Wann macht man sich schuldig oder begeht eine Sünde?

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Version vom 16. März 2007, 14:41 Uhr von Florian (Diskussion | Beiträge)
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Wie verhalten sich unsere Befunde zu der Frage, wann man in den verschiedenen religiösen und philosophischen Systemen als schuldig oder sündig betrachtet werden kann? Wenn wir einen bewussten "Wunsch oder Drang erleben, eine gesellschaftlich inakzeptable Handlung zu vollziehen, sollte das als Sünde betrachtet werden, selbst wenn der Drang unterdrückt wurde und keine Handlung aufgetreten ist? Manche religiösen Systeme antworten mit >ja<. Präsident Jimmy Carter gab zu, einigen Frauen gegenüber »eine tiefe Lust« empfunden zu haben. Obwohl er dem Drang nicht nachgab, fühlte er sich anscheinend dennoch sündig, weil er einen lüsternen Drang erlebt hat. (Präsident Carter berief sich auf eine christliche Tradition, die sich von den folgenden beiden Versen der Bergpredigt ableitet: [Jesus sagte], »Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.« [Matthäus, 5:27-28, Reverend Anthony Freeman hat mich daran erinnert.] )

Jeder solche Drang würde nach unseren Befunden jedoch im Gehirn unbewusst eingeleitet und entwickelt werden. Das unbewusste Erscheinen einer Handlungsabsicht unterliegt keiner bewussten Kontrolle. Nur die Vollendung in einer motorischen Handlung kann bewusst kontrolliert werden. Deshalb würde ein religiöses System, das eine Person heftig dafür tadelt, dass sie bloß eine mentale Absicht oder den Impuls hatte, etwas Inakzeptables zu tun, auch wenn diesem Drang nicht nachgegeben wird, eine physiologisch unerreichbare Moral einfordern und eine psychologische Schwierigkeit erzeugen.

Allerdings scheint es mir möglich, dass das Auftreten des anstößigen Impulses seine Wurzel in bereits vorangegangenen bewussten Entscheidungen hat. In diesem Sinne wäre die unfreie "Sünde" nur das letzte Glied einer Kette freier Entscheidungen, wo man schließlich "nicht mehr aus kann". Wenn ich mich richtig erinnere scheint mir Erich Fromm in seinem Buch "Die Furcht vor der Freiheit" diesbezüglich einen ähnlichen Standpunkt zu vertreten. Florian

In der Tat würde ein Bestehen darauf, dass ein inakzeptabler Handlungsdrang als sündig angesehen werden soll, auch wenn keine Handlung folgt, so gut wie alle Personen zu Sündern machen. Der Mechanismus für die unbewusste Einleitung eines solchen Dranges ist wahrscheinlich in allen Menschen vorhanden, und alle Menschen werden zweifellos gesellschaftlich nicht akzeptierte Impulse und Handlungsabsichten erleben. In diesem Sinne könnte eine solche Ansicht eine physiologische Basis für die >Erbsünde< bereitstellen! Natürlich kann der Begriff der >Erbsünde< auch auf andere Ansichten über Sündhaftigkeit gegründet werden.

Ethische Systeme haben mit moralischen Kodizes oder Konventionen zu tun, die sich darauf beziehen, wie man sich zu anderen Personen verhält: Sie haben allem Anschein nach mit Handlungen zu tun und nicht bloß mit Impulsen oder Absichten. Nur eine motorische Handlung einer Person kann direkt auf das Wohlergehen einer anderen einwirken. Da es der Vollzug einer Handlung ist, der bewusst gesteuert werden kann, sollte es legitim sein, dass man Personen aufgrund ihrer Handlungen für schuldig und verantwortlich hält.

Hier unterliegt Libet einem Mißverständnis. Das Ziel der christlichen Lebensweise liegt nicht in äußeren Handlungen, sondern in der rechten inneren Einstellung. Religionsphilosophisch wird das von Paulus im Brief an die Römer dargelegt, vor allem im Kapitel 7 [1].--Bergerml 16:25, 16. Nov 2006 (CET)
Das Sich-Verhalten zu anderen Personen kann die Form von Impulsen/Absichten oder Handlungen annehmen. Ich kann unwillkürlich zusammenzucken oder "aufblühen", andererseits eine Einladung aussprechen oder eine Eintrittskarte überreichen. Es macht wenig Sinn, das auf motorische Abläufe zu beschränken. --anna 14:57, 30. Nov 2006 (CET)


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Freiheit im Kopf (Seminar Hrachovec, 2006/07)

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