen der Hinfälligkeit, der Verletzbarkeit und vor allem der Sterblichkeit assoziiert war und mit diesen Erfahrungen leicht der Verdrängung und dem Vergessen anheimfiel."
  • Platonische Formen sind uns so selbstverständlich, sind ein solcher Selbstläufer geworden, dass wir uns nicht mehr als die Menschen sehen, die vor der Herausforderung stehen, wie sie mit Schmerzen und ihren Körpern umgehen, sondern wir sehen uns immer schon im Aufstieg zum Licht.
  • Der aktuelle Zustand unserer Begrenztheit und unserer Schwäche ist keine Vision, er hat keine Zukunft und glänzend ist er auch nicht, zumindest im platonischen Bild. Er wird nur soweit vorgestellt, insofern er für das Verständnis des Ziels gebraucht wird. Er dient "nur" dazu, ihn als Ausgangspunkt zu klassifizieren, als etwas, von dem es sinnvoll ist, sich zu distanzieren.
  • Wie wir aber damit umgehen, dass der Aufstieg und das Entfliehen aus unserer Begrenztheit immer ein eingebildetes Entfliehen, ein unendliches Streben ist, sagt uns das Höhlengleichnis nicht. Denn wir altern, wir treten fehl, wir fühlen Schmerzen (um die unangenehmen Dinge zu nennen). Anstatt uns irgendwann tatsächlich im Licht zu befinden, wachen wir aus dem Traum auf und haben uns kein Stück weit bewegt. (das kommt dem Matrix-Plot schon recht nahe)--Andyk 01:19, 7. Nov. 2010 (UTC)

Was soll das überhaupt sein, ein Bild von Schmerz? Ich kann mit Bilder von Schmerzbenehmen vorstellen, aber ein Bild der Empfindungsqualität Schmerz widerspricht schon der Grammatik des Wortes "Schmerz". Diese Gleichsetzung mit der äußeren Sinneswahrnehmung trifft aber ein interessantes Moment. Auch in Interpretationen des Höhlengleichnises neigt man dazu die Ideen an etwas den Objekten der Sinneswahrnehmung analoges anzugleichen (Spiegelbeispiel geht auch in die Richtung). Die Sinne prägen unser Denken von Welt so stark, dass wir selbst in der Vorstellung einer Emanzipation vom Leib in einer leiblich-sinnlich geprägten Konzeption bleiben. (auch hier könnte man sagen: wir haben uns kein Stück weit bewegt) --Yadseut 12:47, 7. Nov. 2010 (UTC)

"Selbst wenn wir nur als Software in einem Datennetz existieren würden, würden wir noch glauben, daß wir einen Körper haben." Wie ein Gummiband: Solange wir Kraft und Konzentration aufwenden, kommen wir ein Stück weiter weg, doch wie von selbst schnalzt es zurück. Wir sind zurückgeworfen in unseren Körper, in den Alltag, in Abläufe und Termine. Doch zurückgeworfen heißt nicht, dass es ist, als wären wir nie weg gewesen. Wiederholung verändert. --Andyk 23:14, 8. Nov. 2010 (UTC)
Wir haben hier 2 von einander zu trennende Punkte:
-Der eine ist das Problem der Entkörperlichung: Wie sollen wir, in unserer Erfahrung stets "in unseren Körper zurückgeworfen", überhaupt uns etwas vorstellen, das diesem Moment komplett entzogen ist? Warum sollten wir nicht radikal behaupten: "Die Idee der vollständigen Entkörperlichung ist irrig, vielleicht aber weniger ein echter Mythos als handfeste Ideologie"?
-Der zweite ist der, dass es fraglich ist inwiefern der "entkörperlichte Zustand" überhaupt ein solcher ist. Plakativ gesagt: Die Ideen als erfassbares Etwas im Reich der Ideen, analog zu den in der Erfahrung der Körperlichkeit fassbaren Dingen. --Yadseut 14:41, 9. Nov. 2010 (UTC)

Ich nehme Bemerkungen vorweg, die im Anschluss an die beiden Platon-Stellen aus dem "Phaidon" geplant waren. Parmenides hatte zwei Wege angegeben. Zulässig ist es, zu sagen, "(es) ist" und zu bestreiten, dass "(es) nicht ist". Ausgeschlossen dagegen, zu sagen, dass "(es) nicht ist" und zu bestreiten, dass "(es) ist". Dieses "einai" steht für die Zuschreibbarkeit zu einem Subjekt schlechthin, dafür, dass etwas irgendwie beschaffen ist. Aus diesem "sein" bildet er das Partizip Präsens "seiend" ("on") und Nominalisiert es dazu noch zum "Sein". Dabei handelt es sich um die pure Form des "Es-gibt-etwas", ohne jede Spezifikation. Das ist deshalb interessant, weil es auch kein Bild sein kann. Bilder haben Formen, d.h. sie zeichnen sich durch Unterschiede aus. (Ich werde in einem Refarat Ende des Monats die These vertreten, dass erst der frühe Wittgenstein das Problem des "glatten" Seins und der Bildhaftigkeit richtig dargestellt hat.)

Vgl. dazu Parmenides (IH), Wittgensteins "Tractatus": Platon ein für allemal (BD)

Vor diesem Hintergrund also ein Stück aus dem Phaidon. Man muss sich daran erinnern, dass das Sein als Ganzes keine Unterschiede aufweisen kann, denn um diese einzuführen, bräuchte man Differenzierung und die wiederum benötigt die interne Negation ("Grün, im Unterschied zu rot").

Also ungefähr so, sprach Sokrates, müssen wir uns selbst fragen: Welcherlei Dingen kommt es wohl zu, dies zu erfahren, das Zerstieben, und für welche muß man also fürchten, daß ihnen dieses begegne, welchen aber kommt es nicht zu? Dann müssen wir untersuchen, zu welchen von beiden die Seele gehört, und hieraus und demgemäß entweder Mut fassen oder besorgt sein für unsere Seelen?

Was nicht zusammengesetzt ist, kann nicht zerfallen. Das ist ein logischer Schluss. Zerfallen kennen wir aus der Körperwelt. Eine Zahl oder die Eigenschaft, athenischer Bürger zu sein, können nicht zerfallen. Nach dieser Logik vermeidet man Zerfall, wenn man sich in den Bereich dessen begibt, das daran aus begrifflicher Notwendigkeit nicht teilhaben kann. --anna 17:23, 10. Nov. 2010 (UTC)