Gewinnideen. Heidegger, Wittgenstein (IH): Unterschied zwischen den Versionen

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Im Hinblick auf die philosophiegeschichtlichen Überlegungen kann man 2 benachbarte Verwendungsweisen des Terminus Idee unterscheiden, die dennoch in unterschiedliche Richtungen weisen.
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#Sie hatte die Idee, BibTeX zu verwenden.
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#Sie hat keine Idee von BibTeX.
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In (2) kann Idee durch Vorstellung paraphrasiert werden. Das ist die von Locke angestoßene Tradition. Dagegen wird in (1) deutlicher der antik-scholastische Sinn angesprochen. Es geht nicht bloß um eine Vorstellung, sondern um einen ''Plan'' - siehe den Bauplan eines Architekten (und die Transposition dieses Konzepts in den göttlichen Geist.)
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In diesem Zusammenhang werden drei Punkte diskutiert:
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*Der aktuelle (journalistische) Gebrauch von "Idee" in patentrechtlichen Zusammenhängen
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*Heideggers phänomenologisch-pragmatische Kontextualisierung des platonischen Schemas
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*Wittgensteins Alternative zum Vorstellungsdenken
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== ÖHZ [campus] Österreichische Hochschulzeitung 04/2010 (62) ==
 
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'''aus Martin Heidegger: Sein und Zeit. Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1977 (Heidegger Gesamtausgabe, Bd. 2, Abt. 1, Veröffentlichte Schriften 1914–1970).'''
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== Ernst Tugendhat: Husserl und Wittgenstein über Prädikation ==
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'''aus: Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie, Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1976. ISBN 978-3-518-27645-7. S. 182ff'''
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[http://sammelpunkt.philo.at:8080/456/1/11-2-95.TXT Wittgenstein über Bedeutung, Sprachspiel und Lebensform]
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"Ein Prädikat erfüllt seine Charakterisierungsfunktion, indem es als Kriterium fungiert. Ein Kriterium (von griech. krinein, trennen) ist etwas, was zum Unterscheiden dient. Indem wir ein Prädikat auf einige Gegenstände anwenden und auf andere nicht, klassifizieren wir damit alle diejenigen Gegenstände, auf die wir es anwenden, und unterscheiden sie damit zugleich von denjenigen, auf die wir es nicht anwenden. Wenn wir ein Prädikat auf einen Gegenstand anwenden, so deklarieren wir ihn als einen solchen, der so ist wie die anderen Gegenstände, auf die wir das Prädikat anwenden, und nicht so wie die, auf die wir es nicht anwenden, und d. h. wir charakterisieren ihn als einen solchen. Die Charakterisierungsfunktion besteht im Klassifizieren--und-Unterscheiden.
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An diese Erläuterung läßt sich nun unmittelbar die dritte Gegen-frage anknüpfen, die ich von Ihnen erwartete. Denn Sie könnten mir nun entgegenhalten: gerade wenn das Charakterisieren ein Klassifizieren ist, müßte doch den Gegenständen, die durch ein Prädikat charakterisiert werden, etwas Gemeinsames zukommen; und müssen wir dann nicht sagen, es sei eigentlich dieses Gemeinsame, was den Gegenstand charakterisiert, und werden wir so nicht doch wieder zu der gegenständlichen Charakteristik zurück-geführt? Nicht das Prädikat selbst, werden Sie sagen, kann als Kriterium fungieren, denn es muß doch für die Anwendung des Prädikats auf gerade diese und nicht andere Gegenstände eine gegenständliche Grundlage geben, ein >Unterscheidungsmerkmal<, wie man deswegen die Charakteristik in der Tradition auch genannt hat.
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...das Prädikat charakterisiert den Gegenstand nur, indem es für eine Charakteristik steht, die ihrerseits den Gegenstand in einem primären Sinn charakterisiert. Erst jetzt zeigt sich das eigentliche Gewicht, das der gegenstandstheoretischen Auffassung zukommt. Sie ergibt sich nicht einfach aus dem sprachphilosophischen Vorurteil, daß jeder sprachliche Ausdruck für etwas steht, sondern scheint die einzig verständliche erkenntnistheoretische Erklärung für die Verwendungsweise der Prädikate zu sein. Gegenüber meinem früheren Hinweis auf die Priorität der prädikativen Form (»rot«) vor ihrer nominalisierten Modifikation (»Röte«) könnte der Gegenstandstheoretiker jetzt erklären, daß diese Priorität sich als eine bloß grammatische erweist, während erkenntnistheoretisch das Verstehen des Prädikats fundiert ist in der Erkenntnis der entsprechenden Charakteristik.
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Daß wir ein Prädikat verstehend gebrauchen können, ohne dabei irgendwelche sinnlich-anschaulichen Bilder vorzustellen, wird der Konzeptualist sofort zugeben. Husserl selbst hat das im 2. Kapitel der I. Logischen Untersuchung eindrucksvoll gezeigt. Aber um solche sinnlichen Vorstellungen handle es sich gar nicht, wird er sagen. Das Merkmal der Röte soll doch etwas sein, was vielen gemeinsam ist, Röte im allgemeinen. Also das war ein Mißverständnis, aber doch kein unproduktives Mißverständnis. Denn es ist jetzt klar, um was für eine Art Vorstellungen es sich einzig handeln kann, nämlich um nichtsinnliche Vorstellungen. Hatte der Nominalist vorher geltend gemacht, daß mit dem Verstehen eines Prädikats nicht immer eine sinnliche Vorstellung verbunden sei, so wird er jetzt erklären, daß es Vorstellungen der Art, wie sie vom Konzeptualisten in Anspruch genommen werden, überhaupt nicht gibt. Es erhebt sich der Verdacht, daß das gemeinsame Merkmal zwar nicht Gegenstand der sinnlichen Anschauung sein soll, aber daß diese Vorstellung doch nach dem Modell der sinnlichen Anschauung gedacht wird. Das gemeinsame Merkmal soll, da es etwas Allgemeines ist, nicht sinnlich vorstellbar sein, aber es soll doch vorstellbar sein. Wie dann aber? Daß hier die sinnliche Anschauung als Modell dient, scheint gerade bei Husserl besonders deutlich, denn er sagt: der allgemeine Gegenstand ist uns in einer Wesensanschauung gegeben. Eine entsprechende Tradition, derzufolge wir diese allgemeinen Wesenheiten in einer intellektuellen Anschauung (nous) vorstellen, gibt es seit Platon. Der Nominalist kann es offenlassen, wieweit sein Gegner sich diese Vorstellung der allgemeinen Charakteristik nach dem Modell der sinnlichen Anschauung denkt oder nicht (man kann sich freilich fragen: muß er es nicht letztlich?). Sein Angriff wird sich jetzt darauf richten, daß wir eine solche Vorstellung von etwas Allgemeinem, das wir am Gegenstand erkennen, jedenfalls nicht vorfinden.
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Eine positive Erklärung, wie man die Charakterisierungsfunktion der Prädikate verstehen kann, ohne sie gegenständlich abzustützen, gibt es erst seit Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen.
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Wenn man ein Prädikat genau dann versteht, wenn man weiß, wie es zur Charakterisierung und d. h. zur Klassifikation und Unterscheidung verwendet wird, dann müßte auch die Erklärung der Bedeutung eines Prädikats darin bestehen, daß erklärt wird, wie es zur Klassifikation und Unterscheidung verwendet wird. Wie kann das geschehen, z. B. bei dem Prädikat »rot«? Offenbar nicht, indem wir auf die allgemeine Charakteristik der Röte zeigen, denn diese sollte ja, wie der Konzeptualist mit Recht hervorgehoben hat, ein allgemeines Wesen sein, also nichts, worauf sich geradezu zeigen läßt. Bei der Erklärung der Bedeutung eines Prädikats kommt dieses allgemeine Wesen gar nicht vor. In Wirklichkeit erklären wir die Bedeutung_eines Prädikats – wenn wir sie nicht durch andere Worte, durch eine Definition erklären können – durch Beispiele. Wir führen dem, dem wir die Bedeutung des Wortes »rötä erklären wollen, Gegenstände vor, die wir als rot charakterisieren (»das ist rot«), und andere, denen wir das Prädikat absprechen (»das ist nicht rot«). An den positiven Beispielen zeigt sich, wie das Prädikat klassifiziert, und an den negativen, wovon es das, was es klassifiziert, unterscheidet. Was wir auf diese Weise zeigen, ist, wie das Prädikat verwendet wird. Wir können uns dann versichern, ob der, dem wir die Verwendung des Prädikats erklärt haben, die Erklärung verstanden hat, indem wir ihn seinerseits das Prädikat gebrauchen las-sen, und wenn er es dann anders gebraucht, als wir es gemeint hatten, korrigieren wir ihn mittels solcher Ausdrücke wie »richtig« und »nicht richtig«, bis er uns verstanden hat. Was wir ihm durch die Beispiele erklären, ist also die Verwendungsregel des Prädikats. Denn eine Tätigkeit, die in jedem ihrer Schritte durch »richtig« und »unrichtig« reguliert ist, ist eine Tätigkeit, die eine Regel befolgt, auch wenn die Regel nicht in Worten formulierbar ist. Die Regel zeigt sich nur in ihrem richtigen Gebrauch, und d. h. in unserem Fall: in der richtigen Anwendung des Prädikats auf Beispiele.
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Wir kommen also zu folgendem Ergebnis: wenn die Bedeutung eines Prädikats nichts anderes ist als das, was wir erklären, wenn wir die Bedeutung des Prädikats erklären, dann besteht die Bedeutung des Prädikats nicht in dem gemeinsamen Merkmal; dieses kommt vielmehr in der Erklärung der Bedeutung gar nicht vor. Derjenige Faktor, den die konzeptualistische Auffassung für essentiell gehalten hat, erweist sich in der Erklärung der Bedeutung als entbehrlich. Die Zurückweisung der Vorstellung von einem all-gemeinen Wesen ist jetzt nicht nur negativ. An ihre Stelle ist viel-mehr eine neue positive Konzeption getreten: Gefragt, inwiefern denn die gegenständlich nicht abgestützte Verwendungsweise des Prädikats keine beliebige ist, kann der Nominalist jetzt auf die durch die Anwendung auf Beispiele erworbene Regel verweisen.
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Aktuelle Version vom 4. Juni 2010, 09:14 Uhr

Zwei Gebrauchsweisen von "Idee"

Im Hinblick auf die philosophiegeschichtlichen Überlegungen kann man 2 benachbarte Verwendungsweisen des Terminus Idee unterscheiden, die dennoch in unterschiedliche Richtungen weisen.


  1. Sie hatte die Idee, BibTeX zu verwenden.
  2. Sie hat keine Idee von BibTeX.

In (2) kann Idee durch Vorstellung paraphrasiert werden. Das ist die von Locke angestoßene Tradition. Dagegen wird in (1) deutlicher der antik-scholastische Sinn angesprochen. Es geht nicht bloß um eine Vorstellung, sondern um einen Plan - siehe den Bauplan eines Architekten (und die Transposition dieses Konzepts in den göttlichen Geist.)

In diesem Zusammenhang werden drei Punkte diskutiert:

  • Der aktuelle (journalistische) Gebrauch von "Idee" in patentrechtlichen Zusammenhängen
  • Heideggers phänomenologisch-pragmatische Kontextualisierung des platonischen Schemas
  • Wittgensteins Alternative zum Vorstellungsdenken


ÖHZ [campus] Österreichische Hochschulzeitung 04/2010 (62)

S. 21, 24, 25

Idee1.JPG


Idee2.JPG


Idee3.JPG

Heideggers phänomenologische Kritik des Aussagesatzes

aus Martin Heidegger: Sein und Zeit. Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1977 (Heidegger Gesamtausgabe, Bd. 2, Abt. 1, Veröffentlichte Schriften 1914–1970).

Das Vernehmen und die apophantische Rede

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Das "Zeug" und die Dinge

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Ernst Tugendhat: Husserl und Wittgenstein über Prädikation

aus: Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie, Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1976. ISBN 978-3-518-27645-7. S. 182ff

Wittgenstein über Bedeutung, Sprachspiel und Lebensform

"Ein Prädikat erfüllt seine Charakterisierungsfunktion, indem es als Kriterium fungiert. Ein Kriterium (von griech. krinein, trennen) ist etwas, was zum Unterscheiden dient. Indem wir ein Prädikat auf einige Gegenstände anwenden und auf andere nicht, klassifizieren wir damit alle diejenigen Gegenstände, auf die wir es anwenden, und unterscheiden sie damit zugleich von denjenigen, auf die wir es nicht anwenden. Wenn wir ein Prädikat auf einen Gegenstand anwenden, so deklarieren wir ihn als einen solchen, der so ist wie die anderen Gegenstände, auf die wir das Prädikat anwenden, und nicht so wie die, auf die wir es nicht anwenden, und d. h. wir charakterisieren ihn als einen solchen. Die Charakterisierungsfunktion besteht im Klassifizieren--und-Unterscheiden.

An diese Erläuterung läßt sich nun unmittelbar die dritte Gegen-frage anknüpfen, die ich von Ihnen erwartete. Denn Sie könnten mir nun entgegenhalten: gerade wenn das Charakterisieren ein Klassifizieren ist, müßte doch den Gegenständen, die durch ein Prädikat charakterisiert werden, etwas Gemeinsames zukommen; und müssen wir dann nicht sagen, es sei eigentlich dieses Gemeinsame, was den Gegenstand charakterisiert, und werden wir so nicht doch wieder zu der gegenständlichen Charakteristik zurück-geführt? Nicht das Prädikat selbst, werden Sie sagen, kann als Kriterium fungieren, denn es muß doch für die Anwendung des Prädikats auf gerade diese und nicht andere Gegenstände eine gegenständliche Grundlage geben, ein >Unterscheidungsmerkmal<, wie man deswegen die Charakteristik in der Tradition auch genannt hat.

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...das Prädikat charakterisiert den Gegenstand nur, indem es für eine Charakteristik steht, die ihrerseits den Gegenstand in einem primären Sinn charakterisiert. Erst jetzt zeigt sich das eigentliche Gewicht, das der gegenstandstheoretischen Auffassung zukommt. Sie ergibt sich nicht einfach aus dem sprachphilosophischen Vorurteil, daß jeder sprachliche Ausdruck für etwas steht, sondern scheint die einzig verständliche erkenntnistheoretische Erklärung für die Verwendungsweise der Prädikate zu sein. Gegenüber meinem früheren Hinweis auf die Priorität der prädikativen Form (»rot«) vor ihrer nominalisierten Modifikation (»Röte«) könnte der Gegenstandstheoretiker jetzt erklären, daß diese Priorität sich als eine bloß grammatische erweist, während erkenntnistheoretisch das Verstehen des Prädikats fundiert ist in der Erkenntnis der entsprechenden Charakteristik.

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Daß wir ein Prädikat verstehend gebrauchen können, ohne dabei irgendwelche sinnlich-anschaulichen Bilder vorzustellen, wird der Konzeptualist sofort zugeben. Husserl selbst hat das im 2. Kapitel der I. Logischen Untersuchung eindrucksvoll gezeigt. Aber um solche sinnlichen Vorstellungen handle es sich gar nicht, wird er sagen. Das Merkmal der Röte soll doch etwas sein, was vielen gemeinsam ist, Röte im allgemeinen. Also das war ein Mißverständnis, aber doch kein unproduktives Mißverständnis. Denn es ist jetzt klar, um was für eine Art Vorstellungen es sich einzig handeln kann, nämlich um nichtsinnliche Vorstellungen. Hatte der Nominalist vorher geltend gemacht, daß mit dem Verstehen eines Prädikats nicht immer eine sinnliche Vorstellung verbunden sei, so wird er jetzt erklären, daß es Vorstellungen der Art, wie sie vom Konzeptualisten in Anspruch genommen werden, überhaupt nicht gibt. Es erhebt sich der Verdacht, daß das gemeinsame Merkmal zwar nicht Gegenstand der sinnlichen Anschauung sein soll, aber daß diese Vorstellung doch nach dem Modell der sinnlichen Anschauung gedacht wird. Das gemeinsame Merkmal soll, da es etwas Allgemeines ist, nicht sinnlich vorstellbar sein, aber es soll doch vorstellbar sein. Wie dann aber? Daß hier die sinnliche Anschauung als Modell dient, scheint gerade bei Husserl besonders deutlich, denn er sagt: der allgemeine Gegenstand ist uns in einer Wesensanschauung gegeben. Eine entsprechende Tradition, derzufolge wir diese allgemeinen Wesenheiten in einer intellektuellen Anschauung (nous) vorstellen, gibt es seit Platon. Der Nominalist kann es offenlassen, wieweit sein Gegner sich diese Vorstellung der allgemeinen Charakteristik nach dem Modell der sinnlichen Anschauung denkt oder nicht (man kann sich freilich fragen: muß er es nicht letztlich?). Sein Angriff wird sich jetzt darauf richten, daß wir eine solche Vorstellung von etwas Allgemeinem, das wir am Gegenstand erkennen, jedenfalls nicht vorfinden.

...

Eine positive Erklärung, wie man die Charakterisierungsfunktion der Prädikate verstehen kann, ohne sie gegenständlich abzustützen, gibt es erst seit Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen.

...

Wenn man ein Prädikat genau dann versteht, wenn man weiß, wie es zur Charakterisierung und d. h. zur Klassifikation und Unterscheidung verwendet wird, dann müßte auch die Erklärung der Bedeutung eines Prädikats darin bestehen, daß erklärt wird, wie es zur Klassifikation und Unterscheidung verwendet wird. Wie kann das geschehen, z. B. bei dem Prädikat »rot«? Offenbar nicht, indem wir auf die allgemeine Charakteristik der Röte zeigen, denn diese sollte ja, wie der Konzeptualist mit Recht hervorgehoben hat, ein allgemeines Wesen sein, also nichts, worauf sich geradezu zeigen läßt. Bei der Erklärung der Bedeutung eines Prädikats kommt dieses allgemeine Wesen gar nicht vor. In Wirklichkeit erklären wir die Bedeutung_eines Prädikats – wenn wir sie nicht durch andere Worte, durch eine Definition erklären können – durch Beispiele. Wir führen dem, dem wir die Bedeutung des Wortes »rötä erklären wollen, Gegenstände vor, die wir als rot charakterisieren (»das ist rot«), und andere, denen wir das Prädikat absprechen (»das ist nicht rot«). An den positiven Beispielen zeigt sich, wie das Prädikat klassifiziert, und an den negativen, wovon es das, was es klassifiziert, unterscheidet. Was wir auf diese Weise zeigen, ist, wie das Prädikat verwendet wird. Wir können uns dann versichern, ob der, dem wir die Verwendung des Prädikats erklärt haben, die Erklärung verstanden hat, indem wir ihn seinerseits das Prädikat gebrauchen las-sen, und wenn er es dann anders gebraucht, als wir es gemeint hatten, korrigieren wir ihn mittels solcher Ausdrücke wie »richtig« und »nicht richtig«, bis er uns verstanden hat. Was wir ihm durch die Beispiele erklären, ist also die Verwendungsregel des Prädikats. Denn eine Tätigkeit, die in jedem ihrer Schritte durch »richtig« und »unrichtig« reguliert ist, ist eine Tätigkeit, die eine Regel befolgt, auch wenn die Regel nicht in Worten formulierbar ist. Die Regel zeigt sich nur in ihrem richtigen Gebrauch, und d. h. in unserem Fall: in der richtigen Anwendung des Prädikats auf Beispiele.

Wir kommen also zu folgendem Ergebnis: wenn die Bedeutung eines Prädikats nichts anderes ist als das, was wir erklären, wenn wir die Bedeutung des Prädikats erklären, dann besteht die Bedeutung des Prädikats nicht in dem gemeinsamen Merkmal; dieses kommt vielmehr in der Erklärung der Bedeutung gar nicht vor. Derjenige Faktor, den die konzeptualistische Auffassung für essentiell gehalten hat, erweist sich in der Erklärung der Bedeutung als entbehrlich. Die Zurückweisung der Vorstellung von einem all-gemeinen Wesen ist jetzt nicht nur negativ. An ihre Stelle ist viel-mehr eine neue positive Konzeption getreten: Gefragt, inwiefern denn die gegenständlich nicht abgestützte Verwendungsweise des Prädikats keine beliebige ist, kann der Nominalist jetzt auf die durch die Anwendung auf Beispiele erworbene Regel verweisen.