Mitschrift 07.12.2006 (FiK)

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HHr: Wiederholung eines Symposiumsvortrags von Prof. Hrachovec, Thema seine Dissertation, eine empirische Arbeit über Lautphysiologie, die aus einer anders gelagerten Fragestellung Licht auf Libet werfen soll. Das Freiheitsproblem kann am Analogfall ohne Befrachtung mit philosophischen Intuitionen und der Frage von Bewußt­seinsabhängigkeit gesehen werden. Bei der Visualisierung von physiolo­gischen Zusammenhängen und psychologischer Interpretation. kann deutlicher werden, welche Libet- Fragen nicht wirklich mit Freiheit, sondern mit der gewählten Forschungsmethodologie zusammenhängen. (Zum vorgestellten Material nützliche Information über Phonologie auf [1]).

Untersucht wird die Parallelität von physikalischem Signal und Lautsignal einer Sprachaufzeichnung (ein niederösterreichischer Dialekt). Es liegt vor:

  • ein Sprachsignal,
  • Filter, welche das Sprachsignal nach Frequenzbereichen analysieren und in spektrale Komponenten zerlegen;
  • die visuelle Darstellung des Ergebnisses als Sonagramm.

In diesem erscheinen typische Bildmuster, je nach produziertem Laut und illustrieren die artikulierte Lautproduktion in ausgebildeter Sprache. In spezifischen Frequenzgebieten finden sich typische Muster - Formanten - als Charakteristikum von Vokalen, bestimmte aufeinander bezogene Resonanzen. Solche Resonanzen fehlen bei Reibelauten (z.B. der "s"-Laut als typisches säulenförmiges Muster).

Aus der Dissertation wird ein Sonagramm und der dazu notierter mundartliche Sprechtext projiziert. Vier Hinsichten müssen wirksam werden, um vom aufgezeichneten Muster zum Textinhalt zu kommen:

  • Tonbandaufnahme eines Sprechtextes,
  • apparative Frequenzanalyse
  • Zuordnung der Bildmuster zum gehörten
  • und zum verstandenen (darübergelegten) Sprechtext.

Das empirisch Erhobene hat als solches keine Aussage, es muß interpretiert werden, wie jeder andere empirische Befund, hier mit Zuschreibungen von außen durch einen sprachkundigen Interpreten.

Die Analogie bei Libet: eine Kurvenaufzeichnung mit darübergelegter Zeitachse und den Marken: "Einsetzen der Bereitschaftspotentials" und "Einsetzen des bewußten Willens", das sind zwei unter­schied­liche Zuordnungskategorien. Die wesentliche Parallele: der Reibelaut­muster im Sonagramm wird im dem sprachlichen Laut verbunden. Man beobachtet typische Formanten­verschmelzung, die auf unterschiedlichen Frequenzen Resonanz erzeugt. Der Interpretant muß lernen, die beiden Betrachtungsweisen - Bild eines Lautes und Kenntnis des Lautes - zu vereinigen, obwohl sie aus unterschiedlichen Welten kommen und dort unterschiedlich zusammen­gefaßt werden.

  • Aus der Welt des Geräusches, dem was das Gerät aufnimmt, einfache Akustik. Ob Geräusch oder artikulierter Laut, der Unterschied in den Geräuschen stammt von der Sprache.
  • Die Beobachtungen im Rahmen der Phonetik (d.h. Lehre von artikulierten Sprachlauten, wie Vokale, Reibelaute, Plosivlaute, etc.; das menschliche Sprachorgan hat das Geräusch gefiltert.) Die Aufzeichnung wird auf dem Niveau von menschlicher - aber nicht spezifizierter - Sprache betrachtet, ohne deren Kenntnis ist keine weitere Zuordnung möglich.
  • Als die dritte Ebene Phonologie. Sie versucht die Unterscheidung der bedeutungstragenden Elemente der Sprache. Bestimmte Laute werden (trotz Ausspracheunterschieden) zugeordnet. In nunmehr normativer Betrachtungs­weise wird die physikalische Aufzeichnung mit einem Normsystem konfrontiert. (Z.B. könnte "a" oder "u" je nach Aussprache aus dem Lautstrom allein nicht sicher zugeordnet werden, wohl aber können aus dem Sprachsystem und Kontext aus Kenntnis einer bestimmten Sprache können Festlegungen bedeutungstragender Elemente getroffen werden, obwohl sie dort erkennbar wären. Die Semantik wird durch bedeutungstragende Mininalunterschiede eingeführt, innerhalb der Sprache sind dann bestimmte Abfolgen von Phonemen möglich, daraus dann Syntax, Semantik und Pragmatik.

(Als letzter denkbarer Aspekt der Untersuchung Schlüsse auf eine historische Abfolge der Dialekte als idiomatische Sprachentwicklungen; Wortartikulationen von Dialekten stammen von mittelalter­licher Sprache ab, blieben von Modernisierungs­schüben unberührt, stehen mittelalterlicher und neuhochdeutscher Aussprache nahe.)

Bei Interpretation der sonographischen Untersuchung werden diese Betrachtungs­weisen übereinander projiziert. Sonagramme sind komplexe Realisierung eines Satzes bzw. Fragmentes einer Mundart; um den Satz zu realisieren braucht man zunächst die materiale Basis. Das ist wesentlich: auch philosophische Betrachtung kann aufzeichnungsfähige Phänomene im Gehirn nicht leugnen, während wir etwas erfahren, vor sich gehen. Analog wäre eine Deutung der Aufzeichnung aus Dialekt möglich oder würde angestrebt, wenn die dazugehörige Redeaufzeichnung fehlte.


  • KURZZUSAMMENFASSUNG: Die Gegenüberstellung der physikalischen Beschreibung (Sonagramm) einer sprachlichen Äußerung zur Äußerung selbst gibt ein philosophisch unbelastetes Analogbeispiel zum Libet-Versuch ab. Die graphische Darstellung der Frequenzen des gesprochenen Lautstroms wird mit Sprachelementen und zuletzt sinntragenden Sprachteilen und sprachlichen Aussagen in Verbindung gebracht.


MB: Der Bezug der Phonetik zum Libet-Problem ist mir daraus nicht verständlich.

HHr: Das gemeinsame Strukturmerkmal bei Libet und sonagraphischer Spachaufzeichnung ist die diagrammatische, bzw. mechanische Darstellung einer Körperfunktionalität, ihr wird auf anderer Ebene (Bewußtsein oder Phonologie) eine Deutung zugeordnet. Es gibt jeweils einen Kategoriensprung (Bilddetail zum Buchstaben, Kurvenmarke zum freien Willen).

MB.: Sprechen ist aber eine automatische Handlung, die wenig mit freiem Willen zu tun hat, sonst zu langes Überlegen. Aber der Sprecher hat irgendwann entschieden, einen weiteren Satz folgen zu lassen. Der Zeitpunkt dieser Überlegung abzufragen brächte in die Nähe des Freiheitsgedankens, nicht die Feinanalyse der Sprachfunktion.

HHr.: Ein Zusammenhang von Linguistik mit dem Freiheitsproblem wird nicht beansprucht. Die Mikro­struktur­analyse der Körperfunktionen im Subsekundenbereich ist eine methodische Voraussetzung bei Libet und der freie Wille im Subsekundenbereich ist dort das Problem. Beim Aussprechen eines (Sprach)Lautes im Subsekundenbereich interpretiert man (ohne Bezug auf freien Willen) Daten mit Kategorien aus einem anderen, (der Phonologie oder des Bewußtseins).

Aus Projektion solcher Kategorien auf die Daten entstehen Probleme wie z.B. wann fängt ein Laut an? Analog im das Libet-Problem, wann fängt er freie Wille an, nach Libet erscheint er "an der Zeitmarke", durch sein Erscheinen kann man argumentieren, daß er woanders vorbereitet worden ist. In der Phonetik besteht die Schwierigkeit des scharfen Anfangs, weil die Form der produzierten Laute vom vorangehenden und nachfolgenden Laut vielfältig abhängig ist. ihre Gestalt kündigt sich schon an, bevor der Laut anfängt, die schnelle Artikulation kann hier nicht mehr trennen. Die vom Interpreten gesetzte Anfangslinie führt zur Frage, woher "weiß" der Laut, daß er schon begonnen hat, sie entsteht, daß man einen Anfang statuiert.

MB.: Es ist beispielsweise etwas vorher geschehen, das akustisch nicht aufscheint.

HHr.: Für Libet-sche Freiheitsproblematik ist das ein Beispiel. Hier die Betrachtung als Geräusch, als Sprache, als deutsch und als Mundart. Setzt man Sonagrammschwärzung gleich Sprachausdruck, legt man fest, was als Letztes gelten soll. Es ist dann das aufzeichenbare Physische. Wie ist dann aber Lautlehre sinnvoll zu behandeln? Eine ähnliche Einstellung wird für die Libet-Experimente vorgeschlagen. Eine Verbindung z.B. zwischen einer Schwärzung und einem "s" und seiner Entwicklung ist ein zu großer Schritt. Was sich hinter dem freien Willen an unterschied­lichen Schichten verbirgt kann nicht auf eine einzige Marke reduziert werden.

Hörerin: Aber die Marke bei Libet war doch die Aussage der Versuchsperson.

HHr.: Analog dazu die Aussage des Sprachinterpreten. Man hat ein "s" gehört, analog: "man hat den Entschluß gefaßt". Das Sprach­beispiel ist viel einfacher. Ein "s", von einer eingeschulten Person gehört, ist schon eine seman­tisch vermittelte Aussage. Um bei Libet zu sagen, niemand habe einen "gezwungen", muß man die Bedeutung von "frei", von "bemerkt haben", von "gezwungen", "bewußt sein" kennen; ohne diese Kompetenzen kann keine Marke gesetzt werden.

Hörerin: Man könnte, wenn man die unbewußten Erregungen wahrnehmen könnte, den Zeitpunkt vorverlegen. Der Punkt ist wichtig: woher weiß der Vokal, wie der vorangehende Laut beschaffen war.

HHr.: Das war als ein ad-absurdum-Führen gedacht: woher weiß der Vokal, bevor er begonnen hat, das ist die Festsetzung der Anfangslinie. Analog die Frage, woher man im Unbewußten weiß, was man entscheiden wird.

HBl: Man hat ein bestimmtes kategoriales Gitter über die Beobachtung gelegt, am Sprachbeispiel: ich könnte das "t-i", das "t-o" und das "t-u" einfach als separate Phoneme auffassen, die Vorauswissen ist dann ein Artefakt, die Vorbeeinflussung erfolgt durch das angelegte Analysensystem.

Hörer: Hätte man sich nicht vorher eingelesen, würde man im Sonagramm nur schwarze Striche sehen.

HBl: Man hat hier allerdings die enorme Vorgabe einer analysierten Sprache, wäre das die Analyse von Walgesängen, würde man sich schwer tun.

HHr.: Aber diese unglaubliche Vorgabe - mit Bezug nun auf das Freiheitsproblem - heißt, man kommt von oben. analog zu Walgesängen und Sprachausdrücken hat man Freiheitstheorien, etwa, daß Freiheit einer bewußten Handlung, die einer Zwangshandlung entgegengesetzt wird. Tun, was man will oder es ist nicht gestattet, zu tun, was man will ist eine ganz bestimmte Freiheitstheorie. Eine solche, als Versuchsanordnung operationalisiert ist gegeben, um daraus die experimentellen Resultate zu gewinnen.


  • KURZZUSAMMENFASSUNG: Das Inbeziehungsetzen einer physikalischen Marke mit einem kategorial ganz anderem Ereignis oder Prozeß schafft Probleme, weil sich hinter letzteren viele Voraussetzungen, Vorkenntnisse und Schichten und notwendige Kompetenzen der Interpreten verbergen, die unausgesprochen bleiben. Man bringt damit eine enorme Vorgabe in das Experiment und seine Ergebnisse ein.


HHr.: Für die Argumentation Libets ist "anfangen" sehr wichtig, der Beginn bewußten Willens muß in eine Relation zu dem, was vorher feststellbar ist gesetzt werden. Die Analyse von Ereignissen in einem Zeitverlauf hat eine bestimmte Form. "Das neue Jahr beginnt" bedeutet, ein astronomisches Ereignis wird von einem System der Zeiteinteilung aus gesehen und als Akteur angesprochen, die Periodizität der Gestirne im Kosmos in Bezug gesetzt zum System der Zeiteinteilung in unserer Lebenswelt. Genereller: für Anfänge ist charakteristisch ein vorausgesetztes Kontinuum und von extern einsetzend eine Betrachtung dieses Kontinuums.

Kst.: Die Welt in Subräume zu zerlegen ist der Angriff der Kognitionswissenschaft. Kein Kognitionswissen­schaftler ist der Meinung, sie würden nicht Weltausschnitte betrachten; niemand hat noch den Anspruch erhoben die ganze Welt in der kontinuierliche Form zu erklären. Anfang gibt es nie. Einzige Veränderung ist, die Philosophie in ihrer bisherigen ganzheitsbetrachtenden Auffassung anzugreifen und darauf hinzuweisen, daß willkürliche Startlinien gezogen werden müssen. In der Physik, zu welchen die Kognitionswissenschaften gehören, gibt es Meßapparate und ungeleugneten Einfluß auf die Messung, weil jede Messung das Meßergebnis beeinflußt und nur mehr ein Meßfeld möglich ist. So sind auch die Phonogramme zu verstehen, es sind Meßergebnisse, gemessen werden, Felder, die keine eindeutige Aussage zulassen. Laut 2 ist anders wenn zuvor Laut 1 steht.

Ein Vorwurf in Debatte über Freiheit und Bewußtsein fällt auf die Philosophie, wenn die weitgesteckten Grenzen vom Übersinnlichen, Metaphysischen und Ontologischen als Subraum denunziert, also in einem schlechthin nicht darstellbaren Raum betrachtet wird. Bei Roth (Deutsche Zeitschrift für Philosophie 2004) wird die Diskussion überhaupt in Frage gestellt, die eine Seite diskutiert so, die andere eben so. Die Linienziehung oder Raumbildung aus dem Kontinuum heraus gilt für jede Aussage über sich selbst.

HHr.: Kein Einwand, daß sich die Philosophie dem selben Testverfahren stellen muß, sie hat keinen Anspruch auf das Unergründliche und Unermeßliche. Aus der Überlegung über den Anfang soll aber heraus­gestellt und sowohl für die Philosophie wie für die Neurophilosophie behauptet werden, daß das Problem des Anfangs derart komplex ist, daß man daran, wo die Freiheit lokalisiert ist, nicht einfach anschließen kann. (Beispiel: ein Inspektionsorgan tritt in den Raum, von diesem Zeitpunkt an sind alle nervös. Es liegt ein verhaltensrelevanter Anfang vor, der nicht vom Aufgehen der Tür herrührt, ein Anfang wird im Wissen, was ein Inspektor ist, interpretiert).

Kst.: Eben das ist willkürliche Experiment, der von der Messung beeinflußte herausgegriffene Subraum. Wir alle wissen, was ein Kontinuum ist und in Wirklichkeit entscheiden wir aus diesem Kontinuum heraus. Man geht in die Vorlesung, findet sie vielleicht uninteressant und geht deshalb weg, nicht aus einer abgehobenen Entscheidung heraus. Könnte man gleichzeitig den Gehirnzustand aufnehmen, wird das vielleicht immer in Hinblick auf Abbildungen der Bedeutung "uninteressant" unmöglich sein, wir leben in verschiedenen Subräumen, deren einer sich an den anderen anschließt, verschiedene Ebenen.

Interessant ist dann doch die relativ doch genaue Vorhersagbarkeit, man betrachtet eine Aktivität und sagt voraus, daß der Proband demnächst "rot" sagen wird. Tatsächlich sagt der Proband dann rot, die Messung war aber schneller. Diese Vorhersagbarkeit legt einen Determinismus irgendwie nahe. Aus dieser Vorhersagbarkeit gibt es den möglichen Schluß, jede Situation sei aus der vorhergehenden determiniert, sei eineindeutig und kausal der vorangehenden nachgeschaltet. Aber es ist die Frage, ob es nicht dort auch einen Freiraum gibt, analog der Wetterprognose. Wir haben die Freiheit immer innen vermutet, vielleicht liegt sie in den nicht begrenzbaren Möglichkeiten des Außen.

Hörer: Es ist vorhersagbar, wenn man nur genügend Information hat.

Kst.: Nein, eben nicht, weil das Außen bringt soviel Variabilität hinein, daß auch meine Reaktion nicht determinierbar ist.

HHr.: Das ist ein klassisches Problem der mittelalterlichen Theologie, nicht erst seit Newton und Laplace, philosophisch, daß Gott als Supercomputer alle Informationen haben müßte. Dann ist die Frage des Seelenheils nichtig, denn Gott weiß den Ablauf bereits, eine philosophiegeschichtlich bekannte Form des Freiheitsproblems. So auch die hier geführten Diskussion. Gott entspricht hier der Vorstellung einer Weltformel, die alle Imponderabilien zusammenfaßt, eine ungeheuer leistungsfähige Formeln könne man noch etwas weiter belasten. Irgendwann gibt es dann einen Übergang zwischen einer leistungsfähigen Formel und nur mehr einer Hoffnung. Vom Vielwissen potenziert man zum Allwissen, soviel zu wissen, daß es alle Vorstellungen übersteigt. Die klassische Antwort gegen Gott als Allwissenden ist, daß Allwissen nicht mehr Wissen sein kann, denn Wissen ist fehlbar, ein völlig anderer Gebrauch von Wissen.

HBl: Der Begriff Determinismus wird überrschießend verwendet. Der Laplace-sche Determinismus ist wie eine regulative Idee, die nur mehr als solche existiert. Auch die heutige Physik hat, abgesehen von Quantenunschärfe, genügend Modelle (Chaosphänomene, die Selbstorganisationstheorien dissipativer Systeme von Prigogine oder die Synergetik von Haken also Synergetik), die jeweils Zufallsbifurkationen und Zufallsereignisse als wesentliches integratives Moment des Vorgangs beinhalten. Darum ist die Zeit irreversibel, die Bifurkationen können nur in einer Richtung durchlaufen werden,. Determinismus ist ein Artefakt der Diskussion, er gilt auch nicht für die gleichfalls dissipativen Systeme im neurophysiologischen Bereich. Man soll sich nicht allzusehr auf den Pappkameraden "Determinismus" festlegen.


  • KURZZUSAMMENFASSUNG: Der Begriff des Anfangs steht immer in einem Kontinuum des Vorangehenden, die experimentelle Wissenschaft zerlegt es aber in Subräume und zieht Startlinien, aber selbst die Physik kann Ergebnisse nur in Meßfeldern beschreiben. Die Philosophie andererseits qualifiziert Subräume als solcherart überhaupt nicht darstellbar bar. Andererseits wird aber immer aus einem oder mehreren vorangehenden Subräumen heraus entschieden und Zuordnung einer Meß- oder Abbildungsgröße zur Entschheidung ist vielleicht unmöglich. Daß dennoch wahrscheinliche Voraussagen möglich sind, deutet aber doch auf determinierende oder kausale Wirkungen vorangehender beobachteter Zustande, evtl. aber mit einem Spielraum von Möglichkeiten aus dem Außenraum. Der Begriff des Determinismus und der Allvorhersagbarkeit bei Vorliegen hinreichender Information wird überbeansprucht, er gilt in der Gegenwartsphysik nur begrenzt.


HHr: Ein Pappkamerad anderer Art ist der Begriff des Dualismus. Die Philosophie des Geistes spricht immer von Dualismus, dagegen der folgende Gedanke: Das Bild zweier Papageien auf einem Monitor kann beschrieben werden als Monitor oder als zwei Papageien. Der Dualismus entsteht, wie man an die Sache herangeht. Man könnte ihn streng deterministisch auffassen, wenn man Papageien sieht, sieht man in Wirklichkeit eine Pixelverteilung, eine Situation ähnlich jener der Lautfolgen und der Gehirnströme. Daß man Papageien am Monitor sieht, braucht man die gesamte Versuchsanordnung, muß man wissen, wie Menschen zur Kompetenz kommen, am Monitor etwas zu sehen, das Gesehene als Bild zu behandeln. Man braucht nicht zu leugnen, daß eine Pixelverteilung vorliegt. Aber man sieht nicht nur eine Pixelverteilung, alles, was noch dazugehört, macht die Situation erst wirklich aus. Es gibt sehr viele Betrachtungsweisen und dualistisch betrachtet ergeben sich plötzlich rätselhafte metaphysische Perspektiven. Man kann sie lösen, wenn man von der zugespitzten dualistischen Betrachtungsweise zurück in die Mehrschichtigkeit geht. Ähnlich bei der Freiheit fragt man, analog: Papageien oder Pixel.

Hörerin: Aber der Papagei kann nicht auf den Bildschirm einwirken.

HHr: Die metaphysischen Philosophen erzählen, es gebe eine Materialwelt und außerhalb dieser einen anderen Einfluß, der in die Materialwelt eingreift und etwas verändern kann, die Horrorgeschichte des metaphysischen Dualismus. Sie entsteht aber nur, weil man Freiheit als Event im Rahmen der Zeit einbringt, als ein Element auf der Zeitachse, so wie das Feuern von Neuronen, erscheint diese Schwierigkeit, eine Kategorie Freiheit zeigt sich. Während sich normale physische Abläufe als Feuern von Neuronen zeigen, zeigt sich Freiheit auf eine andere Art und Weise. Das Zeigen an dieser Stelle funktioniert logisch anders als nur eine Schwärzung der Graphik. Dazu analog: daß man Papageien vor sich hat, funktioniert anders als daß eine Pixelverteilung vorliegt. Wenn man legitim sagt, daß sich Freiheit zeigt, so muß man dazusagen, was hinter diesem Sich-Zeigen vorausgesetzt sein muß.

In der Phonetik-Phonologie-Konstellation handelt sich um eine Situation, in welcher Erklärungskategorien einer Beschreibungsebene, etwa Phonologie, dazu verwendet wird, um das zu erklären, was auf einer anderen Ebene, der Phonetik, stattfindet. Beim Papageienbeispiel könnte man ein Spiel entwerfen, etwa, man muß einen Papagei, wenn man einen sieht, nach rechts schieben, dann wird es ein Nashorn. Ein Programm oder Spiel kann konzipiert werden, welches genau dieses auf Pixelebene ermöglicht. Würde man auf der Spielebene einen Papagei mit der Maus anklicken und als Betrachter verändernd eingereifen kann, erfolgt dies mit den Kategorien des eigenen Spielverständnisses. Der Computer ist aber so arrangiert, daß er auf Verständnis dessen reagiert, was er als Schemata generiert, eine hergestellte Koordination, Hardware und Software so gestaltet, daß sie auf das gewünschte Spiel reagieren. Wir können in unseren gehirnphysiologischen Analysen das herausfinden und aufzeichnen, was wir brauchen, um das Spiel der Handlungsfreiheit spielen zu können.

Zuletzt: man geht davon aus, daß mit den Messungsvorgaben etwas Wesentliches erfaßt wird, aber die Spektralbilder der Phonogramme haben keine Garantie, adäquat zu sein. (Beispiel: ein "verpatztes" Diagramm ohne Graustufen, es ist nicht gewährleistet, ob man damit etwas anfangen kann). Das ist das Anfangsproblem in anderer Form. Welchen Anfang setzt man. In der philosophischen Beschäftigung müssen immer wieder sinnvolle Anfänge gefunden werden, die Situation vernünftig deutbar arrangiert werden, nicht aber so, daß man sich den Schnitt erspart und einen einzigen großen Wurf für alles gemacht hat.


  • KURZZUSAMMENFASSUNG: Es kommt auf eine geeignete Sicht auf das Freiheitsproblem an, vergleichbar mit der auffassung von Dualismus in der Philosophie des Geistes, welcher sich in eine mehrschichtigen Betrachtungsweise auflösen läßt. Etwas, das sich zeigt kann in je verschiedenen Ebenen mit dem Wissen um die Voraussetzungen dieser Ebenen betrachtet werden, ohne dualistisch von zwei unverträglichen, weit voneinander entfernten Welten sprechen zu müssen.


  • Dazu ein Diskussionsbeitrag von Hörer HBl:

HBl: Determinismus und Kausalität - ein Diskussionsbetrag zum Thema "Freiheit im Kopf".


Die bisherige Diskussion über die Libet-Experimente hat sich vorwiegend mit der Dekonstruktion von einigen jener Voraussetzungen befaßt, die bei einer Rede von Determinismus in den bestimmten Versuchsmethodiken der Neurophysiologie , bzw. experimentellen Psychiatrie explizit oder implizit in Anspruch genommen werden. Der zentrale Begriff des Determinismus und der damit eng verbundene Begriff von Kausalität wurden bisher nicht in differenzierterer Weise betrachet. Von Determinismus wird allgemein dann gesprochen, wenn eine Abfolge von Ereignissen unter bestimmten Bedingungen als unter strenger Gültigkeit von physikalisch verstandenen Naturgesetzen stehend aufgefaßt wird. Aus der Verwendung des Begriffs folgt damit zwangsläufig die mehr oder weniger weitreichende Zustimmung zur Anwendbarkeit von prinzipiell physikalisch fundierten Gesetzen unter naturwissenschaftlicher Methodik. Dann verlagert sich allerdings die Diskussion auf den Begriff der Kausalität und der Kausalgesetze. Wenn Freiheit nicht kompatibel mit Determinismus ist, dann offenbar auch nicht mit lückenloser Kausalität.

Eine Beschränkung des Kausalitätsbegriffs auf Naturgesetzlichkeit ist, wenn man an seine philosophiegeschichtliche Entwicklung denkt, nicht selbstverständlich; vorher war - bis Hume und Kant - einerseits von Ursächlichkeiten, andererseits von Wesenseigentümlichkeit, bzw. Entelechien gesprochen worden; davon scheint noch die kontemporane Diskussion berührt zu sein. Denn die Kognitionstheorie auf ihrer letztlich physikalischen und physikalisch-chemisch gedanklichen Basis steht in der physikalischen Weltsicht einer dem Beobachter ontologisch vorgegebenen und objektiv erkennbaren Welt, nur dann ist naturgesetzliche Kausalität denkbar. Dem steht die subjektphilosophische Sichtweise der Gegenwart diametral entgegen, welche die Gegenstandskonstitution und daraus notwendigerweise folgend die Konstitution von in Verbindung zu bringenden Ereignissen in einer unklar und in verschiedenen Denkvarianten verstandenen Weise (Ding an sich, Viabilität des radikalen Konstruktivismus, Treffen einer Unterscheidung in der Systemtheorie) ganz oder teilweise dem Subjekt überträgt. Das wird von der Freiheit-im-Kopf-Diskussion widergespiegelt - neurophysiologische Daten scheinen der objektiven Welt anzugehören, Willensmanifestationen dem Subjekt allein zuschreibbar zu sein. Der Unterschied beider Sichtweisen ist aber nur scheinbar unüberwindlich groß, wie mit diesem Diskussionsbeitrag gezeigt werden soll.

Die stets vorausgesetzten Postulate Determinismus kann in zwei Weisen verstanden werden: entweder als ontologisch begründete Vorherbestimmung und daraus folgend ausnahmslose prinzipielle Vorhersagbarkeit von Ereignissen; oder als erkenntnisphilosophisches Vertrauen in die zumindest prinzipielle vollständige Beschreibbarkeit aller Erscheinungen der Welt, gleichbedeutend mit der Voraussetzung eines geordneten Kosmos. Beide Varianten sind offenbar starke metaphysische Postulate. Sie werden nicht widerlegt, wenn in der Erfahrung unter definierten Ausgangsbedingungen Ereignisse scheinbar zufällig, d.h. mit mathematischen Funktionen nicht eindeutig prädizierbar erfolgen. Einerseits kann ein metaphysisches Postulat grundsätzlich nicht empirisch widerlegt werden, zum anderen kann Meßungenauigkeit oder Unvermögen, eine geeignete mathematische Formulierung zu treffen, dafür verantwortlich sein. (Es wird hier - als Beispiel - an mögliche deterministische Formulierungen der Quantentheorie mittel verborgener Variablen erinnert, welche die Quantenunschärfe wegerklärt.) Es ist festzuhalten: die Behauptung eines Determinismus, der alle Ereignisse, damit auch Manifestationen eines freien Willens steuert, ruht auf einer unbeweisbaren metaphysischen Grundannahme.

Die möglichen Gegenpositionen zum Determinismus sind entweder einerseits die Annahme einer sich ungeregelt ereignenden oder einer unbeschreibbaren Welt oder aber, andererseits, die Gegebenheit einer das erkennende Subjekt zwar affizierenden, auf dessen Handlungen reagierenden und widerständigen, aber grundsätzlich unerkennbaren Welt. Um dieser Welt entgegenzutreten werden mehr oder weniger freie Modelle konstruiert, die klarerweise aus ihren eigenen Voraussetzungen unbeweisbar sind (und auch weder beweisbar sein wollen, noch sein müssen, solange sie brauchbare handlungsrelevante Vorhersagen ermöglichen). Prädiktibilität (als der zum Determinismus erkenntnistheoretisch korrespondierende Begriff) ist somit eine Frage des gewählten Weltmodells und natürlich unbeweisbar.

Das physikalische Weltmodell Dieses Modell ist in der Gegenwart maßgebend, aus seiner Sicht ist der Begriff der Kausalität zu verstehen und wird der Begriff der Determiniertheit bestimmt. Hier ist - was ungewöhnlich klingen mag - gleich zu Beginn auf die weitgehende Aufweichung des klassischen Kausalbegriffs in der Chemie und deren Reduktionsstufe Physik zu verweisen. Klassische Auffassung von Kausalität ergab sich aus dem 2. Newton-schen Axiom (in seiner Ausformung als System von Differentialgleichungen der Bewegung durch Euler), derzufolge alle mechanischen Erscheinungen durch Kräfte (im Verein mit Randbedingungen) als Ursache von Beschleunigungen dargestellt werden können; die Auffassung der Kraft, in der sich Ursächlichkeit und Kausalität augenfällig verwirklichen sollte, wurde durch Einführung des Maxwell-schen Feldbegriffs (elektromagnetischen Feld und Gravitationsfeld) bereits verschwommen und zugunsten der allgemeineren Vorstellung eines Funktionszusammenhangs zwischen Erscheinungen bald ganz aufgegeben; diese mathematische Beschreibungsweise der Erscheinungen ist formal deterministisch. Ihre praktische Rechtfertigung (und es gibt nach dem oben Gesagten keine andere) hängt an ihrer Tauglichkeit zur Prädiktion. Das Lösungsverhalten dieser Gleichungssysteme kann allerdings, wie seit jeher bekannt, intraktabel oder chaotisch sein, m.a.W. gibt es Phänomenbereiche ohne befriedigende Prädiktionsmöglichkeit. Sind sie indeterminiert?

Das umfängliche Theoriensystem der Thermodynamik, das Grundlage der Beschreibung aller chemischen Erscheinungen ist, nimmt zwar Determiniertheit seiner vorausgesetzten Elementarprozesse, d.h. der Teilchenbewegungen in Anspruch, verzichtet aber auf deren Einzelbeschreibungen zugunsten einer Gesamtaussage über die Summe aller Bewegungen, die methodisch nur mit Methoden der mathematischen Statistik möglich ist. An Voraussetzungen wird hier das Ergodentheorem, das Gleichwertigkeit der zeitlichen und räumlichen Verwirklichungen aller Verteilungen der Teilchen eines Systems auf alle möglichen Anordnungen im Zustandsraum fordert und das nicht in Allgemeinheit mathematisch bewiesen ist. Als eine der vielen Konsequenzen des Beschreibungsverzichts der thermodynamischen Theorie trägt die von Prigogine und anderen theoretisch begründete Erklärung von Erscheinungen in selbstorganisierenden dissipativen Systemen, die spontane Ausbildung von Ordnung, insofern entscheidende Zufallsmomente in sich, als von der irreversiblen Thermodynamik durch ihren partiellen Beschreibungsverzicht Verzweigungspunkte (Bifurkationen) in den Entwicklungstrajektorien dieser Systeme offengelassen und der Zufallswahl überlassen werden müssen. Solche Systeme sind auch sehr wahrscheinlich in den Hirnstrukturen repräsentiert.

In der klassischen Theorie der Thermodynamik wird die Unterscheidbarkeit von Vergangenheit und Zukunft des Systems vorausgesetzt; welche erst erlaubt, von einer Richtung des Entropiezuwachses zu sprechen. Diese Unterscheidung wird aber vom Verstand eingebracht, durch sie wird Thermodynamik begründet, nicht umgekehrt begründet diese die Zeit. Wenn aber Zeit unabdingbar mit Ereigniskausalität verbunden ist, der ursächlich notwendigen Folge eines Ereignis auf ein vorangehendes verursachendes, so ist letztere also vom Verstand eingebracht und kann ihrerseits Verstand als kausale, gesetzmäßige und zeitliche Abfolge von Verarbeitungsschritten nicht ohne Zirkularität begründen. Und natürlich ist Verstand wiederum Voraussetzung gewollter Entscheidungen.

Als Folgerung alles dessen kann man also sagen, daß Willensfreiheit, soll sie als eine Grundlage des Humanums gelten, jedenfalls im physikalischen Modell keine Fundierung und keine Widerlegung hat. Aber das wird wahrscheinlich ohnehin niemanden wundern. Wenn man sie fordert, weiß man nicht, ob es sie geben muß, sofern man das physikalische Weltmodell als unverzichtbar hochhält.

Dieses Weltmodell würde es zulassen, daß man wie Penrose, allerdings entgegen Sachargumenten, die Beschreibungsindeterminiertheit der Quantenunsicherheit (oder irgend eine andere zufällige Ursachenauslösung wie radioaktiven Zerfall) zur Erklärung von handlungsauslösenden Hirnaktivitäten ins Spiel bringt. Es wäre das aber keine Lösung des Problems einer solcherart erreichten Willensfreiheit, weil sie in Wirklichkeit nur Willenszufälligkeit bedeuten würde.

Die zeitliche Diskrepanz der Erscheinens von Aktionspotential und bewußtem Entschluß Gefühlsmäßig werden sich manche Diskutanten dennoch nur ungern einem dominierend hermeneutischen Denken anvertrauen wollen. Es bleibt dann die Tatsache, daß hirnphysiologische experimentelle Beobachtungen als eine zeitliche Vorgängigkeit von mit wie auch immer definierten Willensäußerungen verbundenen physiologischen Phänomenen vor den ausgeführten Willensmanifestationen aufgefaßt werden. Damit ist zumindest die lebensweltliche Gefühlslage gekränkt und eine Suche nach befriedigenderen Erklärungen aufgetragen. Es kann an dieser Stelle aber nicht um scharfsinnigere Interpretationen des Experiments gehen, obwohl sie sich anbieten, denn dieser Bereich ist besser der Kompetenz des Experimentators zu überlassen. (Ein Beispiel: würde das eigentliche entscheidungsauslösende Hirnareal ein anderes sein als jenes, von welchem das Bereitschaftspotential abgenommen wird und würde zwischen beiden ein signalverzögerndes Element angeordnet sein, nicht aber vom entscheidungsauslösenden zum muskelaktivierenden Areal, so wäre die Zeitumkehr der Signalanfänge erklärbar; das könnte aber nur aus der Hirnanatomie plausibel gemacht werden).

Alternative oder modifizierte Erklärungen müssen von gemeinsam anerkannten Voraussetzungen ausgehen. Zu diesen zählt die kaum beeinspruchte Theorie der Funktionsweise des Gehirns als einer Ansammlung von hochvernetzten Modulen, welche in der in Grundmodellen hinreichend verstandenen Weise neuronaler Netzwerke funktionieren und dabei Abläufe, d.h. Umwandlungen von großen informationstragenden Zuständen verwirklichen. Es ist festzuhalten, daß die Extrapolation des modellierten oder beobachteten Verhaltens der relativ einfachen Grundmodelle auf die realistische sehr hohe Anzahl von Elementen (Neuronen) und deren sehr hohe Vernetzung (nach den zugänglichen Informationen) noch nicht geleistet ist; die daraus herrührende Unsicherheit wird in der veröffentlichten Diskussion nicht ernstgenommen oder - als asylum ignorantiae - im Gegenteil sogar zur Erklärung der allerhöchsten rätselhaftesten Verstandesleistungen vorgeschlagen. Wenn Kenntnis der Funktionsweise des Gehirns in der Diskussion in Anspruch genommen wird, so deswegen unberechtigt; die neue Dimension, die durch Hochkomplexität der Elementaroperationen hinzutritt oder hinzutreten kann, wird ignoriert.

Tatsächlich sind die Formulierungen in Interviews des Neurophysiologen Wolf Singer bemerkenswert unverbindlich und bauen eigentlich auf jene Kenntnis der Funktion von Hirnarealen, bzw. Hirnmodulen auf, wie sie schon vor den letzten neurophysiologischen Durchbrüchen bekannt und nicht in Frage gestellt waren. Äußerungen Singers sind hier relativ vage und scheinen eher in der sekundären Berichterstattung schärfer formuliert.. (Als Beispiel Wolf Singer: Ein neues Menschenbild? Frankfurt: Suhrkamp 2003. S.16 auf die Interviewfrage nach dem Humangenom als Schlüssel des menschlichen Verhaltens: "Biologische Bedingtheiten zu leugnen wäre töricht. Genauso töricht wäre es allerdings, die kulturellen Bedingtheiten zu leugnen." S.32 auf die Interviewfrage, ob Singer behauptet, daß der "Freie Wille" lediglich eine Illusion ist: "Ich würde mich auf die Position zurückziehen, daß es zwei voneinander getrennte Erfahrungsbereiche gibt, in denen Wirklichkeiten dieser Welt zur Abbildung kommen. [...] Daß die Inhalte des einen Bereichs aus den Prozessen des anderen hervorgehen muß ein Neurobiologie als gegeben annehmen. [...] Insofern muß, aus der Dritte-Person-Perspektive betrachtet, das, was die Erste-Person-Perspektive als freien Willen beschreibt, als Illusion definiert werden.". S. 50 auf die Interviewfrage: [...] wenn es um die Frage geht, ob das Gehirn dem Menschen eine freie Entscheidung ermöglichen kann. "Fragen dieser Tragweite lassen sich mit naturwissenschaftlichen Verfahren nicht entscheiden. Ich gehe davon aus, daß das Gehirn uns die Möglichkeit gibt, mit Absicht und damit also frei zu handeln."). In den Äußerungen scheint die offenbleibende Lücke einer Plausibilitätskette vielleicht geringer, eine Kette naturgesetzlicher Verursachung gibt es jedenfalls erst in Fragmenten.

Alles zusammengenommen kann man als Ergebnis dieser Überlegungen nur sagen, daß für die Behauptung eines naturgesetzlicher Ablaufs der Informationsverarbeitung im Gehirn, die zu prädizierbaren definierten entscheidungshältigen Aktivierungszuständen und daraus zu Handlungen führt, auf der Grundlage der bisherigen Informationsarmut und der gewagten enormen Sprünge in der Interpretation des bisher Bekannten verfrüht ist.

Vielleicht sollte man Kausalität hier ganz anders verstehen Vielleicht ist es überhaupt ein falscher Weg, sich allein auf Ereigniskausalität in der informationstragenden Abfolge der Hirnzustände zu stützen. Die Arbeitsweise neuronaler Netze, also ihrer Module und ihres Zusammenspiels ist in extremer Weise ganzheitlich insofern, als die von vorangehenden Aktivitäten hinterlassenen Reste, genauer Spuren nicht der Aktivierungen sb, sondern sondern ihrer Verarbeitungen als Erleichterung oder Erschwerung der Signalweitergabe von Element zu Element, d.h. Neuron zu Neuron, dauerhaft fixiert werden. Auch wenn es rhetorische Übertreibung ist, daß alles mit allem im Gehirn wechselwirkend verknüpft sei, so hängt doch zweifellos ein erreichter informationstragender Aktivierungszustand des Gehirns und sein Zustandekommen, bzw. seine Weiterverarbeitung von einer sehr großen Zahl von Spuren vorangegangener Aktivitäten ab. Kausalität in der seit dem 19.Jahrhundert und in der Gegenwart üblichen Verständnisweise ist die Bedingtheit eines Ereignisses durch ein oder durch wenige vorangehende Ereignisse unter der Bedingung der Identität vieler oder aller anderen wesentlichen Umstände. Eine in solchem Maße holistisch zu nennende Abhängigkeit eines Aktivitätsereignisses im Gehirn von so vielen anderen im Gehirn kann schlechthin kein kein Anwendungsfall von Kausalität mehr sein, der Begriff wird hier in überschwänglicher Weise überspannt.

Man kann die Situation mit der großen Theorie der Thermodynamik vergleichen, welche vor die Unmöglichkeit gestellt, ein sehr großes Kollektiv von Teilchen elementweise beschreiben zu sollen auf das Detail der Beschreibung verzichtet hat. Im Verzicht der kognitionstheoretischen Beschreibung, die Spuren je vorangehender Aktivitäten in jedem Neuron zu erfassen und in eine Prädiktion eingehen zu lassen, kann ein Analogfall gesehen werden. Man mag hier (in einem etws hinkenden, weil linear vereinfachenden Vergleich) an die Leibniz-sche Monade als den vollständigen, nie vom Menschen in Gänze zu erfassenden Begriff des Individuums denken. Aber erst diese Vollständigkeit würde das Individuum ganz charakterisieren.

Es besagt noch wenig, aus abgenommenen Hirnstromaktivitäten oder anderen hirnverursachten Beobachtungen vorauszusagen, der Proband werde auf eine ihm gezeigte Entität in bestimmter Weise reagieren, es wäre das ein Atom seiner Identität, die sich aus allen seinen vorangehenden Lebensäußerungen zusammensetzt. Auch Singer oder roth könnten die Neigung zu einer Straftat in einem Probanden nicht mit einer Einzelelektrode ableiten. Was gilt, ist das Ganze aus allen Elementen, wenn auch in abgestuften Gewichtungen und wahrscheinlich unwißbar in seiner Vielheit..

Vielleicht ist die Frage nach der Determination des menschlichen Willens und nach der Kausalität, die sie bedingt, einfach falsch gestellt?