Negationsformen (T): Unterschied zwischen den Versionen

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(Die Hasenente)
 
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=== Oppositionen ===
 
=== Oppositionen ===
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Wichtig zur Analyse von Konflikten ist die Beobachtung, dass wir das Wörtchen "nicht" (das Negationszeichen) unterschiedlich verwenden. Zwischen folgenden drei Gebrauchsweisen bestehen signifikante Unterschiede:
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* die Negation als Operator in einem bipolaren Zusammenhang
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* als ''Verwerfung'' eines bipolaren Zusammenhangs
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* und "überladen": als Vehikel des bipolaren ''und'' trans-polaren Umschaltens (im Unterschied  zu: "hat damit nichts zu tun")
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Es gibt Konflikte
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* weil die Rechnung nicht bezahlt ist: Eintrittsgeld
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* weil etwas als verrechenbar betrachtet wird: Kirchenmusik
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* weil (Nicht-)Bezahlung mit Unbezahlbarkeit kollidiert: Eintrittsgeld für Kirchen
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Eine Typologie von Konflikten könnte so aussehen
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|'''ja/nein'''
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|Sachkonflikt, einfache Opposition
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|'''ja/aber'''
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|Sachkonflikt, Sachdivergenz
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|---- bgcolor=#CCCCCC
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|'''ja/und'''
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|sachliche Einigung, Erweiterung
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|---- bgcolor=#CCCCCC
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|'''ja-nein/und'''
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|Ergänzung auf unentschiedener Sachbasis (Tractatus)
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|---- bgcolor=#CCCCCC
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|'''ja/ja'''
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|zwei aufeinander unbezogene Positionen (aneinander vorbei)
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|}
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=== Klare Verhältnisse in Wittgensteins "Tractatus" ===
 
=== Klare Verhältnisse in Wittgensteins "Tractatus" ===
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Der Tractatus legt eine einzige, alle Sprachausdrücke reglementierende Logik der Weltbeschreibung fest. Sie beruht auf Elementarsätzen, welche die Welt abbilden. Zwei Eigenschaften sind dabei hervorzuheben:
 
Der Tractatus legt eine einzige, alle Sprachausdrücke reglementierende Logik der Weltbeschreibung fest. Sie beruht auf Elementarsätzen, welche die Welt abbilden. Zwei Eigenschaften sind dabei hervorzuheben:
  
# Jedes Bild ist auf wahr oder falsch festgelegt
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* Jedes Bild ist auf wahr oder falsch festgelegt
# Die Bilder sind voneinander unabhängig
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* Die Bilder sind voneinander unabhängig
  
 
::4.21 Der einfachste Satz, der Elementarsatz, behauptet das Bestehen eines Sachverhaltes.
 
::4.21 Der einfachste Satz, der Elementarsatz, behauptet das Bestehen eines Sachverhaltes.
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::Es ist nämlich schwer das was nicht der Fall ist nicht zu verwechseln mit dem was stattdessen der Fall ist. (Tagebuch 25.11.1914)
 
::Es ist nämlich schwer das was nicht der Fall ist nicht zu verwechseln mit dem was stattdessen der Fall ist. (Tagebuch 25.11.1914)
  
Eine genauere Darstellung findet sich in dieser [http://ilias3.philo.at/content/lm_presentation.php?ref_id=176 Lerneinheit zu Wittgensteins Bildbegriff].
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Eine genauere Darstellung findet sich in einer [http://ilias3.philo.at/ Lerneinheit zu Wittgensteins Bildbegriff].
 
 
  
 
=== Es ist komplizierter ===
 
=== Es ist komplizierter ===
  
In meiner alten Auffassung der Elementarsätze gab es keine Bestimmung des Wertes einer Koordinate; obwohl meine Bemerkung daß ein farbiger Körper in einem Farbenraum ist etc. mich direkt hätte dahin bringen können.
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Wittgensteins Auffassung im Tractatus sieht ausschließlich bipolare Negationen vor. Der nächste Schritt ist seine Entdeckung der Negation in einem Kontinuum. "Schwarz/Weiss" funktioniert unter den passenden Annahmen bipolar, wie verhält es sich aber mit "Grün/Blau"? Grün ''ist nicht'' blau, aber damit wird ein internes Verhältnis zwischen Positionen im Farbraum angesprochen. Grün ist ''anders'' nicht-blau als es nicht 10 Meter hoch ist.
  
Eine Koordinate der Wirklichkeit darf nur einmal bestimmt werden.
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::In meiner alten Auffassung der Elementarsätze gab es keine Bestimmung des Wertes einer Koordinate; obwohl meine Bemerkung daß ein farbiger Körper in einem Farbenraum ist etc. mich direkt hätte dahin bringen können.
  
2.1. Wenn ich den allgemeinen Standpunkt darstellen wollte, würde ich sagen: "Man darf eben über eine Sache nicht einmal das eine und einmal das andere sagen". Diese Sache aber wäre die Koordinate der ich einen Wert geben kann und nicht mehr.
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::Eine Koordinate der Wirklichkeit darf nur einmal bestimmt werden.
  
Es stellt die Sache falsch dar wenn man sagt man dürfe einem Gegenstand nicht zwei Attribute beilegen die miteinander unvereinbar sind. Denn so scheint es, als müsse man in jedem Falle erst untersuchen ob zwei Bestimmungen mit einander vereinbar seien oder nicht. Die Wahrheit ist (eben) daß zwei Bestimmungen derselben Art, [ich sollte hier ein gebräuchliches Wort setzen] unmöglich sind.
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::Wenn ich den allgemeinen Standpunkt darstellen wollte, würde ich sagen: "Man darf eben über eine Sache nicht einmal das eine und einmal das andere sagen". Diese Sache aber wäre die Koordinate der ich einen Wert geben kann und nicht mehr.
  
Unsere Erkenntnis ist eben, daß wir es mit Maßstäben und nicht quasi mit isolierten Teilstrichen zu tun haben.
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::Es stellt die Sache falsch dar wenn man sagt man dürfe einem Gegenstand nicht zwei Attribute beilegen die miteinander unvereinbar sind. Denn so scheint es, als müsse man in jedem Falle erst untersuchen ob zwei Bestimmungen mit einander vereinbar seien oder nicht. Die Wahrheit ist (eben) daß zwei Bestimmungen derselben Art, [ich sollte hier ein gebräuchliches Wort setzen] unmöglich sind.
  
Jede Aussage bestünde dann gleichsam im Einstellen einer Anzahl von Maßstäben und das
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::Unsere Erkenntnis ist eben, daß wir es mit Maßstäben und nicht quasi mit isolierten Teilstrichen zu tun haben.
  
Einstellen eines Maßstabes auf zwei Teilstriche ist unmöglich.
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::Jede Aussage bestünde dann gleichsam im Einstellen einer Anzahl von Maßstäben und das Einstellen eines Maßstabes auf zwei Teilstriche ist unmöglich.
  
 
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Das wäre z.B. die Angabe daß ein farbiger Kreis von der Farbe NN und dem Radius ... an der Stelle ... liegt. Man könnte an die Signale im Schiff denken "Stop, volle Fahrt etc."
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::Das wäre z.B. die Angabe daß ein farbiger Kreis von der Farbe NN und dem Radius ... an der Stelle ... liegt. Man könnte an die Signale im Schiff denken "Stop, volle Fahrt etc."
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::Es müssen übrigens nicht Maßstäbe sein denn eine Scheibe mit den Signalen "frei" und "besetzt" kann man keinen Maßstab nennen. Es kann auch eine Scheibe sein halb schwarz halb weiß.
  
Es müssen übrigens nicht Maßstäbe sein denn eine Scheibe mit den Signalen "frei" und "besetzt" kann man keinen Maßstab nennen. Es kann auch eine Scheibe sein halb schwarz halb weiß.
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::Was nicht so sein kann, kann anders sein. ((?))
  
Was nicht so sein kann, kann anders sein. ((?))
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::Auch Sätze die durch "und" mit einander verbunden sind schließen sich innerlich zusammen.
  
Auch Sätze die durch "und" mit einander verbunden sind schließen sich innerlich zusammen.
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::Daß alle Sätze die Zeit in irgend einer Weise enthalten scheint uns zufällig im Vergleich dazu daß auf alle Sätze die Wahrheitsfunktionen anwendbar sind.
  
Daß alle Sätze die Zeit in irgend einer Weise enthalten scheint uns zufällig im Vergleich dazu daß auf alle Sätze die Wahrheitsfunktionen anwendbar sind.
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::Das scheint mit ihrem Wesen als Sätzen zusammenzuhängen das andere mit dem Wesen der vorgefundenen Realität.
  
Das scheint mit ihrem Wesen als Sätzen zusammenzuhängen das andere mit dem Wesen der vorgefundenen Realität.
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::Wahr-Falsch und die Wahrheitsfunktionen hängen mit der Darstellung der Wirklichkeit durch Sätze zusammen. Wenn einer sagte: ja woher weißt Du daß die ganze Wirklichkeit durch Sätze darstellbar ist so ist die Antwort: Ich weiß nur daß sie durch Sätze darstellbar ist soweit sie durch Sätze darstellbar ist und eine Grenze ziehen zwischen einem Teil der und einem Teil der nicht so darstellbar ist kann ich in der Sprache nicht. Sprache heißt die Gesamtheit der Sätze.
  
Wahr-Falsch und die Wahrheitsfunktionen hängen mit der Darstellung der Wirklichkeit durch Sätze zusammen. Wenn einer sagte:
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::Man könnte sagen: Satz ist das worauf sich die Wahrheitsfunktionen anwenden lassen. Die Wahrheitsfunktionen sind der Sprache wesentlich. (MS 108, 53. 1929)
  
ja woher weißt Du daß die ganze Wirklichkeit durch Sätze darstellbar ist so ist die Antwort: Ich weiß nur daß sie durch Sätze darstellbar ist soweit sie durch Sätze darstellbar ist und eine Grenze ziehen zwischen einem Teil der und einem Teil der nicht so darstellbar ist kann ich in der Sprache nicht. Sprache heißt die Gesamtheit der Sätze.
 
  
Man könnte sagen: Satz ist das worauf sich die Wahrheitsfunktionen anwenden lassen.  Die Wahrheitsfunktionen sind der Sprache wesentlich. (MS 108, 53)
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=== Die Hasen-Ente ===
  
=== Die Hasenente ===
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Ein gutes Beispiel für unterschiedliche Sichtweisen, die einander ausschließen, überlagern oder gar nicht berühren können, ist eine Figur, die Wittgenstein öfters beschäftigte:
  
  
 
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Die Analyse dieser Graphik muss mit mehreren Schichten operieren.
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# "Die Skizze stellt einen Hasen dar."
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# "Die Skizze stellt eine Ente dar."
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# "Das ist ein Autograph Ludwig Wittgensteins."
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In welchem (Negations-)Verhältnis stehen diese Behauptungen zueinander? Handelt es sich um Sätze im bipolaren Gebrauch? Dann würden sie einander wie "bezahlt" und "nicht bezahlt" ausschließen. Aber eine Ente ist als Nicht-Hase höchst uninformativ beschrieben. Sie ist eine andere Position im Spektrum der Tierwelt. Die Ente ist "jenseits der Hasensicht". Allerdings nicht ''so'' weit entfernt, wie die Bemerkung (3). Zwischen (1) und (3) besteht kein Widerspruch, wohl aber zwischen (1) und (2). In diesen zwei Sätzen artikuliert sich ein Sachkonflikt.
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Das Beispiel zeigt, wie die bipolare und die "kategoriale" Negation funktionieren. Entsprechend können Auseinandersetzungen verlaufen:
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* "Das ist ein Hase."
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** NEIN, eine Ente.
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** JA, aber es ist auch eine Ente.
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** NEIN, ein Kaninchen und auch eine Ente
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** "Das ist ein Hase und eine Ente"
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Ein wichtiger Zug in diesen Szenarios ist die Einigung auf eine methodische Trennung: auf der einen Seite eine Linie, auf der anderen verschiedene Sichtweisen. (Das verläuft analog zu Lessings Natur- und Offenbarungsreligion.) So kann man Ordnung in die Negationsverläufe bringen. Einverständnis herrscht darüber, dass eine Linie vorgegeben ist, Divergenz besteht in der jeweiligen Sichtweise, aber die Widersprüche sind überschaubar. Die Wahrheitsansprüche können miteinander koexistieren.
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Diese Lösung funktioniert deshalb, weil die Meta-Betrachtung die sachliche Auseinandersetzung überhaupt nicht betrifft und von den beiden Parteien ohne Präjudiz anerkannt werden kann. Sie passt nicht auf den Fall, in dem jemand sagen würde "Hier ist ein Säugetier." Darauf könnten sich die Kontrahenten ''nicht'' einigen. Fazit: der Preis der Problemlösung durch den Wechsel der Sprachebene besteht darin, Wahrheitsansprüche zu suspendieren. Dabei wird ein bemerkenswerter Effekt verfehlt. Es verschwindet die Handhabe zur Frage, inwiefern ''beide'' Betrachtungsweisen wahr sind.
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=== Werbung und  Altarbild ===
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Über Hasen- und Entenbilder wird kaum ein Prozess geführt werden. Näher am Tagesgeschehen ist ein Plakat der Firma Girbaud, das  [http://www.news.ch/Letztes+Abendmahl+mit+Frauen+verboten/208425/detail.htm den Justizapparat beschäftigt hat]. Formal verläuft die Rezeption nach dem oben diskutierten Muster. Die Darstellung kann eine Reklame oder die Nachstellung eines klassischen Gemäldes sein. In diesem Fall koexistieren die Positionen aber nicht so friedlich. Die Wahrheitsansprüche stehen in einem öffentlich-rechtlichen Kontext. 
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[http://www.news.ch/Letztes+Abendmahl+mit+Frauen+verboten/208425/detail.htm Meldung]
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<center>[[Bild:girbaud_abendmahl.jpg|none|]]</center>
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<center>[[Bild:haderer_abendmahl.jpg|none|]]</center>
  
  
<center>[[Bild:15_Abendmahl.jpg|thumb|280px|none|]]</center>
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"Einigen wir uns darauf, dass in diesem Bild 12 Personen auftreten." Das geht am Thema vorbei. "''Ist'' das ein Letztes Abendmahl?"  "Wenn Du es so sehen willst." Hier bleibt der Konflikt ungelöst '''und das bezeichnet genau die Stelle der Toleranz'''. Zwei Behauptungen widersprechen einander kategorial, Sie teilen einen ''inhaltlichen'' Bezugspunkt, nämlich den Bildaufbau, der ein Sujet festlegt. Und sie kommen nicht darin überein, wie die Umsetzung des Sujets zu beurteilen ist.
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The issue is again to simple why does it always have to be in a linear concept? and either or Issue? I would think all this in a more disscursive possibility. At one point in time it is das letzte abendmal, at another point in time it is friends arround a table, perhaps even my friends. We have been trained for too long to always think in dual linear concepts, but the world is not linear, things exist in a multitude of different possibilities, and we have to start thinking in different patterns.Also we have to get rid of the idea that anything or anybody has "the Truth" it simply does not exist. This is also only something connected to a particular time space period.Again it is a matter of intelligence, and creativity, if I can think things in an unusual pattern form or entertain other possibilities other than the ones I am used to, and trained to see. If people would not be able to do that, then there would be no progress in any field what so ever.(Hadas)
  
 
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Aktuelle Version vom 19. Juli 2006, 16:26 Uhr

Oppositionen

Wichtig zur Analyse von Konflikten ist die Beobachtung, dass wir das Wörtchen "nicht" (das Negationszeichen) unterschiedlich verwenden. Zwischen folgenden drei Gebrauchsweisen bestehen signifikante Unterschiede:

  • die Negation als Operator in einem bipolaren Zusammenhang
  • als Verwerfung eines bipolaren Zusammenhangs
  • und "überladen": als Vehikel des bipolaren und trans-polaren Umschaltens (im Unterschied zu: "hat damit nichts zu tun")


Bezahlt.png


Es gibt Konflikte

  • weil die Rechnung nicht bezahlt ist: Eintrittsgeld
  • weil etwas als verrechenbar betrachtet wird: Kirchenmusik
  • weil (Nicht-)Bezahlung mit Unbezahlbarkeit kollidiert: Eintrittsgeld für Kirchen

Eine Typologie von Konflikten könnte so aussehen


ja/nein Sachkonflikt, einfache Opposition
ja/aber Sachkonflikt, Sachdivergenz
ja/und sachliche Einigung, Erweiterung
ja-nein/und Ergänzung auf unentschiedener Sachbasis (Tractatus)
ja/ja zwei aufeinander unbezogene Positionen (aneinander vorbei)


Klare Verhältnisse in Wittgensteins "Tractatus"

Der Tractatus legt eine einzige, alle Sprachausdrücke reglementierende Logik der Weltbeschreibung fest. Sie beruht auf Elementarsätzen, welche die Welt abbilden. Zwei Eigenschaften sind dabei hervorzuheben:

  • Jedes Bild ist auf wahr oder falsch festgelegt
  • Die Bilder sind voneinander unabhängig
4.21 Der einfachste Satz, der Elementarsatz, behauptet das Bestehen eines Sachverhaltes.
4.211 Ein Zeichen des Elementarsatzes ist es, daß kein Elementarsatz mit ihm in Widerspruch stehen kann.
4.22 Der Elementarsatz besteht aus Namen. Er ist ein Zusammenhang, eine Verkettung, von Namen.
4.221 Es ist offenbar, daß wir bei der Analyse der Sätze auf Elementarsätze kommen müssen, die aus Namen in unmittelbarer Verbindung bestehen.

...

5.134 Aus einem Elementarsatz läßt sich kein anderer folgern.
5.135 Auf keine Weise kann aus dem Bestehen irgend einer Sachlage, auf das Bestehen einer, von ihr gänzlich verschiedenen Sachlage geschlossen werden.

Damit sind die grundlegenden Sinn-Einheiten der Kommunikation nach innen dualistisch verfasst und extern voneinander isoliert. Einem positiv/negativ-Verhältnis steht ein Alteritäts-Verhältnis gegenüber.

Es ist nämlich schwer das was nicht der Fall ist nicht zu verwechseln mit dem was stattdessen der Fall ist. (Tagebuch 25.11.1914)

Eine genauere Darstellung findet sich in einer Lerneinheit zu Wittgensteins Bildbegriff.

Es ist komplizierter

Wittgensteins Auffassung im Tractatus sieht ausschließlich bipolare Negationen vor. Der nächste Schritt ist seine Entdeckung der Negation in einem Kontinuum. "Schwarz/Weiss" funktioniert unter den passenden Annahmen bipolar, wie verhält es sich aber mit "Grün/Blau"? Grün ist nicht blau, aber damit wird ein internes Verhältnis zwischen Positionen im Farbraum angesprochen. Grün ist anders nicht-blau als es nicht 10 Meter hoch ist.

In meiner alten Auffassung der Elementarsätze gab es keine Bestimmung des Wertes einer Koordinate; obwohl meine Bemerkung daß ein farbiger Körper in einem Farbenraum ist etc. mich direkt hätte dahin bringen können.
Eine Koordinate der Wirklichkeit darf nur einmal bestimmt werden.
Wenn ich den allgemeinen Standpunkt darstellen wollte, würde ich sagen: "Man darf eben über eine Sache nicht einmal das eine und einmal das andere sagen". Diese Sache aber wäre die Koordinate der ich einen Wert geben kann und nicht mehr.
Es stellt die Sache falsch dar wenn man sagt man dürfe einem Gegenstand nicht zwei Attribute beilegen die miteinander unvereinbar sind. Denn so scheint es, als müsse man in jedem Falle erst untersuchen ob zwei Bestimmungen mit einander vereinbar seien oder nicht. Die Wahrheit ist (eben) daß zwei Bestimmungen derselben Art, [ich sollte hier ein gebräuchliches Wort setzen] unmöglich sind.
Unsere Erkenntnis ist eben, daß wir es mit Maßstäben und nicht quasi mit isolierten Teilstrichen zu tun haben.
Jede Aussage bestünde dann gleichsam im Einstellen einer Anzahl von Maßstäben und das Einstellen eines Maßstabes auf zwei Teilstriche ist unmöglich.
Slides.png
Das wäre z.B. die Angabe daß ein farbiger Kreis von der Farbe NN und dem Radius ... an der Stelle ... liegt. Man könnte an die Signale im Schiff denken "Stop, volle Fahrt etc."
Es müssen übrigens nicht Maßstäbe sein denn eine Scheibe mit den Signalen "frei" und "besetzt" kann man keinen Maßstab nennen. Es kann auch eine Scheibe sein halb schwarz halb weiß.
Was nicht so sein kann, kann anders sein. ((?))
Auch Sätze die durch "und" mit einander verbunden sind schließen sich innerlich zusammen.
Daß alle Sätze die Zeit in irgend einer Weise enthalten scheint uns zufällig im Vergleich dazu daß auf alle Sätze die Wahrheitsfunktionen anwendbar sind.
Das scheint mit ihrem Wesen als Sätzen zusammenzuhängen das andere mit dem Wesen der vorgefundenen Realität.
Wahr-Falsch und die Wahrheitsfunktionen hängen mit der Darstellung der Wirklichkeit durch Sätze zusammen. Wenn einer sagte: ja woher weißt Du daß die ganze Wirklichkeit durch Sätze darstellbar ist so ist die Antwort: Ich weiß nur daß sie durch Sätze darstellbar ist soweit sie durch Sätze darstellbar ist und eine Grenze ziehen zwischen einem Teil der und einem Teil der nicht so darstellbar ist kann ich in der Sprache nicht. Sprache heißt die Gesamtheit der Sätze.
Man könnte sagen: Satz ist das worauf sich die Wahrheitsfunktionen anwenden lassen. Die Wahrheitsfunktionen sind der Sprache wesentlich. (MS 108, 53. 1929)


Die Hasen-Ente

Ein gutes Beispiel für unterschiedliche Sichtweisen, die einander ausschließen, überlagern oder gar nicht berühren können, ist eine Figur, die Wittgenstein öfters beschäftigte:


DuckRabbit.png

Die Analyse dieser Graphik muss mit mehreren Schichten operieren.

  1. "Die Skizze stellt einen Hasen dar."
  2. "Die Skizze stellt eine Ente dar."
  3. "Das ist ein Autograph Ludwig Wittgensteins."

In welchem (Negations-)Verhältnis stehen diese Behauptungen zueinander? Handelt es sich um Sätze im bipolaren Gebrauch? Dann würden sie einander wie "bezahlt" und "nicht bezahlt" ausschließen. Aber eine Ente ist als Nicht-Hase höchst uninformativ beschrieben. Sie ist eine andere Position im Spektrum der Tierwelt. Die Ente ist "jenseits der Hasensicht". Allerdings nicht so weit entfernt, wie die Bemerkung (3). Zwischen (1) und (3) besteht kein Widerspruch, wohl aber zwischen (1) und (2). In diesen zwei Sätzen artikuliert sich ein Sachkonflikt.

Das Beispiel zeigt, wie die bipolare und die "kategoriale" Negation funktionieren. Entsprechend können Auseinandersetzungen verlaufen:

  • "Das ist ein Hase."
    • NEIN, eine Ente.
    • JA, aber es ist auch eine Ente.
    • NEIN, ein Kaninchen und auch eine Ente
    • "Das ist ein Hase und eine Ente"

Ein wichtiger Zug in diesen Szenarios ist die Einigung auf eine methodische Trennung: auf der einen Seite eine Linie, auf der anderen verschiedene Sichtweisen. (Das verläuft analog zu Lessings Natur- und Offenbarungsreligion.) So kann man Ordnung in die Negationsverläufe bringen. Einverständnis herrscht darüber, dass eine Linie vorgegeben ist, Divergenz besteht in der jeweiligen Sichtweise, aber die Widersprüche sind überschaubar. Die Wahrheitsansprüche können miteinander koexistieren.

Diese Lösung funktioniert deshalb, weil die Meta-Betrachtung die sachliche Auseinandersetzung überhaupt nicht betrifft und von den beiden Parteien ohne Präjudiz anerkannt werden kann. Sie passt nicht auf den Fall, in dem jemand sagen würde "Hier ist ein Säugetier." Darauf könnten sich die Kontrahenten nicht einigen. Fazit: der Preis der Problemlösung durch den Wechsel der Sprachebene besteht darin, Wahrheitsansprüche zu suspendieren. Dabei wird ein bemerkenswerter Effekt verfehlt. Es verschwindet die Handhabe zur Frage, inwiefern beide Betrachtungsweisen wahr sind.


Werbung und Altarbild

Über Hasen- und Entenbilder wird kaum ein Prozess geführt werden. Näher am Tagesgeschehen ist ein Plakat der Firma Girbaud, das den Justizapparat beschäftigt hat. Formal verläuft die Rezeption nach dem oben diskutierten Muster. Die Darstellung kann eine Reklame oder die Nachstellung eines klassischen Gemäldes sein. In diesem Fall koexistieren die Positionen aber nicht so friedlich. Die Wahrheitsansprüche stehen in einem öffentlich-rechtlichen Kontext.


Girbaud.jpg



Haderer abendmahl.jpg


"Einigen wir uns darauf, dass in diesem Bild 12 Personen auftreten." Das geht am Thema vorbei. "Ist das ein Letztes Abendmahl?" "Wenn Du es so sehen willst." Hier bleibt der Konflikt ungelöst und das bezeichnet genau die Stelle der Toleranz. Zwei Behauptungen widersprechen einander kategorial, Sie teilen einen inhaltlichen Bezugspunkt, nämlich den Bildaufbau, der ein Sujet festlegt. Und sie kommen nicht darin überein, wie die Umsetzung des Sujets zu beurteilen ist.

The issue is again to simple why does it always have to be in a linear concept? and either or Issue? I would think all this in a more disscursive possibility. At one point in time it is das letzte abendmal, at another point in time it is friends arround a table, perhaps even my friends. We have been trained for too long to always think in dual linear concepts, but the world is not linear, things exist in a multitude of different possibilities, and we have to start thinking in different patterns.Also we have to get rid of the idea that anything or anybody has "the Truth" it simply does not exist. This is also only something connected to a particular time space period.Again it is a matter of intelligence, and creativity, if I can think things in an unusual pattern form or entertain other possibilities other than the ones I am used to, and trained to see. If people would not be able to do that, then there would be no progress in any field what so ever.(Hadas)




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