“Ökologische Perspektiven der Wirtschaftsethik”

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Martin Braun über einen Text von Ulrich Brösse und Hans-Jürgen Zimmermann


Einführung

Zimmermann möchte erörtern, ob es einen Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie gibt und ob hierzu Aussagen der Wirtschafts- und Umweltethik vorliegen, weswegen zunächst nach der Definition von Wirtschaftsethik und Ökonomie gefragt wird. Er setzt bei der Institutionalethik und Individualethik an und konstatiert dass Ethik und Ökonomie keine Gegensätze darstellen sondern dass ein marktwirtschaftliches System per se ethisch ist. Die Schwierigkeit, was man unter Ökonomie versteht, zeigt sich in den verschiedenen Bereichen, die vom Begriff abgedeckt werden können. Am wenigsten schwierig erscheint dies, wenn Ökonomie als Volkswirtschaft aufgefasst wird, etwa sind bei Spieltheorien ethische Ziele in die Nutzenfunktion der Partizipienten integriert. Schwieriger wird dies bei realwissenschaftlichen Zielsetzungen etwa wenn man auf disaggregierten Argumentationsebenen sich bewegt (vgl. ZIMMERMANN 1995, 63f.). Hier folgt der Unternehmer, der seinen Gewinninteressen folgt zwar dem Gesamtwohl, aber das Problem ist, dass die ethisch-moralisch richtige Lösung nicht immer leicht zu finden ist – das Gegenteil von Gut ist hier oft gut gemeint. Es müssen somit Möglichkeiten geschaffen werden, den Inhalt der Zielsetzungen klar zu definieren und andererseits die Komplexität von Zielen zu Reduzieren, was mittels Fuzzy-Logik und Multi Criteria Analysis (MCA) vereinfacht wird. (vgl. ZIMMERMANN 1995, 67f.)

Fuzzy-Sets sollen helfen, vor Allem mit drei Arten von Unsicherheit umgehen zu können: stochastischer, etwa Zuordnung von sprachlichen Abstufungen zu statistischen Daten; lexikaler (z.B.: „heiße“ Tage, „stabile“ Währungen) sowie informationaler Unsicherheit, wo ein Überfluss an Informationen durch Deskriptoren bestimmt werden sollte. Hier sollen die linguistischen Variablen durch unscharfe Mengen definiert werden. Zielkonflikten möchte Zimmermann mit der MCA begegnen. (vgl. ZIMMERMANN 1995, 68ff.) Ob Ökonomie und Ethik miteinander verbunden werden können, kann nicht klar beantwortet werden, weil der Unternehmer nicht nur Konflikte zw. ökonomischen und ökologischen Zielen, sondern auch einen Zielkonflikt zwischen diesen zu lösen hat. (vgl. ZIMMERMANN 1995, 76f.)

Brösse kritisiert anfangs, dass oft zu hören ist, dass ökonomisches Verhalten Umweltschäden zur Folge hat und meint, dass diese Auffassung verkennt, worin ökonomisches Verhalten besteht. Dieses Verhalten, so Brösse, kann im Dienste eines umfassenden Umweltschutzes nutzbar gemacht werden. Das Problem besteht darin, dass die günstigste Kosten-Nutzen-Relation gewählt wird und meist der Nutzen aus dem Umweltschutz zu niedrig bewertet wird, was am geringen (wirtschaftlichen) Interesse der Menschen an der Umwelt liegt. Die Umweltpolitik hat hier die Aufgabe den Ziel- und Nutzenvorstellungen der Menschen eine hohe Priorität bezüglich des Umweltschutzes zu geben.

Ein weiteres Problem sind die Kosten, die, wenn sie keinem Verursacher angelastet werden können, als externe Kosten an den Märkten vorbeilaufen und von der Gemeinschaft getragen werden müssen. Wenn Umweltbelastungen folgenlos bleiben, handelt das einzelne Individuum zwar einzelwirtschaftlich ökonomisch Richtig, aber gesamtwirtschaftlich ökonomisch falsch. Das liegt an den gegebenen marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen die durch umweltpolitische Instrumente gesteuert werden müssen. Hier muss von bestimmten Gruppen ökonomisches, interessengebundenes Verhalten wirksam in eine Demokratie eingebracht werden. (vgl. BRÖSSE 1995, 79ff.)

Allein aufgrund der Tatsache, dass um überhaupt wachsen zu können, die Wirtschaft nachhaltig agieren muss, führt dies zwangsläufig zur Ersetzung der begrenzten Ressourcen durch regenerative Ressourcen, technischen Fortschritt und Realkapital. Um die vorhandenen Probleme zu lösen, muss der Einzelne durch selbstverantwortliche Entscheidung Vorzüge und Nachteile von Entscheidungen, die umweltrelevant sind erfassen und beurteilen, was aber nach Brösse genau der Inhalt von ökonomischem Verhalten ist. Die Aufgabe der Ethik sieht er in der Schaffung von Rahmenbedingungen und als normative Grundlage zur Beachtung der Wirtschaftsordnung. (vgl. BRÖSSE 1995, 84)


Sind ökonomischem Verhalten ethische Implikationen inhärent?

Der Ansatz von Brösse, dass ökonomisches Verhalten an sich funktioniert und etwaige negative Entwicklungen in den Rahmenbedingungen zu suchen sind, ist zwar gut gemeint, aber wenn man einerseits an der Realität vorbei argumentiert, dass die Kritik an negativen Folgen eines in einem Wirtschaftssystem stattfindenden Vorganges unberechtigt ist, weil das System an sich ja funktioniere nur das (kritisierte) Verhalten dann wahrscheinlich nicht ökonomisch war, dann entspricht das eher einem Verschließen der Augen vor für dieses System konstruktiver Kritik, schließlich kann ich Beispielsweise als KFZ-Mechaniker ein nicht fahrtüchtiges Auto auch nicht mit den Worten zurückweisen, dass das Konzept des Autos einwandfrei funktioniere, nur sich die verbauten Teile nicht so verhalten wie sie sollten und es dazu einiger Vorgaben bedarf oder gar dass es im Wesen eines Autos liege zu fahren und das mir vorgelegte Ding schlicht und einfach kein Auto sei.

Auch die Kritik, dass Kritik an ökonomischem Verhalten mit einer Verwechslung mit illegalem Verhalten einhergeht, ist unzureichend, da etwa eine Abwanderung eines Betriebes in ein Land mit geringeren Emissionsvorgaben ökonomisch ist (das Argument, dass dann der Umweltschutz in den Augen der Akteure einen zu geringen Nutzen aufweist, macht dies noch lange nicht zu einem unökonomischen Verhalten – hier könnten aber ethische Gründe ausschlaggebend sein, weswegen ich Brösses Vorzug ökonomischen Verhaltens gegenüber ethischem Verhalten nicht nachvollziehen kann. Daraufhin zu sagen dass etwas mit für mich höherer Wichtigkeit einen höheren Nutzen hat scheint konstruiert.), wenn ich eine stillgelegte Fabrik in Rumänien kaufe, diese als Tochterorganisation deklariere um dieser daraufhin CO2-Zertifikate zu verkaufen, mag dies illegal sein – kann aber dennoch aus ökonomischem Kalkül erfolgen.

Somit ist ersichtlich, dass ökonomisches Verhalten nicht von sich aus zu ökologischen Verbesserungen führt, sondern wie im behandelten Text angemerkt nur mit dementsprechenden Rahmenbedingungen, denn ökonomisches Verhalten (so wie es BRÖSSE versteht) führt zu ökonomischen Resultaten; ökologische Entwicklungen hängen vom Kontext in dem das Verhalten gesetzt wird, vom (ethischen/normativen) Zugang zu der Umwelt, in der dieses Verhalten realisiert wird und von der gesamten Bewertung der Folgen, die durch die durch das ökonomische Verhalten induzierten Prozesse hervorgerufen werden, ab. Und genau hierin liegt m.E. der Fehler in Brösses Darstellung – denn einerseits meint er dass das ökonomische Prinzip an sich ethisch ist und verlangt andererseits Rahmenbedingungen zur Regulierung dieses wirtschaftlichen Verhaltens, aber genau das sehe ich als die normativen Prämissen die von einer Ethik zugrunde gelegt werden müssen.

Zusätzliche Inputs aus der Politik und das von Brösse betonte Potential von erneuerbaren Ressourcen und technischem Fortschritt sowie ein höheres Maß an Eigenverantwortung, eine Erweiterung der Sicht auf mögliche Vorzüge und Nachteile sind dem Umweltschutz gegenüber zwar sicher förderlich, aber genau hier muss auch eine praktische Umweltethik ansetzen, vor allem auch für eine Rechtfertigung des Schutzes von Umwelt, genauso wie deren Integration etwa in Managementkonzepte als normative Paradigmen, sodass ganzheitliche, auch etwaige ökologische Folgen zu berücksichtigen wie z.B. ein Ansatz bei BLEICHER (199, S.172) zeigt.

Im Umweltschutz spielt neben den normativen Aspekten auch das Wissen um die Folgen eine wichtige Rolle, weswegen es neben der Verbindung mit umweltethischen Belangen auch die Verankerung von umweltschutztechnischen Standards, Monitoring- und Planungsinstrumenten in der Wirtschaft erforderlich sind, z.B. können Produktionsprozesse so ausgelegt werden, dass die den gesamten Produktlebenszyklus betrachten und so trotzdem durch eine höhere Wertigkeit und längere Verwendungsdauer einen Nutzen gegenüber Wegwerfprodukten erzeugen oder durch den Versuch bereits in der Produktion für einen möglichst geringen Anfall an Reststoffen zu sorgen (vgl. produktionsintegrierter Umweltschutz in FÖRSTNER, 2003, S.60f.) oder den Versuch komplexe Zusammenhänge durch Kenngrößen zu erfassen, um so eine Beurteilung des Umweltzustandes zu erleichtern (FÖRSTNER, 2003, S.332ff.) die Motivation all dies zu tun, kann sicherlich aus wirtschaftlichen Überlegungen geschehen aber ich kann mir nicht vorstellen, dass hier ethische Momente im Bezug auf das Schützen der Umwelt als etwas Werthaftes keine Rolle spielen.

In Zeiten der Finanzkrise die aus einer Vertrauenskrise des Interbankenmarktes und somit aus dem Misstrauen der Anleger sich nährte, scheint die Aussage, dass die Marktwirtschaft für sich selbst funktioniere, weil sie den Eigennutz in den Dienst des Gesamtwohls stelle (ZIMMERMANN, 1995, S.65) an den vorhandenen Realitäten vorbeizuzielen, die von Zimmermann vorgestellten Management-Ethiken bleiben guter PR dienende Floskeln, solange es keine Verbindlichkeit und in Folge keine Sanktionen durch übergeordnete Institutionen gibt, die auf einem Fundament zur Rechtfertigung dieser Sanktionen aufbauen. Es wird vor allem auch mangelnder Durchblick auf die ökonomischen Realitäten als Grund für negative ökologische Entwicklungen gesehen. (ZIMMERMANN, 1995, S.67)

Dieser Grund führt in Folge zu der These, dass es Unsicherheiten für menschliche Entscheidungsfäller zu beseitigen gilt, um eine auch aus Sicht der Ethik funktionierende Ökonomie zu gewährleisten. Hier werden die in der Zusammenfassung genannten drei Arten von Unsicherheiten in den Mittelpunkt gerückt und Lösungsansätze wie etwa durch Fuzzy Sets gesucht. (ZIMMERMANN, 1995, S.75)

Die Lösung der genannten Probleme wirkt zwar sicher bei der Vermeidung von ungewollten negativen Entwicklungen hilfreich mit, doch sehe ich darin nicht die Ursache sondern eher einen unter vielen anderen mitwirkenden Faktoren für ökologische Probleme.

Es bedarf hier einer Erweiterung der Marktwirtschaft um eine ökologische und eine soziale Komponente, etwa wie der von Riegler vorgestellte Global Marshall Plan[1] bzw. halte ich zumindest die Integration und den Ausbau von vorhandenen normativen Kontrollfunktionen die durch die Politik/die jeweiligen Regierungen wahrgenommen werden könnten oder etwa in Zusammenarbeit mit supranationalen Institutionen wie der EU weiter entwickelt werden könnten für sinnvoll.


Womit kann die Schützenswürdigkeit der Umwelt begründet werden?

Die bei BRÖSSE und ZIMMERMANN betrachtete Umwelt ist eine von ökonomischen Prozessen durchdrungene und somit eine dem Kosten-Nutzenkalkül unterliegende Umwelt. Eine schützenswerte Umwelt manifestiert sich hier einerseits durch die Wahrnehmung einer Bedrohung oder zumindest einer Verknappung des betreffenden zu schützenden Gutes und andererseits durch den Nutzen den der Schutz – etwa gegenüber dem Nicht-Schutz bringt.

Eine normative Lösung wäre hier z.B. die Internalisierung von positiven und negativen externen Effekten in die Kosten- und Nutzen-Kalküle der jeweiligen Akteure, um den Problemen von öffentlichen Gütern und Allmendegütern[2] bei nahezu freier Nutzung zu begegnen. Hier ist problematisch, dass sich Umwelt nicht ohne weiteres monetarisieren lässt, nämlich können die Kosten etwa für die Investition in industrielle Schutztechnologien sehr wohl dargestellt werden, aber der Nutzen – etwa höhere Lebensqualität wird als Gegenpol dazu schwer zu integrieren sein.

Hier sind wieder regulative Instrumente oder wirtschaftliche Anreize denkbar, deren Realisierung und Absicherung gegen Unterwanderung Teil der aktuellen politischen Debatten sind.

Ein Ansatz der den im SE behandelten naturästhetischen Belangen für eine Umweltethik Rechung zu tragen, wäre diese als Ressource zu betrachten (vgl. SIMMONS, 1993, S.204ff.) und somit etwa die Wirkung oder das einzigartige sich-zeigen einer Umwelt einer Wertigkeit zuzuordnen und diese in ökonomische Wertschöpfungsprozesse zu integrieren oder als externen (Gemein-)Nutzen zu behandeln, d.h. das Schaffen einer der Natur ästhetisch inhärenten Schutzwürdigkeit für die menschliche Gesellschaft genauso wie für das Individuum, durch den Versuch eines konzeptionellen Fundaments, sozusagen eines kleinsten gemeinsamen Nenners der von Früchtl3 behandelten Differenzierungen in Synthese mit wirtschaftsethischen und umweltökonomischen Entwürfen mit allgemeinem Bezug auf umweltethische Entwürfe, was aber gleichzeitig massive Probleme aufwerfen würde, nämlich wie dieser kleinste gemeinsame Nenner zu legitimieren ist und ob eine Ökonomisierung der ästhetischen Aspekte ohne weiteres zu rechtfertigen ist.

Hier mangelt es meines Erachtens noch an praktischen Herangehensweisen zur Begründung, die ganzheitliche ökologische Ansätze der Ökonomie und Naturästhetische Konzepte ökologischer Ethiken miteinander verbinden und in einem kulturellen Kontext thematisieren. Um eine solche Basis aufbauend auf theoretischen teilweise im SE behandelten Konzepten herauszuarbeiten, wäre eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Vertretern der Wirtschaft, Philosophie, Life Sciences, Soziologie sowie Kultur- und Sozialanthroplogie sicher konstruktiv und wünschenswert.


Fußnoten:

[1] Etwa MÖLLER, U.: Global Marshall Plan. Stuttgart: Horizonte [2] IdR werden meritorische Güter wie bei SIEBERT (1983, S.57) erst nach Zuweisung von Bewertungskriterien wie Monetarisierung, Qualitätsnormenzuweisung, etc. als Allmendegüter bezeichnet bzw. wird bei vielen Umweltgütern inzwischen von Rivalität im Konsum durch Übernutzung gesprochen. [3] Hier sei auf Früchtls Kategorisierung verwiesen in: FRÜCHTL, J. (1996): Ästhetische Erfahrung und moralisches Urteil, Frankfurt a. M.: Suhrkamp.


Literatur:

BLEICHER, K. (1999): Das Konzept integriertes Management. Frankfurt a. M., u.a.: Campus.

BRÖSSE, U. (1995): Ökonomisches Verhalten als bester Weg zu einer nachhaltigen Umweltverbesserung. In: DAECKE, S. M. (Hrsg.): Ökonomie contra Ökologie? Stuttgart, u.a.: Metzler, 78-85.

FÖRSTNER, U. (2004): Umweltschutztechnik. Berlin, u.a.: Springer. SIMMONS, I. G. (1993): Ressourcen und Umweltmanagement. Heidelberg, u.a.: Spektrum Akad. Verl.

SIEBERT, H. (1983): Ökonomische Theorie natürlicher Ressourcen. Tübingen: Mohr

ZIMMERMANN, H.-J. (1995): 'Unscharfe' Wirtschaftsethik. In: DAECKE, S. M. (Hrsg.): Ökonomie contra Ökologie? Stuttgart, u.a.: Metzler, 63-77.