Saussure, Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 25. November 2007, 16:35 Uhr
Fragen von Simon Malzer
Frage 1
In der Darstellung der „assoziativen Beziehung“ (150) gibt Saussure einige Beispiele, in welcher Weise solche Assoziationsketten gebildet sein können: sie können nach Übereinstimmung in den Prä- oder Suffixen, nach Ähnlichkeit der Bedeutung, durch Verbindung in einem gemeinsamen Stamm, oder nach Ähnlichkeit ihrer Lautbilder gebildet sein (siehe 150). Mir stellt sich beim Nachvollzug der Auswahl dieser Beispiele die Frage, warum sie alle nach einem sie leitenden Prinzip funktionieren, d.h. alle Reihen können nach einer definierbaren Regel gebildet werde, sie unterliegen einem sie beherrschenden Grundgesetz, dass, sobald dieses verstanden ist, eine Fortsetzung einer solche Reihe, eben diesem Gesetz folgend, erlaubt. Zwar ist nicht bestimmt, welche Anzahl an Gliedern, diesem Prinzip nachkommend, gebildet werden können, aber jedes neue Glied erhält durch die leitende Regel einen Platz und seine Anfügung kann nach Einsicht der Regel rational nachvollzogen werden. Warum fehlt hier eine Assoziationsreihe die keinem reglementierenden Prinzip untersteht? Eine Reihe, welche der je eigenen Geschichte des Betroffenen entspringt und deren Nachvollzug auch mit einer genauen Kenntnis dieser faktischen Vergangenheit des Betroffenen nicht einsichtig wird; eben eine Reihe im Sinne dessen, was ich mir laienhaft unter einer freien Assoziation in der Psychoanalyse vorstelle. Gibt es einen Grund warum diese freie Assoziation in dieser Auflistung nicht auftaucht, obwohl sie beim Vernehmen eines Wortes oder bei der „Suche“ nach einem Wort auch am Werk ist? Wäre es eine Gefahr für dieses Saussursche System, wenn mit dieser freien Assoziation dem Unkontrollierten und Unkontrollierbaren Zugang verschafft würde?
Frage 2
Saussure geht in seiner Darstellung von einem schon existierenden Sprachsystem aus und kann von diesem Punkt aus erklären wie dieses funktioniert. Wie kann man sich aber die Genese dieses Systems vorstellen? Vor allem der zweiten Absatz der Seite 135 erscheint mir in diesem Zusammenhang problematisch: „Die Beliebigkeit des Zeichens läßt uns auch besser verstehen, warum nur der soziale Zustand ein sprachliches System zu schaffen vermag.“ (135) Wie geht dieses „schaffen“ eines „sprachlichen Systems“ vor sich? „Die Gesellschaft ist notwendig, um Werte aufzustellen, deren einziger Daseinsgrund auf dem Gebrauch und dem allgemeinen Einverständnis beruht.“ (135) Wie stellt die Gesellschaft Werte auf? Muss sie um derartiges leisten zu können nicht immer schon mit Sprache operieren, d.h., das sie um, wie es dieser Textabschnitt suggeriert, Werte aufzustellen, in einem auf Übereinkunft beruhenden Akt, immer schon Sprache voraussetzt. Es wird daher nicht klar wie diese sprachliche Genese vor sich geht. Auch die Ablehnung einer onomatopoetischen Erklärung der Wortentstehung („Da es kein Lautbild gibt, das besser als ein anderes dem entspricht, was es auszusagen bestimmt ist“ (141)) macht es nicht leicht eine Erklärung der Entstehung der Sprache nach diesem Modell zu denken. Und vor allem bei Worten welche eine onomatopoetische Entstehung vermuten lassen (siehe die erste Fußnote bei Kussmaul Seite 8) erscheint seine strickte Trennung des Lautbildes von der Bedeutung nicht aufschlussreich.
Frage 3
Auf Seite 134 heißt es: „Die Sprachwissenschaft arbeitet also auf dem Grenzgebiet, wo Elemente von zweierlei Naturen sich verbinden; diese Verbindug schafft eine Form, keine Substanz.“ (134) Was heißt hier Form? Was heißt Substanz? Später im Text (auf Seite 144) schreibt er jedoch: „sowie man das Zeichen als Ganzes in Betracht zieht, hat man etwas vor sich, das in seiner Art positiv ist.“ (144) Und etwas weiter unten: „Obgleich Bezeichnetes und Bezeichnung, jedes für sich genommen, lediglich differentiell und negativ sind, ist ihre Verbindung ein positives Faktum.“ (144) Unter „positives Faktum“ verstehe ich etwas auch materiell Gegebenes, sowie ich überhaupt die Zusammenführung von Bezeichnetem und Bezeichnendem im Zeichen auch als eine durchaus substanzielle Manifestation verstanden habe. Es muss auf der Ebene des Zeichens auch so etwas wie eine Substanzhaftigkeit geben und nicht nur, wie im Zitat von Seite 134, aus der Verbindung von Lautbild und Vorstellung eine Form entstehen. Vielleicht liegt in dieser Frage das Problem aber bei meinem zu kurz oder verkehrten Verständnis der Form/Substanz Unterscheidung.
--Uk 11:38, 21. Okt. 2007 (UTC)