Diskussion:Wittgenstein über Kalkül (Code)

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Version vom 24. Mai 2008, 01:27 Uhr von Richardd (Diskussion | Beiträge) ("Ich bin müde, ich will ins Bild")
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Die Gelassenheit des Ingenieurs auf Sokrates Provokation?

Ich finde den Kontrast zwischen Sokrates und Wittgenstein ziemlich spannend, wenn es um die Frage der Allgemeinheit von Regeln, Kalkülen oder Begriffen geht. Wenn man dazu den Artikel über die Bildungsdiskussion liest, kommt einem Wittgensteins Ansatz ziemlich gelassen/cool vor:

Die Gesprächspartner des Philosophen (m/w) sehen sich befugt, aus ihrer Kenntnis der Umstände Auskunft darüber zu geben, was Tapferkeit ausmacht. Und Sokrates weist ihnen nach, dass sie nicht an alles gedacht haben, was dabei zu beachten ist.

Ein Wittgenstein (und ich denke, hier zeigen sich seine Wurzeln aus dem Ingenieurwesen) entgegnet dazu:

Sokrates stellt die Frage, was Erkenntnis sei, und ist nicht mit der Aufzählung von Erkenntnissen zufrieden. Wir aber kümmern uns nicht viel um diesen allgemeinen Begriff und sind froh, wenn wir Schuhmacherei, Geometrie etc. verstehen.

Sokrates stellt die Frage "Was ist Tapferkeit?" und er erhält von den Geschäftsmännern, Arbeitern, Kriegern, etc. unterschiedliche Antworten, auf die Sokrates aber immer antwortet: "Aber gibt es denn nicht noch andere Fälle, die unter den Begriff der Tapferkeit fallen?" Wittgenstein würde kontern: Ja, kann schon sein - aber momentan fällt mir kein anderer ein. Es genügt doch, wenn ich in den konkreten Fällen (im Alltag) verstehe, was Tapferkeit ist - dazu brauche ich ja gar keinen allgemeinen Begriff, der alle möglichen Fälle von Tapferkeit unter einen Hut bringt.

Wir glauben nicht, daß nur der ein Spiel versteht, der eine Definition des Begriffs ‚Spiel’ geben kann.

Damit wären "Experten" nicht mehr die Einzigen, die etwas über ein bestimmtes Thema wie Tapferkeit, Spiele oder Computer verstanden hätten.--Andyk 01:45, 2. Mai 2008 (CEST)

Spiel, Code und Sinn

Ich finde, dass man mit dem in der heutigen Vorlesung wieder angesprochnenen Beispiels Wittgensteins (a b c d e - Ich sehe einen schwarzen Kreis), die große Thematik über den Zusammenhang von Bedeutung und Code auf eine leicht vorstellbare Art durchdenken kann.

  • Einerseits habe ich gelernt, den Satz "Ich sehe einen schwarzen Kreis." zu verstehen, wenn ihn jemand anderer sagt oder wenn ich ihn hier auf der Wiki-Seite lese. Ich kann mir auch Situationen vorstellen, in denen ich diesen Satz sage oder schreibe (zum Beispiel, wenn mir jemand ein Bild mit einem schwarzen Kreis vor die Nase hält und mich fragt, was ich sehe).
  • Andererseits habe ich gelernt, dass die Aufeinanderfolge von den Zeichen a b c d e als Variablenfolge verstanden werden kann. Zum Beispiel könnte ich mir in einem Programmcode gut vorstellen, dass die Aneinanderreihung dieser 5 Zeichen Sinn ergibt:
String a = "Ich ";
String b = "sehe ";
String c = "einen ";
String d = "schwarzen ";
String e = "Kreis.";
System.out.println(a + b + c + d + e);
  • Mir sind in diesem Fall beide Strukturen bekannt. Im Rahmen eines Projektes in der Informatik werden die Variablen eher Bedeutung haben als in einem Gespräch über schwarze Kreise. Das ist dieser Sinnzusammenhang, von dem wir bei Heidegger gesprochen haben. In der abcde-Struktur macht er sich schon durch die Ausgabefunktion (System.out.println) bemerkbar, wenn man in Programmiersprachen (in diesem Fall Java) geschult ist.
  • Von chinesischen Zeichen kann ich dagegen nur sagen, dass sie für jemand anderen Bedeutung haben könnten, wenn ich sie zum Beispiel auf einem Plakat oder in einem Buch sehe. Wenn aber Steine als ein chinesisches Zeichen angeordnet wären, würde ich wahrscheinlich nicht auf den Gedanken kommen, dass andere Leute dieses Zeichen verstehen könnten, weil mir die Zeichenhaftigkeit in diesem Zusammenhang gar nicht klar ist. In einem Buch dagegen erwarte ich, dass die Zeichen einen Sinn ergeben.
  • Mit dieser Erwartung kann man natürlich brechen und dadurch zu neuen Strukturen / Spielen kommen.
  • Im sozialen Zusammenhang haben wir es im gewissen Sinne immer mit Strukturen zu tun. Vor allem, wenn man das Verhalten des anderen verstehen will, muss man - und das geht völlig unwillkürlich - über den Zusammenhang und über das Verhalten der anderen eine Struktur stülpen. Selbst wenn man diese Struktur kurzzeitig außer Kraft setzen will, geht das meistens nicht.
Beispiel: Im Zug kann ich mich nur schwer auf die Buchinhalte konzentrieren, wenn jemand im selben Moment mit dem Handy einen heftigen Streit mit seiner Freundin austrägt. Ich kann dieses Gespräch nicht einfach nur als Hintergrundrauschen wahrnehmen, so wie ich es beispielsweise mit dem Zugrattern tue.

"Ich bin müde, ich will ins Bild"

Ich weiß, dass das jetzt nicht ganz hierher passt, aber ich muss wirklich sagen, dass ich dir äußerst dankbar bin. Ich hatte als kleines Kind eine Hörbuchkassette mit ebendieser Geschichte und musste über Jahre immer wieder daran denken. Ich wusste nicht, dass die Geschichte von Peter Bichsel ist... Jodok, Jodok--Richardd 01:01, 24. Mai 2008 (CEST)

um das Ganze noch zu unterstreichen hier eine weitere, mir äußerst wichtige Bichsel-Geschichte:

Jodok lässt grüßen --Richardd 01:25, 24. Mai 2008 (CEST)