Projekt Bieri: Das Handwerk der Freiheit (FiK): Unterschied zwischen den Versionen

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''Man lebt nicht gut mit dem Gefühl, gerade über die wichtigsten Dinge keine Klarheit zu besitzen.
 
''Man lebt nicht gut mit dem Gefühl, gerade über die wichtigsten Dinge keine Klarheit zu besitzen.
Das ist der Grund, warum es Philosophie gibt. Sie ist der Weg und die Anstrengung, über die grundlegenden gedanklichen Dinge, die uns beschäftigen, Klarheit zu gewinnen. "Darüber kann man lange philosophieren." Eine solche Einstellung spöttischer Resignation stellt die Dinge auf den Kopf. Sie tut, als müsste es für immer willkürlich bleiben, was wir über die tiefsten Dinge, die uns beschäftigen, glauben. Als gehörte es gleichsam zur Natur dieser Dinge, dass es bei unauflösbaren Meinungsverschiedenheiten bleiben muss. Bei Licht besehen, ist das eine erstaunliche Einstellung. [...] In Wirklichkeit ist es umgekehrt: Meinungsverschiedenheiten sind nicht der Endpunkt der Philosophie, sondern ihr Anfang. Eine philosophische Beschäftigung mit einem Thema wie der Willensfreiheit bedeutet den Versuch, in der Sache eine begründete Entscheidung herbeizuführen. Und das geht.'' (S. 26)
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''Das ist der Grund, warum es Philosophie gibt. Sie ist der Weg und die Anstrengung, über die grundlegenden gedanklichen Dinge, die uns beschäftigen, Klarheit zu gewinnen. "Darüber kann man lange philosophieren." Eine solche Einstellung spöttischer Resignation stellt die Dinge auf den Kopf. Sie tut, als müsste es für immer willkürlich bleiben, was wir über die tiefsten Dinge, die uns beschäftigen, glauben. Als gehörte es gleichsam zur Natur dieser Dinge, dass es bei unauflösbaren Meinungsverschiedenheiten bleiben muss. Bei Licht besehen, ist das eine erstaunliche Einstellung. [...] In Wirklichkeit ist es umgekehrt: Meinungsverschiedenheiten sind nicht der Endpunkt der Philosophie, sondern ihr Anfang. Eine philosophische Beschäftigung mit einem Thema wie der Willensfreiheit bedeutet den Versuch, in der Sache eine begründete Entscheidung herbeizuführen. Und das geht.'''' (S. 26)
  
Unsere Idee ist die Idee einer verständlichen Welt. (S. 15) Eine andere Vorstellung der Welt können wir nicht haben.
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''Unsere Idee ist die Idee einer ''verständlichen'' Welt.'' (S. 15) Eine andere Vorstellung der Welt können wir nicht haben.
 
Phänomene zu erklären und dadurch verständlich zu machen, heißt, die Bedingungen zu entdecken, von denen sie abhängen. (S. 15)  
 
Phänomene zu erklären und dadurch verständlich zu machen, heißt, die Bedingungen zu entdecken, von denen sie abhängen. (S. 15)  
 
Unabdingbarer Zusammenhang zwischen Bedingung, Gesetzmäßigkeit und Verstehen ist grundlegend für unsere Idee einer Welt, in der wir planvoll handeln können (S. 16) und führt zu einem strikten Determinismus, ein Terminus, den Bieri in der Folge explizit vermeiden will.
 
Unabdingbarer Zusammenhang zwischen Bedingung, Gesetzmäßigkeit und Verstehen ist grundlegend für unsere Idee einer Welt, in der wir planvoll handeln können (S. 16) und führt zu einem strikten Determinismus, ein Terminus, den Bieri in der Folge explizit vermeiden will.

Version vom 27. November 2006, 17:57 Uhr

Projekt Peter Bieri, Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens, Frankfurt/M. 2003.

siehe den nicht sehr ergiebigen Wikipediaeintrag, der sich vornehmlich, aber kurz mit Bieris Romanen beschäftigt.

Peter Bieri, geb. 1944 in Bern, Schriftsteller und Philosoph. Unter dem Pseudonym Pascal Mercier veröffentlichte er die Romane „Perlmanns Schweigen" (1995), "Der Klavierstimmer" (1998), "Nachtzug nach Lissabon" (2004). Philosophische Werke: "Das Handwerk der Freiheit" (siehe oben); (Hrsg.), "Analytische Philosophie des Geistes", Königstein/Ts. 1981; (Hrsg.), "Analytische Philosophie der Erkenntnis", Frankfurt/M. 1987; „Zeit und Zeiterfahrung. Exposition eines Problembereichs, Frankfurt/M. 1972.

"Das Handwerk der Freiheit" (Kursivsetzungen sind Zitate aus diesem Buch, Originalkursivsetzungen sind ausgesetzt, um die Betonung Bieris kenntlich zu machen; Seitenangaben in Klammer jeweils den Zitaten nachfolgend):

Man lebt nicht gut mit dem Gefühl, gerade über die wichtigsten Dinge keine Klarheit zu besitzen. Das ist der Grund, warum es Philosophie gibt. Sie ist der Weg und die Anstrengung, über die grundlegenden gedanklichen Dinge, die uns beschäftigen, Klarheit zu gewinnen. "Darüber kann man lange philosophieren." Eine solche Einstellung spöttischer Resignation stellt die Dinge auf den Kopf. Sie tut, als müsste es für immer willkürlich bleiben, was wir über die tiefsten Dinge, die uns beschäftigen, glauben. Als gehörte es gleichsam zur Natur dieser Dinge, dass es bei unauflösbaren Meinungsverschiedenheiten bleiben muss. Bei Licht besehen, ist das eine erstaunliche Einstellung. [...] In Wirklichkeit ist es umgekehrt: Meinungsverschiedenheiten sind nicht der Endpunkt der Philosophie, sondern ihr Anfang. Eine philosophische Beschäftigung mit einem Thema wie der Willensfreiheit bedeutet den Versuch, in der Sache eine begründete Entscheidung herbeizuführen. Und das geht.'' (S. 26)

Unsere Idee ist die Idee einer verständlichen Welt. (S. 15) Eine andere Vorstellung der Welt können wir nicht haben. Phänomene zu erklären und dadurch verständlich zu machen, heißt, die Bedingungen zu entdecken, von denen sie abhängen. (S. 15) Unabdingbarer Zusammenhang zwischen Bedingung, Gesetzmäßigkeit und Verstehen ist grundlegend für unsere Idee einer Welt, in der wir planvoll handeln können (S. 16) und führt zu einem strikten Determinismus, ein Terminus, den Bieri in der Folge explizit vermeiden will. In Bezug auf die Bedingtheit menschlicher Handlungen (als Teil der Natur) verwendet Bieri das Beispiel Raskolnikovs aus Dostojewskis "Verbrechen und Strafe" (er meint damit wohl "Schuld und Sühne"), das er im gesamten Buch immer wieder heranzieht. Bieri beschreibt Raskolnikovs Motive für seinen Raubmord, jedoch führen diese nicht notwendig zur Tat. Ohne die Armut etc. hätte er die Pfandleiherin vielleicht nicht ermordet, jedoch auch in Armut waren ihm viele andere Wege offen. Nicht gesetzmäßig führte Raskolnikovs Armut zum Mord. [...] es macht unsere Freiheit aus, dass wir in ganz unterschiedliche Richtungen gehen können. [...] Wir können überlegen, bevor wir etwas tun, und in diesem Überlegen zeigt sich ein Spielraum verschiedener Möglichkeiten, zwischen denen wir wählen können. (S. 19) Hier sind wir der Gegenwart und Zukunft zugewandt. In der Innenperspektive, auch sich selbst zugewandt, ist es unmöglich, sich nicht frei zu denken. Freiheit wird erfahren. Und so gilt auch für die Vergangenheit: Ich hätte auch anders handeln können. Ich hatte die Wahl und die Freiheit der Entscheidung. (S. 20) So sehen wir auch die anderen Menschen und ziehen sie für ihre Taten zur Verantwortung. Freiheit und Verantwortung sind unabdingbar miteinander verbunden, so wie Empfindungen wie Reue, Groll, (moralische) Entrüstung. Idee einer verständlichen, bedingten, gesetzmäßigen Welt – Freiheitserfahrung, Wahl-, Entscheidungsmöglichkeit, Verantwortung / Bedingtheit – Freiheit: Obwohl sie sich widersprechen, brauchen wir beide, um uns und unsere Stellung in der Welt zu artikulieren. (S. 22) Jedoch kann man nicht von etwas und gleichzeitig seinem Gegenteil überzeugt sein; ist unser Handeln vollkommen frei (von festlegenden Bedingungen), dann ist es auch vollkommen zufällig, unbegründet, und deshalb auch unverständlich. Handlungen werden aus den Motiven, die zu ihnen führen, verständlich, das wäre aber festgelegtes Handeln und damit nicht frei. Bieri setzt hier Motive und Bedingungen, die gesetzmäßig zu etwas führen, gleich. Handeln und Wille unterliegen derselben Argumentation.

Bieris Buch ist in drei Hauptteile gegliedert: Bedingte Freiheit – Unbedingte Freiheit – Angeeignete Freiheit.

Bieri versucht durch die Distanz der Sprache ein distanzierteres Verhältnis zum Problem zu gewinnen, er thematisiert die Ideen und Begriffe, die sich durch Worte erschließen und dadurch auch für andere überprüfbar machen, was grundlegend für die Philosophie ist. Am Anfang einer philosophischen Betrachtung von Wörtern steht [...] eine Verfremdung der Wörter. (S. 30)

Was ist die Idee einer Handlung? Innere Erfahrung (Spüren) einer Bewegung. Nicht jede Erfahrung mit einer Innenseite ist eine Handlung. (S. 31) Der Unterschied zwischen dem Heben und dem bloßen Hochgehen des Arms ist der Unterschied zwischen einer Bewegung, die wir in Gang setzen und vollziehen, und einer, die wir bloß erleiden, weil sie uns nur zustößt und also nur geschieht. (S. 31) (aktive – passive Bewegung / Tun – Erleiden). Raskolnikov ist Täter = Urheber seiner Tat ( Marionette, EpileptikerIn). Erleben der Bewegung als Ausdruck des Willens, besondere innere Nähe zum Tun. Handlung-Urheberschaft-Wille -> Sinn, Verständlichkeit. Zudem muss eine Handlung als eine Möglichkeit unter anderen erfahren werden (Erlebnis des Führens). -> elementare Erfahrung von Freiheit. Eine Bewegung von jemandem ist dann und nur dann eine Handlung, wenn der Betreffende ihr Urheber ist. Er ist dann und nur dann ihr Urheber, wenn der Bewegung ein Wille zugrunde liegt. Dann und nur dann hat die Bewegung Sinn. Erlebte Urheberschaft ist erlebte Bedingtheit durch einen Willen. (S. 35) Wo es keinen bestimmenden Willen gibt, kann von Freiheit nicht die Rede sein. (S. 36)

Was ist die Idee eines Willens? Wunsch – Wille: Ein Wunsch muss uns in Bewegung setzen, um ein Wille zu werden, muss handlungswirksam werden. (S. 37) Hinzukommen Überlegungen zur Wahl der Mittel zur Erreichung eines Gewollten, planender Verstand (der bloße Wunsch braucht das nicht). Bereitschaft zur Handlung. Wunsch-Überzeugung-Überlegung-Bereitschaft. [entspricht der Kantischen Differenzierung von Wunsch-Wille] Grenzen des Willens: Äußere Umstände (Unmöglichkeit), persönliche Fähigkeiten (Wollen hat mit Können zu tun), S. 39. Wollen muss nicht zu Tun führen: Unterlassung. Der Wille ist auch hier ein Wunsch, der gegenüber anderen, gegenläufigen Wünschen die Oberhand behält. (S. 41) Wille zum Tun, Wille zum Werden (sich zu etwas machen). Schließlich kann man auch wollen, dass etwas der Fall wird oder der Fall bleibt. (S. 41) Auch hier ist der Unterschied zum bloßen Wunsch: Herbeisehnen – Versuch herbeizuführen.






Diese Seite steht im Kontext von Freiheit im Kopf (Seminar Hrachovec, 2006/07)