Nancy Fraser: Soziale Gerechtigkeit in der Wissensgesellschaft: Umverteilung, Anerkennung und Teilhabe

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Dieser Text von Nancy Fraser [1] diente als Vorlage ihres Beitrags zum Kongress „Gut zu Wissen“ der Heinrich-Böll-Stiftung

Fraser versteht unter dem Begriff der Wissensgesellschaft das Produkt einer historisch gewachsenen „epochalen Veränderung“; diese Veränderung ist von einem Wandel des Ford-Kapitalismus zu einer prekären „Nach-Ford-Phase“, der Auflösung einer internationalen Ordnung souveräner Nationalstaaten und eben einer „Verschiebung“ der Industriegesellschaft zu einer Wissengesellschaft – die auf der „Informationstechnologie der dritten industriellen Revolution“ (?) beruht - gekennzeichnet.

Halten wir fest: Die Wissensgesellschaft beruht auf der modernen/gegenwärtigen Informationstechnologie; sie ist aus einem nicht angegebenen Grund ein "prekärer" Zustand; zusammen mit der Entwicklung der Wissensgesellschaft hat sich die Ordnung souveräner Nationalstaaten aufgelöst. --H.A.L. 10:59, 27. Apr 2006 (CEST)


Fraser sieht die oben genannten Veränderungen als "Teil eines Wegs zur Wissensgesellschaft", nicht als deren Ausprägungen. Die drei Merkmale sind also wahrscheinlich eher als Entwicklungsschritte zu verstehen. Mit der "Wissensgesellschaft" kommt es (Fraser) zur "Neukonstruktion" (bzw. Neuformulierung) bestehender (sozialer) Problematik, die nach einem entsprechend angepassten Umgang verlangt, in diesem Zusammenhang wollte ich auch das Wort prekär unterbringen. --jmoel 16:07, 28. Apr 2006 (CEST)


Mit der Wissensgesellschaft entstanden und entstehen neue Gefahren für soziale Ungerechtigkeit. F. spricht hier von einem „Problem der Verdrängung“, einem „Problem der Verdinglichung“ und einem „Problem falscher Begrenzung“. Drei Tendenzen, die F. als problematische Charakteristika der Wissensgesellschaft ortet aber auch Strategien zu deren Lösung ortet.

Und wie sehen diese Probleme aus? Was wird hier verdrängt/begrenzt/verdinglicht? --H.A.L. 10:48, 27. Apr 2006 (CEST)


Gut, Das ist die Stelle von der ich gestern gesprochen habe, und die ich bei gelegenheit ergänzen werde. Ich war mir nur nicht sicher, inwiefern Interesse für uns daran besteht, da die Theorie und Lösungsansätze Frasers eine speziell codierte Begrifflichkeit der "Anerkennung" voraussetzen, die (glaube ich) auch den Kern von F. Werk auszeichnet; ich werde auf jeden Fall aber noch eine Erklärung zu diesen drei Problemen an diese Stelle setzen --jmoel 16:07, 28. Apr 2006 (CEST)



Die Wissensgesellschaft fordert „eine verbreitete Politisierung der Kultur“ bedingt durch wachsende Konflikte und Kämpfe um Identität und Differenz, F. spricht hier um von „Kämpfen um Anerkennung“. Diese Neuakzentuierung politischer Kämpfe entmachtet die traditionellen Themen (linker) emanzipatorischer Politik, die sich in ihrer theoretischen (und praktischen) Basis auf ökonomische Ungleichheit stützen und deren Angleichung, also Umverteilung als Ziel von Klassenpolitik, fordern. Themen wie Geschlechts- oder ethische Zugehörigkeit oder Sexualität, Nationalität und Religion werden zu den neuen Maßstäben politischer Auseinandersetzungen.

Und was hat das eine jetzt mit dem anderen zu tun? (Sprich: die Neuordnung der Ziele emanzipatorischer Politik mit der Wissensgesellschaft? --H.A.L. 10:59, 27. Apr 2006 (CEST)


Soweit ich das verstanden habe verfolgt F. den Anspruch sozialer Ungerechtigkeit entgegenzuarbeiten, bzw. den theoretischen Unterbau dafür bereitzustellen. Ihre derzeitige Analyse gesellschaftlicher Dynamik zeigt in eine Richtung, die sie "Wissensgesellschaft" nennt. Diese "Wissensgesellschaft" fordert aufgrund ihrer ökonomischen - besonders aber kulturellen - Ausprägung, eine erneuerte Strategie ("Ziele" ist vielleicht unglücklich gewählt, Ziel bleibt ja die Herstellung gerechter Verhältnisse) im Umgang mit sozialer Ungerechtigkeit. Fraser stellt an dieser Stelle eine Verschiebung ökonomischer Ungleichheit (der traditionelle Ansatzpunkt linksgerichteter (emanzipatorischer) Politik) in Richtung einer Anerkennungsdebatte (an der sie weiter ansetzt, und von ihr aus Lösungsvorschläge skizziert).

Einen derart zusammengesetzten Begriff politischer Gerechtigkeit entfaltet F. in zweiten Teil ihres Essays. Hier fordert sie eine „bifokale Sicht“, die neben der Forderung nach gerechter Verteilung auch dem Anspruch einer wissensgesellschaftlich bedingten Fokussierung auf dem Kampf um gegenseitige Anerkennung erfüllt.