Benutzer:Matthieu/WS08-OSP-Zsfg: Unterschied zwischen den Versionen

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'''LaTeX-Quelldateien:''' [http://www.unet.univie.ac.at/~a0600222/files/OSP_Source.zip herunterladen]
 
'''LaTeX-Quelldateien:''' [http://www.unet.univie.ac.at/~a0600222/files/OSP_Source.zip herunterladen]
  
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= Open Source Philosophie =
 
= Open Source Philosophie =
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== Zum Selbstbild der Informationstechnik ==
 
== Zum Selbstbild der Informationstechnik ==
 
Nach zweieinhalb Jahren im Informatikstudium will ich mir vorbehalten, unser Umfeld ausreichend genau beobachtet zu haben, um einige Grundaussagen über unsere Wissenschaft und die darin vorherrschenden Mentalitäten treffen zu können. Ich tue das, weil ich der Meinung bin, dass die Technik, mit der Menschen sich jahrelang beschäftigen, diese eingehend formt und deren Denkweisen dabei verändert. Die Informatik ist keinesfalls ohne Philosophie; sie hat jedoch Prinzipien, die - wie es in der Vorlesung bzw. den Transkripten genannt wird - deutlich von denen ''Unserer Philosophie, wie wir sie heute kennen'' abweichen. Und will man das Phänomen Open Source verstehen, kann es nicht verkehrt sein, zunächst einen Blick auf die Informatik an sich zu werfen.
 
Nach zweieinhalb Jahren im Informatikstudium will ich mir vorbehalten, unser Umfeld ausreichend genau beobachtet zu haben, um einige Grundaussagen über unsere Wissenschaft und die darin vorherrschenden Mentalitäten treffen zu können. Ich tue das, weil ich der Meinung bin, dass die Technik, mit der Menschen sich jahrelang beschäftigen, diese eingehend formt und deren Denkweisen dabei verändert. Die Informatik ist keinesfalls ohne Philosophie; sie hat jedoch Prinzipien, die - wie es in der Vorlesung bzw. den Transkripten genannt wird - deutlich von denen ''Unserer Philosophie, wie wir sie heute kennen'' abweichen. Und will man das Phänomen Open Source verstehen, kann es nicht verkehrt sein, zunächst einen Blick auf die Informatik an sich zu werfen.
''(Bemerkenswerterweise wird freie und Open Source Software erst im dritten Jahr des Informatikstudiums explizit behandelt, und zwar in der Vorlesung [http://online.univie.ac.at/vlvz?lvnr=050029&semester=W2008 "Sozial- und Geisteswissenschaftliche Grundlagen der Informatik"] <br/> <br/>
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''(Bemerkenswerterweise wird freie und Open Source Software erst im dritten Jahr des Informatikstudiums explizit behandelt, und zwar in der Vorlesung [http://online.univie.ac.at/vlvz?lvnr=050029&semester=W2008 "Sozial- und Geisteswissenschaftliche Grundlagen der Informatik"]) <br/> <br/>
 
Natürlich ist die folgende Liste keinesfalls vollständig; sie soll vielmehr dazu dienen, die Kultur der Informatik über die Implikationen der Technologie verständlicher zu machen.
 
Natürlich ist die folgende Liste keinesfalls vollständig; sie soll vielmehr dazu dienen, die Kultur der Informatik über die Implikationen der Technologie verständlicher zu machen.
  
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# [[Bild:Cailliau-bernerslee.jpg|thumb|200px|Sir Tim Berners-Lee (links) und Robert Cailliau, Pioniere des WWW. Quelle: http://www.w3.org/2005/06/W3C10-Photos/cailliau-bernerslee.jpg]] ''' Ohne uns läuft nichts.''' <br/> Ein beliebtes Beispiel, um die Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnik ''(IKT)'' zu verdeutlichen, ist die Tatsache, dass keine Bank der Welt länger als 48 Stunden ohne sie überleben könnte. Das Design, die Programmierung und der Betrieb von IT-Systemen bringt also eine Menge an Verantwortung mit sich, die zwar in der Praxis nicht an die ''ausführenden'' Einzelpersonen zurückübertragen werden kann (dafür gibt es Verantwortungsträger), die aber trotzdem ständig zu bedenken ist. (Zum Management von Risiken existieren in der IT selbstverständlich vielfältige Ansätze, wie etwa sogenannte IT-Management-Frameworks, siehe zum Beispiel [http://de.wikipedia.org/wiki/IT_Infrastructure_Library ITIL] oder [http://de.wikipedia.org/wiki/Cobit COBIT].)
 
# [[Bild:Cailliau-bernerslee.jpg|thumb|200px|Sir Tim Berners-Lee (links) und Robert Cailliau, Pioniere des WWW. Quelle: http://www.w3.org/2005/06/W3C10-Photos/cailliau-bernerslee.jpg]] ''' Ohne uns läuft nichts.''' <br/> Ein beliebtes Beispiel, um die Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnik ''(IKT)'' zu verdeutlichen, ist die Tatsache, dass keine Bank der Welt länger als 48 Stunden ohne sie überleben könnte. Das Design, die Programmierung und der Betrieb von IT-Systemen bringt also eine Menge an Verantwortung mit sich, die zwar in der Praxis nicht an die ''ausführenden'' Einzelpersonen zurückübertragen werden kann (dafür gibt es Verantwortungsträger), die aber trotzdem ständig zu bedenken ist. (Zum Management von Risiken existieren in der IT selbstverständlich vielfältige Ansätze, wie etwa sogenannte IT-Management-Frameworks, siehe zum Beispiel [http://de.wikipedia.org/wiki/IT_Infrastructure_Library ITIL] oder [http://de.wikipedia.org/wiki/Cobit COBIT].)
 
Eine Grundhaltung, die ausdrückt, wie Selbstorganisation in der Kultur der informatischen Teamarbeit - und damit besonders in Open-Source-Projekten - aussehen kann, wurde von Robert Cailliau, einem der Väter des WWW, folgendermaßen formuliert:
 
Eine Grundhaltung, die ausdrückt, wie Selbstorganisation in der Kultur der informatischen Teamarbeit - und damit besonders in Open-Source-Projekten - aussehen kann, wurde von Robert Cailliau, einem der Väter des WWW, folgendermaßen formuliert:
:: ''"We do not believe in kings, presidents and voting. We believe in rough consensus, factual approach and running code."''<br/>([http://www.heise.de/tp/r4/artikel/8/8015/2.html Robert Cailliau]; ähnlich von [http://en.wikipedia.org/wiki/David_D._Clark David D. Clark], Mitglied der ''Internet Engineering Taskforce (IETF)''
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:: ''"We do not believe in kings, presidents and voting. We believe in rough consensus, factual approach and running code."''<br/>([http://www.heise.de/tp/r4/artikel/8/8015/2.html Robert Cailliau]; ähnlich von [http://en.wikipedia.org/wiki/David_D._Clark David D. Clark], Mitglied der ''Internet Engineering Taskforce (IETF)'')
  
 
== Informatik und Philosophie ==
 
== Informatik und Philosophie ==
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* Unsere wissenschaftlichen Arbeiten lesen sich oft äußerst trocken, vor allem wenn sie auf Deutsch verfasst sind;
 
* Unsere wissenschaftlichen Arbeiten lesen sich oft äußerst trocken, vor allem wenn sie auf Deutsch verfasst sind;
 
* Wir verwenden gängigerweise Powerpoint-Foliensätze als Vorlesungsskripten;
 
* Wir verwenden gängigerweise Powerpoint-Foliensätze als Vorlesungsskripten;
* Und viele von uns unterschätzen, wie wichtig eine ansprechende Präsentation ist, um guten Arbeitsergebnissen überhaupt die Chance zu geben, bemerkt zu werden.
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* Und viele von uns unterschätzen, wie wichtig eine ansprechende Präsentation ist, um guten Arbeitsergebnissen überhaupt die Chance zu geben, bemerkt zu werden.<br/><br/>
  
 
= Stoffzusammenfassung =
 
= Stoffzusammenfassung =
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** Geschichte und Theorie des Eigentums (marxistisch-sozialistische Theorien)
 
** Geschichte und Theorie des Eigentums (marxistisch-sozialistische Theorien)
 
** Griechische Philosophie - antike gesellschaftspolitische vs. heutige technisch-gesellschaftliche Entwicklungen in der Informatik: damals konnte die Philosophie einen Beitrag zur Demokratisierung leisten (Radikaldemokratie) - Philosophie kann daher auch entscheidend viel mit dem "basisdemokratischen" Open Source zu tun haben.
 
** Griechische Philosophie - antike gesellschaftspolitische vs. heutige technisch-gesellschaftliche Entwicklungen in der Informatik: damals konnte die Philosophie einen Beitrag zur Demokratisierung leisten (Radikaldemokratie) - Philosophie kann daher auch entscheidend viel mit dem "basisdemokratischen" Open Source zu tun haben.
** Die Betrachtung des Phänomens Open Source kann daher den Blick auf die Philosophie selbst verändern
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** Die Betrachtung des Phänomens Open Source kann daher den Blick auf die Philosophie selbst verändern<br/><br/>
* '''Welche Botschaft soll Remixing vermitteln?''' <br/><br/> Remixing funktioniert über Zitate: Man nimmt einen bekannten Fixpunkt her, dessen Bedeutung bisher klar schien (z.B. das Gemälde der Mona Lisa) und fügt neue Elemente dazu (z.B. einen Oberlippenbart im Salvador-Dalí-Stil), sodass etwas Neues entsteht (kulturelle Intervention). <br/> Lev Manovich (''Who is the Author? Sampling / Remixing / Open Source''): Remixing in der DJ-Szene ab den 1970ern - basierend auf der digitalen Verarbeitung treten neue Formen der Kreativität auf, bspw. das Mischen von unterschiedlichen Tonspuren, die auch wieder auseinander genommen werden können.<br/> Strukturell sind die Nachlässe von Wittgenstein und Nietzsche nach dem Remix-Prinzip aufgebaut. <br/><br/>
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* '''Welche Botschaft soll Remixing vermitteln?''' <br/> Remixing funktioniert über Zitate: Man nimmt einen bekannten Fixpunkt her, dessen Bedeutung bisher klar schien (z.B. das Gemälde der Mona Lisa) und fügt neue Elemente dazu (z.B. einen Oberlippenbart im Salvador-Dalí-Stil), sodass etwas Neues entsteht (kulturelle Intervention). <br/> Lev Manovich (''Who is the Author? Sampling / Remixing / Open Source''): Remixing in der DJ-Szene ab den 1970ern - basierend auf der digitalen Verarbeitung treten neue Formen der Kreativität auf, bspw. das Mischen von unterschiedlichen Tonspuren, die auch wieder auseinander genommen werden können.<br/> Strukturell sind die Nachlässe von Wittgenstein und Nietzsche nach dem Remix-Prinzip aufgebaut. <br/><br/>
 
* '''Was ist Assembling?''' <br/> "Zusammenstoppeln" von Inhalten wie etwa bei YouTube verändert die Aussage und Aussagekraft von Inhalten, stellt neue Bedeutungen und Assoziationen her - hier kommt die Möglichkeit zur politischen Intervention mit enormer Reichweite ins Spiel <br/> Verschiedene Formen der politischen Beteiligung:
 
* '''Was ist Assembling?''' <br/> "Zusammenstoppeln" von Inhalten wie etwa bei YouTube verändert die Aussage und Aussagekraft von Inhalten, stellt neue Bedeutungen und Assoziationen her - hier kommt die Möglichkeit zur politischen Intervention mit enormer Reichweite ins Spiel <br/> Verschiedene Formen der politischen Beteiligung:
 
# Live-Veranstaltungen (Protestplakate etc.) - ''klassisch''
 
# Live-Veranstaltungen (Protestplakate etc.) - ''klassisch''
 
# Aufzeichnung der Veranstaltung durch Medientechnologie (Foto, TV) - ''modern''
 
# Aufzeichnung der Veranstaltung durch Medientechnologie (Foto, TV) - ''modern''
# Remixes von vorhandenem Material (relativ risikolos, da man nicht so leicht abgeführt werden kann) - ''vollkommen neuartig durch Plattformen wie YouTube''
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# Remixes von vorhandenem Material (relativ risikolos, da man nicht so leicht abgeführt werden kann) - ''vollkommen neuartig durch Plattformen wie YouTube''<br/><br/>
 
* '''Was ist das Open Source Modell?''' <br/> Ted Nelson - perfekt bugfreie Verweisungsstruktur bei Büchern, bevor es Hyperlinks gab; Links als Remix-Form, die vom User interaktiv und individuell zusammengestellt wird. <br/><br/>
 
* '''Was ist das Open Source Modell?''' <br/> Ted Nelson - perfekt bugfreie Verweisungsstruktur bei Büchern, bevor es Hyperlinks gab; Links als Remix-Form, die vom User interaktiv und individuell zusammengestellt wird. <br/><br/>
 
* '''Was ist Open Source?''' <br/> Das gesamte Geschäftsmodell der Softwareindustrie, allen voran das von Microsoft, basierte bis vor kurzem auf der (Ab-) Geschlossenheit und Nicht-Verfügbarkeit des Quellcodes (= jene Dateien, die die Programmbefehle in einer bestimmten Programmiersprache enthalten). <br/> Man bezahlte also für ein (mehr oder weniger) fertiges Endprodukt, das man selbst nicht verändern konnte.<br/> Alternative: Offener, garantiert stets frei verfügbarer Quellcode - erstmals in einem größeren Projekt verwirklicht bei Linus Torvalds' freiem Betriebssystem ''Linux'' mit der ''GNU General Public License'' (GPL; GNU steht für ''GNU is not Unix'' - eine rekursive Definition) von Richard Stallman.<br/> Die GPL erlaubt es, Software beliebig zu verändern, solange die neue Version auch frei zur Verfügung gestellt wird ''(es gibt keinen Ausweg aus der GPL)'' In der Philosophie ist das so nicht möglich - bspw. weil es keine objektiven Quelldateien gibt, die von allen Maschinen auf gleiche Art ausgeführt werden könnten; Philosophie spielt sich zu sehr im Kopf ab, um wirklich Open-Source-tauglich zu sein.<br/><br/>
 
* '''Was ist Open Source?''' <br/> Das gesamte Geschäftsmodell der Softwareindustrie, allen voran das von Microsoft, basierte bis vor kurzem auf der (Ab-) Geschlossenheit und Nicht-Verfügbarkeit des Quellcodes (= jene Dateien, die die Programmbefehle in einer bestimmten Programmiersprache enthalten). <br/> Man bezahlte also für ein (mehr oder weniger) fertiges Endprodukt, das man selbst nicht verändern konnte.<br/> Alternative: Offener, garantiert stets frei verfügbarer Quellcode - erstmals in einem größeren Projekt verwirklicht bei Linus Torvalds' freiem Betriebssystem ''Linux'' mit der ''GNU General Public License'' (GPL; GNU steht für ''GNU is not Unix'' - eine rekursive Definition) von Richard Stallman.<br/> Die GPL erlaubt es, Software beliebig zu verändern, solange die neue Version auch frei zur Verfügung gestellt wird ''(es gibt keinen Ausweg aus der GPL)'' In der Philosophie ist das so nicht möglich - bspw. weil es keine objektiven Quelldateien gibt, die von allen Maschinen auf gleiche Art ausgeführt werden könnten; Philosophie spielt sich zu sehr im Kopf ab, um wirklich Open-Source-tauglich zu sein.<br/><br/>
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** ''Wartbarkeit - Es existiert eine große Menge an Wissen zu MS Windows''
 
** ''Wartbarkeit - Es existiert eine große Menge an Wissen zu MS Windows''
 
** ''Benutzerfreundlichkeit - Man versuche, einen neuen Grafiktreiber auf einem Linux-System zu installieren!''
 
** ''Benutzerfreundlichkeit - Man versuche, einen neuen Grafiktreiber auf einem Linux-System zu installieren!''
** ''Flexibilität und Austauschbarkeit von Rechnern und Schulungsaufwand für Mitarbeiter'' <br/><br/> ''Andererseits steht man gerade als etwas fortgeschrittener Anwender bei einem Windows-System vor einem interessanten Dualismus: Einerseits versucht Microsoft nämlich ganz gezielt, alles als "so einfach wie möglich" zu präsentieren, wie es ja beispielsweise die Werbung für Windows XP unmittelbar nach der Jahrtausendwende suggerierte. Solange man als Benutzer keine allzu hohen Anforderungen an das System stellt, und vom Brennen einer DVD bis zum Bearbeiten der Tags von MP3-Dateien "brav" die integrierten Tools verwendet, wird man damit auch einigermaßen klar kommen; interessant wird es in der Praxis aber oft dann, wenn man sich aus der Bevormundung von Windows befreien will und feststellt, dass doch nicht alles so einfach ist wie es scheint: Gerade wenn Registry-Schlüssel betroffen sind, ist es oft notwendig, an mehreren, meist schlecht dokumentierten Stellen schlicht zu experimentieren, um ein Problem zu lösen.<br/><br/> Windows ist - wie viele Produkte von Microsoft - also hier etwas gespalten: Der Durchschnittsuser hat das Gefühl, damit seinen Computer mehr oder weniger zu beherrschen, während der genervte - plakativ ausgedrückt - ''Profi'' das Betriebssystem samt Firma belächelt und den Eindruck gewinnt, Microsoft halte seine Benutzer für naiv.<br/> Meiner Erfahrung nach eignen sich hingegen viele Open Source Produkte nicht für Einsteiger, während sie für den fortgeschrittenen Benutzer überaus mächtige und flexible Funktionalitäten bereitstellen, viel leichter individuell anpassbar und gleichzeitig sehr robust und stabil sind - als Beispiele könnte man hier LaTeX ebenso nennen wie Mozilla Firefox, den Gnome Desktop für Linux, simple Texteditoren wie JEdit oder Emacs, oder auch die beliebte Entwicklungsumgebung Eclipse.
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** ''Flexibilität und Austauschbarkeit von Rechnern und Schulungsaufwand für Mitarbeiter'' <br/><br/> ''Andererseits steht man gerade als etwas fortgeschrittener Anwender bei einem Windows-System vor einem interessanten Dualismus: Einerseits versucht Microsoft nämlich ganz gezielt, alles als "so einfach wie möglich" zu präsentieren, wie es ja beispielsweise die Werbung für Windows XP unmittelbar nach der Jahrtausendwende suggerierte. Solange man als Benutzer keine allzu hohen Anforderungen an das System stellt, und vom Brennen einer DVD bis zum Bearbeiten der Tags von MP3-Dateien "brav" die integrierten Tools verwendet, wird man damit auch einigermaßen klar kommen; interessant wird es in der Praxis aber oft dann, wenn man sich aus der Bevormundung von Windows befreien will und feststellt, dass doch nicht alles so einfach ist wie es scheint: Gerade wenn Registry-Schlüssel betroffen sind, ist es oft notwendig, an mehreren, meist schlecht dokumentierten Stellen schlicht zu experimentieren, um ein Problem zu lösen.<br/><br/> Windows ist - wie viele Produkte von Microsoft - also hier etwas gespalten: Der Durchschnittsuser hat das Gefühl, damit seinen Computer mehr oder weniger zu beherrschen, während der genervte - plakativ ausgedrückt - ''Profi'' das Betriebssystem samt Firma belächelt und den Eindruck gewinnt, Microsoft halte seine Benutzer für naiv.<br/> Meiner Erfahrung nach eignen sich hingegen viele Open Source Produkte nicht für Einsteiger, während sie für den fortgeschrittenen Benutzer überaus mächtige und flexible Funktionalitäten bereitstellen, viel leichter individuell anpassbar und gleichzeitig sehr robust und stabil sind - als Beispiele könnte man hier [http://www.latex-project.org/ LaTeX] (vs. [http://office.microsoft.com/de-de/word/FX100487981031.aspx Microsoft Word]) ebenso nennen wie [http://www.mozilla-europe.org/de/firefox/ Mozilla Firefox] (vs. [http://www.microsoft.com/germany/windows/internet-explorer/download-ie.aspx MS Internet Explorer]), den [http://www.gnome.org/ Gnome Desktop] für Linux (vs. [http://www.microsoft.com/Germany/windows/ Windows]), simple Texteditoren wie [http://www.jedit.org/ JEdit] oder [http://www.gnu.org/software/emacs/ Emacs] (vs. Note- oder Wordpad), oder auch die beliebte Entwicklungsumgebung [http://www.eclipse.org/ Eclipse] (vs. [http://www.microsoft.com/visualstudio/en-us/default.mspx MS Visual Studio]).<br/><br/>
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== Einheit II - Gelebte Open Source Philosophie ==
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* '''Schlagwörter''' - ''Freie und Open Source Software (FOSS), Lipstick on a Pig, US-Wahlkampf, Radikale Demokratie, Athenische Verfassungen, Qualitätseinbruch in der DJ-Szene, Freiheit und Autorität''<br/><br/>
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* '''Was hat Wiki mit Open Source zu tun?'''<br/> [[Bild:Verschriftlichung.png|thumb|200px|Versuch einer Hierarchie über die Produktionen rund um die VO OSP]] Die Erstellung von Transkripten - etwa für diese Vorlesung - und deren Veröffentlichung im Philo-Wiki hat einen gewissen Charakter des Open Source, wenn man das gesprochene Wort als ursprüngliche Quelle betrachtet. Um den Redefluss leichter lesbar zu machen, ist es zumeist notwendig, ihn bei der Verschriftlichung einer überarbeitung zu unterziehen. ''(siehe dazu beispielsweise auch [http://philo.at/wiki/index.php/Benutzer_Diskussion:Blade_Runner/WS08-OSP-E07-21_11_08 diese Diskussion zu den Transkripten])''. In einer kooperativen Wiki-Umgebung verändern sich die Bewertung und das Funktionieren von Kompetenzniveaus ebenso wie die Dynamik der Produktion: Durch die Diskussionen wird Wissen weitergegeben, und der Diskussionsverlauf ist nachlesbar ''(Anmerkung: Hier nähern sich die Kulturen von Informatik und Philosophie offenbar an.)'' - produktive Beiträge haben damit einen Effekt auf die gesamte Community, es entsteht ein Vernetzungseffekt.<br/><br/>
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* '''Was ist der Unterschied zwischen Free Software und Open Source?''' <br/> [[Bild:Stallman.jpg|thumb|200px|Richard Stallman. Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fmlatribu_-_06_(by-sa).jpg]] [[Bild:Raymond.jpg|thumb|200px|Eric Raymond. Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Esr.jpg]] Hier gibt es zwei verschiedene Philosophien:
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# Richard Stallman / GNU/GPL, Free Software Foundation (FSF): Will maximale Freiheit für das Individuum ''[http://www.gnu.org/philosophy/free-sw.html ("To understand the concept, you should think of 'free' as in 'free speech', not as in 'free beer'")]; stark prinzipienorientiert
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# Eric Raymond / Open Source Software: pragmatische Kompromisse lassen Spielraum zwischen ''gratis'' und ''bezahlt''<br/><br/> Die Frage ist nun, wo die gebotene Freiheit operativ wird - in der Praxis ist dies genau durch die neuen Kooperationsmöglichkeiten der Fall, die sich dadurch ergeben, dass die im Entwicklungsprozess verwendeten Wissens- und Softwarequellen dauerhaft frei verfügbar sind.<br/><br/>
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* '''Was soll die Sache mit dem Lippenstift im US-Wahlkampf?'''<br/> ''Es liegen mehrere Videoclips vor. Zunächst stellt die republikanische Präsidentschaftskandidation Sarah Palin fest: der Unterschied zwischen ihr und einem Kampfhund sei der Lippenstift. Barack Obama zehn Tage später, bezogen auf John McCain: ''"You can put lipstick on a pig, it's still a pig."'' In einem Video der Republikaner werden diese beiden Szenen aneinander gereiht, ohne dass klar wird, dass Obama von McCain spricht. Damit wird seine Aussage so dargestellt, as würde er Sarah Palin als Schwein bezeichnen. Dieses Verfahren wird im Spot gleich zweimal angewandt: Eine weitere Aussage einer Journalistin, die sich über den Sexismus in den Werbekampagnen beschwert, wird so geschnitten, dass der ursprüngliche Bezug auf die Kampagne von Hillary Clinton verloren geht.''<br/> Im konkreten Beispiel wird gezielt de- und rekontextualisiert, mit der Begründung, dass ''"eigentlich ja ohnehin alles mit allem zusammenhängt"'';<br/> Wir müssen uns folglich die Frage nach Gesetzmäßigkeiten, Regeln, Normen und Ethik im Bereich des Remixings fragen.<br/> Diese Frage stellt sich ganz allgemein bei ent-hierarchisierter (Meinungs-) Produktion - und damit auch bei Open Source. Einerseits ist es möglich, alle Meinungen als gleichwertig zu betrachten - in der Praxis ist dies aber meistens nicht zielführend, sondern hier gewichten wir die Meinungen von Personen in Abhängigkeit von gewissen Faktoren: Beispielsweise erachten wir einen Installateur als geeignet, eine qualifizierte Meinung zu einem Wasserrohrbruch abzugeben (hier gewichten wir etwa nach dem Beruf bzw. einer Fertigkeit oder Fachexpertise - griechisch ''techné''. Ein System aus solchen Fachexpertisen, in dem die Teilnehmer bereit sind, gegenseitig für die erhaltenen Leistungen etwas zu geben, stellt die Grundbedingung für eine funktionierende Marktwirtschaft dar.<br/><br/>
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* '''Und wie hat nun die Athenische Demokratie funktioniert?''' <br/> [[Bild:Solon.jpg|thumb|200px|Verfassung des Solon im antiken Athen.]] [[Bild:Kleisthenes.jpg|thumb|200px|Verfassung des Kleisthenes im antiken Athen.]] [[Bild:Athens_democracy2.jpg|thumb|200px|Athenische Demokratie]] David Johnson: "Radikale Demokratie ist furchtbar ineffizient", da es keine dezidierten Experten in der Politik gibt, die durch ihre Autorität für Kontinuität und Verlässlichkeit sorgen könnten.<br/> Wer soll nun also die Politik bestimmen? - Hier ist in der Praxis ein Abwägen nötig!<br/>
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** Experten im Fach? - ''hier wird kein Wert auf Führungskompetenz oder eine einheitliche Linie gelegt''
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** Rhetorisch Begabte? - ''wie sieht es mit deren Fachkompetenz aus?''
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** "Manager"? - ''also Führungs- und Verwaltungsexperten?''<br/><br/> Nach der Verfassung des Solon wurden die 6.000 Mitglieder der Volksversammlung von den Bürgern gewählt, und diese bestimmten wiederum den ''Rat der 400''. Im Gegensatz dazu sah die Verfassung des Kleisthenes vor, den ''Rat der 500'', der Gesetze vorzuschlagen hatte, durch das Los zu bestimmen, was mit der Vorstellung vergleichbar ist, die Stadt Wien würde von 500 zufällig aus dem Telefonbuch gewählten Personen regiert.<br/><br/>
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* '''Was hat das mit der sinkenden Qualität in der DJ-Szene zu tun?'''<br/> Die Autorität der Leute, die im Besitz der Produktionsmittel sind, wird unterwandert durch die Verfügbarkeit dieses Materials und damit die Möglichkeit zum Remix - es hat also praktisch jeder die Freiheit, auch ohne fachliche Kompetenz zum DJ zu werden, was die Qualität des Musik-Outputs insgesamt sinken lässt. Dies ist folglich eine Situation, in der ein Mehr an Freiheit eher einen Wildwuchs als eine Erhöhung des Qualitätsniveaus ergibt.<br/><br/>
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== Einheit III - Geistiges Eigentum und Verkäuflichkeit ==
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* '''Schlagwörter''' - ''Perikles, Demokratiedilemma, Sokrates, Platon, Sophisten, Peer Review, Elenchos-Methode, "Wir halten während der Analyse Dialog"''<br/><br/>
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* '''Perikles volksnah - Träger der athenischen Demokratie''' <br/> Das Staatsbürgerschaftsgesetz des Perikles sieht vor, dass nur jene Athener sein dürfen, die sowohl eine Mutter als auch einen Vater in Athen haben. Damit ist Staatsbürgerschaft erblich; Athen schottet seine bürgerlichen Freiheiten nach außen hin ab.<br/><br/>
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* '''Das Demokratiedilemma'''<br/> Es besteht ein Spannungsfeld zwischen unserer gedanklichen Tätigkeit und unserer wirtschaftlichen Aktivität - Fragen der Ethik und ökonomischer Verwertbarkeit von Wissen und Bildung treten auf, mit denen sich schon die alten Griechen beschäftigt haben:<br/> Gegenüberstellung der ''Kommerz-'' und der ''Philosophiefraktion'':
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# Sophisten - ''bezahlte'' Wanderlehrer, die für sämtliche Auskünfte Geld verlangen
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# Sokrates-Fraktion - sieht eine ''give-and-take-Situation'' von unbezahlten Gleichberechtigten im Gespräch; laut Sokrates ist es schändlich, etwa für Auskünfte über Politik Geld zu verlangen, da nur ohne Geld eine Kultur der Hilfsbereitschaft entstehen kann, die einen immateriellen und nicht-monetären Wert hat (gegen Bezahlung im Unterricht ''"in Sachen der Baukunst etwa"'', also bei der Vermittlung von Fachkompetenzen (technés), hat Sokrates hingegen nichts einzuwenden.)<br/><br/> Nach Sokrates entsteht automatisch ein Ungleichgewicht zwischen Wissendem und Unwissendem, da Letzterer von Antworten abhängig ist ''("Es wird der Maßstab des Wissens angelegt")''. Diese Situation kann man direkt mit Open Source Software in Verbindung bringen - hier müssen ebenfalls Gesetze herrschen, die nicht direkt von "Bezahlbarkeit" abhängig sind. <br/><br/> ''(Anmerkung: Ich würde Sourcecode weder als Bildung noch als Wissen betrachten, das gratis zur Verfügung gestellt wird (auch wenn man ohne Zweifel aus externem Code viel lernen kann) - vielmehr ist Quellcode imho ein Produkt aus operationalisiertem Wissen, das ganz klar an ein Designteam gebunden ist, denn hinter dem Code stehen zumindest eine Reihe von Modellen, die das erstellte System abbilden, und hinter diesen wiederum die Gedanken der Designer und Architekten, die diese niemals vollständig formalisieren (und somit nicht in Computersysteme bringen und wirklich objektiv austauschen) können. Dies erachte ich in der Praxis vor allem deshalb als wichtig, da Software zu einem guten Teil von Wartung und Weiterentwicklung "lebt" und für diese eine genaue Kenntnis der Systeme - zumindest auf der Design-Ebene von Modellen - sehr wichtig ist.)''. <br/><br/> Laut Sokrates ist Anerkennung unter Gleichberechtigten etwas ''"in sich Ruhendes"''.<br/><br/>
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* '''Elenchos - das sokratische Prüfverfahren'''<br/> Wenn es bei einem Gespräch um mehr geht als um Unterhaltung, kommt der Qualität von Wissen eine Bedeutung zu - wie aber kann diese gemessen werden?<br/> Sokrates - "Kreuzverhör" der Elenchos-Methode: Sokrates legt eine Form eitler Bescheidenheit an den Tag, indem er sich selbst "unwissend" stellt und seinem Gegenüber eine Reihe von Fragen, die alle zu bejahen sind. Sokrates nutzt den "Columbo-Effekt" und nimmt Ungereimtheiten und Verallgemeinerungen in den "gegnerischen" Argumenten als Ansatzpunkt für seinen Fragen. Er führt sein Gegenüber ''nur durch diese Fragen'' zu einem Punkt, wo dieser seine eigene Position aufgibt und die sokratische übernimmt.<br/> Das ist ihm deshalb möglich, da die meisten seiner Gesprächspartner nicht das Wesen der Dinge beschreiben, nach denen Sokrates fragt, sondern ihm konkrete Beispiele aus ihrem Fachbereich nennen, zu denen Sokrates aber Gegenbeispiele findet und seine Gegenüber so ratlos macht. Das ist das Wesen das Philosophie: Durch eine asoziale Störung des Allgemeinverständnisses tauchen neue Perspektiven auf - der Wert entsteht im Gespräch also durch die Tatsache, dass neue Fragen gestellt werden, und nicht durch die gegebenen Antworten. In einer Gruppe, die zu einem produktiven Ergebnis gelangen soll, ist diese Technik natürlich eine Behinderung.<br/><br/> ''(Anmerkung: das ist auch der Grund, warum sie in einer Disziplin wie der angewandten Informatik vergleichsweise selten einsetzbar ist - sie sollte imho daher auf den Bereich der Forschung und Philosophie beschränkt bleiben.)''<br/><br/> Diese Technik bindet Sokrates in eine Gesprächssituation ein: ''"Wir halten während der Analyse Dialog"'' ([http://philo.at/wiki/index.php/Diskussion:Das_Demokratiedilemma_(OSP) Andreas Kirchner)<br/> Man braucht für jedes Prüfverfahren Entscheidungsinstanzen; bei Elenchos ''"sind wir zugleich Richter und Sprecher"'' (Sokrates), also nehmen wir uns selbst die Autorität, durch unsere ''on-the-fly''-Analyse die Wissensqualität zu bewerten. Sokrates legt sich hier natürlich eine Argumentation zurecht - er generiert durch Elenchos also Wissen auf eine dekonstruktive (nicht aber destruktive!) Art und Weise.<br/> Hier könnte man fragen, was eigentlich passiert, wenn Sokrates einen zweiten Sokrates trifft - kann diese Form der "Wissenskooperation" überhaupt funktionieren? - Immerhin benötigt Sokrates für seine Technik genau diese elitäre Position in einer asymmetrischen Gesprächssituation}!<br/><br/>
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* '''Wissen kostet'''<br/> Bildung als institutionalisierter Prozess verursacht zwangsläufig Kosten ''("dieser Raum ist geheizt")''; gleichzeitig hat die Wissenschaft, und allen voran die Philosophie, einen ''"reinen Wahrheitsanspruch"'', der von der monetären Dimension losgelöst sein will, sich aber in einer Bildungsinstitution mit ihr vermischt bzw. vermischen muss.<br/><br/> ''(Anmerkung - man könnte es auch so formulieren: Wissen ist zwar keine Ware im klassischen Sinne, aber seine Vermittlung benötigt Arbeit und diese gehört bezahlt, um den Wissenschaftsbetrieb am Leben zu erhalten.)''<br/><br/> Wir können zwei Arten von Forschung unterscheiden:
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# Angewandte Forschung - erzielt konkrete Ergebnisse, die ökonomisch ziemlich direkt verwertbar sind.
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# Grundlagenforschung - generiert Wert auch ohne direkten Nutzen (''"vom Nutzen der Nutzlosigkeit"'' - neue Perspektiven, langfristige Entwicklungen...)<br/><br/>
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== Einheit IV - Redekunst und Fachwissen ==
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* '''Schlagwörter''' - ''Platon, Marktplatz-Ideenhimmel-Dualismus, Sophisten, Redekunst, Gorgias, Fach- und Flachwissen, Laien, Expertentum, Laienrichter''<br/><br/>
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* '''Welche Sonderstellung nimmt Plato in der Philosophie ein?'''<br/> Plato ist mit Apple vergleichbar: So wie diverse neue Technologien - Internet, Audiokompression, RSS-Feeds, User-Centered-Design - beim IPod auf revolutionäre und richtungsweisende Art miteinander verbunden wurden, hat Plato für die damalige Zeit auf genauso revolutionäre und richtungsweisende Art die Besonderheiten des Wissens beschrieben: ''Anders als bei einer Speise, an der wir vor dem Verzehr riechen und so feststellen können, ob sie verdorben ist oder nicht, müssen wir Kenntnisse bzw. Wissen zuerst schlucken (also: uns aneignen), und sehen erst dann, dass sie uns - im schlimmsten Fall - verdorben haben.'' <br/> Plato hat auch den bis heute bestehenden Dualismus in der Philosophie eingeführt:
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# Das ökonomisch Auswertbare zur Organisation der Wirtschaft
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# Das ökonomisch nicht direkt Verwertbare mit transzendentem Wert - die Präferenz der Philosophie und ein Vorschlag zur Organisation der Politik<br/><br/> Bis dato musste man sich praktisch auf eine der beiden Seiten schlagen; Open Source bricht diese strenge ''"Marktplatz-Ideenhimmel-Dualität"'' durch die Operationalisierung der freien Verfügbarkeit der Quellen aber auf.<br/><br/>
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* '''Gorgias und die Rolle der Redekunst'''<br/> Hier ist es zuerst wichtig, einige Begriffe rund um das Wissen zu unterscheiden:
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# ''Weltwissen'' lässt sich unterscheiden in ''Fachwissen'' (griechisch ''epistemé'') und ''Flach-'' (oder Allgemein-) Wissen und ist relativ objektiv (oder zumindest intersubjektiv)
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# ''Meinung'' (griechisch ''doxa'') hat eine bewusste subjektive Komponente<br/><br/> ''Eine Anekdote zur Bedeutung von Rhetorik und Meinungsbeeinflussung: Die Kinder spielen und wollen ständig noch ein Stück Torte haben, der Arzt verbietet es ihnen aber, damit sie keinen Karies bekommen. Die Kinder aber halten Gericht und beschließen, die Ärzte - und nicht die Köche - aus der Stadt zu vertreiben, weil sie ihnen die Party runiniert haben. "In der platonischen Sichtweise ist Sokrates angeklagt worden von den Kindern als der Arzt - und gerichtet haben die Kinder".<br/><br/> Gorgias ist nun ein Sophist, der sich selbst als Experte für Meinungen, als Meinungsforscher und Meinungsmanipulator darstellt. Er behauptet von sich, zu allem etwas sagen zu können und tritt damit in den öffentlichen Bereich jenseits der Fachwissenschaften ein, in der auch die Philosophie agiert (das "Flachwissen"). Problematischerweise hat ein Rhetor aber genau in dem Moment seine Überzeugungskraft verspielt, sobald er zugibt, nur Meinungen beeinflussen zu wollen oder können, da er dann mangelnde Fachkompetenz offenbart. [[Bild:Sophisten-philosophen.jpg|thumb|200px|Von Experten und Laien.]] Damit gerät Gorgias wiederum in das Spannungsfeld zwischen den Sophisten und Sokrates, der die Frage stellt, welcher Maßstab denn im politischen Bereich gelten solle, um etwa Gerechtigkeit zu definieren und zu beurteilen. Hier gibt es erneut verschiedene Sichtweisen:<br/><br/>
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# '''Sokrates''' ist der Meinung, dass ein ''Peer Review'' durch Laienrichter in der Volksversammlung genauso funktionieren kann wie die Beurteilung der Qualität von Schuhen durch die Schustergilde - es existiert also unter den Laienrichtern kein Expertentum, sondern die Experten sind die Laienrichter selbst (vgl. auch Einheit III - bei der Elenchos-Methode sind die Sprecher zugleich die Richter, da sie vernetzt während der Analyse Dialog halten).
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# '''Platon''' nutzt diesen freigespielten Raum dann, um eine Systematik für Sachkompetenz im nicht-ökonomischen ideellen Bereich zu definieren. Er definiert den Vernunftbegriff, und stellt fest, dass Leute aus verschiedenen Fachrichtungen, die Begriffe unterschiedlich verstehen, trotzdem vernünftig miteinander reden können, da sie ''als Menschen'' vernunftbegabte Wesen sind. Sein epochales Werk ''"Der Staat"'', das selbigen als Institution zur ''Erziehung'' seiner Bürger beschreibt, zeigt jedoch Platons antidemokratische Gesinnung.
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# '''Gorgias''' und die Sophisten hingegen wollen die Qualität von politischen Reden nicht nach ihrem Sachgehalt, sondern nach ihrem Effekt beurteilen, womit das Durchsetzungsvermögen und die rhetorischen Künste zum Handwerkszeug der Politik werden.<br/><br/> Der Zusammenhang mit Open Source besteht nun erneut darin, dass hier durch das Internet die Möglichkeit besteht, die sokratische Analyse durch die ständige Vernetzung in einen beinahe kostenfreien Entwicklungs- und Erkenntnisprozess zu verwandeln, in denen Beiträge gemeinsam abgestimmt, korrigiert und weiterentwickelt werden können. Hätte das Internet damals schon existiert, hätte sich die Philosophie grundlegend anders entwickelt.<br/><br/>
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* '''Der große Sprung - Von der Antike zur Jahrtausendwende'''<br/> Die antisophistische Haltung des Platon wurde im 4./5. Jahrhundert vom Christentum übernommen ''(der göttliche Platon)'', seine Ideenlehre als Dualismus zwischen hiesiger Welt und himmlischem Jenseits umgedeutet. In der Renaissance - also der Zeit der Wiederbesinnung auf die klassischen griechischen Schriften - gab es in Süditalien, ähnlich wie damals in Athen, Städte, die sich selbst verwalteten. Auch heute finden wir noch Spuren der sophistischen Ideen (Beispiel der Donau-Universität Krems, die kostenpflichtige Aikido-Kurse zur Konfliktbewältigung anbietet, was insofern mit den Sophisten zu tun hat, als diese ebenfalls ihr Wissen von auswärts nach Athen brachten.)

Version vom 18. Februar 2009, 12:21 Uhr

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Ich bin derzeit dabei, aus den Transkripten eine Stoffzusammenfassung zu erstellen.
Dazu verwende ich LaTeX; die Ergebnisse werde ich auch als PDF hochladen und hier ins Wiki stellen.

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Open Source Philosophie

  • a0600222 Christian Sieberer nach Prof. Herbert Hrachovec

Zusammenfassung

Dieses Dokument ist eine Abschlussarbeit zur von Prof. Herbert Hrachovec im Wintersemester 2008/09 gehaltenen Vorlesung "Open Source Philosophie". Nach einführenden Betrachtungen über die Informatik an sich beinhaltet es eine Stoffzusammenfassung der Vorlesung, die auf den online verfügbaren Audio-Mitschnitten der Vorlesungseinheiten und den entsprechenden Transkripten im Philo-Wiki basiert und auch eigene Kommentare enthält.

Einleitung

Zum Selbstbild der Informationstechnik

Nach zweieinhalb Jahren im Informatikstudium will ich mir vorbehalten, unser Umfeld ausreichend genau beobachtet zu haben, um einige Grundaussagen über unsere Wissenschaft und die darin vorherrschenden Mentalitäten treffen zu können. Ich tue das, weil ich der Meinung bin, dass die Technik, mit der Menschen sich jahrelang beschäftigen, diese eingehend formt und deren Denkweisen dabei verändert. Die Informatik ist keinesfalls ohne Philosophie; sie hat jedoch Prinzipien, die - wie es in der Vorlesung bzw. den Transkripten genannt wird - deutlich von denen Unserer Philosophie, wie wir sie heute kennen abweichen. Und will man das Phänomen Open Source verstehen, kann es nicht verkehrt sein, zunächst einen Blick auf die Informatik an sich zu werfen. (Bemerkenswerterweise wird freie und Open Source Software erst im dritten Jahr des Informatikstudiums explizit behandelt, und zwar in der Vorlesung "Sozial- und Geisteswissenschaftliche Grundlagen der Informatik")

Natürlich ist die folgende Liste keinesfalls vollständig; sie soll vielmehr dazu dienen, die Kultur der Informatik über die Implikationen der Technologie verständlicher zu machen.

  1. Informatik ist per definitionem interdisziplinär.
    Unsere Fachrichtung benutzt gerne Abkürzungen und hat daher auch eine solche zum Namen gewählt. Informationstechnik impliziert natürlich, dass die zu bearbeitende Information - zumindest wenn sie einen praktischen Nutzen haben oder erzeugen soll - aus einem Anwendungsbereich kommt, den die Naturwissenschaften ebenso bilden können wie die Medizin, die Kommunikationswissenschaften oder die Betriebswirtschaft.
    Meiner Meinung nach ist es daher keinesfalls abwegig, sondern geradezu folgerichtig, Philosophie und Informatik auf der Ebene von Konzepten und Phänomenen wie Open Source zu verbinden.

  2. Wir müssen alles formalisieren.
    Computer sind Maschinen und werden es mit der gegenwärtigen Technik auch bleiben; selbst wenn wir derzeit gerne von "semantischen Informationssystemen" sprechen und hochtrabend behaupten, dass Rechnernetze Informationen nicht nur interpretieren, sondern auch verstehen könnten - hier spielen Kontextdefinitionen über das weithin bekannte XML (Extendible Markup Language) eine wichtige Rolle - so kann ein Computer doch nicht mehr tun, als Zeichen zu lesen (Eingabe), nach genau spezifizierten Regeln zu verändern (Verarbeitung) und auszugeben.
    Zu diesem Zweck sind alle Computer in der Lage, mit einer Reihe von Regelsätzen (Grammatiken) umzugehen, die hierarchisch angeordnet sind und die Sprachen definieren, in denen wir Programme schreiben können. Eine relativ einfache Grammatik bestimmt etwa die Bedeutung von elektronischen Schaltkreisen; eine etwas komplexere die der Maschinen- oder etwa Assemblersprache, die für uns Menschen im Vergleich zu den höheren Sprachen wie C++, Fortran 90 oder Java nur recht schwer zu lesen sind.
    Eines ist jedoch all diesen Sprachen gemeinsam: Sie sind vollständig formal definiert. Das bedeutet, dass auf syntaktischer Ebene alle Regeln völlig exakt einzuhalten sind, um ein Programm - egal in welcher Sprache es geschrieben sein mag - zum Laufen zu bringen (und zwar mit genau dem semantischen Inhalt, den der Programmierer durch seinen Code vorgibt; ungewünschte und Fehlfunktionen eingeschlossen). Wenn wir also einen Ablauf aus einem Anwendungsgebiet durch den Computer unterstützen wollen, müssen wir diesen Ablauf zuallererst formalisieren, um ihm dem Computer mitteilen zu können.

  3. Wir sehen die Welt so einfach wie möglich.
    Glücklicherweise besteht die Welt, in der wir uns im Alltag bewegen, nicht aus 0 und 1; da ein Computerspeicher aber auf diese beiden Zahlen beschränkt ist, wird jedes Programm durch die oben genannte Hierarchie an Grammatiken letztendlich in eine Folge aus diesen beiden Zahlen gebracht, was eine Reihe von Konsequenzen mit sich bringt:
    1. Je näher die Repräsentationsarten von Daten und Programmen an dieser "natürlichen Computersprache" sind, umso effizienter (= schneller) ist in der Regel deren Ausführung.
    2. Je simpler die von Programmen ausgeführten Operationen, umso effizienter die Programme. Auf der physischen Ebene lassen sich alle Programme durch eine Abfolge von nur drei Grundbausteinen darstellen: Die Boole'schen Operatoren AND, OR und NOT.
    3. Je weniger Operationen eine Programmiersprache anbietet, umso effizienter sind deren Programme. Konzeptuell lassen sich alle Programme als Kombinationen von vier Grundoperationen darstellen.
      In der Regel profitieren wir also von Vereinfachungen und gehen in der Praxis nach Prinzipien vor, die ihre Effizienz daraus beziehen, uns alles so einfach wie möglich und nur so komplex wie nötig gestalten zu lassen - wir sind also professionelle Minimalisten (KISS - Keep it simple and stupid) und verwenden so oft wie möglich abstrahierende Modelle und Diagramme, um Sachverhalte darzustellen.

  4. Wir sind doch keine Programmierer.
    Korrekt müsste es eigentlich heißen Wir sind nicht nur Programmierer, doch die erste Fassung ist als beruhigend gemeinter Ausspruch zwischen Hörern von Informatikvorlesungen deutlich häufiger anzutreffen. Der Einfachheit halber sei im Folgenden jeder Vorgang, der dem Computer etwas Ausführbares beibringt, als Programmierung bezeichnet, auch wenn wir dabei nicht immer selbst klassischen Code schreiben (je nach Einstellung: müssen/dürfen). Und wenn - etwas überspitzt ausgedrückt - wir als studierte Informatiker uns auch oft als zu gut zum Programmieren sehen, hat doch alles, was wir tun, mit (Programm-) Code zu tun und verlangt eine gute Kenntnis von Programmiertechnik und deren Grenzen. Was wir auf jeden Fall auch sind: Analytiker, Architekten, Mathematiker, Modellbildner, Systemdesigner, Teamarbeiter - und, ob wir wollen oder nicht: der Computer stellt ein brillantes Mittel zur Rationalisierung von Abläufen in einem Unternehmen dar.

  5. Sir Tim Berners-Lee (links) und Robert Cailliau, Pioniere des WWW. Quelle: http://www.w3.org/2005/06/W3C10-Photos/cailliau-bernerslee.jpg
    Ohne uns läuft nichts.
    Ein beliebtes Beispiel, um die Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) zu verdeutlichen, ist die Tatsache, dass keine Bank der Welt länger als 48 Stunden ohne sie überleben könnte. Das Design, die Programmierung und der Betrieb von IT-Systemen bringt also eine Menge an Verantwortung mit sich, die zwar in der Praxis nicht an die ausführenden Einzelpersonen zurückübertragen werden kann (dafür gibt es Verantwortungsträger), die aber trotzdem ständig zu bedenken ist. (Zum Management von Risiken existieren in der IT selbstverständlich vielfältige Ansätze, wie etwa sogenannte IT-Management-Frameworks, siehe zum Beispiel ITIL oder COBIT.)

Eine Grundhaltung, die ausdrückt, wie Selbstorganisation in der Kultur der informatischen Teamarbeit - und damit besonders in Open-Source-Projekten - aussehen kann, wurde von Robert Cailliau, einem der Väter des WWW, folgendermaßen formuliert:

"We do not believe in kings, presidents and voting. We believe in rough consensus, factual approach and running code."
(Robert Cailliau; ähnlich von David D. Clark, Mitglied der Internet Engineering Taskforce (IETF))

Informatik und Philosophie

Ich muss gestehen, mit Philosophie im klassischen Sinne nur insofern vertraut zu sein, als ich in der Oberstufe des neusprachlichen Gymnasiums ein Schuljahr lang ein gleichnamiges Unterrichtsfach besucht habe. Vergleiche ich aber die Vorlesung OSP mit denen aus Informatik, so fällt mir ein Unterschied besonders auf: (Ich beschreibe hier natürlich meine persönliche Sichtweise - es handelt sich also um Beobachtung und Meinung, nicht um Fachwissen; auch wenn ich um Neutralität bemüht bin, muss ich daher darauf hinweisen, dass man zu jedem der in diesem Kapitel genannten Punkte abweichende Meinungen finden wird.)

"Da dies mein erster Beitrag in diesem Wiki ist, sei es mir vorab erlaubt, als bislang staunend beobachtender Informatikstudent einige Bemerkungen vorauszuschicken: Zuallererst - ich bin begeistert von der Vortrags- und Diskussionskultur in dieser Gemeinschaft, die mir im Vergleich zur gewohnten von außergewöhnlicher Empathie, Behutsamkeit und zugleich Produktivität und Zielstrebigkeit geprägt zu sein scheint."
(Philo-Wiki)
  • Im Gegensatz dazu läuft Kommunikation im Bereich der Informatik vielfach kurz ab und verwendet einfache Begriffe, um im gegebenen Kontext möglichst unmissverständlich zu sein;
  • Den Prozess der Diskussion, der in der Philosophie den Reiz auszumachen scheint und der bereits dadurch, dass er überhaupt stattfindet, Wert generiert (um es banal auszudrücken), empfinden wir in Vorlesungen oft als störend;
    (eine typische Szene aus einer Informatik-Vorlesung: Haben Sie Fragen? - keine Reaktion - Gut, wer von Ihnen hat das jetzt verstanden? - keine Reaktion - Wer hat es nicht verstanden? - dito - Also, Sie überlegen noch. - vereinzeltes Nicken.
  • Ebenso wie wir eine neue Perspektive auf ein "gelöstes" - also mit derzeitigen Mitteln zufriedenstellend genau berechenbares - Problem eher als redundant denn als bereichernd wahrnehmen;
  • Unsere wissenschaftlichen Arbeiten lesen sich oft äußerst trocken, vor allem wenn sie auf Deutsch verfasst sind;
  • Wir verwenden gängigerweise Powerpoint-Foliensätze als Vorlesungsskripten;
  • Und viele von uns unterschätzen, wie wichtig eine ansprechende Präsentation ist, um guten Arbeitsergebnissen überhaupt die Chance zu geben, bemerkt zu werden.

Stoffzusammenfassung

Einheit I - Lippenbart und Remixing

  • Schlagwörter - Remixing, Bart, Zitat, Nachlass Wittgensteins und Nietzsches, Lev Manovich, Assembling, YouTube, Open Source Modell, Was ist Open Source

    Remixing: Mona Lisa mit Bart
    Remixing: Freiheitsstatue mit Langhaar
  • Wie ist der Zusammenhang zwischen Open Source Software und Philosophie?
    "Strukturphilosophie" (Einordnung in einen klassischen Bereich der Philosophie) vs. "Sushi-Philosophie" (Zielgruppenorientierung mit leicht "schleißigem" Touch): OSP soll eine neuartige Betrachtungsweise für ein neuartiges Phänomen sein - pragmatisch an der Zielgruppe jener Leute orientiert, die sich für Open Source interessieren

  • Welche Anknüpfungspunkte zur traditionellen Philosophie gibt es?
    • Rechts- und Sozialphilosophie (geistiges Eigentum etc.)
    • Geschichte und Theorie des Eigentums (marxistisch-sozialistische Theorien)
    • Griechische Philosophie - antike gesellschaftspolitische vs. heutige technisch-gesellschaftliche Entwicklungen in der Informatik: damals konnte die Philosophie einen Beitrag zur Demokratisierung leisten (Radikaldemokratie) - Philosophie kann daher auch entscheidend viel mit dem "basisdemokratischen" Open Source zu tun haben.
    • Die Betrachtung des Phänomens Open Source kann daher den Blick auf die Philosophie selbst verändern

  • Welche Botschaft soll Remixing vermitteln?
    Remixing funktioniert über Zitate: Man nimmt einen bekannten Fixpunkt her, dessen Bedeutung bisher klar schien (z.B. das Gemälde der Mona Lisa) und fügt neue Elemente dazu (z.B. einen Oberlippenbart im Salvador-Dalí-Stil), sodass etwas Neues entsteht (kulturelle Intervention).
    Lev Manovich (Who is the Author? Sampling / Remixing / Open Source): Remixing in der DJ-Szene ab den 1970ern - basierend auf der digitalen Verarbeitung treten neue Formen der Kreativität auf, bspw. das Mischen von unterschiedlichen Tonspuren, die auch wieder auseinander genommen werden können.
    Strukturell sind die Nachlässe von Wittgenstein und Nietzsche nach dem Remix-Prinzip aufgebaut.

  • Was ist Assembling?
    "Zusammenstoppeln" von Inhalten wie etwa bei YouTube verändert die Aussage und Aussagekraft von Inhalten, stellt neue Bedeutungen und Assoziationen her - hier kommt die Möglichkeit zur politischen Intervention mit enormer Reichweite ins Spiel
    Verschiedene Formen der politischen Beteiligung:
  1. Live-Veranstaltungen (Protestplakate etc.) - klassisch
  2. Aufzeichnung der Veranstaltung durch Medientechnologie (Foto, TV) - modern
  3. Remixes von vorhandenem Material (relativ risikolos, da man nicht so leicht abgeführt werden kann) - vollkommen neuartig durch Plattformen wie YouTube

  • Was ist das Open Source Modell?
    Ted Nelson - perfekt bugfreie Verweisungsstruktur bei Büchern, bevor es Hyperlinks gab; Links als Remix-Form, die vom User interaktiv und individuell zusammengestellt wird.

  • Was ist Open Source?
    Das gesamte Geschäftsmodell der Softwareindustrie, allen voran das von Microsoft, basierte bis vor kurzem auf der (Ab-) Geschlossenheit und Nicht-Verfügbarkeit des Quellcodes (= jene Dateien, die die Programmbefehle in einer bestimmten Programmiersprache enthalten).
    Man bezahlte also für ein (mehr oder weniger) fertiges Endprodukt, das man selbst nicht verändern konnte.
    Alternative: Offener, garantiert stets frei verfügbarer Quellcode - erstmals in einem größeren Projekt verwirklicht bei Linus Torvalds' freiem Betriebssystem Linux mit der GNU General Public License (GPL; GNU steht für GNU is not Unix - eine rekursive Definition) von Richard Stallman.
    Die GPL erlaubt es, Software beliebig zu verändern, solange die neue Version auch frei zur Verfügung gestellt wird (es gibt keinen Ausweg aus der GPL) In der Philosophie ist das so nicht möglich - bspw. weil es keine objektiven Quelldateien gibt, die von allen Maschinen auf gleiche Art ausgeführt werden könnten; Philosophie spielt sich zu sehr im Kopf ab, um wirklich Open-Source-tauglich zu sein.

  • Kommentar: Wie sinnvoll ist ein offenes Betriebssystem für Laien?
    Hier könnte man provokant anmerken, dass Microsoft mit seinem Monopol der Computernutzung hervorragende Dienste leistet. Man bedenke dazu beispielsweise folgende Punkte:
    • Kompatibilität - Um auf verschiedenen Betriebssystemen laufen zu können, müssen Programme meist angepasst werden (Ausnahme: bspw. Java-Applikationen - hier bezahlt man die Portierbarkeit aber mit vergleichsweise langen Lade- und schlechten Ausführungszeiten)
    • Wartbarkeit - Es existiert eine große Menge an Wissen zu MS Windows
    • Benutzerfreundlichkeit - Man versuche, einen neuen Grafiktreiber auf einem Linux-System zu installieren!
    • Flexibilität und Austauschbarkeit von Rechnern und Schulungsaufwand für Mitarbeiter

      Andererseits steht man gerade als etwas fortgeschrittener Anwender bei einem Windows-System vor einem interessanten Dualismus: Einerseits versucht Microsoft nämlich ganz gezielt, alles als "so einfach wie möglich" zu präsentieren, wie es ja beispielsweise die Werbung für Windows XP unmittelbar nach der Jahrtausendwende suggerierte. Solange man als Benutzer keine allzu hohen Anforderungen an das System stellt, und vom Brennen einer DVD bis zum Bearbeiten der Tags von MP3-Dateien "brav" die integrierten Tools verwendet, wird man damit auch einigermaßen klar kommen; interessant wird es in der Praxis aber oft dann, wenn man sich aus der Bevormundung von Windows befreien will und feststellt, dass doch nicht alles so einfach ist wie es scheint: Gerade wenn Registry-Schlüssel betroffen sind, ist es oft notwendig, an mehreren, meist schlecht dokumentierten Stellen schlicht zu experimentieren, um ein Problem zu lösen.

      Windows ist - wie viele Produkte von Microsoft - also hier etwas gespalten: Der Durchschnittsuser hat das Gefühl, damit seinen Computer mehr oder weniger zu beherrschen, während der genervte - plakativ ausgedrückt -
      Profi das Betriebssystem samt Firma belächelt und den Eindruck gewinnt, Microsoft halte seine Benutzer für naiv.
      Meiner Erfahrung nach eignen sich hingegen viele Open Source Produkte nicht für Einsteiger, während sie für den fortgeschrittenen Benutzer überaus mächtige und flexible Funktionalitäten bereitstellen, viel leichter individuell anpassbar und gleichzeitig sehr robust und stabil sind - als Beispiele könnte man hier LaTeX (vs. Microsoft Word) ebenso nennen wie Mozilla Firefox (vs. MS Internet Explorer), den Gnome Desktop für Linux (vs. Windows), simple Texteditoren wie JEdit oder Emacs (vs. Note- oder Wordpad), oder auch die beliebte Entwicklungsumgebung Eclipse (vs. MS Visual Studio).

Einheit II - Gelebte Open Source Philosophie

  • Schlagwörter - Freie und Open Source Software (FOSS), Lipstick on a Pig, US-Wahlkampf, Radikale Demokratie, Athenische Verfassungen, Qualitätseinbruch in der DJ-Szene, Freiheit und Autorität

  • Was hat Wiki mit Open Source zu tun?
    Versuch einer Hierarchie über die Produktionen rund um die VO OSP
    Die Erstellung von Transkripten - etwa für diese Vorlesung - und deren Veröffentlichung im Philo-Wiki hat einen gewissen Charakter des Open Source, wenn man das gesprochene Wort als ursprüngliche Quelle betrachtet. Um den Redefluss leichter lesbar zu machen, ist es zumeist notwendig, ihn bei der Verschriftlichung einer überarbeitung zu unterziehen. (siehe dazu beispielsweise auch diese Diskussion zu den Transkripten). In einer kooperativen Wiki-Umgebung verändern sich die Bewertung und das Funktionieren von Kompetenzniveaus ebenso wie die Dynamik der Produktion: Durch die Diskussionen wird Wissen weitergegeben, und der Diskussionsverlauf ist nachlesbar (Anmerkung: Hier nähern sich die Kulturen von Informatik und Philosophie offenbar an.) - produktive Beiträge haben damit einen Effekt auf die gesamte Community, es entsteht ein Vernetzungseffekt.

  • Was ist der Unterschied zwischen Free Software und Open Source?
    Hier gibt es zwei verschiedene Philosophien:
  1. Richard Stallman / GNU/GPL, Free Software Foundation (FSF): Will maximale Freiheit für das Individuum ("To understand the concept, you should think of 'free' as in 'free speech', not as in 'free beer'"); stark prinzipienorientiert
  2. Eric Raymond / Open Source Software: pragmatische Kompromisse lassen Spielraum zwischen gratis und bezahlt

    Die Frage ist nun, wo die gebotene Freiheit operativ wird - in der Praxis ist dies genau durch die neuen Kooperationsmöglichkeiten der Fall, die sich dadurch ergeben, dass die im Entwicklungsprozess verwendeten Wissens- und Softwarequellen dauerhaft frei verfügbar sind.

  • Was soll die Sache mit dem Lippenstift im US-Wahlkampf?
    Es liegen mehrere Videoclips vor. Zunächst stellt die republikanische Präsidentschaftskandidation Sarah Palin fest: der Unterschied zwischen ihr und einem Kampfhund sei der Lippenstift. Barack Obama zehn Tage später, bezogen auf John McCain: "You can put lipstick on a pig, it's still a pig." In einem Video der Republikaner werden diese beiden Szenen aneinander gereiht, ohne dass klar wird, dass Obama von McCain spricht. Damit wird seine Aussage so dargestellt, as würde er Sarah Palin als Schwein bezeichnen. Dieses Verfahren wird im Spot gleich zweimal angewandt: Eine weitere Aussage einer Journalistin, die sich über den Sexismus in den Werbekampagnen beschwert, wird so geschnitten, dass der ursprüngliche Bezug auf die Kampagne von Hillary Clinton verloren geht.
    Im konkreten Beispiel wird gezielt de- und rekontextualisiert, mit der Begründung, dass "eigentlich ja ohnehin alles mit allem zusammenhängt";
    Wir müssen uns folglich die Frage nach Gesetzmäßigkeiten, Regeln, Normen und Ethik im Bereich des Remixings fragen.
    Diese Frage stellt sich ganz allgemein bei ent-hierarchisierter (Meinungs-) Produktion - und damit auch bei Open Source. Einerseits ist es möglich, alle Meinungen als gleichwertig zu betrachten - in der Praxis ist dies aber meistens nicht zielführend, sondern hier gewichten wir die Meinungen von Personen in Abhängigkeit von gewissen Faktoren: Beispielsweise erachten wir einen Installateur als geeignet, eine qualifizierte Meinung zu einem Wasserrohrbruch abzugeben (hier gewichten wir etwa nach dem Beruf bzw. einer Fertigkeit oder Fachexpertise - griechisch techné. Ein System aus solchen Fachexpertisen, in dem die Teilnehmer bereit sind, gegenseitig für die erhaltenen Leistungen etwas zu geben, stellt die Grundbedingung für eine funktionierende Marktwirtschaft dar.

  • Und wie hat nun die Athenische Demokratie funktioniert?
    Verfassung des Solon im antiken Athen.
    Verfassung des Kleisthenes im antiken Athen.
    Athenische Demokratie
    David Johnson: "Radikale Demokratie ist furchtbar ineffizient", da es keine dezidierten Experten in der Politik gibt, die durch ihre Autorität für Kontinuität und Verlässlichkeit sorgen könnten.
    Wer soll nun also die Politik bestimmen? - Hier ist in der Praxis ein Abwägen nötig!
    • Experten im Fach? - hier wird kein Wert auf Führungskompetenz oder eine einheitliche Linie gelegt
    • Rhetorisch Begabte? - wie sieht es mit deren Fachkompetenz aus?
    • "Manager"? - also Führungs- und Verwaltungsexperten?

      Nach der Verfassung des Solon wurden die 6.000 Mitglieder der Volksversammlung von den Bürgern gewählt, und diese bestimmten wiederum den Rat der 400. Im Gegensatz dazu sah die Verfassung des Kleisthenes vor, den Rat der 500, der Gesetze vorzuschlagen hatte, durch das Los zu bestimmen, was mit der Vorstellung vergleichbar ist, die Stadt Wien würde von 500 zufällig aus dem Telefonbuch gewählten Personen regiert.

  • Was hat das mit der sinkenden Qualität in der DJ-Szene zu tun?
    Die Autorität der Leute, die im Besitz der Produktionsmittel sind, wird unterwandert durch die Verfügbarkeit dieses Materials und damit die Möglichkeit zum Remix - es hat also praktisch jeder die Freiheit, auch ohne fachliche Kompetenz zum DJ zu werden, was die Qualität des Musik-Outputs insgesamt sinken lässt. Dies ist folglich eine Situation, in der ein Mehr an Freiheit eher einen Wildwuchs als eine Erhöhung des Qualitätsniveaus ergibt.

Einheit III - Geistiges Eigentum und Verkäuflichkeit

  • Schlagwörter - Perikles, Demokratiedilemma, Sokrates, Platon, Sophisten, Peer Review, Elenchos-Methode, "Wir halten während der Analyse Dialog"

  • Perikles volksnah - Träger der athenischen Demokratie
    Das Staatsbürgerschaftsgesetz des Perikles sieht vor, dass nur jene Athener sein dürfen, die sowohl eine Mutter als auch einen Vater in Athen haben. Damit ist Staatsbürgerschaft erblich; Athen schottet seine bürgerlichen Freiheiten nach außen hin ab.

  • Das Demokratiedilemma
    Es besteht ein Spannungsfeld zwischen unserer gedanklichen Tätigkeit und unserer wirtschaftlichen Aktivität - Fragen der Ethik und ökonomischer Verwertbarkeit von Wissen und Bildung treten auf, mit denen sich schon die alten Griechen beschäftigt haben:
    Gegenüberstellung der Kommerz- und der Philosophiefraktion:
  1. Sophisten - bezahlte Wanderlehrer, die für sämtliche Auskünfte Geld verlangen
  2. Sokrates-Fraktion - sieht eine give-and-take-Situation von unbezahlten Gleichberechtigten im Gespräch; laut Sokrates ist es schändlich, etwa für Auskünfte über Politik Geld zu verlangen, da nur ohne Geld eine Kultur der Hilfsbereitschaft entstehen kann, die einen immateriellen und nicht-monetären Wert hat (gegen Bezahlung im Unterricht "in Sachen der Baukunst etwa", also bei der Vermittlung von Fachkompetenzen (technés), hat Sokrates hingegen nichts einzuwenden.)

    Nach Sokrates entsteht automatisch ein Ungleichgewicht zwischen Wissendem und Unwissendem, da Letzterer von Antworten abhängig ist ("Es wird der Maßstab des Wissens angelegt"). Diese Situation kann man direkt mit Open Source Software in Verbindung bringen - hier müssen ebenfalls Gesetze herrschen, die nicht direkt von "Bezahlbarkeit" abhängig sind.

    (Anmerkung: Ich würde Sourcecode weder als Bildung noch als Wissen betrachten, das gratis zur Verfügung gestellt wird (auch wenn man ohne Zweifel aus externem Code viel lernen kann) - vielmehr ist Quellcode imho ein Produkt aus operationalisiertem Wissen, das ganz klar an ein Designteam gebunden ist, denn hinter dem Code stehen zumindest eine Reihe von Modellen, die das erstellte System abbilden, und hinter diesen wiederum die Gedanken der Designer und Architekten, die diese niemals vollständig formalisieren (und somit nicht in Computersysteme bringen und wirklich objektiv austauschen) können. Dies erachte ich in der Praxis vor allem deshalb als wichtig, da Software zu einem guten Teil von Wartung und Weiterentwicklung "lebt" und für diese eine genaue Kenntnis der Systeme - zumindest auf der Design-Ebene von Modellen - sehr wichtig ist.).

    Laut Sokrates ist Anerkennung unter Gleichberechtigten etwas "in sich Ruhendes".

  • Elenchos - das sokratische Prüfverfahren
    Wenn es bei einem Gespräch um mehr geht als um Unterhaltung, kommt der Qualität von Wissen eine Bedeutung zu - wie aber kann diese gemessen werden?
    Sokrates - "Kreuzverhör" der Elenchos-Methode: Sokrates legt eine Form eitler Bescheidenheit an den Tag, indem er sich selbst "unwissend" stellt und seinem Gegenüber eine Reihe von Fragen, die alle zu bejahen sind. Sokrates nutzt den "Columbo-Effekt" und nimmt Ungereimtheiten und Verallgemeinerungen in den "gegnerischen" Argumenten als Ansatzpunkt für seinen Fragen. Er führt sein Gegenüber nur durch diese Fragen zu einem Punkt, wo dieser seine eigene Position aufgibt und die sokratische übernimmt.
    Das ist ihm deshalb möglich, da die meisten seiner Gesprächspartner nicht das Wesen der Dinge beschreiben, nach denen Sokrates fragt, sondern ihm konkrete Beispiele aus ihrem Fachbereich nennen, zu denen Sokrates aber Gegenbeispiele findet und seine Gegenüber so ratlos macht. Das ist das Wesen das Philosophie: Durch eine asoziale Störung des Allgemeinverständnisses tauchen neue Perspektiven auf - der Wert entsteht im Gespräch also durch die Tatsache, dass neue Fragen gestellt werden, und nicht durch die gegebenen Antworten. In einer Gruppe, die zu einem produktiven Ergebnis gelangen soll, ist diese Technik natürlich eine Behinderung.

    (Anmerkung: das ist auch der Grund, warum sie in einer Disziplin wie der angewandten Informatik vergleichsweise selten einsetzbar ist - sie sollte imho daher auf den Bereich der Forschung und Philosophie beschränkt bleiben.)

    Diese Technik bindet Sokrates in eine Gesprächssituation ein: "Wir halten während der Analyse Dialog" ([http://philo.at/wiki/index.php/Diskussion:Das_Demokratiedilemma_(OSP) Andreas Kirchner)
    Man braucht für jedes Prüfverfahren Entscheidungsinstanzen; bei Elenchos "sind wir zugleich Richter und Sprecher" (Sokrates), also nehmen wir uns selbst die Autorität, durch unsere on-the-fly-Analyse die Wissensqualität zu bewerten. Sokrates legt sich hier natürlich eine Argumentation zurecht - er generiert durch Elenchos also Wissen auf eine dekonstruktive (nicht aber destruktive!) Art und Weise.
    Hier könnte man fragen, was eigentlich passiert, wenn Sokrates einen zweiten Sokrates trifft - kann diese Form der "Wissenskooperation" überhaupt funktionieren? - Immerhin benötigt Sokrates für seine Technik genau diese elitäre Position in einer asymmetrischen Gesprächssituation}!

  • Wissen kostet
    Bildung als institutionalisierter Prozess verursacht zwangsläufig Kosten ("dieser Raum ist geheizt"); gleichzeitig hat die Wissenschaft, und allen voran die Philosophie, einen "reinen Wahrheitsanspruch", der von der monetären Dimension losgelöst sein will, sich aber in einer Bildungsinstitution mit ihr vermischt bzw. vermischen muss.

    (Anmerkung - man könnte es auch so formulieren: Wissen ist zwar keine Ware im klassischen Sinne, aber seine Vermittlung benötigt Arbeit und diese gehört bezahlt, um den Wissenschaftsbetrieb am Leben zu erhalten.)

    Wir können zwei Arten von Forschung unterscheiden:
  1. Angewandte Forschung - erzielt konkrete Ergebnisse, die ökonomisch ziemlich direkt verwertbar sind.
  2. Grundlagenforschung - generiert Wert auch ohne direkten Nutzen ("vom Nutzen der Nutzlosigkeit" - neue Perspektiven, langfristige Entwicklungen...)

Einheit IV - Redekunst und Fachwissen

  • Schlagwörter - Platon, Marktplatz-Ideenhimmel-Dualismus, Sophisten, Redekunst, Gorgias, Fach- und Flachwissen, Laien, Expertentum, Laienrichter

  • Welche Sonderstellung nimmt Plato in der Philosophie ein?
    Plato ist mit Apple vergleichbar: So wie diverse neue Technologien - Internet, Audiokompression, RSS-Feeds, User-Centered-Design - beim IPod auf revolutionäre und richtungsweisende Art miteinander verbunden wurden, hat Plato für die damalige Zeit auf genauso revolutionäre und richtungsweisende Art die Besonderheiten des Wissens beschrieben: Anders als bei einer Speise, an der wir vor dem Verzehr riechen und so feststellen können, ob sie verdorben ist oder nicht, müssen wir Kenntnisse bzw. Wissen zuerst schlucken (also: uns aneignen), und sehen erst dann, dass sie uns - im schlimmsten Fall - verdorben haben.
    Plato hat auch den bis heute bestehenden Dualismus in der Philosophie eingeführt:
  1. Das ökonomisch Auswertbare zur Organisation der Wirtschaft
  2. Das ökonomisch nicht direkt Verwertbare mit transzendentem Wert - die Präferenz der Philosophie und ein Vorschlag zur Organisation der Politik

    Bis dato musste man sich praktisch auf eine der beiden Seiten schlagen; Open Source bricht diese strenge "Marktplatz-Ideenhimmel-Dualität" durch die Operationalisierung der freien Verfügbarkeit der Quellen aber auf.

  • Gorgias und die Rolle der Redekunst
    Hier ist es zuerst wichtig, einige Begriffe rund um das Wissen zu unterscheiden:
  1. Weltwissen lässt sich unterscheiden in Fachwissen (griechisch epistemé) und Flach- (oder Allgemein-) Wissen und ist relativ objektiv (oder zumindest intersubjektiv)
  2. Meinung (griechisch doxa) hat eine bewusste subjektive Komponente

    Eine Anekdote zur Bedeutung von Rhetorik und Meinungsbeeinflussung: Die Kinder spielen und wollen ständig noch ein Stück Torte haben, der Arzt verbietet es ihnen aber, damit sie keinen Karies bekommen. Die Kinder aber halten Gericht und beschließen, die Ärzte - und nicht die Köche - aus der Stadt zu vertreiben, weil sie ihnen die Party runiniert haben. "In der platonischen Sichtweise ist Sokrates angeklagt worden von den Kindern als der Arzt - und gerichtet haben die Kinder".

    Gorgias ist nun ein Sophist, der sich selbst als Experte für Meinungen, als Meinungsforscher und Meinungsmanipulator darstellt. Er behauptet von sich, zu allem etwas sagen zu können und tritt damit in den öffentlichen Bereich jenseits der Fachwissenschaften ein, in der auch die Philosophie agiert (das "Flachwissen"). Problematischerweise hat ein Rhetor aber genau in dem Moment seine Überzeugungskraft verspielt, sobald er zugibt, nur Meinungen beeinflussen zu wollen oder können, da er dann mangelnde Fachkompetenz offenbart.
    Von Experten und Laien.
    Damit gerät Gorgias wiederum in das Spannungsfeld zwischen den Sophisten und Sokrates, der die Frage stellt, welcher Maßstab denn im politischen Bereich gelten solle, um etwa Gerechtigkeit zu definieren und zu beurteilen. Hier gibt es erneut verschiedene Sichtweisen:

  1. Sokrates ist der Meinung, dass ein Peer Review durch Laienrichter in der Volksversammlung genauso funktionieren kann wie die Beurteilung der Qualität von Schuhen durch die Schustergilde - es existiert also unter den Laienrichtern kein Expertentum, sondern die Experten sind die Laienrichter selbst (vgl. auch Einheit III - bei der Elenchos-Methode sind die Sprecher zugleich die Richter, da sie vernetzt während der Analyse Dialog halten).
  2. Platon nutzt diesen freigespielten Raum dann, um eine Systematik für Sachkompetenz im nicht-ökonomischen ideellen Bereich zu definieren. Er definiert den Vernunftbegriff, und stellt fest, dass Leute aus verschiedenen Fachrichtungen, die Begriffe unterschiedlich verstehen, trotzdem vernünftig miteinander reden können, da sie als Menschen vernunftbegabte Wesen sind. Sein epochales Werk "Der Staat", das selbigen als Institution zur Erziehung seiner Bürger beschreibt, zeigt jedoch Platons antidemokratische Gesinnung.
  3. Gorgias und die Sophisten hingegen wollen die Qualität von politischen Reden nicht nach ihrem Sachgehalt, sondern nach ihrem Effekt beurteilen, womit das Durchsetzungsvermögen und die rhetorischen Künste zum Handwerkszeug der Politik werden.

    Der Zusammenhang mit Open Source besteht nun erneut darin, dass hier durch das Internet die Möglichkeit besteht, die sokratische Analyse durch die ständige Vernetzung in einen beinahe kostenfreien Entwicklungs- und Erkenntnisprozess zu verwandeln, in denen Beiträge gemeinsam abgestimmt, korrigiert und weiterentwickelt werden können. Hätte das Internet damals schon existiert, hätte sich die Philosophie grundlegend anders entwickelt.

  • Der große Sprung - Von der Antike zur Jahrtausendwende
    Die antisophistische Haltung des Platon wurde im 4./5. Jahrhundert vom Christentum übernommen (der göttliche Platon), seine Ideenlehre als Dualismus zwischen hiesiger Welt und himmlischem Jenseits umgedeutet. In der Renaissance - also der Zeit der Wiederbesinnung auf die klassischen griechischen Schriften - gab es in Süditalien, ähnlich wie damals in Athen, Städte, die sich selbst verwalteten. Auch heute finden wir noch Spuren der sophistischen Ideen (Beispiel der Donau-Universität Krems, die kostenpflichtige Aikido-Kurse zur Konfliktbewältigung anbietet, was insofern mit den Sophisten zu tun hat, als diese ebenfalls ihr Wissen von auswärts nach Athen brachten.)