Diskussion:Gelehrsamkeit, Bildung und freier Austausch (tphff)

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Version vom 21. Oktober 2011, 18:25 Uhr von Andyk (Diskussion | Beiträge) (Von der Freiheit des Geistes...)
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Uni wozu?

Die viel diskutierte „freie Bildung“ ist von einem einigermaßen komplizierten Ausmaß, sodass in der Diskussion oftmals nicht klar ist, welche Art von Freiheit denn nun eigentlich gemeint ist. Da kann z.B. vom unbeschränkten Hochschulzugang für alle gesprochen werden, der in der Praxis nicht durchführbar ist. Peter Oberhofer bringt das Argument der freien Entfaltung von Lehrenden und Studierenden, das Freiheit in diesem Fall sei, ohne Zwänge, die „nicht aus dem spezifischen wissenschaftlichen Ethos des jeweiligen Faches stammen.“ Es finden sich sicher noch zahlreiche andere Argumente, wie freie Bildung beschaffen sein muss um als solche zu gelten. Ich möchte mich in diesem Artikel damit beschäftigen, wie unterschiedliche soziale Schichten mit dem Thema „freie Bildung“ umgehen.


In jeder Zeit haben Eltern versucht ihre Kinder bestmöglich auf ihr Leben und auf die Aufgaben, die in der Gesellschaft auf sie warten, vorzubereiten. „Bestmöglich“ ist immer subjektiv und unterliegt auch dem Zeitenwandel. Was als „sinnvoll“ für ein geglücktes Leben angesehen wird, verändert sich schnell.


Während bei den alten Griechen die Philosophie eines der Hauptthemen, wenn nicht das Hauptthema schlechthin war, um als gebildet zu gelten und in der Gesellschaft angesehen zu werden, ist es heute oft so, dass das Philosophiestudium als ein „Orchideenstudium“ belächtelt wird, ganz nett, aber jetzt doch eigentlich nicht ernst zu nehmen.

Das würde ich etwas differenzieren. Im antiken Griechenland gab es vermutlich auch nicht mehr Interessenten für Philosophie als bei uns. Und die "Paideia" bezog sich auf eine ganzheitliche Ausbildung (Körper, Rhetorik, Moral, social skills). Sokrates/Plato haben allerdings etwas Besonderes erfunden, nämlich eine "Sublimationstheorie" der Bildung für soziale Aufsteiger. Das ist uns als Rahmen erhalten geblieben. Ein Blick auf die Sophisten zeigt, dass auch in Athen ganz andere Kräfte am Werk waren, als die Ausrichtung auf Ideen.
Eine interessante Frage ist, ob sich der Zwiespalt zwischen Geldverdienen und "höheren Werten" in Griechenland anders dargestellt hat, als heute. Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht richtig, wie man an dieses Problem herangehen soll. --anna 09:01, 21. Okt. 2011 (CEST)

Dieser krasse Gegensatz beruht unter anderem auf der veränderten Wirtschaftsordnung. Heute versuchen die sogenannten höheren Schichten ihren Kindern möglichst schnell eine Berufsausbildung angedeihen zu lassen, und dazu am Besten eine, die sehr schnell sehr viel Geld bringt. Immer weniger wird auf Talentförderung Wert gelegt, wenn das Talent nicht wirtschaftlich auszuschlachten ist.

Ich studiere neben Philosophie noch Jus und habe mittlerweile in beiden Studien einige surreale Erfahrungen gesammelt; so wurde mir von einem Juristen nahe gelegt, „doch mit dem Blödsinn Philosophie aufzuhören und statt dessen arbeiten zu gehen.“ Ich möchte hier keine Schlammschlacht veranstalten à la „der hat dieses und der hat jenes gesagt“, aber es ist doch interessant, wie Bildung unterschiedlich wahr genommen wird.


Außerdem stelle ich persönlich das Konzept der freien Bildung, wie sie in Österreich betrieben wird, zunehmend in Frage, da ich teilweise mit Leuten studiere, die meiner Meinung für die Uni komplett ungeeignet sind, weil ihnen elementare Kenntnisse wie Schreiben, Lesen oder soziale Verträglichkeit fehlen.


Ich durfte eine Zeit lang in Cambridge studieren und die Studienatmosphäre kennenlernen. Aufgrund der strengen Aufnahmekriterien und der niedrigen Studierendenanzahl funktioniert Vieles anders als hier. Natürlich ist es unfair, Wien mit Cambridge zu vergleichen. Ich weiß leider nicht im Detail, wie sich Cambridge finanziert, aber ich weiß, dass diese Universität um Einiges freier in der Bildung ist, als Wien. Niemandem würde es dort einfallen, ein Philosophiestudium als nette Nebenbeschäftigung mit botanischen Umschreibungen zu verunglimpfen.



(Eigenes) Geld macht unabhängig. Die logische Konsequenz von regierungsbedingten Einsparungen ist, dass sich die Universität private Sponsoren suchen muss. Das meiste Geld ist in der Wirtschaft zu finden. Jeder Sponsor knüpft aber Bedingungen an seine Unterstützung und die Gefahr ist hoch, dass bald nur noch Studien der Vorzug gegeben wird, die Fachkräfte ausbilden, um den Sponsoren zu nützen, nach dem Motto „wer zahlt bestimmt“. Wenn das passiert verkommt die Universität zur FH. Während an einer FH für eine gute Ausbildung gesorgt wird, besteht der gravierendste Unterschied zur Uni darin, dass es hier in erster Linie um Bildung geht (und eventuell auch um eine Ausbildung).

Ein anderer Weg für die Universität an Geld zu kommen bestünde in der Einhebung von Studiengebühren. Wenn es dazu kommt hat man aber wieder ein Wirtschaftsverhältnis und ich als Konsument bin nur dann bereit für etwas zu zahlen, wenn ich im Gegenzug eine angemessene Leistung dafür erhalte. An einer Uni, an der ich z.B. einem Professor ein Monat lang aufgrund eines Prüfungstermins "hinterher rennen" muss, ist das nicht der Fall, bis wirtschaftlich günstige (!) Reformen durchgeführt werden.

simpkin


Zum Thema Universität und 'Sponsoren' hier ein Link: sueddeutsche.de und ein Auszug:

"Laut Vertrag spendiert die Bank drei Millionen Euro pro Jahr. Sie verlangt dafür aber auch viel: Ein Ausschuss steuert die Arbeit inhaltlich. Er ist paritätisch mit Professoren und Vertretern der Bank besetzt - den Vorsitz hat ein von der Bank entsandter "Managing Director". Seine Stimme gibt den Ausschlag, wenn es zum Patt kommt. Im Vertrag ist außerdem geregelt, dass Forschungsergebnisse vor einer Veröffentlichung der Bank vorgelegt werden müssen. Die Unis sind angehalten, "im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten" qualifizierten Mitarbeitern der Deutschen Bank Lehraufträge zu ermöglichen und sie auch mit Prüfungen von Studenten zu betrauen." --CoS 16:42, 21. Okt. 2011 (CEST)

Der obige Auszug scheint fast eine Firmenübernahme zu beschreiben. Ich möchte mit folgender provokanten These an der Diskussion teilnehmen: Das Engagement von Unternehmen, sich in die Universitäten einzukaufen ist eine Folge der Scheuklappen-Reaktion auf und des Ekelgefühls vor "der Wirtschaft". Anders gesagt: Die Universitäten (und die Gesetzgeberinnen) haben es nun schon längere Zeit verabsäumt, sich um geregelte Interaktionen zwischen Forschung und Wirtschaft zu kümmern, sodass es nun punktuell zu Interaktionen kommt, die im Graubereich sind. Man hätte es umdrehen können: Clevere Universitäten laden Unternehmen ein, den aktuellen Stand der Forschung in einer für sie relevanten Weise präsentiert zu bekommen, ganz exklusiv, aber gegen eine 'kleine' Studiengebühr. So wie ich es erlebe und so wie es in der Vorlesung im Rahmen von 'Uni Leben' dargestellt wurde, sind es jedoch heute die Unternehmen, die sich anbieten. Und ein Angebot kann man zumeist nur annehmen oder ablehnen; etwas langweilig, wenn man eigentlich forschen will. Soviel zu Technik und Freiheit des Forschens... --Andyk 18:25, 21. Okt. 2011 (CEST)