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Aktuelle Version vom 9. Juni 2008, 14:38 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 3
2. Mediennutzung bei Kindern 4
3. Die Medien und die Entwicklung des Kindes 7
3.1. Medien und ihr Einfluss auf Intelligenz, Sprachentwicklung und soziale Entwicklung 7
3.2. Kulturtechniken und Medien 9
3.3. Medien und Wirklichkeit 10
4. Ab welchem Alter ist der Umgang mit Medien sinnvoll? 12
5. Probleme im Umgang mit Medien 13
6. Schluss 15
1. Einleitung
Modernen Medien wie Computer, Fernsehen und Internet verändern Kinder und auch deren Kindheit. Die Auswirkungen auf die Psyche sind noch lange nicht geklärt, selbst Experten streiten über das „Was“, „Wann“, „Wie“ und „Wie lange“. Wen verwundert es da, dass auch die Eltern überfordert sind. Denn eigentlich kann keiner so genau Auskunft geben, wie denn nun der vernünftige und verantwortungsvolle Umgang mit Medien aussieht. Tatsache ist, dass der Medienkonsum in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Bereits Zweijährige sehen durchschnittlich eine Stunde am Tag fern, Kinder von 3 bis 13 Jahren sitzen rund 90 Minuten am Tag vor der Glotze. Jugendliche ab 14 Jahren gucken täglich zweieinhalb Stunden, das ist eine halbe Stunde mehr als vor zehn Jahren. Dazu kommt dann noch der Computer: 83 Prozent der 12- bis 19-Jährigen sitzen täglich vor dem Rechner, spielen Computerspiele oder surfen im Internet. Die tägliche Mediennutzung von Jugendlichen liegt bei rund zehn Stunden - diese hohe Zahl kommt zustande, weil etwa Computer und Fernseher oft gleichzeitig laufen . Ab welchem Alter Kinder sind Kinder aber überhaupt in der Lage, Medien nicht nur als Reizquelle zu begreifen, sondern ihre Inhalte zu erfassen und zu verarbeiten? Womit können Kleinkinder etwas anfangen, was verwirrt, was verschreckt sie? Wie viel Medienkonsum sollen Eltern zulassen? Wie können sie ihre Kinder schützen? Die nachfolgende Arbeit soll Aufschluss darüber geben, ab welchem Alter der Einsatz von Medien tatsächlich sinnvoll ist und welche Auswirkungen und Folgen durch den Konsum von Medien zu erwarten sind.
In Kapitel 2 meiner Seminararbeit geht es zunächst um das aktuelle Mediennutzungsverhalten bei Kindern, besonders berücksichtigt wurde hier die Gruppe der 3- bis 13jährigen. Wie viel, wie oft und welche Medien, haben die Kinder Zugriff auf alle Medien, und was wird am liebsten/häufigsten genutzt? Worauf kann am ehesten verzichtet werden? Diese Fragen sollen im nächsten Kapitel geklärt werden.
Im Anschluss daran geht es um die Folgen und Effekte des Medienkonsums. Einer näheren Betrachtung wurden hier die Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes (Sprach-, Intelligen-, soziale Entwicklung) unterzogen, weiters die des Einflusses auf Kulturtechniken (Lesen, Schreiben) sowie die Auswirkungen auf das Wahrnehmen von Realität.
Das abschließende, vierte Kapitel dieser Arbeit stellt ein Resümee dar, im Anschluss daran folgt ein kurzer Ausblick, wie man die Kinder „schützen“ bzw. ihre Entwicklung durch Medien fördern kann. Außerdem wird versucht zu erläutern, wie und auf welche Weise Eltern einen vernünftigen und verantwortungsvollen Umgang mit Medien fördern können.
2. Mediennutzung bei Kindern (Die 3- bis 13jährigen Kinder)
Hier geht es um aktuelle Daten das Mediennutzungsverhalten von 3- bis 13jährigen Kindern betreffend. Es soll ein kurzer Überblick gegeben werden, welche momentane Situation vorliegt, um die anschließenden Ausführungen besser beurteilen zu können.
Für die Altersgruppe der drei- bis dreizehnjährigen Kinder hat man ermittelt : • Drei- bis 13jährige Kinder in Deutschland sehen im Durchschnitt 100 Minuten täglich fern. • Jeden Tag bzw. fast jeden Tag sehen ca. 78% (1999: 60%2) drei- bis 13jährigen Kinder fern. • Etwa fünf Prozent der drei- bis 13jährigen Kinder haben den Fernseher täglich fünf Stunden und länger laufen. • "Vielseher" verbringen mehr Zeit vor dem Bildschirm als mit anderen Tätigkeiten (Schule, Spielen, Freunde) • 68% der Kinder zwischen drei und dreizehn haben eine Lieblingssendung. o Es gibt allerdings nur ein paar wenige Sendungen, die bei großen Gruppen von Kindern gleichermaßen beliebt sind.
Senderpräferenzen • 61% aller Kinder haben einen Lieblingssender. o 22% nennen hier den KI.KA von ARD und ZDF an, 20% RTL, jeweils 13% Prozent bevorzugen Super und RTL II. Pro 7 kommt bei 8% der Kinder, SAT.1 bei 5% und 4% ARD bzw. ZDF. o Mädchen nennen häufiger den KI.KA, RTL und das Erste Programm der ARD, während Jungen sich stärker als die Mädchen RTL II und SAT.1 entscheiden. Super RTL, Pro 7 und das ZDF kommen bei Jungen und Mädchen gleichermaßen an. o Die Angaben zum Lieblingssender korrespondieren damit mit denen zur Lieblingssendung im Fernsehen. Die Senderpräferenzen hängen dabei die stark vom Alter der Kinder ab. o Bei den Sechs- bis Sieben-Jährigen stehen vor allem drei Programme im Vordergrund: den KI.KA, 20% Super RTL und 13% RTL II Bei den ältesten befragten Kindern, bei den den Zwölf- bis 13-Jährigen ist es RTL (31 %), 14% davon bevorzugen Pro 7, 10% RTL II. o Kleine Kinder schauen am liebsten Sendungen, bei denen man auch etwas lernen kann, und Zeichentrickfilme, die sie in Märchen und Abenteuerwelten entführen. • Ab etwa dem Alter von sechs Jahren fangen Kinder damit an, sich für ihre Geschlechtsrolle zu interessieren. Daher entwickelt sich der Medienkonsum in einer geschlechtsbedingten Differenzierung. Während die Jungen dann besonders gern Actionfilme sehen, bei denen sie sich mit den männlichen Helden identifizieren können, bevorzugen die Mädchen Show- und Musikprogramme sowie Serien, in denen die Familie und Tiere eine wichtige Rolle spielen. • Im Alter von ungefähr zwölf Jahren interessieren sich die Kinder mehr und mehr auch für Musiksendungen mit den neuesten Hits. Außerdem werden Serien über Jugendliche und Liebe wichtig. Medienausstattung • Die Medienausstattung der Kinderzimmer ist in den letzten 15 Jahren stark angestiegen. Mehr und mehr wachsen Kinder in Haushalten mit einer breiten Medienausstattung auf. • Bei Fernsehgeräten und Videorekordern kann man inzwischen von einer Vollversorgung der Haushalte ausgehen. • Mobiltelefone sind mittlerweile in 86% der Haushalte vorhanden. • Den Zuwachs mit der größten Dynamik weisen - wie in den Jahren zuvor - Computer, der heimische Zugang zum Internet und die Ausstattung mit DVD-Playern. o 2003 gibt es in drei Viertel der Haushalte, in denen Kinder aufwachsen, zumindest einen Computer (Zuwachs gegenüber Vorjahr 7%) Im Jahr 2000 lag die Ausstattungsrate bei 57%. o Um zehn Prozentpunkte auf nunmehr 57% angestiegen ist die Versorgung mit einem Internetzugang (2000: 27 %). o Nahezu verdoppelt hat sich Verfügbarkeit eines DVD-Players, der nunmehr in einem Drittel der Haushalte vorhanden ist. • Die Ausstattungsquote hängt allerdings sehr von der finanziellen Lage der Haushalte ab. Insbesondere ist auch der Internetzugang in Haushalten mit schwächerem sozioökonomischen Status sehr viel seltener zu finden als in finanziell besser gestellten Haushalten.
Medienbesitz von Kindern • Nach Angaben der befragen Erziehungspersonen hat etwa jedes zweite Kind im Alter von sechs und 13 Jahren einen eigenen Kassettenrekorder, ein Radio bzw. Stereoanlage oder einen Gameboy. • 40% besitzen einen Walk- bzw. Discman, einen CD-Player oder ein eigenes Fernsehgerät. • Ein Viertel hat eine Spielkonsole oder ein Handy zur persönlichen Verfügung. • 15% haben in ihrem eigenen Zimmer einen Computer, 14% einen Videorekorder und 6% der Kinder verfügen über einen eigenen Internetanschluss.
Außerdem ist interessant, dass…
• 31% der Kinder laut eigenen Angaben Fernsehen als liebste Freizeitbeschäftigung sehen, 22% geben hier den Computer an, für 15% der 3- bis 13jährigen nimmt diesen Platz der Gameboy bzw. Videospiele ein. • 70% der Befragten geben an, dass sie am wenigsten auf den Fernsehen verzichten könnten, für lediglich 16% wäre ein Leben ohne Computer nicht vorstellen, 5% möchten nicht ohne Bücher sein.
3. Die Medien und die Entwicklung des Kindes
Die technische Revolution sowie der schnelle Wandel unserer Gesellschaft sind auch für Kinder und Jugendliche und ihre Entwicklung ausschlaggebend. Längst wird ihr Umfeld nicht mehr bloß durch Eltern, Familie oder „Peer Groups“ geprägt, wie alle anderen Menschen auch spielen die Informationsmedien unserer Gesellschaft eine große Rolle. Die Kommunikationsmedien erleichtern uns einerseits den Alltag, sorgen für raschen Austausch von Text oder Bild, andererseits bringen sie auch große Probleme mit sich. Wie sehr Medien Kindern im Bezug auf Entwicklung und Wahrnehmung tatsächlich beeinflussen, soll in den nachfolgenden Kapiteln geklärt werden.
3.1. Medien und ihr Einfluss auf Intelligenz, Sprachentwicklung und soziale Entwicklung
Eine abwechslungsreiche Umgebung, die selbstständig erkundet werden kann und die Entwicklung anregt – für Kinder besonders wichtig, genauso wie der ständige Austausch mit ihren Bezugspersonen, die ihnen helfen, die Welt zu erkunden und zu verstehen. Fernsehbilder sind zwar voller Abwechslung, doch fehlt es hier an Gelegenheit zum selbstständiges Ausprobieren. Außerdem ist die Darbietungszeit einzelner Bilder und Szenen für Kinder oft zu kurz, um darüber mit den Eltern in ein Gespräch zu kommen. Ab dem Kindergartenalter profitieren Kinder allerdings durchaus von den Sach- und Lachgeschichten, Wichtig ist, dass im Leben der Kinder die Mischung zwischen aktiv gestaltendem und zuschauendem bzw. nachvollziehendem Lernen stimmt .
Manfred Spitzer dagegen vertritt die These, dass Fernsehen die Köpfe der Kinder „vermülle“ und den Nachwuchs außerdem dumm und gewalttätig mache. Er kommt zu dem Schluss, dass Fernsehkonsum ungünstige Auswirkungen auf die schulischen Leistungen habe, wobei der Effekt alle Fächer betreffe und nicht mit anderen Faktoren zu erklären sei bzw. sich sogar langfristig auf den später erreichten Ausbildungsgrad auswirke. Besonders beunruhigend sei dabei die langfristige Wirkung des Fernsehkonsums in sehr jungen Jahren .
Sieht man sich die Sprachentwicklung der Kleinsten an, so wird diese durch den Einfluss von Meiden nicht behindert. Fernsehen ist ein Sprach- wie ein Bildmedium (die meisten blinden Menschen „sehen“ in ihrer Freizeit fern) und das Verstehen von Bildern beruht genauso wie das Verstehen von Sprache auf einer Vielzahl von geistigen Prozessen. Wortschatz oder Ausdrucksfähigkeit der Zuschauer können dagegen sehr wohl beeinträchtigt werden. Das liegt vor allem daran, dass viele Kindersendungen als „billige Massenware“ produziert werden. Eine verarmte Sprache und geringe Anforderungen an das Mitdenken des Zuschauers sind die Folge .
Die soziale Entwicklung dagegen kann durch den Konsum bestimmter Medieninhalte sogar gefördert werden. Erzählte und verfilmte Geschichten, die sich mit den Alltagsproblemen von Kindern beschäftigen, zeigen dem Zuschauer seine eigene Lebenssituation wie in einem Spiegel. Zum Beispiel entdeckt ein Kleinkind, dass es mit seiner Eifersucht auf Bruder oder Schwester nicht allein. Filme können persönliche Themen ansprechen ohne zu verletzen oder Zwang auszuüben und helfen dem Kind so bei seiner Suche nach sozial akzeptablen Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten.
Problematisch wird es nur dann, wenn Kinder und Jugendliche nicht mehr ausreichend vor besonders sexualisierenden, Gewalt verherrlichenden oder auch rassistischen Filmen oder Schriften geschützt werden können. Der Jugendschutz spielt hier eine große Rolle. Die angemessene Verarbeitung einer Mediengeschichte nur dann möglich ist, wenn das Kind oder der Jugendliche einen bestimmten Entwicklungsstand erreicht hat. Frühe (zu frühe) Erfahrungen sind oft prägend für die weitere Entwicklung.
In einer repräsentativen US-amerikanischen Erhebung fand man heraus, dass im Alter von sechs Jahren die Kinder, die zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr viel fernsehen (mehr als drei Stunden täglich) eine deutliche Beeinträchtigung ihrer kognitiven Fähigkeiten (Konzentration, Lesefähigkeit, Sprachverständnis, mathematische Fähigkeiten) gegenüber Wenigsehern (weniger als drei Stunden täglich) zeigen. Dieser Effekt war bei Kindern, die bereits vor dem dritten Lebensjahr viel fernsehen durften, besonders ausgeprägt.
3.2. Kulturtechniken und Medien
Die bekanntesten Kulturtechniken sind Lesen und Schreiben. Kulturtechniken setzen eine Methode der Verschlüsselung (z.B. als Schriftzeichen) und Entschlüsselung voraus. Dank Kulturtechniken können Mitteilungen aufgezeichnet und damit allgemein verfügbar gemacht werden. Mit den heutigen Aufzeichnungsmitteln (Film, Magnetband, Disk etc.) ist es auch möglich, Bilder und Töne aufzuzeichnen und damit aufzubewahren und weiterzugeben. Fernsehen und die Benutzung des Computers sowie anderer neuen Medien sind deshalb folgerichtig ebenfalls Kulturtechniken, und wie Lesen und Schreiben müssen sie gelernt werden .
Besonderen Nachholbedarf gibt es beim „Lesen lernen“ von Bildern. Nicht alles, was in reiner Bildform dargeboten wird, ist auf den ersten Blick verständlich. Im Unterschied zur Wortsprache bleibt die Bedeutung von Bildern offen und unbestimmt. Auch wenn es innerhalb der Bilderflut Bildzeichen mit fester Bedeutung wie Verkehrszeichen gibt, braucht es zusätzliche Hinweise, um die Bedeutung eines Bildes zu verstehen. Nur schon vom Zweck her gibt es verschiedene Typen von Bildern: Bilder, die ein Ereignis bezeugen, Bilder, die einen Sachverhalt erklären oder veranschaulichen, Zierbilder, Füllbilder und schließlich Suggestivbilder, die ein Produkt verkaufen sollen. Beim Fernsehen etwa wird einem längst nicht immer gesagt, was Bilder bedeuten. Zum Beispiel sind die Realbilder, welche in den Nachrichtensendungen gezeigt werden, nur teilweise wirklich die Bilder vom Tag. Oft werden zur Veranschaulichung von einem anderen Ereignis berichten. Abgesehen davon wurden auch immer schon Bilder inszeniert und gelegentlich sogar gefälscht. Auch wenn gelegentlich die Angabe «Archivbild» oder «gestellte Aufnahme» eingeblendet sind, bleibt in der Erinnerung ein «authentischer » Eindruck bestehen. Interessant ist allerdings das Ergebnis einer deutschen Studie: Man teilte Kinder im Kindergartenalter in Wenigseher (15 bis 20 Minuten täglich), Normalseher (etwa eine Stunde) und Vielseher (mehr als zwei Stunden) ein. Dann wurde die Leseleistung der Kinder im ersten und dritten Schuljahr gemessen. Die Vielseher hatten im Verlauf der zweiten und dritten Klasse nicht die gleiche Leistungszunahme wie die Kinder, die insgesamt weniger fernsahen. Es liegt also tatsächlich am Fernsehen im Kindergartenalter, dass das Lesen in der Schule nicht so gut funktioniert.
3.3. Medien und Wirklichkeit
Das Meiste, was wir nicht selbst erlebt haben, wurde und wird uns „erzählt“ − von anderen Menschen aus unserem Umfeld oder eben von den Medien, seien es Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Radio und Fernsehen. Schätzungsweise beruhen über 90 Prozent unseres heutigen Wissens von der Welt auf Informationen, die durch Medien vermittelt werden. Auf diese Weise kann es zu einem bestimmten Sachverhalt eine oder viele unterschiedliche Meinungen bzw. „Wirklichkeiten“ geben. Bei der Entstehung von „Wirklichkeit“ spielen unterschiedliche Faktoren zusammen, z.B. der Entwicklungsstand und die persönlichen Erfahrungen eines Menschen, sprich das Umfeld, in dem die Person sich bewegt, oder die Zuverlässigkeit der Quellen, aus denen Informationen bezogen werden. Um mit den durch die Medien vermittelten Informationen kompetent und richtig umgehen zu können, müssen vor allem Kinder die Arbeitsweise der Medien kennen- und durchschauen lernen. Nur so können sie später selbst entscheiden, ob und wie „wahr“ diese Wirklichkeit wirklich ist.
Dafür, dass diese Unterscheidung bisweilen auch Erwachsenen schwer fällt, zeugen zahlreiche Untersuchungen. Als Faustregel für Kinder kann gelten, dass sich diese Unterscheidungsfähigkeit etwa mit dem Eintritt in die Grundschule zu entwickeln beginnt. Doch es hängt auch stark mit der Realitätsnähe einer Geschichte zusammen. Zudem kann ja auch eine erfundene Handlung auf wahren Begebenheiten beruhen. Oft lässt sich an bestimmten Merkmalen erkennen, dass es sich bei einer Darbietung um Fiktion handelt, z.B. an den künstlich hergestellten Figuren in einem Zeichentrickfilm. Auch Begleitmusik oder in der Wirklichkeit unmögliche Handlungsabläufe (z.B. Menschen, die wie Batman durch die Luft fliegen) sind solche Fiktionalitätssignale. Wichtig ist hier, dem Kind klarzumachen, dass keine Darbietung eine absolute und einzig mögliche Wirklichkeit wiedergeben kann. Auch die eigene Persönlichkeit, individuelle Erfahrungen und Erwartungen tragen dazu bei, dass eine Darbietung etwas anders wahrgenommen wird. Einerseits führen mangelndes Verstehen oder dann Missverstehen von Mediendarbietungen zu falschen Vorstellungen. Dies ist z.B. der Fall, wenn sich Kinder Sendungen anschauen, die nicht für ihre Altersstufe bestimmt sind und sie deshalb überfordern. Vor allem bei Vorschulkindern entstehen so zum Teil Verwirrungen und Verwechslungen, wenn sie Erwachsenenprogramme anschauen. Aber auch beim Konsum von Unterhaltungssendungen, Daily Soaps und anderen Serienfilmen ist man nicht gegen die Bildung von falschen Vorstellungen gefeit. Selbst wenn man sich bewusst ist, dass Spielhandlungen erfunden sind, bezieht man gleichwohl Informationen über die Wirklichkeit aus ihnen: Vorstellungen über Ärzte aus Serien, über Kriminalität oder die Arbeit der Polizei aus Krimis. So können Fehleinschätzungen der Wirklichkeit entstehen.
Dadurch besteht natürlich auch das Risiko, dass ein falsches Weltbild vermittelt wird - und es besteht nicht nur als Folge des Konsums von Unterhaltungsangeboten. Oft entscheiden Medien frei darüber, welche Themen sie auswählen. Meistens sind es auch unvermeidlicherweise negative Inhalte, über die sie berichten. Vor dem Druck der Aktualität müssen andere, vielleicht wichtigere Themen weichen. Gerade für Heranwachsende wäre es oft wertvoll, statt aktueller nichtiger Begebenheiten langfristig gültige Inhalte kennen zu lernen. Es ist deshalb wichtig, die flüchtigen elektronischen Medien durch das Lesen von Büchern zu ergänzen. Um Kinder Angst und Bedrohung durch bestimmte Inhalte zu nehmen, ist es oft hilfreich, über solche beunruhigenden Filme und Sendungen zu sprechen - dies ist eine erste Phase von Aufarbeitung.
Doch Medieninhalte können auch ein wertvollen Fenster zur Wirklichkeit sein. Zunächst gilt hier aber die Einschränkung, dass es sich stets um eine ausgewählte und gestaltete Wirklichkeit handelt. Gerade deshalb lassen sich auch positive und lehrreiche Ausschnitte auswählen und so gestalten, dass sie von den vorgesehenen Altersgruppen (z.B. Kinder- und Jugendsendungen) richtig verstanden und aufgenommen werden können. So ergeben sich wertvolle Fremd-Erfahrungen und eine wichtige Erweiterung von Kenntnissen und des Horizontes. Soziales Verhalten kann gefördert und das Mitgefühl für Mensch, Tier und Natur geweckt und verstärkt werden.
4. Ab welchem Alter ist der Umgang mit Medien sinnvoll?
Zwischen sechs und neun Monaten lernen Kinder, etwas gemeinsam mit der Mutter anzuschauen. Das Baby kann dem Blick eines anderen folgen, ab dem neunten Monat kommen Zuneigungsgesten und brabbelnde Sprache hinzu. Doch in den ersten neun Lebensmonaten den rasch wechselnden Fernsehbildern zu folgen, ist für Säuglinge sehr schwierig. Eine Untersuchung mit 1115 Kindern ergab, dass selbst Vierjährige noch große Schwierigkeiten haben, Fernsehwerbung zu verstehen. Auch ein italienischer Kurzfilm, der Kinder zeigt, die sich im Fernsehen "Dumbo, der fliegende Elefant" ansehen, offenbart eindrucksvoll, wie sehr die Bilder die Kinder faszinieren: Sie wirken vollkommen weggetreten, Inhalte werden nicht erfasst. Das lässt sich mitunter durch die Phasen der Entwicklung des Kindes erklären: Empathie entwickeln Buben und Mädchen ab dem zweiten Lebensjahr, Drei- bis Vierjährige begreifen, dass andere Menschen auch Wahrnehmungen haben, ab dem fünften Jahr erzählen Kinder komplexere Geschichten, ab zwölf Jahren schließlich ist ein umfängliches Perspektivdenken möglich. Die emotionale Kompetenz entwickelt sich bis zum Alter von sechs Jahren: Das Kind will einerseits verwöhnt und geliebt werden, andererseits aber auch selbständig sein. Eine andere Studie ergab, dass Kinder bereits mit zwei Jahren die jeweiligen Medien nach ihren Themen aussuchen: also etwa bei Eifersucht auf ein Geschwisterkind eine Geschichte, die diese Rivalität thematisiert. Kinder verfolgen ihre ureigenen Interessen, wenn sie Medien nutzen.
5. Probleme im Umgang mit Medien
Ein großes Problem im Umgang mit Medien, vor allem mit dem Computer, entsteht in dem Moment, wo das Kind droht, süchtig zu werden. Momentan kann davon ausgegangen werden, dass rund zehn Prozent der Grundschüler im Alter zwischen sechs und zehn Jahren gefährdet sind, computersüchtig zu werden. Bei den über Zehnjährigen sind es noch mehr: Rund 800 000 droht die Computerspielsucht. Unwissenheit der Eltern, Desinteresse und Überforderung - dieses Phänomen gab es früher sicher auch schon, kann aber heute sehr viel dramatischere Folgen haben. Wenn Kinder und Jugendliche täglich viele Stunden vor dem Computer verbringen, verändert das nicht nur ihre Wahrnehmung, ihr Raum- und Zeitempfinden, ihre Gefühlswelt und ihre Fähigkeit, sich im realen Leben zurechtzufinden, es verändert auch ihr Gehirn. Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie an der Universität Göttingen und Mitverfasser des Buches "Computersüchtig" , schildert das Problem folgendermaßen: "Der Umschlagpunkt ist erreicht, wenn die Betreffenden sich in ihren virtuellen Welten wohler fühlen als im wahren Leben.“ Das Hirn giere nach Reizen und passe sich an die in Computerspielen gestellten Aufgaben und Belohnungen an, es verändere sich nachweislich. Nach Ansicht des Neurobiologen kommt es durch ausgiebiges Computerspielen zur Bildung von zunächst dünnen Verbindungswegen im Gehirn, die durch intensive Nutzung immer dicker werden. Wie bei einem Abhängigen hätten Betroffene, kaum sähen sie einen Computer, das Bedürfnis, sich davor zu setzen. Studien zeigen, dass Computerspiele süchtig machen können und die gleichen Hirnreaktionen auslösen wie der Konsum von Alkohol oder Cannabis. Deshalb müssten Jugendliche bei Computerspielen das rechte Maß lernen, wie bei anderen Dingen auch. Doch das könnte schwierig werden: Fernsehen und Videos schauen, Spiele am Computer und an Konsolen - das gehört bereits bei Grundschülern zum Alltag. Die Empfehlung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung lautet: Kinder im Vorschulalter sollen nicht länger als 30 Minuten täglich fernsehen, für Grundschulkinder sei eine Stunde akzeptabel. Aber daran halten sich die wenigsten Eltern. Doch der Hauptgrund für kindliche Entwicklungsdefizite, das zeigten alle Studien, sei nicht allein den Medien zuzuschreiben. Da muss schon mehr dazukommen: extreme schlechte familiäre Bedingungen, etwa ausgeprägtes Desinteresse der Eltern, dauernde aggressive Ehestreitigkeiten, Misshandlung und Vernachlässigung, massive Ausgrenzung in der Schule. Natürlich gibt es aber keinen verbindlichen Erziehungsplan für alle. So variieren Kinder mit sieben in ihrer Entwicklung auf einer Skala zwischen fünfeinhalb und achteinhalb Jahren. Entsprechend muss man auf jedes einzelne Kind eingehen. Wie aber können Eltern und Lehrer Kindern helfen, sich verantwortungsvoll mit Medien auseinanderzusetzen? Familien, die miteinander sprechen, während sie zusammen fernsehen, oder die sich über ein Buch unterhalten, das alle Familienmitglieder gelesen haben, entwickeln ein gemeinsames Verständnis der Mediengeschichte. Durch Gespräche mit anderen Menschen über Medieninhalte kann man neue, oft auch tiefer gehende Aspekte an vertrauten Geschichten entdecken. Man erkennt, dass es auch andere Lesarten als die eigene gibt. Kinder profitieren besonders viel von diesen informellen Unterhaltungen, wenn sie nicht mit einem pädagogisch erhobenen Zeigefinger, sondern aus Interesse an der ganz persönlichen Erfahrung des anderen Familienmitglieds erfolgen. Eine andere Form, gemeinsame Erfahrungen im Umgang mit Medien zu machen, stellt z.B. die aktive Medienarbeit dar, wie sie manche Schulen oder Jugendzentren anbieten.
6. Schluss
Aufgrund der Ergebnisse der psychologischen Forschung lässt sich auf die Frage, ob Medien die Persönlichkeitsentwicklung von Kinderbeeinträchtigen oder fördern, nicht klar und eindeutig beantworten. Die Aussage, dass positive Medieninhalte positive Wirkung und negative Medieninhalte negative Wirkung haben, ist zu einfach und reicht nicht aus, um die vielen verschiedenen Zusammenhänge erklären zu können. Medien sind nur ein Einflussfaktor, sie sind nur ein Teil dessen, was Kinder prägt und in ihrer Entwicklung hemmt oder fördert. Neben dem Inhalt, der Häufigkeit und den Gestaltungsmitteln der Medien spielen noch der Erfahrungshintergrund, der Entwicklungsstand und die Nutzungsbedürfnisse unserer Kinder eine Rolle. Wie Medien auf sie einwirken, hängt vor allem davon ab, in welchem familiären Umfeld sie benutzt werden. Das Denken, Fühlen und Handeln von Kindern wird in erster Linie durch ihre Eltern und Geschwister beeinflusst, dann erst durch Medien. Diese verstärken meist nur die Verhaltensmuster, die sie von nahe stehenden Mitmenschen übernehmen.
Und es kann nicht richtig sein, Medien oder auch Computerspiele zu „verteufeln“ und sie zum Sündenbock für Versäumnisse zu machen. Denn sie bieten den Kindern Spiegel- und Identifikationsmöglichkeiten an. Indem sie sich mit Mediengeschichten befassen, entwickeln sie Strategien zur Bewältigung ihrer Ängste, Sorgen und Probleme. So können Medien Hilfsmittel sein, die unseren Kindern in ihrem Leben weiterhelfen.
Die Medien können ihren Einfluss nur in dem Maße entfalten, wie Eltern, aber auch Kinder dies zulassen. Dass bedeutet für Eltern, Güte und Nutzen der Medienangebote für ihre Kinder zu beurteilen und Einfluss auf ihren Medienkonsum zu nehmen – und zwar nicht in der Form, dass nur Verbote ausgesprochen oder Einschränkungen auferlegt werden. Die Kinder sollen irgendwann in der Lage sein, Medienangebote eigenständig bewerten zu können, auszuwählen und für sich nutzen. Ihr Erwerb hängt im Wesentlichen davon ab, wie Eltern ihre Kinder beim Mediengebrauch anleiten. Sie können Einfluss nehmen, wie ihr Nachwuchs die in den Medien dargestellte Wirklichkeit in sein Denken und Fühlen einordnet. Darüber kann Kindern nachträglich bei der Verarbeitung von Medienerlebnissen geholfen. Je jünger sie sind, desto mehr sind sie bei der Mediennutzung auf Unterstützung ihrer Eltern angewiesen. Je älter sie werden, desto fähiger sollten sie sein, eigenverantwortlich mit Medien umzugehen.
Quellenverzeichnis
Baacke, Dieter (2007): Medienpädagogik. Grundlagen der Medienkommunikation. Niemeyer Verlag, Tübingen
Bergmann, Wolfgang/Hüther, Gerald (2006): "Computersüchtig. Kinder im Sog der modernen Medien". Walter Verlag, Düsseldorf
Hüther, Jürgen/Schorb Bernd (2005): Grundbegriffe Medienpädagogik. kopaed Verlag, München
Spitzer, Manfred (2005): Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft. Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart
http://www.teachsam.de/medien/mediennutzung/medien_1_3_3_1.htm (23.5.2008)
http://www.mpfs.de (26.5.2008) Link-Text