Freiheit im Kopf? (FiK): Unterschied zwischen den Versionen
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In Libets Darstellung greifen die Auffassung, dass freie Menschen die Herrschaft über ihren Körper haben und die experimentelle Überprüfung körperlicher Abläufe ineinander. Sie ist so angesetzt, wie z.B. eine Untersuchung, ob ein Plazebo, also die ''Vorstellung'' eines wirksamen Präparates, physische Folgen haben kann. Libets Ergebnisse deuten auf einen starken Einfluss neuronaler Abläufe in diesem psychosomatischen Zusammenhang. Damit ist ein Thema angesprochen, das seit der Entstehung der neuzeitlichen Naturwissenschaft für Kontroversen sorgt: | In Libets Darstellung greifen die Auffassung, dass freie Menschen die Herrschaft über ihren Körper haben und die experimentelle Überprüfung körperlicher Abläufe ineinander. Sie ist so angesetzt, wie z.B. eine Untersuchung, ob ein Plazebo, also die ''Vorstellung'' eines wirksamen Präparates, physische Folgen haben kann. Libets Ergebnisse deuten auf einen starken Einfluss neuronaler Abläufe in diesem psychosomatischen Zusammenhang. Damit ist ein Thema angesprochen, das seit der Entstehung der neuzeitlichen Naturwissenschaft für Kontroversen sorgt: | ||
− | : Gleichzeitig geht die Mehrzahl der geistes- und sozialwissenschaftlichen Diskussionsteilnehmer davon aus, dass der Mensch in seinem Fühlen, Denken und Handeln nicht vollkommen durch seine biologische Natur einschließlich seiner Hirnvorgänge festgelegt ist, sondern dass seine Subjektivität und Intentionalität (das Handeln aus Gründen und nicht nur aus Ursachen) und auch seine Gesellschaftlichkeit die biologische Natur des Menschen transzendieren. »Der Mensch ist mehr als seine Natur und seine Hirnfunktionen!«, heißt es." (Gerhard Roth) | + | : "Gleichzeitig geht die Mehrzahl der geistes- und sozialwissenschaftlichen Diskussionsteilnehmer davon aus, dass der Mensch in seinem Fühlen, Denken und Handeln nicht vollkommen durch seine biologische Natur einschließlich seiner Hirnvorgänge festgelegt ist, sondern dass seine Subjektivität und Intentionalität (das Handeln aus Gründen und nicht nur aus Ursachen) und auch seine Gesellschaftlichkeit die biologische Natur des Menschen transzendieren. »Der Mensch ist mehr als seine Natur und seine Hirnfunktionen!«, heißt es." (Gerhard Roth) |
Angesichts dieses Problemaufrisses stehen der Philosophie mehrere Option zur Verfügung, darunter diese: | Angesichts dieses Problemaufrisses stehen der Philosophie mehrere Option zur Verfügung, darunter diese: |
Version vom 9. Mai 2007, 20:07 Uhr
Jede Wissenschaft legt ein Sachgebiet fest, auf das sich ihre Untersuchungen verpflichten. Die Philosophie kann als Darstellung und Analyse einer Dreiecksbeziehung zwischen Denk- und Handlungsweisen betrachtet werden. Anders als viele andere Disziplinen misst sie dem alltäglichen Verständnis der Welt einen hohen Stellenwert bei. Seit Sokrates nimmt sie die Meinungen des Marktplatzes ernst. Zweitens bezieht sie sich auf Spezialisierungen, die zur Präzisierung und Weiterentwicklung des Alltagsverstandes entwickelt werden. Und diese beiden Gesichtspunkte bezieht sie- drittens - auf theoretische Entwürfe, die auf allgemeinverständlichen oder technischen Vorgaben aufbauen und deren Besonderheiten in umfassendere gedankliche Orientierungen einbauen.
An der Formulierung Das Gehirn und seine Freiheit lassen sich die genannten Faktoren ablesen. Der Titel verweist auf unterschiedliche Bezugssysteme:
- Durchschnittliche Kenntnisse der menschlichen Anatomie und die Fähigkeit, verantwortlich zu handeln, gehören zur Grundausstattung aller Personen einer modernen Gesellschaft.
- In den letzten Jahren hat die Neurophysiologie Instrumente entwickelt, welche es erlauben, Hirnzustände zum Zeitpunkt bewusster Handlungen aufzuzeichnen. Dadurch können präzise Beziehungen zwischen neurologischen Abläufen und sogenannten "geistigen Zuständen" hergestellt werden. Das Bewusstsein einer freien Handlung wird mit bildgebenden Verfahren, die unter die Schädeldecke reichen, verknüpft.
- Die Hirnmessung und das Selbstverständnis vieler Menschen als freie Wesen passen nicht leicht zusammen. Es fragt sich, welche alltäglichen Annahmen und welche allgemeinen Festlegungen im Spiel sind, wenn die Abbildung nervlicher Erregungszustände als Beitrag zum Verständnis von Handlungen und Verantwortung genommen wird.
Perspektiven, die im Bereich der Überkreuzung dieser Zugangsweisen angesiedelt sind, betreffen philosophische Interessen. In den Worten Benjamin Libets, eines US-amerikanischen Neurophysiologen, ist die Problemstellung so gefasst:
- "Wie das Gehirn mit Willensakten umgeht, ist eine Frage von grundlegender Bedeutung für die Rolle des bewussten Willens und darüber hinaus für die Frage nach der Willensfreiheit. Gemeinhin nimmt man an, dass bei einem Willensakt der bewusste Wille vor oder bei Beginn der Gehirnaktivitäten erscheinen würde, die zu der Handlung führen. Wenn das richtig wäre, dann würde der Willensakt durch den bewussten Geist eingeleitet und bestimmt. Was aber, wenn das nicht der Fall wäre? Ist es möglich, dass die spezifischen Hirnaktivitäten, die zu einem Willensakt führen, vor dem bewussten Handlungswillen anfangen? Mit anderen Worten, bevor die Person sich dessen bewusst ist, dass sie eine Handlungsabsicht hat?" (Benjamin Libet)
In diesem Aufriss treten eine Anzahl von Faktoren in ein Verhältnis zueinander: ein Gehirn, der Willensakt eines bewussten Geistes (einer Person) und die Willensfreiheit. Gefragt wird, ob eine freie Handlung als Ergebnis Hirnaktivitäten auslöst, oder umgekehrt ihr Auftauchen im Bewusstsein die Folge von Hirnaktivitäten ist. Im ersten Fall stößt das Bewusstsein unsere körperlichen Aktivitäten an, im zweiten Fall ist es deren Folgeerscheinung. Im Rahmen des Körper-Geist-Dualismus hieße das, dass unsere Eigeninterpretation als ungezwungene Akteurinnen nicht zutrifft. Die Selbstwahrnehmung der Freiheit täuscht darüber hinweg, dass uns die Aktivität des Gehirns in unseren Entscheidungen zuvorkommt.
In Libets Darstellung greifen die Auffassung, dass freie Menschen die Herrschaft über ihren Körper haben und die experimentelle Überprüfung körperlicher Abläufe ineinander. Sie ist so angesetzt, wie z.B. eine Untersuchung, ob ein Plazebo, also die Vorstellung eines wirksamen Präparates, physische Folgen haben kann. Libets Ergebnisse deuten auf einen starken Einfluss neuronaler Abläufe in diesem psychosomatischen Zusammenhang. Damit ist ein Thema angesprochen, das seit der Entstehung der neuzeitlichen Naturwissenschaft für Kontroversen sorgt:
- "Gleichzeitig geht die Mehrzahl der geistes- und sozialwissenschaftlichen Diskussionsteilnehmer davon aus, dass der Mensch in seinem Fühlen, Denken und Handeln nicht vollkommen durch seine biologische Natur einschließlich seiner Hirnvorgänge festgelegt ist, sondern dass seine Subjektivität und Intentionalität (das Handeln aus Gründen und nicht nur aus Ursachen) und auch seine Gesellschaftlichkeit die biologische Natur des Menschen transzendieren. »Der Mensch ist mehr als seine Natur und seine Hirnfunktionen!«, heißt es." (Gerhard Roth)
Angesichts dieses Problemaufrisses stehen der Philosophie mehrere Option zur Verfügung, darunter diese:
- Es liegt reichhaltiges geschichtliches und systematisches Material vor, das Thema zu analysieren und in hochdifferenzierter Begrifflichkeit gegen die vergleichsweise krude Exposition der Naturwissenschaftler zu entfalten
- Philosophie kann ihre Expertise aber auch in den Dienst des Naturalismus stellen. Dann bietet sie den Wissenschaftlern theoretische Rückendeckung
- Eine Möglichkeit ist die Moderation, in diesem Fall der Versuch, zwischen den beteiligten Positionen ein Einverständnis über die jeweiligen Voraussetzungen und Engführungen herzustellen.
- Oder Philosophinnen (m/w) entwickeln aus ihrer eigenen Denktradition einen Gegenentwurf zur Intervention der Gehirnforscher (m/w)
Vom Wildwuchs zum Nutzgarten (FiK)
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Freiheit im Kopf (Seminar Hrachovec, 2006/07)
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