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'''Rekapitulation'''
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'''Rekapitulation: Wittgenstein und Datenbanken'''
  
 
Da wir heute in vielen Bereichen Datenbanken benutzen (Google, Sammelzeugnis), stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung der Kategorien, nach denen die Information in diesen Datenbanken geordnet ist und abgerufen wird. Personen, die in der Produktion und Reflexion von Wissen tätig sind und tätig werden wollen sind direkt mit den Prinzipien und Begriffen, mit den Chancen und Perspektiven und Geschichten konfrontiert, die mit einer solchen Strategie einhergehen.  
 
Da wir heute in vielen Bereichen Datenbanken benutzen (Google, Sammelzeugnis), stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung der Kategorien, nach denen die Information in diesen Datenbanken geordnet ist und abgerufen wird. Personen, die in der Produktion und Reflexion von Wissen tätig sind und tätig werden wollen sind direkt mit den Prinzipien und Begriffen, mit den Chancen und Perspektiven und Geschichten konfrontiert, die mit einer solchen Strategie einhergehen.  
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Eine schlechte Datenbank ist eine solche, die es nicht schafft, die Kategorien so zu stellen, dass die Komplexität wirklich reduziert wird, wie zum Beispiel bei der Tabelle der Universität über Lektoren und deren Arbeitsgebiete. Wenn man die Kategorie „außerordentliche Professoren“ hat, dann muss es auch die Kategorie „Lektoren“ geben, von denen jene unterschieden werden. In der „Welt“ dieser Datenbank gibt es nur Lektoren, die irgendwo außerordentlich Professoren sind. Das müsste an dieser Stelle geregelt werden und das kann in dieser Datenbank nicht geregelt werden, sondern das muss dadurch geregelt werden, dass hier entweder ein zusätzlicher Eintrag gegeben wird.
 
Eine schlechte Datenbank ist eine solche, die es nicht schafft, die Kategorien so zu stellen, dass die Komplexität wirklich reduziert wird, wie zum Beispiel bei der Tabelle der Universität über Lektoren und deren Arbeitsgebiete. Wenn man die Kategorie „außerordentliche Professoren“ hat, dann muss es auch die Kategorie „Lektoren“ geben, von denen jene unterschieden werden. In der „Welt“ dieser Datenbank gibt es nur Lektoren, die irgendwo außerordentlich Professoren sind. Das müsste an dieser Stelle geregelt werden und das kann in dieser Datenbank nicht geregelt werden, sondern das muss dadurch geregelt werden, dass hier entweder ein zusätzlicher Eintrag gegeben wird.
  
'''Suchfunktion'''
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'''Suchfunktion in Datenbanken'''
  
 
Die Suchfunktion in relationalen Datenbanken folgt einer standardisierten Suchsprache (SQL). Der Anfang des Suchausdrucks ist select * from personen where. *, das heißt „Alles was du findest unter bestimmten Bedingungen, such * heraus from personen“. Hier steht eine Tabelle, personen ist der Name dieser Tabelle und where ist die Angabe der Bedingungen, unter denen hier gesucht wird. Hier stehen also die Felder. Felder sind an der Stelle die Attribute. Es ist also die Angabe der Tabelle, dass man im Attribut „Vornamen“ suchen soll. Dann muss man noch eine Bedingung dazugeben, nämlich zum Beispiel, dass der Name, der hier drinnen stehen soll, „Franz“ sein soll. So findet man etwa den Herrn Dr. Franz Martin Wimmer. Das ist die Art und Weise, wie aus den Tabellen etwas rausgeholt wird.  
 
Die Suchfunktion in relationalen Datenbanken folgt einer standardisierten Suchsprache (SQL). Der Anfang des Suchausdrucks ist select * from personen where. *, das heißt „Alles was du findest unter bestimmten Bedingungen, such * heraus from personen“. Hier steht eine Tabelle, personen ist der Name dieser Tabelle und where ist die Angabe der Bedingungen, unter denen hier gesucht wird. Hier stehen also die Felder. Felder sind an der Stelle die Attribute. Es ist also die Angabe der Tabelle, dass man im Attribut „Vornamen“ suchen soll. Dann muss man noch eine Bedingung dazugeben, nämlich zum Beispiel, dass der Name, der hier drinnen stehen soll, „Franz“ sein soll. So findet man etwa den Herrn Dr. Franz Martin Wimmer. Das ist die Art und Weise, wie aus den Tabellen etwas rausgeholt wird.  
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Aber auch aus einem anderen Grund ist es sinnvoll, Hegel und Heidegger im Nachhinein zu nennen. Weder bei Hegel noch bei Heidegger findet sich das klassische Bildungsverfahren, das Platon vorschlägt. Beide sind in einem gewissen Sinn dem Bildungsideal gegenüber mindestens so skeptisch wie Wittgenstein. Es ergeben sich schon in der Philosophie des 19. Jahrhunderts und dann bei Heidegger im 20. Jahrhundert Momente der Skepsis und der Kritik gegen Bildung, sodass es keineswegs adäquat ist, diese Tradition jetzt als die Bildungstradition hoch zu halten und gegen die Technisierung und die Datenbanken auszuspielen.
 
Aber auch aus einem anderen Grund ist es sinnvoll, Hegel und Heidegger im Nachhinein zu nennen. Weder bei Hegel noch bei Heidegger findet sich das klassische Bildungsverfahren, das Platon vorschlägt. Beide sind in einem gewissen Sinn dem Bildungsideal gegenüber mindestens so skeptisch wie Wittgenstein. Es ergeben sich schon in der Philosophie des 19. Jahrhunderts und dann bei Heidegger im 20. Jahrhundert Momente der Skepsis und der Kritik gegen Bildung, sodass es keineswegs adäquat ist, diese Tradition jetzt als die Bildungstradition hoch zu halten und gegen die Technisierung und die Datenbanken auszuspielen.
 
Hegel nimmt in einem geschichtsumgreifenden Ductus der romantischen, deutschen Systembildung das Thema, das bei Platon das Aufsteigerthema war, auf und zeichnet eine Kurve, in der die Person, die aus der Höhle aufsteigt, durch seine Schriften, also durch seine gedankliche Entwicklung nachgezeichnet wird. Der Anknüpfungspunkt an Platon besteht einerseits in dem Konzept des Wachstums des Menschen, der durch den Gang des Wissens von seinen ungebildeten Standpunkten aus zum Wissen geführt wird, andererseits in dem Dialogprozess ab dem ersten Kapitel in „Phänomenologie des Geistes“, die an die sokratische Gesprächsführung erinnert. Allerdings geht Hegel auch über Platon hinaus: Wenn es bei ihm um Erkenntnis geht, geht es nicht darum, dass wir raus laufen und die Sonne sehen und geblendet sind, sondern es geht darum, dass wir diese Stufen des Geistes, diese historische Entwicklung der Reihe nach nachvollziehen müssen, in unserem persönlichen Werdegang. Das ist der Punkt, in dem Hegel Bildungsphilosoph genannt werden kann und auch immer wieder genannt wird. Hegel problematisiert das Bildungssystem: In unserem Fortschritt müssen wir die gesamte Entwicklung, die uns vorangegangen ist, wiederholen, selbst durchmachen. Bei jedem Schritt vorwärts bleibt die überholte Erkenntnis tot auf dem Weg liegen. Die Bildungsinhalte sind veraltet! Doch hierin besteht wieder ein Zusammenhang zu den Datenbanken: denn diese Bildungsinhalte sind zeitlos wie Datenbanken. Sie sind zwar in einer Zeit geschaffen, aber beinhalten nicht selbst eine Zeitdimension (Vgl. Foto im Gegensatz zu Film). Deshalb betont Hegel auch die Wichtigkeit des Zwischenstopps bei jedem einzelnen Bildungsinhalt – weil man ansonsten nicht den Übergang zum nächsten schafft.  
 
Hegel nimmt in einem geschichtsumgreifenden Ductus der romantischen, deutschen Systembildung das Thema, das bei Platon das Aufsteigerthema war, auf und zeichnet eine Kurve, in der die Person, die aus der Höhle aufsteigt, durch seine Schriften, also durch seine gedankliche Entwicklung nachgezeichnet wird. Der Anknüpfungspunkt an Platon besteht einerseits in dem Konzept des Wachstums des Menschen, der durch den Gang des Wissens von seinen ungebildeten Standpunkten aus zum Wissen geführt wird, andererseits in dem Dialogprozess ab dem ersten Kapitel in „Phänomenologie des Geistes“, die an die sokratische Gesprächsführung erinnert. Allerdings geht Hegel auch über Platon hinaus: Wenn es bei ihm um Erkenntnis geht, geht es nicht darum, dass wir raus laufen und die Sonne sehen und geblendet sind, sondern es geht darum, dass wir diese Stufen des Geistes, diese historische Entwicklung der Reihe nach nachvollziehen müssen, in unserem persönlichen Werdegang. Das ist der Punkt, in dem Hegel Bildungsphilosoph genannt werden kann und auch immer wieder genannt wird. Hegel problematisiert das Bildungssystem: In unserem Fortschritt müssen wir die gesamte Entwicklung, die uns vorangegangen ist, wiederholen, selbst durchmachen. Bei jedem Schritt vorwärts bleibt die überholte Erkenntnis tot auf dem Weg liegen. Die Bildungsinhalte sind veraltet! Doch hierin besteht wieder ein Zusammenhang zu den Datenbanken: denn diese Bildungsinhalte sind zeitlos wie Datenbanken. Sie sind zwar in einer Zeit geschaffen, aber beinhalten nicht selbst eine Zeitdimension (Vgl. Foto im Gegensatz zu Film). Deshalb betont Hegel auch die Wichtigkeit des Zwischenstopps bei jedem einzelnen Bildungsinhalt – weil man ansonsten nicht den Übergang zum nächsten schafft.  
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'''Weniger bekannt'''
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In der Einleitung der „Phänomenologie des Geistes“ heißt es bei Hegel: Bildung und Aufklärung fallen nicht zusammen. Der Ausgang aus der Unmündigkeit ist nicht gleichzeitig eine Annäherung an die Wahrheit. Die eigenen Überzeugungen müssen einem Prozess der Bildung unterzogen werden. Es reicht nicht, dass man von etwas überzeugt ist, es muss Kriterien und Objektivität geben, an der die eigene Überzeugung und die eigene Autonomie getestet werden. Der Bildungsprozess für Hegel besteht darin, dass die eigenen Überzeugungen an Fremdinhalten zerbrechen, die in einer anderen Betrachtungsweise heteronom sind. Deshalb kann man wie Thomas Auinger Hegels Bildung als Betrug bezeichnen: „Bildung nach Hegel ist Betrug!“ Es ist der Betrug, der darin besteht, dass Leute, die der Auffassung sind, sie können mit ihrer Autonomie bestimmte Behauptungen festhalten, gezwungen werden, etwas zu studieren und etwas festzuhalten, was sie nicht plausibel finden, was sie nicht selber erarbeitet haben. Sie tun so, als ob sie das verstehen würden, in Wirklichkeit sind sie aber fremdbestimmt durch Inhalte des objektiven Geistes, mit denen sie sich identifizieren, damit sie gebildet aussehen. Genau darin liegt das Problem der Bildung für Hegel.
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'''Randbemerkung'''
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Das Kapitel zur Bildung heißt bei Hegel „Die Welt des entfremdeten Geistes“ - Bildung ist also die Welt des entfremdeten Geistes. Von der Einordnung in das Buch her findet sich dieses Kapitel zwischen Mittelalter und Aufklärung. Das bedeutet, dass die Überwindung der Bildung und der Entfremdung des Geistes eigentlich die vorausgesetzte Stufe darstellt, damit man in einen Aufklärungsprozess hinein kann. Die Bildung ist nach dieser hegelianischen Betrachtungsweise von der Hypothek getroffen, dass sie systematische Entfremdung von Personen enthält. Kurz und anders gesagt: Das ist eine Theorie der Unbildung, die schon lange vor dem einsetzt, was wir heute vielleicht haben.
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--[[Benutzer:Sinn|Sinn]] 17:09, 23. Jun. 2009 (UTC)
 
--[[Benutzer:Sinn|Sinn]] 17:09, 23. Jun. 2009 (UTC)

Aktuelle Version vom 25. Juni 2009, 11:46 Uhr

Rekapitulation: Wittgenstein und Datenbanken

Da wir heute in vielen Bereichen Datenbanken benutzen (Google, Sammelzeugnis), stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung der Kategorien, nach denen die Information in diesen Datenbanken geordnet ist und abgerufen wird. Personen, die in der Produktion und Reflexion von Wissen tätig sind und tätig werden wollen sind direkt mit den Prinzipien und Begriffen, mit den Chancen und Perspektiven und Geschichten konfrontiert, die mit einer solchen Strategie einhergehen. Bei Wittgenstein ist es verboten, von den Einzelinhalten auf die Struktur zu schließen, der „Switch“ von den Sprachausdrücken zu den Urbildern ist untersagt. Das hängt mit seinem Totalitätsanspruch zusammen, den er von Platon übernommen hat. Bei Datenbanken ist es nicht so, dass sie den Anspruch auf Allgemeinheit stellen, denn sie sind nicht zeitlos. Deshalb kann man bei Datenbanken auch die Kategorien anzweifeln. Datenbanken bauen auf denselben Bedingungen auf, die Wittgenstein im Tractatus festlegt, doch sie erfüllen nicht dieselbe Voraussetzung: den allgemeinen philosophischen Totalitätsanspruch.

Social Tagging

Allerdings sind die Datenbanken heute schon sehr viel weiterentwickelt worden, sodass sie sich in ihren Strukturen aktualisieren lassen, wie bei tag clouds oder delicious. Ein Beispiel für solche Vorgänge vor der Zeit der Datenbanken sind Bookmarks. Diese stehen in diesem Zusammenhang in der Doppelsituation, dass das einerseits spezielle Bookmarks sind, die man auf seinem Computer anlegt, die man aber auch ins Internet hochladen kann (nach delicious zum Beispiel), wo sie dann - insofern Sie den dort bestehenden Kategorien und Verfahren unterliegen – zu Wissensbestandteilen von Interessen für den Rest der Welt werden. Das ist ein Schnittpunkt zwischen Bildung und Datenbanken.

Herr Hofstadler befasst sich in seiner Diplomarbeit von der Sicht eines Informatikers her mit dem Problem. Sachverhalte, die es gibt, „grünes Gras“, werden in Sätze formuliert und diese Sätze werden dann herunter transformiert und analysiert in einfache Sätze. So erhält man vonseiten der Informatik dasselbe Motiv „Elementarsätze“: „Gras hat die Farbe grün.“ Das entspricht der Norm eines einfachen, einstelligen Attributs und Aussagesatzes. Dieser Aussagesatz ist wiederum in Satzbausteine zu zerlegen, nämlich: „Gras“, „Farbe“ und „grün“. Man kann die Komplexität von Daten auf Basisattribute reduzieren, sodass darauf aufbauend alles erklärt und zusammengesetzt werden kann. Eine schlechte Datenbank ist eine solche, die es nicht schafft, die Kategorien so zu stellen, dass die Komplexität wirklich reduziert wird, wie zum Beispiel bei der Tabelle der Universität über Lektoren und deren Arbeitsgebiete. Wenn man die Kategorie „außerordentliche Professoren“ hat, dann muss es auch die Kategorie „Lektoren“ geben, von denen jene unterschieden werden. In der „Welt“ dieser Datenbank gibt es nur Lektoren, die irgendwo außerordentlich Professoren sind. Das müsste an dieser Stelle geregelt werden und das kann in dieser Datenbank nicht geregelt werden, sondern das muss dadurch geregelt werden, dass hier entweder ein zusätzlicher Eintrag gegeben wird.

Suchfunktion in Datenbanken

Die Suchfunktion in relationalen Datenbanken folgt einer standardisierten Suchsprache (SQL). Der Anfang des Suchausdrucks ist select * from personen where. *, das heißt „Alles was du findest unter bestimmten Bedingungen, such * heraus from personen“. Hier steht eine Tabelle, personen ist der Name dieser Tabelle und where ist die Angabe der Bedingungen, unter denen hier gesucht wird. Hier stehen also die Felder. Felder sind an der Stelle die Attribute. Es ist also die Angabe der Tabelle, dass man im Attribut „Vornamen“ suchen soll. Dann muss man noch eine Bedingung dazugeben, nämlich zum Beispiel, dass der Name, der hier drinnen stehen soll, „Franz“ sein soll. So findet man etwa den Herrn Dr. Franz Martin Wimmer. Das ist die Art und Weise, wie aus den Tabellen etwas rausgeholt wird.

Es stellt sich immer die Frage danach, wie man die Daten ordnen will. Bei einem I-pod sind die Kategorien vorgegeben, aber man kann die einzelnen Lieder nach Namen der Interpreten, nach Album, nach Titel ordnen. Das ist beliebig wählbar, doch je nachdem, wie man die Ordnung vornimmt, wird man bei der Suche andere Ergebnisse erhalten.

Hegel - bekannt

In den großen Bogen von Platon zu Wittgenstein gehören noch zwei Philosophen hinein, die Platon auf eine wichtige Art und Weise aufgreifen, die aber nicht direkt mit Datenbanken in Zusammenhang gesetzt werden können. Diese beiden Philosophen sind Hegel und Heidegger. Wittgenstein wurde in der Vorlesung vorgezogen, um den Zusammenhang zu den Datenbanken herauszustellen und damit nicht bis ans Ende des Semesters zu warten. Aber auch aus einem anderen Grund ist es sinnvoll, Hegel und Heidegger im Nachhinein zu nennen. Weder bei Hegel noch bei Heidegger findet sich das klassische Bildungsverfahren, das Platon vorschlägt. Beide sind in einem gewissen Sinn dem Bildungsideal gegenüber mindestens so skeptisch wie Wittgenstein. Es ergeben sich schon in der Philosophie des 19. Jahrhunderts und dann bei Heidegger im 20. Jahrhundert Momente der Skepsis und der Kritik gegen Bildung, sodass es keineswegs adäquat ist, diese Tradition jetzt als die Bildungstradition hoch zu halten und gegen die Technisierung und die Datenbanken auszuspielen. Hegel nimmt in einem geschichtsumgreifenden Ductus der romantischen, deutschen Systembildung das Thema, das bei Platon das Aufsteigerthema war, auf und zeichnet eine Kurve, in der die Person, die aus der Höhle aufsteigt, durch seine Schriften, also durch seine gedankliche Entwicklung nachgezeichnet wird. Der Anknüpfungspunkt an Platon besteht einerseits in dem Konzept des Wachstums des Menschen, der durch den Gang des Wissens von seinen ungebildeten Standpunkten aus zum Wissen geführt wird, andererseits in dem Dialogprozess ab dem ersten Kapitel in „Phänomenologie des Geistes“, die an die sokratische Gesprächsführung erinnert. Allerdings geht Hegel auch über Platon hinaus: Wenn es bei ihm um Erkenntnis geht, geht es nicht darum, dass wir raus laufen und die Sonne sehen und geblendet sind, sondern es geht darum, dass wir diese Stufen des Geistes, diese historische Entwicklung der Reihe nach nachvollziehen müssen, in unserem persönlichen Werdegang. Das ist der Punkt, in dem Hegel Bildungsphilosoph genannt werden kann und auch immer wieder genannt wird. Hegel problematisiert das Bildungssystem: In unserem Fortschritt müssen wir die gesamte Entwicklung, die uns vorangegangen ist, wiederholen, selbst durchmachen. Bei jedem Schritt vorwärts bleibt die überholte Erkenntnis tot auf dem Weg liegen. Die Bildungsinhalte sind veraltet! Doch hierin besteht wieder ein Zusammenhang zu den Datenbanken: denn diese Bildungsinhalte sind zeitlos wie Datenbanken. Sie sind zwar in einer Zeit geschaffen, aber beinhalten nicht selbst eine Zeitdimension (Vgl. Foto im Gegensatz zu Film). Deshalb betont Hegel auch die Wichtigkeit des Zwischenstopps bei jedem einzelnen Bildungsinhalt – weil man ansonsten nicht den Übergang zum nächsten schafft.

Weniger bekannt

In der Einleitung der „Phänomenologie des Geistes“ heißt es bei Hegel: Bildung und Aufklärung fallen nicht zusammen. Der Ausgang aus der Unmündigkeit ist nicht gleichzeitig eine Annäherung an die Wahrheit. Die eigenen Überzeugungen müssen einem Prozess der Bildung unterzogen werden. Es reicht nicht, dass man von etwas überzeugt ist, es muss Kriterien und Objektivität geben, an der die eigene Überzeugung und die eigene Autonomie getestet werden. Der Bildungsprozess für Hegel besteht darin, dass die eigenen Überzeugungen an Fremdinhalten zerbrechen, die in einer anderen Betrachtungsweise heteronom sind. Deshalb kann man wie Thomas Auinger Hegels Bildung als Betrug bezeichnen: „Bildung nach Hegel ist Betrug!“ Es ist der Betrug, der darin besteht, dass Leute, die der Auffassung sind, sie können mit ihrer Autonomie bestimmte Behauptungen festhalten, gezwungen werden, etwas zu studieren und etwas festzuhalten, was sie nicht plausibel finden, was sie nicht selber erarbeitet haben. Sie tun so, als ob sie das verstehen würden, in Wirklichkeit sind sie aber fremdbestimmt durch Inhalte des objektiven Geistes, mit denen sie sich identifizieren, damit sie gebildet aussehen. Genau darin liegt das Problem der Bildung für Hegel.

Randbemerkung

Das Kapitel zur Bildung heißt bei Hegel „Die Welt des entfremdeten Geistes“ - Bildung ist also die Welt des entfremdeten Geistes. Von der Einordnung in das Buch her findet sich dieses Kapitel zwischen Mittelalter und Aufklärung. Das bedeutet, dass die Überwindung der Bildung und der Entfremdung des Geistes eigentlich die vorausgesetzte Stufe darstellt, damit man in einen Aufklärungsprozess hinein kann. Die Bildung ist nach dieser hegelianischen Betrachtungsweise von der Hypothek getroffen, dass sie systematische Entfremdung von Personen enthält. Kurz und anders gesagt: Das ist eine Theorie der Unbildung, die schon lange vor dem einsetzt, was wir heute vielleicht haben.


--Sinn 17:09, 23. Jun. 2009 (UTC)