PROTOKOLLE - MuD09 - Gruppe1 - 15.12.: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 4. Dezember 2009, 15:52 Uhr

Konstanze Renatus-Messmer

Protokoll der Ringvorlesung vom 03.12.2009 – Prof. Dr. Flatcher

Thema: Phänomenologie als philosophische Strömung anhand der Thesen von Husserl, Heidegger und Derrida

Prof. Flatchers Ring-VO schilderte und erläuterte den Verlauf der Phänomenologie von ihrer Entstehung und Weiterentwicklung bis zur Dekonstruktions-Lehre.

Beginnend mit Husserl, der die Phänomenologie entwickelte und zu einer „Lehre vom Erscheinen“ ausbaute. Die Neuerung zu vorausgegangenen Philosophien war die These der Erscheinungsweisen von Seiendem, in der nicht mehr „der bloße Schein“, sondern das „sich Zeigen“ Priorität erlangt. Besonderen Wert legt Husserl dabei auf die Intentionalität des Bewusstseins und den Doppelsinn im subjektiven und objektiven Gebrauch am Beispiel von „etwas zeigt sich“ und „sich zeigen“. Die Offenheit des Bewusstseins muss sich nicht erst entwickeln, sondern ist immer schon draußen bei den Dingen. Daraus ergibt sich, dass ein Wahrnehmungsvorgang nie total abgeschlossen sein kann, sondern – bedingt durch den perspektivischen Zugang – immer nur eine Abschattung und folglich eine implizierte Unvollkommenheit der Wahrnehmung, eine Ausschnittswahrnehmung ist. Es gibt keine wahre Welt hinter der phänomenalen Welt. Trotzdem kann ein „Mehr“ immer dazu gedacht werden.

Die unterschiedliche Wahrnehmung + Erinnerung = synthetisches Bewusstsein ist immer schon in der Wahrnehmung vollzogen und nicht eines hinter dem Anderen. Es gibt keine Trennung zwischen sinnlicher und verstandesmäßiger Ebene. Wichtig ist dabei der Raum-Zeit-Horizont, der nie isoliert, sondern immer in einem Kontext steht. Dieser Horizont ist jederzeit erweiterbar, so dass es nie zu einem kompletten „Hintergrund“ kommen kann.

Husserl betont, dass es kein System und kein Gedankenkonstrukt in der Phänomenologie gibt, kein warum sonder immer nur ein DAS. Er grenzt sich damit von seinen Vordenkern, vor allem gegenüber Kants Vorstellungstheorie, scharf ab.

Diese Theorien zogen zukünftige Philosophen (Satre, etc.) zu seinen Vorlesungen. Sein einstiger Schüler/Assistent Heidegger wurde zu seiner eigenen Konkurrenz, indem er die Phänomenologie kritisch weiterentwickelte.

Hervorzuheben sind bei Heidegger vor allem seine frühen Marburger und Freiburger Vorlesungsschriften. Er entwickelt und publiziert eine Theorie vom „Draußen in einer entdeckten Welt“ - „Mensch sein, heißt offen sein für die Welt“ im philosophischen Hauptwerk „Sein und Zeit“. Heideggers Schwerpunkt liegt auf dem Dasein zur Mit- und Umwelt und grenzt sich zu Husserls Theorien im praktischen Gebrauch der Phänomenologie ab. Für Heidegger ist die praktische Phänomenologie nicht „bedeutungsnackt“, sondern hat in der Als-Hermeneutik immer einen Bewandtniszusammenhang. Er plädiert für einen differenten Umgang mit dem Seienden und geht von einer vor-prädikativen und prä-reflexiven Leistung aus, nicht mehr von einer interpretatorischen, „etwas als etwas zu sehen“. Nicht das analytische, sondern das unmittelbare Sehen „des etwas als etwas“ vor einem Hintergrund wird zu seiner Prämisse.

Zusammenfassend ist für Heideggers Phänomenologie wichtig, dass jede Wahrnehmung schlagartig und unmittelbar (ohne Reflexion) möglich ist. Sie ist nur in einem Gesamtzusammenhang, rückgebunden an Lebenswichtiges im Dasein, möglich. Ein bestimmter Hintergrund wird ihr auch ohne Kontext zugeordnet. Sie ist eine unmittelbare, nie isolierte Als-Struktur, die ihre Bedeutungsganzheit und ihr Gesamtkonzept an der Erfahrung festmacht.

Derrida setzt sich in seiner „Dekonstruktion“ mit Heideggers Phänomenologie, speziell mit der Als-Hermeneutik auseinander. Darin impliziert er die Differenz durch Iterabilität (Wiederholbarkeit) und kommt zu dem Schluss, dass „etwas als etwas verstehen“ permanent im Wandel ist, da man daraus folgernd, nie etwas restlos verstanden haben kann. Die Identität eines jeden ist selbst permanent mit sich selbst im Wandel und prekär, es kommt nie zu einer fertigen Identität. Es ist kein „erstes Mal“ möglich. Identität generiert sich aus Wiederholungspraxis, ist in sich konstituiert und auf Veränderung ausgerichtet.

Folglich ist eine Auseinandersetzung mit der Überlieferung keine Zerstörung dieser. Die traditionellen Systeme sollen in der Dekonstruktion von innen unterlaufen und nicht von außen nur kritisiert werden. Hierarchien können aufgelöst, neu entwickelt oder weiterentwickelt werden als „politisches Moment“.

Wir sollten alles und jedes als nicht besser sondern als ANDERS verstehen.Kursiver Text

Die VO von Prof. Flatscher war inhaltlich gut aufgebaut, verständlich, offen für alle Rückfragen und in einem interessanten, historischen Kontext gehalten. Ich habe die Veranstaltung als persönliche Bereicherung und guten Zugang zum Philosophiestudium empfunden.

Heideggers praktischen Zugang zur Phänomenologie, genau wie die Weiterentwicklung bzw. Einschränkung/„das Überdenken“ der Als-Hermeneutik durch Derrida in der Dekonstruktion halte ich für einen alltagstauglichen und aktuellen Prozess im Leben aller Menschen, im Umgang mit sich selbst und untereinander. Aus diesem Bewusstsein heraus können sich Fragen und im besten Fall Anregungen und Lösungen für alle ethischen Themen stellen.

Zwei Gedankengänge möchte ich für die nächste Übung zur Anregung/Diskussion stellen:

1) Ein System, welches auch immer, ist immer nur so gut, wie die Menschen, die dahinter stehen. Und die Menschen sind immer nur so gut, wie sie sich und ihre Intentionen dauerhaft und kritisch hinterfragen.

2) Alle philosophischen Thesen sind nur dann sinnvoll und praxisbezogen, wenn sie sich konsequent und kontinuierlich der aktuellen Kritik stellen und ihre innere Struktur überprüfen lassen.