Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten in der Philosophie, Gruppe 2 (IK Kuchler/Kroeger, SS 2014)

Aus Philo Wiki
Version vom 21. September 2014, 12:11 Uhr von Tina (Diskussion | Beiträge) (Kritik)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu:Navigation, Suche

Termine und Kontakt

Termine

  • Fr 14.03.2014, 16.00-20.00 s.t., HS 2i (NIG, 2.Stock)
  • Sa 17.05.2014, 09.00-18.15 s.t., HS 3D (NIG, 3. Stock)
  • Sa 14.06.2014, 09.00-18.15 s.t., HS 2i (NIG, 2. Stock)

Bitte teilen Sie uns per E-Mail mit, wenn Sie am 14.3. nicht anwesend sein können, zur Not auch im Nachhinein; sonst müssen wir Sie vom Kurs abmelden. Aktivieren Sie bitte auch Ihre u:net-E-Mail-Adresse, sonst können wir Sie vor dem Kurs nicht erreichen.

Bei diesbezüglichen oder allfälligen anderen Fragen, kommen Sie gerne in die erste Sprechstunde, am Mittwoch dem 12.3.

Sprechstunde

Mittwoch 11:00–12:00 Uhr und nach Vereinbarung. Mittwoch der 4.6. entfällt zugunsten von Dienstag dem 3.6. 11:00 - 12:00 Uhr.
Im Lektor_innenzimmer des Instituts für Philsophie (NIG, 3. Stock, Zimmer D 0309).


Kontakt

  • karin.kuchler(at)univie.ac.at
  • odin.kroeger(at)univie.ac.at.

Schreiben Sie immer uns beiden. Bitte beginnen Sie den Betreff mit "[EWA]".

Hand-outs

Grundlagen

14.3.

17.5.

14.6.

Texte

Alle Texte herunterladen (ZIP-Datei; 13,7 MB).

Der Zugriff auf die Texte erfordert eine Anmeldung. Die Zugangsdaten finden Sie auf dem Übersichts-Handout aus der ersten Einheit.

Um die Texte zu lesen, benötigen Sie einen ausreichend aktuellen PDF-Reader; ein solcher sollte von Haus aus auf Ihrem Computer installiert sein, sollte dies wider Erwarten nicht der Fall sein, können Sie den Adobe Acrobat Reader, gratis herunterladen.

Wenn der Text verzerrt oder unleserlich dargestellt wird, benötigen Sie einen neueren PDF-Reader; besorgen Sie sich bitte die aktuelle Version des Adobe Acrobot Reades (siehe oben). Falls Sie damit Schwierigkeiten haben oder der Text dennoch unleserlich dargestellt wird, kontaktieren Sie uns.

17.5., Teil 1: Wissenschaftstheorie

  • Feyerabend, Paul. Auszug, 11–33, aus Wider den Methodenzwang. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1987.
  • Kuhn, Thomas S. „Postskriptum – 1969“. In Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1978, 186–221.
  • Butler, Judith. Auszug, 5–46, aus Kritik, Dissens, Disziplinarität. Berlin: Diaphanes, 2011.

17.5., Teil 2: Interkulturelle Philosophie

14.6., Teil 1: Soziale Erkenntnistheorie und situiertes Wissen

14.6., Teil 2: Sozialontologie und soziale Konstruktion


Protokolle

Empirismus

Der Empirismus ist eine Erkenntnistheorie, die als einzige Quelle der Erkenntnis die Erfahrung (griechisch empeiría) anerkennt. Durch den Zweifel daran, ob sichere Erkenntnis überhaupt erlangt werden kann, stellt sich die Frage nach dem Ursprung der menschlichen Erkenntnis. Zur Beantwortung dieser Frage werden zwei gegensätzliche Denkschulen entwickelt. Der Rationalismus bestimmt Erkenntnis als nur durch Deduktion von durch Vernunft gesicherten Prinzipien als erlangbar. Die Deduktion leitet - ohne Miteinbeziehung der sinnlichen Erfahrungen - wahre Aussagen ab. Der Empirismus hingegen sieht die Erfahrung als unbedingt notwendig für Erkenntnisgewinnung an. Alles sinnlich Gegebene ist Ausgangspunkt der Erkenntnis, da es unmittelbar erfassbar ist. Daraus folgt die induktive Methode.
Als Vorläufer des englischen Empirismus können Bacon und Hobbes gelten. Bacon fordert 1620 von der Naturwissenschaft, systematisch zu experimentieren und sich nicht bloß auf zufällige Ergebnisse zu stützen. In seinem 1651 veröffentlichten „Leviathan“ postuliert Hobbes, dass Dinge, die nicht Gegenstand der Sinne seien, weder begrifflich noch wissenschaftlich erfasst werden könnten. Dies gilt als empiristisches Prinzip. Bacon und Hobbes vertreten jedoch auch rationale Züge, so dass sie zwar Wegbereiter für eine moderne Wissenschaft sind, aber nicht als reine Empiristen bezeichnet werden können. Als klassische Vertreter des Empirismus werden Locke, Hume und Berkeley gesehen. Eine weit bekannte Idee von Locke besagt, dass der menschliche Geist als tabula rasa in die Welt tritt, die durch „sensations“ oder „reflection“ gewissermaßen beschrieben wird. Hume negiert die Möglichkeit von a priori vorhandenen Erkenntnissen und sieht alle Erfahrungsschlüsse als Ergebnis instinktmäßiger Verknüpfung. Kausalität werde vom Menschen z.B. dann angenommen, wenn zwei Ereignisse wiederholt in einem engen temporo-spatialen Zusammenhang aufträten und so assoziiert würden. Berkeley bezeichnet Gott als die direkte Ursache aller sinnlichen Erfahrung und vertritt damit einen Immaterialismus: „Esse est percipi“ - Das Sein der Dinge besteht nur in ihrer Betrachtung.
Der Einfluss empiristischer Theorien ist groß: Zumindest der Imperativ, jede Theorie über die Welt zu korrigieren oder zu verwerfen, die an der Empirie scheitert, ist Bestandteil der modernen Naturwissenschaft.

Tesak, Gerhild: Empirismus. In: Rehfus, Wulff D.: Handwörterbuch Philosophie. 1. Aufl. Stuttgart: UTB 2003.
Blume, Thomas: Empirie. In: Rehfus, Wulff D.: Handwörterbuch Philosophie. 1. Aufl. Stuttgart: UTB 2003.
Blume, Thomas: empirisch. In: Rehfus, Wulff D.: Handwörterbuch Philosophie. 1. Aufl. Stuttgart: UTB 2003.

Falsifikation

Von lat. falsus ("falsch") und facere ("tun, machen") - bedeutet also wortwörtlich so viel wie: "Widerlegung". Eine Widerlegung einer Theorie oder Hypothese mit Hilfe eines Gegenbeispiels bezeichnet man als "Falsifikation". Der Begriff kann allgemein als Synonym für das Aufweisen der Falschheit einer Sache genutzt werden, kommt allerdings in der Philosophie hauptsächlich im Kontext der Wissenschaftsphilosophie vor, wo eine der bekanntesten Meinungen - jene von Karl R. Popper - grundlegend auf der Falsifikation aufbaut. Popper zufolge könne man keine empirischen Sätze beweisen, sehr wohl aber widerlegen ("falsifizieren"). Mit der Falsifizierbarkeit (also Widerlegbarkeit) führt Popper ein Prinzip der Wissenschaftlichkeit ein, was großen Einfluss auf die Wissenschaftstheorie hatte und viel Zu- und Widerspruch fand.

Quelle: Lic. Phil. Gerhild Tesak Falsifizieren. Stuttgart: UTB Online Wörterbuch der Philosophie, 2003. http://www.philosophie-woerterbuch.de [zuletzt aufgerufen am 20.05.2014]

Fortschritt

In der heutige Alltagssprache bezeichnet der Begriff die Entwicklung von einem früheren, schlechteren hin zu einem späteren, besseren Zustand. Die Verwendung des Begriff kennzeichnet diese Entwicklung als positiv. Seit der Aufklärung ist der Fortschritt ein Grundthema der Geschichtsphilosophie. So spielt er in einigen Philosophien insofern eine Rolle, als versucht wird, den Fortschritt in einzelnen Bereichen auf die ganze Geschichte als angeblich fortschrittlichem, d.h. teleologischem Prozess (im Unterschied zu einem zyklischen Zeitverständnis) zu übertragen. Dabei wird zwischen wissenschaftlich-technischem (Wissenszunahme, technische Beherrschung der Natur) und moralisch-politischem (sittliche Vervollkommnung des Menschen, freie Gesellschaftsordnung) Fortschritt unterschieden. Kritik am Fortschritt entstand v.a. durch die Katastrophenerfahrungen des 20. Jahrhunderts, die ein solches Geschichtsmodell infrage stellten; Philosophien des Fortschritts stehen daher mittlerweile solchen des Verfalls gegenüber.

Literatur:
Tesak, Gerhild: Art. Fortschritt, in: Rehfus, Wulff D. (Hg.): Handwörterbuch Philosophie, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003, 358. Burkard, Franz-Peter: Art. Fortschritt, in: Prechtl, Peter/ Burkard, Franz-Peter: Metzlers Philosophielexikon, Stuttgart: Metzler 21999, 182.

Hermeneutik

(vom griechischen hermeneuein, auslegen, interpretieren), Auslegungskunst, Verstehenslehre.
1. In der Überzeugung, dass die Bibel und die klassischen antiken Texte einen besonderen Wahrheitsgehalt haben, zu dem es vorzudringen gilt, stellt sich die H. um das Jahr 1500 zur Aufgabe, Methodenregeln für die korrekte Auslegung theologischer und klassisch-humanistischer Texte anzugeben.
2. Bei Schleiermacher wird das Gebiet der H. erweitert und umfasst nun alle Texte oder Geistesprodukte- und nicht 'nur' besonders ausgewählte, <klassische>, <autoritative> oder <heilige> Schriften. Mit dieser Erweiterung verliert die H, ihre traditionelle Beziehung zu Texten als Wahrheitsvermittler. Stattdessen erden diese als der Ausdruck der Psyche, des Lebens und der geschichtlichen Epoche des Verfassers aufgefasst, und das Verstehen wird gleichgesetzt mit einem Wiedererleben und einleben in das Bewusstsein, das Leben und die geschichtliche Epoche, aus der die Texte entstammen. Die H. wird zu einer allgemeinen Kunstlehre, Missverständnisse zu vermeiden bei dem Versuch, sich in das Leben einzufühlen, das hinter einem gegebenen Geistesprodukt steht. Bei Schleiermacher ist diese Theorie des <<Einlebens>> mit einer allgemeinen metaphysischen Theorie verbunden, nach der der Verfasser und Leser beide Ausdruck ein und desselben über-individuellen Lebens (des Geistes) sind, welches sich durch die Weltgeschichte entwickelt, Dieses Leben garantiert letzten Endes die Möglichkeit und Sinnfülle des Verstehens.
3. In der letzten Hälfte des 19. Jh. wird diese metaphysische Theorie des über-individuellen Lebens wieder aufgegeben, und die H. wird im Historismus schlechthin als eine Kunstlehre aufgefasst, die die richtige Rekonstruktion der psychologischen Zustände anderer in objektiv vorliegenden Texten (Quellen) sichern soll.
4. Zentral wird der Begriff der H. bei W. Dilthey. der zwischen <erklären> und <verstehen> unterscheidet. Während die Naturwissenschaften bestrebt sind, die <positiv> erkennbaren Gegebenheiten der Welt von außen zu erklären, ist es die Aufgabe der Geisteswissenschaften, die <<Erscheinungen>> der Welt von innen zu verstehen. Diltheys Bestreben, eine universelle Methodik der auf <<geschichtlichen Seelenvorgängen>> beruhenden Geisteswissenschaften zu entwickeln und diese abzugrenzen von den Gegenständen und Arbeitsweisen der Naturwissenschaften, hat einen nachhaltigen Einfluss ausgeübt, besonders auf die Literaturwissenschaft, die sich u.a. mit der Auslegung von Texten beschäftigt (s. Historismus). Seine Strukturlehre für alles Psychische und seine Typologie der Weltanschauungen bildeten sogleich den gegen den Relativismus des Historismus gerichteten Versuch, die relative Wahrheit der einzelnen Weltsichten aufzuweisen, und wurden zur Vorlage ähnlicher Typologisierungen etwa bei E. Kretschmer (1888-1964), E. Spranger (1882-1963), M. Weber und K. Jaspers.
5. Bei Heidegger und später Gadamer erhält der Begriff der Hermeneutik eine noch umfassendere Bedeutung, indem jene behaupten, dass nicht nur unser Wissen über Texte und geistige Produkte, sondern alles Wissen auf einem Verstehen beruht, das in einer Auslegung unseres Wissens erläutert (oder artikuliert) wird. Die Philos. muss bei diesem Verstehen ihren Ausgangspunkt nehmen und wird damit zu einer H. Mit dieser Erweiterung des H. Begriffs entsteht erneut eine Beziehung zum Wahrheitsbegriff. Die auslegende Verstehensaneignung wird zu einer Aneignung der Wahrheit dessen, auf das wir uns verstehen, und nur weil wir auf diese Weise <bereits in Wahrheit sind>, können wir überhaupt irren. Die hermeneutische Philos. wird zu einer Lehre von der Historizität des Menschen, d. h. zu der Lehre, dass sich der Mensch als ein In-der-Welt-Sein <immer schon> in Verstehenssituationen befindet, die er in einem geschichtlichen Verstehensprozess auslegen und korrigieren muss.
6. P. Ricœur führt die hermeneutische Philos. mit ihrer Betonung des sprachlichen und geschichtlichen Charakters des menschlichen In-der-Welt-Sein weiter. Er geht dabei wesentlich über Gadamer hinaus. Um sich selbst und seine eigenen Erzeugnisse zu verstehen, muss der Mensch sich von sich selbst distanzieren; er muss <objektivieren> mit Hilfe kultureller Symbole und sozialer Institutionen. Ein solch vermitteltes Verständnis nennt Ricœur Auslegung. In diesem Zusammenhang betont er im Unterschied zu Heidegger und Gadamer, die Beziehung zwischen hermeneutischen Philos. und dem linguistischen Strukturalismus sowie der Psychoanalyse - S. auch Verstehen und hermeneutischer Zirkel.

Lit.: E. Angehrn: Interpretation und Dekonstruktion: Untersuchungen zur Hermeneutik, 2004. K.-O. Apel: Die Erklären-Verstehen-Kontroverse in transzendental-pragmatischer Sicht, 1979. E. Betti: Die Hermeneutik als allgemeine Methodik der Geisteswissenschaften, 1972. R. Rubner/K.Camer/R. Wiehl (Hg.): Hermeneutik und Dialektik, I-II, 1970. W. Dilthey: Gesammelte Schriften, I-XII, 1914-36, fortgeführt 1962 ff. . H.-G. Gadamer: wahrheit und Methode, 1960. Ders./G. Boehm: Seminar: Philosophie der Hermeneutik, 1979. J. Greisch: Hermeneutik und Metaphysik, 1993. J. Groudin: Einführung in die philos. Hermeneutik, 1991. H. Ineichen: Philos. H., 1991. K. Joisten: Philos. H., 2009. H. Seiffert: Einführung in die Hermeneutik, 1992.

Quellenangabe: A. Hügli/P. Lübcke (Hg.), Philosophielexikon: Personen und Begriffe der abendländischen Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart, rowohlts Enzyklopädie, erschienen in: Rohwolt Taschenbuch Verlag, revidierte Auflage, Reinbek bei Hamburg, 2013

Kontingenz

vom lateinischen contingere, wörtlich „(sich) berühren”, „an etwas stoßen”, sinngemäß „zusammenfallen”. Daraus leiten sich die deutschen Begriffe „Zufall” und „Zufälligkeit” ab; griech. ἐνδεχόμενον (endechómenon, „das, was möglich ist”). Ganz allgemein bezeichnet man mit einem kontingenten Sachverhalt (auch Eigenschaften von Objekten fallen darunter) einen solchen, der weder notwendigerweise besteht, noch notwendigerweise nicht besteht. Im logischen Sinn bezeichnet Kontingenz das Nicht-Notwendige, d.h. dasjenige, was sein, aber auch nicht sein kann, was weder notwendig, noch unmöglich ist. Im Gegensatz zum Notwendigen, das zwingend in allen möglichen Welten der Fall ist (diesbezügliche propositionale Aussagen sind wahr), ist es das Kontingente nur in mindestens einer möglichen Welt. Die Aussagen über Kontingentes in der Zukunft (zB „Morgen werde ich krank sein”) können nicht als wahr oder falsch bestimmt werden. Ein Satz p ist kontingent genau dann, wenn weder p noch nicht-p notwendig wahr ist. Eigenschaften von Dingen, die ihrem Wesen nicht inhärent sind, das heißt, nicht zwingend zur Wesenhaftigkeit gehören, werden als kontingente Eigenschaften bezeichnet.

Quellen: 1. Hügli, Anton/Lübcke, Poul (Hrsg.), „Philosophie-Lexikon – Personen und Begriffe der abendländischen Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart”, Rowohlts Enzyklopädie, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2013; 2. Ritter, Joachim/Gründer, Karlfried/Gabriel, Gottfried/Kranz, Margarita (Hrsg.), „Historisches Wörterbuch der Philosophie”, Schwabe, 1971 ff; 3. „Online-Wörterbuch Philosophie: Das Philosophielexikon im Internet”, UTB, www.philosophie-woerterbuch.de

Kritik

Von griech. krinein , ›scheiden‹: Kritik im Sinne von Scheidekunst (kritike techne ): die Ent-Scheidung beim Handeln des Menschen, weil er immer mehrere Alternativen hat und die Kluge zu wählen ist das kritische Vermögen. Die Kritik als Rezension als Beurteilung von Kunstwerken oder wissenschaftlichen Arbeiten heißt unterscheiden, was schön oder hässlich, was durchdacht oder unsinnig ist, mit philosophischen Prinzipien sein Urteil (Kant) fällen. Der Rationalismus ist einseitiges verstandesmäßiges Erkennen, klar und deutlich, denn der Verstand (das spontane Vermögen) hat apriorische Regeln der Verknüpfung (Kategorien), der Empirismus ist einseitiges Erkennen durch die Sinne undeutlich und verschwommen, das ist die Anschauung (das rezeptive Vermögen) und liefert sinnliche Daten von Raum und Zeit, daraus folgt: Kritik versucht beide Vermögen zusammenzubringen weil die Erkenntnis von beiden abhängt. (UTB-Online-Wörterbuch Philosophie)

Die Wörter ‹Kritik› und ‹Krise› gehen auf Griechisch κρίσις, κριτική (τέχνη) zurück. Die Wortgruppe ist im Deutschen seit dem 18. Jh. belegt.

Die Methodologie wissenschaftlicher Forschung ist als die Falsifizierbarkeit als Kriterium zur Abgrenzung empirischer Sätze entstanden und wird als der Kritische Rationalismus bezeichnet, weil permanente Kritik ersetzt methodologisch die Rechtfertigung in der Gegenwartsphilosophie. Als Kritizismus wird jetzt das erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Falsifikationsprogramm bezeichnet, das K. R. POPPER bereits 1934 in seiner ‹Logik der Forschung› unter den Begriffen ‹kritische Methode› und ‹kritischer Rationalismus› vorgestellt hatte. Der Kritizismus ist positive Philosophie, er ist nicht bloße Skepsis. Er zweifelt, nicht um zu verwerfen, sondern zu begründen, weil er die schaffenden Kräfte befreit. Damit kommt Fortschritt in die Wissenschaft. Diese neue Kritik reformiere den Empirismus, indem er die Dogmatisierung der Erfahrung eliminiere, er ist ein «Denkstil», der für alle Bereiche menschlichen Denkens relevant sei.

[Historisches Wörterbuch der Philosophie: Kritik, Kritizismus HWPh: Historisches Wörterbuch der Philosophie, S. 15293 (vgl. HWPh Bd. 4, S. 1281)]

Kultur

Das Wort Kultur leitet sich aus dem lateinischen Wort "colere" (= hegen und pflegen, bebauen, ausbilden, tätig verehren) ab. Die ursprüngliche Bedeutung ist Pflege des Bodens, um ihn menschlichen Bedürfnissen anzupassen und dienstbar zu machen. Übertragen bedeutet Kultur Pflege, Verbesserung, Veredelung der leiblich-seelisch-geistigen Anlagen und Fähigkeiten des Menschen. Im umfassenden Sinne ist Kultur die Gesamtheit der Lebensbekundungen, der Leistungen und Werke eine Volkes oder einer Gruppe von Völkern. Sie ist der Inbegriff für jenen neuartigen Prozess auf der Erde, dessen Einzelprodukte nur menschliche Schöpfung sind und niemals von der Natur hervorgebracht worden wären.

(Philosophisches Wörterbuch. Begründet von Heinrich Schmidt, neu bearbeitet von Georgi Schischkoff. 22. Auflage. Kröner, Stuttgart 1991; S. 406-407)

Mythos

Aus dem griechischen μῦθος (Erdichtetes, Fabel), bedeutet Mythos dem Wort nach Erzählung und wird philosophiegeschichtlich oft dem Logos entgegengesetzt, über dessen rationalen Diskurs hinaus sich der M. in Bereichen des Denkens entfaltet, die dem Logos versperrt bleiben. Ursprünglich von nicht dokumentierbarem Handeln der Götter und Heroen erzählend, erfährt der Begriff geschichtlich einige Wandlungen. Bei Platon und Aristoteles etwa wird ihm neben seinem Unvermögen, rational zu argumentieren doch ein besonderer religiöser und ethischer Wert zugeschrieben. Platon vertritt die Auffassung, dass die Wirklichkeit nur in wahrscheinlicher Rede wiedergegeben werden könne, eben im Mythos, während wahre Aussagen nur über das Unveränderliche Sein, das Absolute zu tätigen seien. Später in der Moderne wird der Mythos als selbständige Lebens- und Denkform erforscht. In der deutschen Romantik erfährt der Begriff erneutes Interesse und es wird seine Wichtigkeit für Politik, Poetik oder Wissenschaft hervorgehoben (Herder, Schlegel). Zahlreiche Forschungen über indische, griechische oder nordische Mythologien finden in dieser Zeit statt und Schelling findet im Mythos sogar eine der Offenbarungen des Absoluten, worin die romantische Auffassung dieses Begriffs ihren Höhepunkt erreicht. Im 20. Jht. wird Mythos in zunehmenden Maße der Rationalität gegenübergestellt, einerseits, um ihn und sein Denken als essentiell und eigenständig zu verteidigen, andererseits um eine Gefahr des Verfalls von aufklärerischem Gedankengut zu verdeutlichen. De erzählende, wahrscheinliche Rede des Mythos erlaubt eine freie, entfesselnde Art der Darstellung, eine Wiedergabe von rational nicht Fassbarem und somit eine Erweiterung des geistigen Horizonts der Menschen bei der Aufnahme der Komplexität des Seienden. Die Moderne erschafft hierzu jedoch eine starke Gegenposition und setzt die Maschinerie der Entmythologisierung der Wirklichkeit im Dienste der Vernunft in Gang, was unter anderem zu einer Verschiebung des Mythos aus der Philosophie in den Bereich der Ästhetik zur Folge hat. Nicht mehr als selbst sprechende Quelle der Wahrheit lässt der herrschende Diskurs den Mythos nun gelten, sondern bestenfalls als Basis einer philosophischen Theorie. Somit teilte der Begriff des Mythos im Fahrwasser der Moderne das Schicksal vieler nichtrationalistischer Auffassungen oder Denkweisen, die sich salopp mit dem Titel von W. Nestles Buch „Vom Mythos zum Logos – Die Selbstenfaltung des griechischen Geistes“ aus dem Jahr 1948 treffend umreissen lassen.

Quellen: 1. Prechtl Peter, Burkard Franz-Peter (Hrsg.), Metzler Philosophie Lexikon, 2. Auflage, Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag,1999; 2.„Online-Wörterbuch Philosophie: Das Philosophielexikon im Internet”, UTB,www.philosophie-woerterbuch.de ; 3. Ritter, Joachim, Karlfried Gründer, Gottfried Gabriel und Margarita Kranz, Hg. Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 6: Mo-O. Basel: Schwabe, 1971–2005 ; 4. Lachawitz Günther, „Scriptum 13W“, Universität Wien, 2014

Nation

‚Nation’ (von lat. natio, nasci: ‚Geburt’, ‚geboren werden’) ist ein Begriff, der selten eindeutig und ausdrücklich definiert worden ist, der sich aber stark mit dem Begriff ‚Volk’ überschneidet. Im antiken Rom hatte er zunächst die Bedeutung von gens bzw. populus, also zeichnet eine Nation eine gemeinsame Abstammung aus. Diese Bedeutung hielt bis ins Mittelalter an. Im 18. Jahrhundert bekam dieser Begriff eine politische Bedeutung, der Begriff bezeichnete somit vielmehr die politische Organisation, die innerhalb einer Nation stattfindet.

Die Nation ist also ein „besonderer Organisationszusammenhang, in dem Individuen aufgrund gemeinsamer Abstammung, Sprache, Kultur, Religion, Wohngebiet, territorialer Grenzen usw. ihre Zusammengehörigkeit erkennen“ (1) oder auch kürzer ein „Volk im Besitz eines Staates“ (1), d.h. eine Gruppe von Individuen, die sich durch bestimmte Merkmale zusammengehörig sind und diese Zusammengehörigkeit durch ein politisches Konstrukt wie etwa durch einen Staat ausgezeichnet ist.

Quellen:
(1) Prechtl, Peter und Franz P. Burkard. Metzler Philosophie Lexikon. Begriffe und Definitionen. 2. Auflage. Stuttgart: Metzler, 1999
(2) Ritter, Joachim, Karlfried Gründer, Gottfried Gabriel und Margarita Kranz, Hg. Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 6: Mo-O. Basel: Schwabe, 1971–2005

Ontologie

Der Begriff Ontologie kommt aus dem Griechischen und kann als „die Lehre vom Seienden als solchem“ oder „Seinslehre“ übersetzt werden. Die Grundlage dafür ist Aristoteles‘ Werk „Metaphysik“, welches sich mit den Ursachen des Seienden, der ersten Philosophie, beschäftigt. Der Ausdruck entwickelte sich aus dem der Metaphysik, der bis ins hohe Mittelalter mit „der ersten Philosophie“ gleichgesetzt wurde. Es erfolgte schließlich eine Spaltung in eine allgemeine und eine spezielle Metaphysik. Während sich die spezielle Metaphysik mit dem Seienden beschäftigt, das von jeglicher Materie getrennt ist (z.B. Gott), befasst sich die allgemeine Metaphysik mit dem Seienden, sofern es seiend ist und wird von Goclenius (1613) als Ontologie bezeichnet. Wolff etablierte die Bezeichnung im 18. Jhd. zu einem Disziplinbegriff und seither erfuhr sie in der Philosophie eine vielfältige Beachtung und Auslegung.

Quellen:
Peter Prechtl und Franz P. Burkard: Metzler Philosophie Lexikon. Begriffe und Definitionen. 2. Auflage. Stuttgart: Metzler, 1999, S. 415b-418a.
Joachim Ritter, Karlfried Gründer, Gottfried Gabriel und Margarita Kranz (Hg): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd 6: Mo-O. Basel: Schwabe, 1971–2005, S. 1189a-1200b.

Poststrukturalismus

Eine Strömung, die als Reaktion auf die idealistischen Konsequenzen des klassischen Strukturalismus verstanden werden kann, ohne die strukturalistischen Methoden vollends preis zu geben. Zu den idealistischen Konsequenzen zählen vor allem die Vorstellung einer überhistorischen, geschlossenen Struktur und die Annahme eines strukturübergreifenden Zentrums, welches eigentlich selbst durch die differenzielle Anordnung der Signifikanten entsteht, und deshalb nicht jenseits der Zeichensysteme liegen kann. Im Rückgriff auf Heidegger, durch den das Wissenschaftsverständnis des Strukturalismus als neuzeitliche Metaphysik abgelehnt wird, wird versucht dezentrale Strukturen ohne Zentrum zu denken. Des Weiteren wird ausgehend von Nietzsche die Untersuchung der strukturellen Mechanismen der Macht - in der Gesellschaft, der Sprache und den Institutionen - begonnen. Die zum Poststrukturalismus gehörenden Philosophen sind sehr heterogen, als Vorläufer sind Roland Barthes (Texttheorie) und Jaques Lacan („subversiver Diskurs“ des Begehrens in der Psychoanalyse) und als Hauptvertreter Michel Foucault, Gilles Deleuze, Jaques Derrida und Jean-François Leotard zu nennen.

Quelle:
Peter Prechtl und Franz P. Burkard: Metzler Philosophie Lexikon. Begriffe und Definitionen. 2. Auflage. Stuttgart: Metzler, 1999, S. 415b-418a.

Praxis

Kommt aus dem Griechischen und steht für Handeln, Tat oder Tätigsein. Im vorphilosophischen Sinn wird damit der konkrete Lebensvollzug gemeint. In der Philosophie ist Praxis hingegen im Wesentlichen die Antithese zur Theorie, und wird – je nach philosophischer Schule- der Theorie entweder nachgeordnet oder bevorzugt.

Quellen: 1. Prechtl, Peter und Franz P. Burkard. Metzler Philosophie Lexikon. Begriffe und Definitionen. 3. erweiterte und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Metzler, 2008; 2. Horn, Christoph und Christof Rapp. Wörterbuch der antiken Philosophie. 2. überarbeitete Auflage. München: C. H. Beck, 2008.

Heuristik

Erfindungskunst; griech. heuriskein: finden, auffinden; Die Heuristik versucht Probleme ohne eindeutige Verfahren zu lösen, da diese entweder fehlen oder als zu aufwendig erscheinen. Sie bietet lediglich Hilfsmittel an, die eine Lösung ermöglichen, ohne direkte Schlüsse zu ziehen. Heuristische Verfahren liefern keine Beweise oder Begründungen neuer Erkenntnisse, sondern versuchen diese mit Mitteln wie Analogien, Assoziationen, Vermutungen, Wahrscheinlichkeiten und Generalisierungen aufzufinden.

Quelle: Prechtl, Peter und Franz P. Burkard. Metzler Philosophie Lexikon. Begriffe und Definitionen. 3. erweiterte und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Metzler, 2008;

Revolution

Revolution leitet sich vom lateinischen "revolvere" (=zurückwälzen) ab. Ursprünglich wurde der Begriff in der Astronomie/Astrologie verwendet um die Umkehr einer gegenwärtigen Konstellation zu bezeichnen. Im 16. Und 17. Jahrhundert wurde er auch auf politische, wirtschaftliche und kulturelle Vorgänge ausgedehnt. Revolution bezeichnet in diesen Zusammenhängen einen plötzlichen und grundsätzlichen Umbruch. In der Philosophie verwenden zum Beispiel K. Marx und T. S. Kuhn den Begriff. Marx stellt Revolutionen als „Lokomotiven der Gesellschaft“ dar. Im Sozialismus sind Revolutionen auch die treibende Kraft für politische Veränderungen. Kuhn beschreibt mit Hilfe des Begriffs die diskontinuierlichen Abläufe in den Naturwissenschaften. Revolutionen stellen den Übergang von alten zu neuen Paradigmen dar.

Quellen: 1. Schmidt, Heinrich; Gessmann, Martin (Hg.): Philosophisches Wörterbuch. 23., vollständig neu bearbeitete Aufl. Stuttgart: Kröner 2009 2.UTB-Wörterbuch Philosophie, http://www.philosophie-woerterbuch.de/ 3. Halder, Alois; Müller, Max (Hg.): Philosophisches Wörterbuch. Überarb. Neuaufl. Freiburg u.a.: Herder 2008

Historizismus / Historismus

Der Historismus [1] entsteht im Anschluss an die Geschichtsphilosophie der Aufklärung und den deutschen Idealismus; in eine Krise gerät er Anfang des 20. Jahrhunderts. Im 19. Jahrhundert etabliert sich die moderne Geschichtswissenschaft an den Universitäten. In Ablösung von der Geschichtsschreibung entwickeln die ersten hauptberuflichen Historiker fachspezifische Standards und beginnen, über die eigene Forschung zu reflektieren. Die Geschichtswissenschaft emanzipiert sich von der Philosophie und wendet sich kritisch gegen die Geschichtsphilosophie als rein spekulative Geschichtsbetrachtung, die die Geschichte zur Bestätigung von Idealen der Menschheitsgeschichte missbrauche und nicht auf historischen Annahmen beruhe: der Entwicklung der menschlichen Vernunft, „dem Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit.“ [2] Dieser Spekulation setzen die Vertreter des Historismus die empirische Forschung entgegen; dazu gehört die sorgfältige Sammlung und Prüfung der Quellen sowie die vorsichtige Verknüpfung der belegten Tatsachen zu historischen Zusammenhängen. Vorrang hat die Detailforschung mit eingegrenzten Themen. Leopold von Ranke prägte das Motto des Historizismus mit dem Satz: „blos zeigen wie es eigentlich gewesen ist.“[3]. Damit bringt er den Anspruch auf Empirie zum Ausdruck und weist gleichzeitig auf die lauernde Gefahr eines naiven Realismus und Positivismus hin. Die Kritik der Historiker an der Geschichtsphilosophie beschränkt sich aber nicht auf methodische Fragen, sondern wendet sich auch gegen die Leitideen der Aufklärung wie Fortschritt und Weltbürgertum, die zunehmend skeptisch betrachtet werden. Die Geschichtsphilosophie habe mit ihren rationalistischen und ungeschichtlichen Konstruktionen das Wesen der Geschichte und ihren wissenschaftlichen Charakter verfehlt; allein der moderne Historismus habe der Welt die Geschichte entdeckt. Giovanni Battista Vico [4] (1668 – 1744) fordert eine neue historische Methode; Johann Gottfried Herder [5] (1744 – 1803) steht am Anfang, die Hauptvertreter des Historizismus sind Johann Gustav Droysen [6] (1808 – 1884) und Wilhelm Dilthey [7] (1833 – 1911). Mit Friedrich Nietzsche [8] (1844 -1900) setzt die Kritik am Historismus ein, die unter anderem von Ernst Troeltsch [9] (1865 – 1923) und Paul Ricœur [10] (1913 – 2005) weitergeführt wird. Das kritische Bild des Historismus wir von seinen Kritikern so gezeichnet: „Historismus als «historischer Positivismus», als zur Stoffhuberei ausgewucherte Tatsachenforschung und -aufreihung, die alles und jedes Vergangene thematisieren kann, ohne nach Sinn und Beziehung zur Gegenwart zu fragen, die alles und jedes genetisch herleitet und so auch den Standpunkt des erkennenden Subjektes historisch relativiert, kurz: H. als Indiz für den Auseinanderfall von Subjektivität und Geschichtsinhalt, als Indiz für Identitäts- und Wertverlust – eine Tatbestand, den FR. NIETZSCHE schon 1874 beschrieben hatte.“ [11]

Anmerkungen: [1] Nagl-Docekal, Herta: Einführung in die Geschichtsphilosophie, Vorlesung S2013; vgl. auch dies. (Hg.): Der Sinn des Historischen. Frankfurt 1996 [2] Hegel, G.W.F.: Werke, hg. Glockner 11, 46 zitiert nach HWPh Bd. 3, S. 429 [3] Ranke, Leopold von: Geschichte der romanischen und germanischen Völker, 1885, VIII zitiert nach Rohbeck, J.: Geschichtsphilosophie. Hamburg: Junius 2004, (= Zur Einführung 302), S. 74 [4] Vico, Giambattista: Scienza nuova, 1744 [5] Herder, Johann G.: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit, 1774 [6] Droysen, Johann G.: Grundriss der Historik, 1875 [7] Dilthey,Wilhelm: Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften, 1910 [8] Nietzsche, Friedrich: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben, 1874 [9] Troeltsch, Ernst: Der Historismus und seine Probleme, 1922 [10] Ricœur, Paul: Zeit und historische Erzählung, 1983 [11] vgl. HWPh Bd. 3, S. 1142

Paradigma

Paradigma leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet ›Beispiel, Muster‹: Die moderne Bedeutung geht auf Wittgenstein und auf Thomas S. Kuhn zurück. Wittgenstein beschränkt sich dabei auf paradigmatische Beispielmengen bestimmter Klassen einer Theorie bei Anwendungen die auf ein bestimmtes Resultat hin zielen. Kuhn fasst das Paradigma umfassender auf. Er versteht darunter ein anerkanntes Theoriengebäude, das anfangs neuartig genug ist, um eine beständige Gruppe von Anhängern anzuziehen, und offen genug, um dieser neuen Gruppe von Fachleuten alle möglichen ungelösten Probleme zu stellen. Seinen Erfolg und seine Geltung erhält ein Paradigma in der Regel dadurch, dass es bei der Lösung konkreter Probleme der Wissenschaft erfolgreich ist. Das Fortschreiten der wissenschaftlichen Erkenntnis erfolgt jedoch nicht kontinuierlich sondern sprunghaft und krisenhaft - Kuhn nennt diesen Prozess: wissenschaftliche Revolution.

Quellen: Th. S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen , Frankfurt/M. 1967, Handwörterbuchs Philosophie, hg. von Wulff D. Rehfus, Dr. Herbert Wiesen , UTB Online Wörterbuch der Philosophie, 2003. http://www.philosophie-woerterbuch.de

Identität

Das Wort Identität leitet sich aus dem Spätlateinischen identitas, bzw lateinisch idem = derselbe ab. Identität bedeutet völlige Ubereinstimmung, eine zweistellige Relation, in der jeder Gegenstand nur zu sich selbst steht. Gegenstände, die alle Eigenschaften gemein haben, sind miteinander identisch (Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren).

Identitätsrelation = Äquivalenzrelation (Bedingungen: Reflexivität, Symmetrie, Transitivität). Durch das so genannte Leibniz-Prinzip unterscheidet sich die Identität von anderen Äquivalenzrelationen, da dieses besagt, dass Gegenstände, zwischen denen die Identitätsrelation besteht, alle Eigenschaften gemeinsam haben. In der erweiterten Form der Prädikatenlogik erster Stufe, 'Prädikatenlogik mit Identität': das diese Relation bezeichnende Symbol = wird als logische Konstante eingeführt.

Quelle: Ulrich Wille, UTB Online Wörterbuch der Philosophie, http://www.philosophie-woerterbuch.de

Konstruktivismus

Soziale “Konstruktion” und sozialer “Konstuktivismus” sind Begriffe welche in den humanitären und sozialen Wissenschaft weite Verbreitung finden und für ein breites Feld an Bedeutungen stehen können. Wenn eines eine Kernidee von Konstruktivismus gibt, so ist sie, dass manche Objekte, eher von sozialen oder kulturellen Faktoren verursacht oder kontrolliert werden, als von natürlicher Ursache zu sein. Sollte es eine zugrunde liegende Motivation geben, so ist es jene, zu zeigen, dass solche Objekte von uns kontrolliert werden und anders sein könnten oder sein hätten können.

Vgl. Ron Mallon, Stanford Encyclopedia of Philosophy, http://plato.stanford.edu/entries/social-construction-naturalistic/

Emanzipation

Abgeleitet wird der Begriff von einem terminus technicus des römischen Rechts (emancipare), der die Entlassung von Söhnen aus der väterlichen Gewalt in den Status zivilrechtlicher Selbständigkeit bezeichnet- ein für den Betroffenen passiv erfahrenes Geschehen.

Im Übergang zur Neuzeit erhält der Begriff eine aktive Bedeutung, der sich im reflexiven Gebrauch des Verbs verdeutlicht ("sich emanzipieren"), der in unterschiedlichen Kontexten Anwendung findet.

Im Kontext der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde Emanzipation zu einem politischen Schlagwort. Die Befreiung des Menschen aus den Zwängen kapitalistischer Vergesellschaftung, aus kontrollierender staatlicher Verwaltung und von patriachaler Unterdrückung, also Freiheit von jeglicher Form von Fremdbestimmung und Herrschaft. Bacon versteht unter Emanzipation die Befreiung von der äußeren Natur durch Wissen und Erkenntnis. Ende des 18. Jahrhunderts findet der Begriff Emanzipation Eingang in den Kontext der Frauenbewegung, hier wird die Befreiung aus einschränkender männlicher Geschlechtsvormundschaft, die rechtliche Subjektwerdung von Frauen mit dem Ziel der vollen und gleichberechtigten Teilnahme am sozialen, wirschaftlichen und kulturellen Leben sowie die Selbstbestimmung über den Körper und ökonomische Unabhängigkeit unter Emanzipation subsummiert. Marx entwickelt Emanzipation zu einem klassenbezogenen Kampfbegriff (politisch- rechtliche Emanzipation des Bürgertums, Emanzipation der gesamten Menschheit). In der Psychoanalyse der Tradition Freuds bedeutet Emanzipation die Befreiung von äußeren Zwängen aber auch von verinnnerlichten gesellschaftlichen Zwängen und unterdrückten bzw. verdrängten traumatischen Erfahrungen.

Quelle: Gosepath, Hinsch, Rössler: Handbuch der politischen Philosophie und Sozialphilosophie, Band I A-M, 2008

Anarchismus

Anarchismus ist eine Gesellschaftsform, die nicht auf Basis einer Staatsgewalt, sondern auf Basis einer freiwilligen Organisation oder eines Zusammenschlusses aus verschiedenen Individuen funktioniert. Ein zentraler Gedanke im Anarchismus ist, dass das Individuum das Recht haben muss, über sein eigenes Leben selbst zu bestimmen und dass durch gemeinsames politisches Handeln der Individuen die echte Freiheit erreicht werden kann.

Quelle: Hügli, Anton/Lübcke, Poul (Hg.). Philosophielexikon: Personen und Begriffe der abendländischen Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2013, 37-38.

Befreiungsphilosophie

Befreiungsphilosophie ist eine in den frühen 1970ern in Argentinien entstandene Bewegung als Reaktion auf die dortigen sozialen Konflikte und nationalen Bedürfnisse. Sie geht auf die Unterdrückung der Armen und an den Rand der Gesellschaft gedrängten Menschen ein und fordert deren Befreiung von der strukturellen Abhängigkeit, indem man jene Personen zum Gegenstand der Philosophie, oder sogar zu Autoren philosophischer Texte macht. Das Ziel war eine Lösung von der Akademie und eine Anerkennung der 'Andersheit' dieser Menschen.

Quelle: Craig, Edward (Hrsg.). Die kleine Routledge Enzyklopädie der Philosophie. Band 1, A-G. Berlin: Xenomoi Verlag, 2007.