Manfred Wetzel: Natur und Gesellschaft: Unterschied zwischen den Versionen

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Im Rahmen eines Streitgesprächs zwischen zwei Befürwortern und einem Gegner einer ökologisch orientierten Politik werden anfangs wesentliche Argumente und Gegenargumente einander gegenüber gestellt, um in weiterer Folge insbesondere auf die Rolle der Technik im Überschneidungs-, Durchdringungs- und Verflechtungsbereich von Natur und Gesellschaft einzugehen. Der Diskurs findet schließlich seinen (vorläufigen) Höhepunkt in einer Legitimation des ökologischen Prinzips.
 
Im Rahmen eines Streitgesprächs zwischen zwei Befürwortern und einem Gegner einer ökologisch orientierten Politik werden anfangs wesentliche Argumente und Gegenargumente einander gegenüber gestellt, um in weiterer Folge insbesondere auf die Rolle der Technik im Überschneidungs-, Durchdringungs- und Verflechtungsbereich von Natur und Gesellschaft einzugehen. Der Diskurs findet schließlich seinen (vorläufigen) Höhepunkt in einer Legitimation des ökologischen Prinzips.
  
Wetzel eröffnet die Diskussion mit einer Definition von Natur: „Natur ist ein ganzheitliches, knappes, universelles, nicht stückwerkstechnologisch bearbeitbares, weil nicht beliebig regenerierbares Gut. Natur ist ein unersetzliches, unerläßliches, alternativloses, nicht beliebig belastbares, weil irreversibel zerstörbares Gut.“ (2) Auch wenn Natur schon seit der Steinzeit Eingriffen durch den Menschen ausgesetzt war, hat sich durch die Anzahl dieser Eingriffe und deren Folgen (im Raum als Summations- und Distanzschäden und in der Zeit als Langzeitfolgen und Altlasten) die Situation verschärft: Stückwerkartiges Handeln der Menschen hat ganzheitliche schädigende Auswirkungen auf Natur und Umwelt. Natur müsse stattdessen als „ein unbedingt zu erhaltendes, im Umgang zu schonendes, in der unvermeidlichen Nutzung unter Optimierungszwang zu stellendes und im Hinblick auf die unvermeidlichen Schäden soweit wie irgend möglich zu regenerierendes Gut“ (3) betrachtet werden. Ein zentrales Gegenargument ist, dass ein derartiger Umgang mit Natur nicht mit den Gesetzmäßigkeiten wirtschaftlichen Wachstums vereinbar sei und zu sinkender Investitionsbereitschaft der Unternehmen und in weiterer Folge zu Massenarbeitslosigkeit führen würde. Staatliche Eingriffe wären in höchstem Maße hinderlich, vielmehr würden Lösungen für Probleme und nachfolgende Folgeprobleme stets von selbst aus dem Erfindungsgeist der modernen Technik hervorgehen.
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Wetzel eröffnet die Diskussion mit einer '''Definition von Natur''': „Natur ist ein ganzheitliches, knappes, universelles, nicht stückwerkstechnologisch bearbeitbares, weil nicht beliebig regenerierbares Gut. Natur ist ein unersetzliches, unerläßliches, alternativloses, nicht beliebig belastbares, weil irreversibel zerstörbares Gut.“ (2) Auch wenn Natur schon seit der Steinzeit Eingriffen durch den Menschen ausgesetzt war, hat sich durch die Anzahl dieser Eingriffe und deren Folgen (im Raum als Summations- und Distanzschäden und in der Zeit als Langzeitfolgen und Altlasten) die Situation verschärft: Stückwerkartiges Handeln der Menschen hat ganzheitliche schädigende Auswirkungen auf Natur und Umwelt. Natur müsse stattdessen als „ein unbedingt zu erhaltendes, im Umgang zu schonendes, in der unvermeidlichen Nutzung unter Optimierungszwang zu stellendes und im Hinblick auf die unvermeidlichen Schäden soweit wie irgend möglich zu regenerierendes Gut“ (3) betrachtet werden. Ein zentrales Gegenargument ist, dass ein derartiger Umgang mit Natur nicht mit den Gesetzmäßigkeiten wirtschaftlichen Wachstums vereinbar sei und zu sinkender Investitionsbereitschaft der Unternehmen und in weiterer Folge zu Massenarbeitslosigkeit führen würde. Staatliche Eingriffe wären in höchstem Maße hinderlich, vielmehr würden Lösungen für Probleme und nachfolgende Folgeprobleme stets von selbst aus dem Erfindungsgeist der modernen Technik hervorgehen.
  
Die gegenwärtige Ökonomie kann anhand von vier Maximen beschrieben werden: Minimax-Prinzip der Nutzung (maximale wirtschaftliche Nutzung bei minimaler Zerstörung), nutzungsgerechte Anwendung des Verursacher-Prinzips (zu zahlen haben jene, die aus einem Eingriffsverzicht einen Nutzen ziehen, an jene, die aus einem Eingriffsverzicht einen wirtschaftlichen Schaden erleiden), optimaler Verschmutzungsgrad (zulässige Verschmutzung der Natur bis zur Grenzverschmutzung) und Schonung und Erhaltung im Rahmen und nach Maßgabe des wirtschaftlich Vertretbaren (keine Schonung, die auf Dauer kostspieliger ist als Nutzung). Doch es sind nach Wetzel gerade diese vier Maximen, die zu gewaltigen Naturschädigungen mit enormen volkswirtschaftlichen Folgekosten geführt haben.
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Die '''gegenwärtige Ökonomie''' kann anhand von vier Maximen beschrieben werden: Minimax-Prinzip der Nutzung (maximale wirtschaftliche Nutzung bei minimaler Zerstörung), nutzungsgerechte Anwendung des Verursacher-Prinzips (zu zahlen haben jene, die aus einem Eingriffsverzicht einen Nutzen ziehen, an jene, die aus einem Eingriffsverzicht einen wirtschaftlichen Schaden erleiden), optimaler Verschmutzungsgrad (zulässige Verschmutzung der Natur bis zur Grenzverschmutzung) und Schonung und Erhaltung im Rahmen und nach Maßgabe des wirtschaftlich Vertretbaren (keine Schonung, die auf Dauer kostspieliger ist als Nutzung). Doch es sind nach Wetzel gerade diese vier Maximen, die zu gewaltigen Naturschädigungen mit enormen volkswirtschaftlichen Folgekosten geführt haben.
 
   
 
   
 
An die Stelle dieser Grundsätze der Ökonomie müsste nach Wetzel ein staatliches Steuerungsinstrument mit folgenden Maßnahmen treten: ökologische Steuergesetzgebung, konsequente Anwendung des Verursacher-Prinzips (schädigende Nutzung eines Individualeigentums an Natur- und Umweltgüter ist zu verbieten), Umweltgrundrecht (Schutz der Umwelt um ihrer selbst willen) sowie Umkehrung der Beweislastrichtung und -verteilung. Für eine praktische Umsetzung bedarf es jedoch auch eines Umdenkens: „Die Wertmuster der gesellschaftlich-kulturellen Lebenswelt müssen sich so ändern, daß sie eine durch Ganzheitlichkeit, Kreisläufe, abgrenzbare Individualitäten und natürliche Entwicklungen bestimmte Natur als eine wertmäßig positiv besetzte Umwelt in sich integrieren, – mit Hegel gesprochen: in sich aufheben.“ (4)
 
An die Stelle dieser Grundsätze der Ökonomie müsste nach Wetzel ein staatliches Steuerungsinstrument mit folgenden Maßnahmen treten: ökologische Steuergesetzgebung, konsequente Anwendung des Verursacher-Prinzips (schädigende Nutzung eines Individualeigentums an Natur- und Umweltgüter ist zu verbieten), Umweltgrundrecht (Schutz der Umwelt um ihrer selbst willen) sowie Umkehrung der Beweislastrichtung und -verteilung. Für eine praktische Umsetzung bedarf es jedoch auch eines Umdenkens: „Die Wertmuster der gesellschaftlich-kulturellen Lebenswelt müssen sich so ändern, daß sie eine durch Ganzheitlichkeit, Kreisläufe, abgrenzbare Individualitäten und natürliche Entwicklungen bestimmte Natur als eine wertmäßig positiv besetzte Umwelt in sich integrieren, – mit Hegel gesprochen: in sich aufheben.“ (4)
  
Im Anschluss an diese Diskussion der Themenbereiche Natur und Ökonomie fokussiert Wetzel auf Technik: „Allen Formen der Technik […] ist eines gemeinsam: Sie befinden sich im Überschneidungs-, Durchdrin-gungs- und Verflechtungsbereich von Natur und Gesellschaft […]. Die Verfahren und Gerätschaften, die Anlagen und die Produkte der Technik sind buchstäblich die Gravur der Gesellschaft in die Natur.“ (5)  
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Im Anschluss an diese Diskussion der Themenbereiche Natur und Ökonomie fokussiert Wetzel auf '''Technik''': „Allen Formen der Technik […] ist eines gemeinsam: Sie befinden sich im Überschneidungs-, Durchdringungs- und Verflechtungsbereich von Natur und Gesellschaft […]. Die Verfahren und Gerätschaften, die Anlagen und die Produkte der Technik sind buchstäblich die '''Gravur der Gesellschaft in die Natur'''.“ (5)  
  
Natur und Gesellschaft zeichnen sich dabei durch Gemeinsamkeiten und Unterschiede aus: Sowohl Natur als auch Gesellschaft haben eine Geschichte und zeigen Systemcharakter, die in Form einer Evolution einem stetigen Wandel unterworfen sind. Ein Unterschied besteht einerseits in der Zeit und andererseits in der Abhängigkeit der Gesellschaftsevolution von der Naturevolution. In allen Lebensbereichen – Nahrung, Kleidung, Baulichkeiten, Energie, Werkzeuge, Mobilität – bedarf die Gesellschaft der Natur. Das (menschliche) Subjekt ist also durch sein In-der-Welt-sein in Form eines In-der-Natur- und In-der-Gesellschaft-seins der Schnittpunkt von Natur und Gesellschaft. Dieses Verhältnis von Natur und Gesellschaft kann „als das Bei-sich-selbst-sein der Gesellschaft in der Natur als dem Anderen ihrer selbst im allgemeinen und als die Gravur der Gesellschaft in der Natur, mithin als die Technik im besonderen“ (6) gefasst werden.
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'''Natur und Gesellschaft''' zeichnen sich dabei durch Gemeinsamkeiten und Unterschiede aus: Sowohl Natur als auch Gesellschaft haben eine Geschichte und zeigen Systemcharakter, die in Form einer Evolution einem stetigen Wandel unterworfen sind. Ein Unterschied besteht einerseits in der Zeit und andererseits in der Abhängigkeit der Gesellschaftsevolution von der Naturevolution. In allen Lebensbereichen – Nahrung, Kleidung, Baulichkeiten, Energie, Werkzeuge, Mobilität – bedarf die Gesellschaft der Natur. Das (menschliche) Subjekt ist also durch sein In-der-Welt-sein in Form eines In-der-Natur- und In-der-Gesellschaft-seins der Schnittpunkt von Natur und Gesellschaft. Dieses Verhältnis von Natur und Gesellschaft kann „als das Bei-sich-selbst-sein der Gesellschaft in der Natur als dem Anderen ihrer selbst im allgemeinen und als die Gravur der Gesellschaft in der Natur, mithin als die Technik im besonderen“ (6) gefasst werden.
  
 
Wenn Technik als Gesamtheit und Inbegriff aller gesellschaftlich vermittelten Naturaneignungen und Naturgestaltung verstanden wird, können drei Möglichkeiten unterschieden werden: symbolische Form der Technik (Aneignung von Natur unter Beibehaltung ihrer Beschaffenheit), klassische Form der Technik (Aneignung und Gestaltung der Natur durch Umwandlung von Naturelementen) sowie vermeintlich autonome Form der Technik (gekennzeichnet durch die Glaubenshaltungen, dass es keine Grenzen der Machbarkeit gibt und dass der Mensch nahezu vollständig und in jeder Hinsicht ersetzbar ist). Nach Wetzel ist mit der (vermeintlich) autonomen Form der Technik nunmehr ein Wendepunkt erreicht, an dem ihre Auflösung beginnt. Es bedarf an diesem Punkt einer kritischen Selbstreflexion von Naturwissenschaft und Technik, eines selbstreflexiv-kritischen Hinausgehens über die Methoden und ihre Anwendung in Natur und Gesellschaft.
 
Wenn Technik als Gesamtheit und Inbegriff aller gesellschaftlich vermittelten Naturaneignungen und Naturgestaltung verstanden wird, können drei Möglichkeiten unterschieden werden: symbolische Form der Technik (Aneignung von Natur unter Beibehaltung ihrer Beschaffenheit), klassische Form der Technik (Aneignung und Gestaltung der Natur durch Umwandlung von Naturelementen) sowie vermeintlich autonome Form der Technik (gekennzeichnet durch die Glaubenshaltungen, dass es keine Grenzen der Machbarkeit gibt und dass der Mensch nahezu vollständig und in jeder Hinsicht ersetzbar ist). Nach Wetzel ist mit der (vermeintlich) autonomen Form der Technik nunmehr ein Wendepunkt erreicht, an dem ihre Auflösung beginnt. Es bedarf an diesem Punkt einer kritischen Selbstreflexion von Naturwissenschaft und Technik, eines selbstreflexiv-kritischen Hinausgehens über die Methoden und ihre Anwendung in Natur und Gesellschaft.
  
Eine wesentliche Frage stellt sich dahingehend, wer es denn sei, der die Rahmenbedingungen der technischen Entwicklung schafft. Nach Wetzel kann das gesellschaftliche Bewusstsein in Bezug auf Technik auf Bacons Spruch „Wissen ist Macht“ zurückgeführt werden: „[…] das in experimenteller Aneignung, Veränderung und Gestaltung der Natur gewonnene Wissen ist Macht, Macht über die Natur und folglich Macht über die Menschen, also Macht in der Gesellschaft“ (7). Natur stellt für die Technik Material und Mittel dar, während das Gesellschaftssystem die Ressourcen verfügbar macht, die Ziele festlegt, Werte setzt und Normen aufstellt, unter denen Technik umgesetzt werden kann. Motor der technischen Entwicklung wäre damit nicht die Naturwissenschaft, sondern die Gesellschaft, die technische Errungenschaften als gesellschaftlich gebotene und akzeptierte Problemlösungen begreift. Dabei unterliegt sie jedoch keinem Determinismus, d.h. die Etablierung einer neuen Technologie kann nicht über Sachzwänge begründet werden, denn an ihre Stelle könnte auch eine andere Praxis mit anderen Konsequenzen treten. In diesem Sinne wäre also jede (neue) technische Problemlösung selbst auf ihre Notwendigkeit hin zu prüfen. Da also vorab noch nichts endgültig festgelegt ist, handelt es sich um eine praktisch-moralisch-politische Entscheidung.
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Eine wesentliche Frage stellt sich dahingehend, wer es denn sei, der die '''Rahmenbedingungen der technischen Entwicklung''' schafft. Nach Wetzel kann das gesellschaftliche Bewusstsein in Bezug auf Technik auf Bacons Spruch „Wissen ist Macht“ zurückgeführt werden: „[…] das in experimenteller Aneignung, Veränderung und Gestaltung der Natur gewonnene Wissen ist Macht, Macht über die Natur und folglich Macht über die Menschen, also Macht in der Gesellschaft“ (7). Natur stellt für die Technik Material und Mittel dar, während das Gesellschaftssystem die Ressourcen verfügbar macht, die Ziele festlegt, Werte setzt und Normen aufstellt, unter denen Technik umgesetzt werden kann. Motor der technischen Entwicklung wäre damit nicht die Naturwissenschaft, sondern die Gesellschaft, die technische Errungenschaften als gesellschaftlich gebotene und akzeptierte Problemlösungen begreift. Dabei unterliegt sie jedoch keinem Determinismus, d.h. die Etablierung einer neuen Technologie kann nicht über Sachzwänge begründet werden, denn an ihre Stelle könnte auch eine andere Praxis mit anderen Konsequenzen treten. In diesem Sinne wäre also jede (neue) technische Problemlösung selbst auf ihre Notwendigkeit hin zu prüfen. Da also vorab noch nichts endgültig festgelegt ist, handelt es sich um eine '''praktisch-moralisch-politische Entscheidung'''.
  
Nach Wetzel ist die Natur für die einzelnen Menschen ebenso wie für die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit Lebensraum und Umwelt, Material und Mittel in Form von Stoffen und Kräften, die der Befriedigung von Bedürfnissen dienen, ebenso wie eine unübersehbare Fülle individueller ganzheitlicher organischer Systeme, d.s. Flüsse, Seen und Meere, Wälder, Berge und Gebirge ebenso wie pflanzliche und tierische Organismen, zu denen auch der Mensch zählt. Der Mensch kann der Natur eher passiv oder eher aktiv gegenüber treten, also die Natur als Gegebenes hinnehmen, benutzen und gebrauchen oder die Natur als Gegenstand von Eingriff und Umgestaltung betrachten. Das praktische Verhalten kann dabei auf unterschiedlichen Einstellungen beruhen: auf einer stückwerksartigen, einer ökologisch orientierten oder einer integrativ-teleologischen. Die stückwerksartige Einstellung betrachtet die Natur als ein unbegrenzt zur Verfügung stehendes Reservoir an Lebensräumen und Umwelt, an Materialien und Mitteln und an organischen Systemen. Die ökologisch orientierte Einstellung geht hingegen davon aus, dass die Natur nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, sondern Kreisläufen und Gesetzmäßigkeiten der Selbstregulation und Selbsterhaltung unterliegt. Die integrativ-teleologische Einstellung geht noch einen Schritt weiter und betrachtet die Natur als ein System von Zwecken, das auch die Gesellschaft umfasst, sodass ihre Zerstörung zugleich eine Zerstörung von Gesellschaft und Mensch nach sich zieht.
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Nach Wetzel ist die Natur für die einzelnen Menschen ebenso wie für die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit Lebensraum und Umwelt, Material und Mittel in Form von Stoffen und Kräften, die der Befriedigung von Bedürfnissen dienen, ebenso wie eine unübersehbare Fülle individueller ganzheitlicher organischer Systeme, d.s. Flüsse, Seen und Meere, Wälder, Berge und Gebirge ebenso wie pflanzliche und tierische Organismen, zu denen auch der Mensch zählt. Der Mensch kann der Natur eher passiv oder eher aktiv gegenüber treten, also die Natur als Gegebenes hinnehmen, benutzen und gebrauchen oder die Natur als Gegenstand von Eingriff und Umgestaltung betrachten. Das praktische Verhalten kann dabei auf unterschiedlichen Einstellungen beruhen: auf einer stückwerksartigen, einer ökologisch orientierten oder einer integrativ-teleologischen. Die '''stückwerksartige Einstellung''' betrachtet die Natur als ein unbegrenzt zur Verfügung stehendes Reservoir an Lebensräumen und Umwelt, an Materialien und Mitteln und an organischen Systemen. Die '''ökologisch orientierte Einstellung''' geht hingegen davon aus, dass die Natur nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, sondern Kreisläufen und Gesetzmäßigkeiten der Selbstregulation und Selbsterhaltung unterliegt. Die '''integrativ-teleologische Einstellung''' geht noch einen Schritt weiter und betrachtet die Natur als ein System von Zwecken, das auch die Gesellschaft umfasst, sodass ihre Zerstörung zugleich eine Zerstörung von Gesellschaft und Mensch nach sich zieht.
  
Wetzel begründet die Notwendigkeit eines ökologischen Bewusstseins damit, dass „die Beschädigung und Zerstörung der Natur qualitativ einen Charakter und quantitativ ein Ausmaß angenommen [hat], daß die Fortexistenz der Natur als Lebensraum, als Lebensmittel und als entwickelte Mannigfaltigkeit organischer Systeme prinzipiell in Frage gestellt ist“ (8). Der moralphilosophische/ethische Horizont einer dringend notwendigen ökologisch orientierten Politik basiert auf moralischen (im Gegensatz zu positiv-rechtlich gesetzten bzw. kulturell-lebensweltlich verankerten) Werten und Normen, die sich wiederum in drei Gruppen unterteilen lassen: jene, die legitimerweise erzwungen werden können, jene, die eines guten Willens bedürfen, und jene, die auf einer Einbettung in kulturell-lebensweltliche Verhältnisse basieren. Im Hinblick auf die Verbindlichkeit einer ökologisch orientierten Politik sind die erste und die dritte Gruppe moralischer Werte und Normen relevant. Hinzu kommt eine weitere Unterscheidung dahingehend, ob es sich um Werte und Normen handelt, die auf elementare Bedürfnisse aller Menschen Bezug nehmen, zu denen auch Natur- und Umweltschutz zählen, oder auf höhere Bedürfnisse einzelner Menschen. Eine letzte Unterscheidung beruht auf der Frage der Rechte zur Befriedigung von Bedürfnissen bzw. Verwirklichung von Zielen oder Interessen: Individualrechte (Menschenrechte) stehen dabei Rechten der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit (Menschheitsrechten) gegenüber.  
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Wetzel begründet die '''Notwendigkeit eines ökologischen Bewusstseins''' damit, dass „die Beschädigung und Zerstörung der Natur qualitativ einen Charakter und quantitativ ein Ausmaß angenommen [hat], daß die Fortexistenz der Natur als Lebensraum, als Lebensmittel und als entwickelte Mannigfaltigkeit organischer Systeme prinzipiell in Frage gestellt ist“ (8). Der '''moralphilosophische/ethische Horizont einer dringend notwendigen ökologisch orientierten Politik''' basiert auf moralischen (im Gegensatz zu positiv-rechtlich gesetzten bzw. kulturell-lebensweltlich verankerten) Werten und Normen, die sich wiederum in drei Gruppen unterteilen lassen: jene, die legitimerweise erzwungen werden können, jene, die eines guten Willens bedürfen, und jene, die auf einer Einbettung in kulturell-lebensweltliche Verhältnisse basieren. Im Hinblick auf die Verbindlichkeit einer ökologisch orientierten Politik sind die erste und die dritte Gruppe moralischer Werte und Normen relevant. Hinzu kommt eine weitere Unterscheidung dahingehend, ob es sich um Werte und Normen handelt, die auf elementare Bedürfnisse aller Menschen Bezug nehmen, zu denen auch Natur- und Umweltschutz zählen, oder auf höhere Bedürfnisse einzelner Menschen. Eine letzte Unterscheidung beruht auf der Frage der Rechte zur Befriedigung von Bedürfnissen bzw. Verwirklichung von Zielen oder Interessen: Individualrechte (Menschenrechte) stehen dabei Rechten der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit (Menschheitsrechten) gegenüber.  
  
Grundsätze einer ökologisch orientierten gesellschaftspolitischen Praxis sind damit nach Wetzel: die Betrachtung der Natur für sich und an sich im Sinne eines „sinnlichen Erscheinens der Idee der Einheit von Gesellschaft und Natur“ (9); die Orientierung der Technik an dieser Praxis der Einheit von Gesellschaft und Natur; die Legitimität des allgemeinen Interesses an der Erhaltung der Natur im Sinne eines Menschheitsrechtes durch Verankerung des Schutzes von Natur und Umwelt als Staatsaufgabe; sowie ein weltumspannender Bewusstseinwandel in Bezug auf das Verhältnis der Gesellschaft zur Natur. Für die konkrete praktische Umsetzung bedarf es dazu Ansätzen auf gesellschaftlicher wie auf individueller Ebene.
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'''Grundsätze einer ökologisch orientierten gesellschaftspolitischen Praxis''' sind damit nach Wetzel: die Betrachtung der Natur für sich und an sich im Sinne eines „sinnlichen Erscheinens der Idee der Einheit von Gesellschaft und Natur“ (9); die Orientierung der Technik an dieser Praxis der Einheit von Gesellschaft und Natur; die Legitimität des allgemeinen Interesses an der Erhaltung der Natur im Sinne eines Menschheitsrechtes durch Verankerung des Schutzes von Natur und Umwelt als Staatsaufgabe; sowie ein weltumspannender Bewusstseinwandel in Bezug auf das Verhältnis der Gesellschaft zur Natur. Für die konkrete praktische Umsetzung bedarf es dazu Ansätzen auf gesellschaftlicher wie auf individueller Ebene.
  
 
Dr. Judith Brunner-Popela, 3. November 2008
 
Dr. Judith Brunner-Popela, 3. November 2008
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(1) http://phaidon.philo.at/asp/mwetzel.htm (4.10.2008)
 
(1) http://phaidon.philo.at/asp/mwetzel.htm (4.10.2008)
  
(2) Manfred Wetzel, Praktisch-politische Philosophie, Bd. 2: Natur und Gesellschaft, (Würzburg, Kö-nighausen & Neumann), S. 5
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(2) Manfred Wetzel, Praktisch-politische Philosophie, Bd. 2: Natur und Gesellschaft, (Würzburg, Könighausen & Neumann), S. 5
  
 
(3) Ebd., S. 13
 
(3) Ebd., S. 13

Aktuelle Version vom 4. November 2008, 22:06 Uhr

Manfred Wetzel, Praktisch-politische Philosophie, Bd. 2: Natur und Gesellschaft, (Würzburg, Könighausen & Neumann), {Abschn. 1.1 bis 1.3.}


Autor

Manfred Wetzel, geb. 1937 in Nürnberg, studierte Philosophie, Mathematik, Physik und Soziologie an den Universitäten Erlangen und Hamburg. Schwerpunkte seiner Lehrtätigkeit sind Fundamentalphilosophie, Sozialphilosophie und Politische Philosophie. 1980/81 begann er mit seiner Arbeit an der Praktisch-politischen Philosophie. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich Wetzel lange Zeit von Ethik, dem Kernstück der Praktisch-politischen Philosophie, fernhielt. Erst die zunehmenden industriewirtschaftlich induzierten Natur- und Umweltzerstörungen führten ihn zur Konzeption seines dreibändigen Werks. (1)


Einordnung des Buches

Praktische und politische Philosophie steht im Zentrum der Arbeiten herausragender Philosophen wie Sokrates, Platon, Aristoteles, Kant und Hegel. Auch in unserer Zeit ist sie von hoher Relevanz, wie Wetzel in seinem Werk Praktisch-politische Philosophie (Bd. 1: Allgemeine Grundlagen, Bd. 2: Natur und Gesellschaft. Bd. 3: Gesellschaft und Politik) anschaulich darlegt. In Band 2 entwickelt er eine Ethik für das Zusammenspiel von Ökonomie, Ökologie und Gerechtigkeit als Antwort auf aktuelle und drängende Entwicklungen in Wissenschaft und Technik, die einhergehen mit weitreichenden Natur- und Umweltzerstörungen.


Kurzzusammenfassung der Abschnitte 1.1. bis 1.3. des Buches Praktisch-politische Philosophie, Bd. 2: Natur und Gesellschaft von Manfred Wetzel

Im Rahmen eines Streitgesprächs zwischen zwei Befürwortern und einem Gegner einer ökologisch orientierten Politik werden anfangs wesentliche Argumente und Gegenargumente einander gegenüber gestellt, um in weiterer Folge insbesondere auf die Rolle der Technik im Überschneidungs-, Durchdringungs- und Verflechtungsbereich von Natur und Gesellschaft einzugehen. Der Diskurs findet schließlich seinen (vorläufigen) Höhepunkt in einer Legitimation des ökologischen Prinzips.

Wetzel eröffnet die Diskussion mit einer Definition von Natur: „Natur ist ein ganzheitliches, knappes, universelles, nicht stückwerkstechnologisch bearbeitbares, weil nicht beliebig regenerierbares Gut. Natur ist ein unersetzliches, unerläßliches, alternativloses, nicht beliebig belastbares, weil irreversibel zerstörbares Gut.“ (2) Auch wenn Natur schon seit der Steinzeit Eingriffen durch den Menschen ausgesetzt war, hat sich durch die Anzahl dieser Eingriffe und deren Folgen (im Raum als Summations- und Distanzschäden und in der Zeit als Langzeitfolgen und Altlasten) die Situation verschärft: Stückwerkartiges Handeln der Menschen hat ganzheitliche schädigende Auswirkungen auf Natur und Umwelt. Natur müsse stattdessen als „ein unbedingt zu erhaltendes, im Umgang zu schonendes, in der unvermeidlichen Nutzung unter Optimierungszwang zu stellendes und im Hinblick auf die unvermeidlichen Schäden soweit wie irgend möglich zu regenerierendes Gut“ (3) betrachtet werden. Ein zentrales Gegenargument ist, dass ein derartiger Umgang mit Natur nicht mit den Gesetzmäßigkeiten wirtschaftlichen Wachstums vereinbar sei und zu sinkender Investitionsbereitschaft der Unternehmen und in weiterer Folge zu Massenarbeitslosigkeit führen würde. Staatliche Eingriffe wären in höchstem Maße hinderlich, vielmehr würden Lösungen für Probleme und nachfolgende Folgeprobleme stets von selbst aus dem Erfindungsgeist der modernen Technik hervorgehen.

Die gegenwärtige Ökonomie kann anhand von vier Maximen beschrieben werden: Minimax-Prinzip der Nutzung (maximale wirtschaftliche Nutzung bei minimaler Zerstörung), nutzungsgerechte Anwendung des Verursacher-Prinzips (zu zahlen haben jene, die aus einem Eingriffsverzicht einen Nutzen ziehen, an jene, die aus einem Eingriffsverzicht einen wirtschaftlichen Schaden erleiden), optimaler Verschmutzungsgrad (zulässige Verschmutzung der Natur bis zur Grenzverschmutzung) und Schonung und Erhaltung im Rahmen und nach Maßgabe des wirtschaftlich Vertretbaren (keine Schonung, die auf Dauer kostspieliger ist als Nutzung). Doch es sind nach Wetzel gerade diese vier Maximen, die zu gewaltigen Naturschädigungen mit enormen volkswirtschaftlichen Folgekosten geführt haben.

An die Stelle dieser Grundsätze der Ökonomie müsste nach Wetzel ein staatliches Steuerungsinstrument mit folgenden Maßnahmen treten: ökologische Steuergesetzgebung, konsequente Anwendung des Verursacher-Prinzips (schädigende Nutzung eines Individualeigentums an Natur- und Umweltgüter ist zu verbieten), Umweltgrundrecht (Schutz der Umwelt um ihrer selbst willen) sowie Umkehrung der Beweislastrichtung und -verteilung. Für eine praktische Umsetzung bedarf es jedoch auch eines Umdenkens: „Die Wertmuster der gesellschaftlich-kulturellen Lebenswelt müssen sich so ändern, daß sie eine durch Ganzheitlichkeit, Kreisläufe, abgrenzbare Individualitäten und natürliche Entwicklungen bestimmte Natur als eine wertmäßig positiv besetzte Umwelt in sich integrieren, – mit Hegel gesprochen: in sich aufheben.“ (4)

Im Anschluss an diese Diskussion der Themenbereiche Natur und Ökonomie fokussiert Wetzel auf Technik: „Allen Formen der Technik […] ist eines gemeinsam: Sie befinden sich im Überschneidungs-, Durchdringungs- und Verflechtungsbereich von Natur und Gesellschaft […]. Die Verfahren und Gerätschaften, die Anlagen und die Produkte der Technik sind buchstäblich die Gravur der Gesellschaft in die Natur.“ (5)

Natur und Gesellschaft zeichnen sich dabei durch Gemeinsamkeiten und Unterschiede aus: Sowohl Natur als auch Gesellschaft haben eine Geschichte und zeigen Systemcharakter, die in Form einer Evolution einem stetigen Wandel unterworfen sind. Ein Unterschied besteht einerseits in der Zeit und andererseits in der Abhängigkeit der Gesellschaftsevolution von der Naturevolution. In allen Lebensbereichen – Nahrung, Kleidung, Baulichkeiten, Energie, Werkzeuge, Mobilität – bedarf die Gesellschaft der Natur. Das (menschliche) Subjekt ist also durch sein In-der-Welt-sein in Form eines In-der-Natur- und In-der-Gesellschaft-seins der Schnittpunkt von Natur und Gesellschaft. Dieses Verhältnis von Natur und Gesellschaft kann „als das Bei-sich-selbst-sein der Gesellschaft in der Natur als dem Anderen ihrer selbst im allgemeinen und als die Gravur der Gesellschaft in der Natur, mithin als die Technik im besonderen“ (6) gefasst werden.

Wenn Technik als Gesamtheit und Inbegriff aller gesellschaftlich vermittelten Naturaneignungen und Naturgestaltung verstanden wird, können drei Möglichkeiten unterschieden werden: symbolische Form der Technik (Aneignung von Natur unter Beibehaltung ihrer Beschaffenheit), klassische Form der Technik (Aneignung und Gestaltung der Natur durch Umwandlung von Naturelementen) sowie vermeintlich autonome Form der Technik (gekennzeichnet durch die Glaubenshaltungen, dass es keine Grenzen der Machbarkeit gibt und dass der Mensch nahezu vollständig und in jeder Hinsicht ersetzbar ist). Nach Wetzel ist mit der (vermeintlich) autonomen Form der Technik nunmehr ein Wendepunkt erreicht, an dem ihre Auflösung beginnt. Es bedarf an diesem Punkt einer kritischen Selbstreflexion von Naturwissenschaft und Technik, eines selbstreflexiv-kritischen Hinausgehens über die Methoden und ihre Anwendung in Natur und Gesellschaft.

Eine wesentliche Frage stellt sich dahingehend, wer es denn sei, der die Rahmenbedingungen der technischen Entwicklung schafft. Nach Wetzel kann das gesellschaftliche Bewusstsein in Bezug auf Technik auf Bacons Spruch „Wissen ist Macht“ zurückgeführt werden: „[…] das in experimenteller Aneignung, Veränderung und Gestaltung der Natur gewonnene Wissen ist Macht, Macht über die Natur und folglich Macht über die Menschen, also Macht in der Gesellschaft“ (7). Natur stellt für die Technik Material und Mittel dar, während das Gesellschaftssystem die Ressourcen verfügbar macht, die Ziele festlegt, Werte setzt und Normen aufstellt, unter denen Technik umgesetzt werden kann. Motor der technischen Entwicklung wäre damit nicht die Naturwissenschaft, sondern die Gesellschaft, die technische Errungenschaften als gesellschaftlich gebotene und akzeptierte Problemlösungen begreift. Dabei unterliegt sie jedoch keinem Determinismus, d.h. die Etablierung einer neuen Technologie kann nicht über Sachzwänge begründet werden, denn an ihre Stelle könnte auch eine andere Praxis mit anderen Konsequenzen treten. In diesem Sinne wäre also jede (neue) technische Problemlösung selbst auf ihre Notwendigkeit hin zu prüfen. Da also vorab noch nichts endgültig festgelegt ist, handelt es sich um eine praktisch-moralisch-politische Entscheidung.

Nach Wetzel ist die Natur für die einzelnen Menschen ebenso wie für die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit Lebensraum und Umwelt, Material und Mittel in Form von Stoffen und Kräften, die der Befriedigung von Bedürfnissen dienen, ebenso wie eine unübersehbare Fülle individueller ganzheitlicher organischer Systeme, d.s. Flüsse, Seen und Meere, Wälder, Berge und Gebirge ebenso wie pflanzliche und tierische Organismen, zu denen auch der Mensch zählt. Der Mensch kann der Natur eher passiv oder eher aktiv gegenüber treten, also die Natur als Gegebenes hinnehmen, benutzen und gebrauchen oder die Natur als Gegenstand von Eingriff und Umgestaltung betrachten. Das praktische Verhalten kann dabei auf unterschiedlichen Einstellungen beruhen: auf einer stückwerksartigen, einer ökologisch orientierten oder einer integrativ-teleologischen. Die stückwerksartige Einstellung betrachtet die Natur als ein unbegrenzt zur Verfügung stehendes Reservoir an Lebensräumen und Umwelt, an Materialien und Mitteln und an organischen Systemen. Die ökologisch orientierte Einstellung geht hingegen davon aus, dass die Natur nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, sondern Kreisläufen und Gesetzmäßigkeiten der Selbstregulation und Selbsterhaltung unterliegt. Die integrativ-teleologische Einstellung geht noch einen Schritt weiter und betrachtet die Natur als ein System von Zwecken, das auch die Gesellschaft umfasst, sodass ihre Zerstörung zugleich eine Zerstörung von Gesellschaft und Mensch nach sich zieht.

Wetzel begründet die Notwendigkeit eines ökologischen Bewusstseins damit, dass „die Beschädigung und Zerstörung der Natur qualitativ einen Charakter und quantitativ ein Ausmaß angenommen [hat], daß die Fortexistenz der Natur als Lebensraum, als Lebensmittel und als entwickelte Mannigfaltigkeit organischer Systeme prinzipiell in Frage gestellt ist“ (8). Der moralphilosophische/ethische Horizont einer dringend notwendigen ökologisch orientierten Politik basiert auf moralischen (im Gegensatz zu positiv-rechtlich gesetzten bzw. kulturell-lebensweltlich verankerten) Werten und Normen, die sich wiederum in drei Gruppen unterteilen lassen: jene, die legitimerweise erzwungen werden können, jene, die eines guten Willens bedürfen, und jene, die auf einer Einbettung in kulturell-lebensweltliche Verhältnisse basieren. Im Hinblick auf die Verbindlichkeit einer ökologisch orientierten Politik sind die erste und die dritte Gruppe moralischer Werte und Normen relevant. Hinzu kommt eine weitere Unterscheidung dahingehend, ob es sich um Werte und Normen handelt, die auf elementare Bedürfnisse aller Menschen Bezug nehmen, zu denen auch Natur- und Umweltschutz zählen, oder auf höhere Bedürfnisse einzelner Menschen. Eine letzte Unterscheidung beruht auf der Frage der Rechte zur Befriedigung von Bedürfnissen bzw. Verwirklichung von Zielen oder Interessen: Individualrechte (Menschenrechte) stehen dabei Rechten der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit (Menschheitsrechten) gegenüber.

Grundsätze einer ökologisch orientierten gesellschaftspolitischen Praxis sind damit nach Wetzel: die Betrachtung der Natur für sich und an sich im Sinne eines „sinnlichen Erscheinens der Idee der Einheit von Gesellschaft und Natur“ (9); die Orientierung der Technik an dieser Praxis der Einheit von Gesellschaft und Natur; die Legitimität des allgemeinen Interesses an der Erhaltung der Natur im Sinne eines Menschheitsrechtes durch Verankerung des Schutzes von Natur und Umwelt als Staatsaufgabe; sowie ein weltumspannender Bewusstseinwandel in Bezug auf das Verhältnis der Gesellschaft zur Natur. Für die konkrete praktische Umsetzung bedarf es dazu Ansätzen auf gesellschaftlicher wie auf individueller Ebene.

Dr. Judith Brunner-Popela, 3. November 2008


Fußnoten:

(1) http://phaidon.philo.at/asp/mwetzel.htm (4.10.2008)

(2) Manfred Wetzel, Praktisch-politische Philosophie, Bd. 2: Natur und Gesellschaft, (Würzburg, Könighausen & Neumann), S. 5

(3) Ebd., S. 13

(4) Ebd., S. 32

(5) Ebd., S. 36

(6) Ebd., S. 48

(7) Ebd., S. 59

(8) Ebd., S. 67

(9) Ebd., S. 84