GATS (Exzerpte)

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Anthofer, Helmut (2005): GATS und die Liberalisierung von Bildungsdienstleistungen, S. 83-110, Studie im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte (Zur Zukunft öffentlicher Dienstleistungen, Nr.5), Wien

Durch das General Agreement on Trade in Services-Abkommen soll weltweit der freie Handel mit Dienstleistungen gewährleistet werden. Es wurde im April 1994 in Marrakesch unterzeichnet, trat im Jänner 1995 in Kraft und versteht sich als ein Teil des Welthandels-organisationsabkommens. In dieser Studie werden die Grundlagen, die genauen Vereinbarungen und die Auswirkungen auf das Bildungswesen genau dokumentiert.

In seiner Diplomarbeit stellt Helmut Anthofer unter anderem die vier Anwendungsgebiete der GATS vor: 1. grenzüberschreitende Erbringung: Dienstleistungserbringer und Verbraucher bleiben in ihrem Land (z.B. e-learning übers Internet, Beratungsleistungen über moderne Medien) 2. Nutzung einer Dienstleistung im Ausland: der Verbraucher begibt sich in das Land des Anbieters (z.B. Sprachschulen im Ausland oder Besuch einer Universität im Ausland) 3. kommerzielle Präsenz: Der Anbieter kommt in das Land des Verbrauchers. (z.B. Zweigstellen amerikanischer Universitäten in Europa) 4. Präsenz natürlicher Personen: Die Dienstleistung wird von einer natürlichen Person angeboten, die sich vorübergehend in einem anderen Mitgliedsland aufhält (z.B. ausländisches Lehrpersonal)

Die beiden wichtigsten Prinzipien der GATS sind die Meistbegünstigungsklausel und der Grundsatz der Inländerbehandlung. Erstere verlangt, dass alle Handelsvergünstigungen, die einem Land gewährt werden, auch allen anderen WTO-Mitgliedsstaaten zustehen. Und die Inländerbehandlung stellt die Wettbewerbschancengleichheit sicher, weil zw. Inländer und Ausländer kein Unterschied gemacht werden darf.

Die „Service Sectoral Classification List“ unterteilt die Bildungsdienstleistungen in 5 Kategorien : - primäre Ausbildung: Kindergarten, Vorschule, Grundschule - sekundäre Ausbildung: weiterführende und berufsausbildende Schulen - weiterführende Berufs- und Universitätsausbildung - Erwachsenenbildung - restliche Schulen und Ausbildung, die nicht zu den vorigen Kategorien gehören Jedes Mitglied stellt seine eigene Länderliste auf, von der entnommen werden kann, welche Verpflichtungen ein Land in einem bestimmten Sektor hat. Im Bereich Bildungsdienstleistungen machten die 140 Mitgliedsländer die wenigsten Zugeständnisse, im Schnitt 46. Die Europäische Union hat für alle EU-Mitgliedsstaaten eine einheitliche Länderliste vorgelegt. Da aber Österreich 1994 noch nicht der EG angehörte, gilt bis heute die damals eigenständig aufgestellte Liste von Verpflichtungen.

Es besteht hinsichtlich wichtiger Vertragsbestimmungen ein großer Interpretationsspielraum. Dennoch gibt es nur mehr wenige Ausnahmeregelungen, die Barrieren für den freien Handel mit Bildungsdienstleistungen darstellen. Das bedeutet für die einzelnen Nationalstaaten, dass sie diesen wichtigen Kernbereich des Lebens nicht mehr uneingeschränkt regulieren können.

Vorherrschende Trends aufgrund der Liberalisierung des Bildungswesens: - Privatisierung von Bildungseinrichtungen: Durch den Verlust oder die Schwächung des Einflusses auf den Bildungsbereich, übergibt der Staat diesen so wichtigen Aufgabenbereich in private Hände. Bildung verkommt somit zu einer Ware, die am Markt angeboten wird. Diese Tendenz wurde durch das Universitäts-Akkreditierungsgesetz 1999, das private Unis erlaubt, noch verstärkt. - Harmonisierung von Bildungssystemen: Durch den Bologna-Prozess, der im Juni 1999 von 29 europäischen Ländern unterzeichnet wurde, soll ein einheitlicher europäischer Hochschulraum bis 2010 realisiert werden. Ein Grund ist die Erhöhung der Verwendungsmöglichkeit der Bürger und durch die Umstellung auf Bakkalaureatsstudien sollen alle Absolventen die für den europäischen Arbeitsmarkt relevante Qualifikationsebene erreichen.


Scherrer, Christoph (2004): Bildung als Gegenstand des internationalen Handelregimes, S. 177-189, In: Jahrbuch für Pädagogik 2004- Globalisierung und Bildung, Peter-Lang-Verlag, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main

Christof Scherrer stellt in seinem Beitrag im Jahrbuch der Pädagogik 2004 zuerst die Grundlagen (Klassifikationsschema, Prinzipien) des GATS-Abkommens dar (näheres siehe Exzerpt zu Helmut Anthofer „GATS und die Liberalisierung von Bildungsdienstleistungen“).

Weiters behandelt er die exakten Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Europäischen Union, die sie 1994 eingegangen sind und nur schwer zurückgenommen werden können. In der Rubrik „horizontale Verpflichtungen“ sind drei sehr belangreiche Ausnahmen eingetragen: öffentliche Dienste (die EU-Liberalisierungsverpflichtung ist auf „privat finanzierte“ Bildungsdienstleistungen beschränkt), Zweigstellen von Unternehmen aus Drittstaaten und Subventionen.

Bis Ende Juni 2002 sollten die WTO-Mitglieder konkrete Marktöffnungsforderungen an ihre Handelspartner stellen. Folgende wurden an die EU gerichtet: - Die bisherigen Verpflichtungen sollten in den Bereichen höhere Bildungsdienstleistungen, Erwachsenenbildung und andere Bildungsdienstleistungen auf den öffentlichen Dienst ausgedehnt werden, d.h. volle Zugeständnisse. - „Horizontal“ gestellte Forderungen: • exakte und anschauliche Definition des öffentlichen Sektors • gleiche Behandlung von Tochtergesellschaften aus Drittstaaten • gleiche Subvention für alle

Somit beschäftigt sich Christof Scherrer folgend mit den möglichen Auswirkungen, wenn diese Forderungen realisiert werden: 1. Definition des öffentlichen Sektors: Die Hochschullehre würde somit aus den öffentlichen Aufgaben heraus- und in das GATS hineinfallen. Die Zulassungsanforderungen müssten dann für alle in- und ausländischen Studierenden gleich sein. 2. Subvention: Bis jetzt hatten Unternehmen und Bildungsnachfrager aus Nicht-EU-Staaten kein Recht auf staatliche Unterstützung. Doch wenn dieser Forderung nachgegangen wird, müsste die Subventionsform umgestellt werden. Entweder werden die Mittel in Zukunft über ein Ausschreibungsverfahren vergeben, wobei große Konkurrenz unter den Hochschulen entstehen würde, oder zweitens die Studierenden selber werden subventioniert, nicht mehr die Einrichtungen. Doch dann wird die Qualität der Ausbildung wahrscheinlich von den finanziellen Mitteln der Eltern abhängig.

Am Schluss gibt der Autor sein Statement zur Wahrscheinlichkeit der Umsetzung dieser oben angeführten neuen Forderungen an: Die EU wird sicher einige Verpflichtungen mehr in ihre Liste aufnehmen, damit auch die Verhandlungspartner auf die Forderungen seitens der EU eingehen. Aber vermutlich werden die Zugeständnisse nur Randbereiche der Bildung betreffen, wie Weiterbildung und Testdienstleistungen.


OECD (2004): Internationalisation and Trade in Higher Education (Opportunities and Challenges), Chapter: in Europe, S. 87-131, Frankreich

In diesem Bericht geht die OECD auf die fortschreitende Globalisierung und Internationalisierung der höheren Bildung ein. Der Hochschulbereich beinhaltet 4000 Institutionen und 16 Millionen Studenten (Stand 2004). Der größte Teil (75% der Studenten) besucht öffentliche Einrichtungen.

Zuerst wird ein kurzer geschichtlicher Rückblick gegeben: Angefangen hat die „Wanderung“ von Studenten bereits im Mittelalter. Der wohl berühmteste Wanderstudent war Erasmus von Rotterdam. In der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurden immer mehr Anstrengungen in die Harmonisierung und Angleichung der Bildungssysteme investiert, damit die Beweglichkeit der Studenten vereinfacht wird. In den 1980er Jahren entstanden unzählige europäische Kooperations- und Austauschprogramme. Um einige zu nennen: ERASMUS, COMETT, DELTA, etc. Von Mitte der 1980er Jahre bis Mitte der 1990er Jahre stand die Integration und intra-europäische Mobilität im Vordergrund. Das Hauptproblem für die Nationalstaaten wurde allmählich, eine ausgewogene Balance zwischen den Anforderungen der traditionellen Zusammenarbeit und des neuen internationalen Wettbewerbs zu finden.

Weiters werden in diesem Buch die drei für das europäische Bildungswesen wichtigen Verträge ausgeführt:

1. 1998 Sorbonne-Abkommen: Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien schlossen ein Abkommen über die erweiterte Harmonisierung des europäischen Hochschulbereichs.

2. 1999 Bologna-Prozess: 29 Staaten unterschrieben das Zugeständnis, bis 2010 einen einheitlichen europ. Hochschulraum zu errichten. Die angestrebten Ziele sind ein vergleichbarer akademischer Abschlussgrad, das 2-Kreise-System, sprich die Errichtung von Bakkalaureatsstudien, ein einheitliches Kreditpunktesystem (ECTS) und die weitere Elimination von Mobilitätshindernissen für Studierende und Lehrende. Kurz, Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Bildungssystems werden angestrebt.

3. 2000: Lissabon-Gipfel: Im März 2000 trafen sich die Regierungschefs der EU-Staaten in Lissabon, um ein politisch strategisches Ziel, das bis 2010 realisiert werden soll, zu formulieren: Europa soll die wettbewerbsfähigste und dynamischste, wissensbasierte Wirtschaft der Welt haben, zusammenhängend mit besseren Jobs und mehr sozialem Zusammenhalt.

Die fortschreitende Internationalisierung von Bildung hängt also nicht nur mit der Verbesserung des internationalen Austauschs von Studenten und Lehrpersonal zusammen, sondern hat auch ökonomische Hintergründe. Durch ein einheitliches, effektives Bildungssystem will Europa eine Vormachtsstellung in diesem Sektor gewinnen (momentan sind die USA der international meist genutzte Bildungsanbieter). Die Folge dieses wirtschaftlichen Denkens ist, dass Bildung nicht mehr als öffentliches Gut gilt, sondern als Produkt am Markt gehandelt wird. Durch das GATS wird der Wettbewerb und das Verkommen der Bildung als öffentlicher Dienst noch mehr gefördert. Die einzelnen Staaten verlieren immer mehr Kontrollmacht und Bestimmungsrecht im Bildungssektor, wird in diesem Aufsatz proklamiert. Dennoch hat es den Vorteil, dass alle Studenten im Ausland dieselbe Behandlung erfahren, wie die Inländer.

Im folgenden stellt die OECD die verschiedenen E-learning und Austauschprogramme im Einzelnen vor, auf die ich jetzt nicht näher eingehen werde. Nur kurz will ich die erwähnte Unbalance der Bildungsimporte und –exporte in einigen europäischen Ländern erläutern. Zum Beispiel Großbritannien nimmt deutlich mehr Studenten auf, als inländische Studenten in andere Länder gehen. Die verschiedenen Austauschprogramme sind aber stets um eine Inflow- und Outflowbalance bemüht.


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