Diskussion:Freiraum (BD14)

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Spiele und Erwerb von Fähigkeiten

Am Ende der 2. Einheit der VO (16.10.14) wurden kurz „Telespiele“ thematisiert. Es wurde darauf hingewiesen, dass mit pädagogischer Wirkung versehene Spiele eine Möglichkeit bieten, sich auf die Anforderungen der uns umgebenden gegenwärtigen Welt einzulassen. Ein spezieller Zugang zu diesem Thema sind sog. „serious games“, also Videospiele, die dabei helfen Fertigkeiten auszubilden, wie sie z. B. ein Programmierer benötigt. Ein Beispiel dafür: https://www.kickstarter.com/projects/primerist/code-hero-a-game-that-teaches-you-to-make-games-he (am Rande sei erwähnt, dass die Entstehungsgeschichte dieses Spiels interessante Einblicke in die Schwierigkeiten gibt, die mit derartigen Initiativen verbunden sind. Diese Schwierigkeiten unterscheiden sich von „herkömmlichen“ Schwierigkeiten, mit denen sich z. B. die Gründer einer Akademie für Software-Entwickler auseinandersetzen müssen. Hier ist die Entstehungsgeschichte beschrieben: http://en.wikipedia.org/wiki/Code_Hero)


Spiele sind ein guter Einstieg in schrittweise Überlegungen zu Datenbanken und Bildung. Es gibt, wie Euphon schreibt, Spiele, die Fertigkeiten vermitteln. Also z.B. Pacman oder Tetris. Das geschieht in Echtzeit nach einem Reiz-Reaktionsmuster. Der Computer ist dabei ein "Spielzeug", vergleichbar einem Fußball oder einem Flipper. Diese momentanen Interaktionen sind auf demselben Niveau wie SMTP oder Telnet, sie produzieren keine Geschichte.
Abgesehen von ihren Metadaten und abgesehen davon, dass die Ergebnisse des Kommunikationsvorgangs ihrerseits - unabhängig von den Formalitäten des Austausches - gespeichert werden können.
Ein nächster Schritt besteht darin, dass Spiele internen Inhalt vorgeben. Es ist der Unterschied zwischen Federball und "Räuber und Gendarm". Im digitalen Bereich bedeutet das, dass zum Faktor Reiz-Reaktion ein narratives Moment dazukommt. Das sind gespeicherte Vorgaben; also eine Form von Datenbank.
--anna (Diskussion) 11:23, 23. Okt. 2014 (CEST)
Ad: „Federball“ und „Räuber und Gendarm“: Ein Spielzeug ist ein Zeug, weil diejenige, die damit spielt, nichts über das Spielzeug wissen muss. Eine junge Sportlerin kann mit einem Fußball spielen, ohne dass sie eine Kenntnis von dem Ding hat, so wie sie ein Ingenieur, ein Sportartikelfachverkäufer oder ein Mathematiker hätte. Auf den Zuruf: „Bitte gib mir den abgestumpften Ikosaeder“, würden wahrscheinlich die meisten mit Ratlosigkeit reagieren. Aus dieser Perspektive betrachtet hat das Spielzeug wenig „erzieherischen Wert“, weil von keinem „Lernerfolg“ gesprochen werden kann, der sich z. B. als Erkenntnisgewinn durch eine Abstraktionsleistung darstellen lässt.
Von einem „Lernerfolg“ kann unter anderem dann gesprochen werden, wenn die Verbindung zwischen „Fußball“ und „abgestumpfter Ikosaeder“ hergestellt wird, weil daran eine Aufmerksamkeit für gewisse Elemente der Geometrie erkannt werden kann, die sich darin äußert, dass die Verbindung zwischen einem Gegenstand, der „gewohnheitsmäßig“ nur für Reflexübungen genutzt wird und einem geometrischen Körper hergestellt wird. Das spricht für eine Art des „Erfassens“, das sich in dieser Abstraktionsleistung äußert, bei der Inhalte genutzt werden, anstatt nur in Form von reiner „Information“ (etwa bloß auswendig Gelerntem) und bloß „Trainiertem“ (durch reine Gewohnheit angeeignete Fertigkeit), wo Fussball und Ikosaeder nicht in Bezug zueinander gesetzt werden, vorhanden zu sein. Aufgabe einer Erziehung könnte es sein, das Lernpotential, dass in dieser Abstraktionsleistung liegt, zu nutzen. Dafür muss aber dem bloßen „Spielzeug“ zugeschrieben werden, am Erziehungsprozess beteiligt zu sein.
Schiller, der meint, dass der Mensch nur ganz dort Mensch ist, wo er spielt, sagt nicht, dass der Mensch meist mit etwas spielt. Gerade im Spiel beschäftigt sich der Mensch meistens mit Spielzeug, wie z. B. einem Fußball, einem Videospiel oder einer Schachfigur. (Inwiefern ein Gedanke, mit dem gespielt wird hier auch als „etwas“ gelten kann wäre eine Frage, die sich hier anschließen könnte.)
Einen Unterschied zwischen bloßen „Spielzeug“ und solchem, das einen Lernerfolg ermöglicht zu machen erlaubt es, das eine vom anderen rigid zu trennen. Das hat den Vorteil, dass für diesen designierten Bereich klar definierte Bedingungen angegeben werden können. Die Eingrenzung durch die Definition, die auf der Abgrenzung vom bloßen „Spielzeug“ beruht, schafft Klarheit.
Das Problem der rigiden Grenzzeihung ist, dass sich eine Erziehung, die sich um die Nutzung des Lernpotentials in den Abstraktionsleistungen bemüht, durch eine klare Grenzsetzung zwischen bloßem „Spielzeug“ und „Lernmaterial“ selbst behindert. Zumindest aus der Perspektive betrachtet, wenn die Abstraktionsleistung, die sich darin äußert, dass „Fußball“ und „abgestumpfter Ikosaeder“ in Relation gebracht werden, genutzt werden soll, dann muss eine solche Möglichkeit vorgesehen sein und sollte nicht durch Ausschluss eingeschränkt werden, indem „Fußball“ und „abgestumpfter Ikosaeder“ sozusagen verschiedene „Formatendungen“ (.doc, .wav, .all, u. a.) haben.
Der Vorteil einer Perspektive, welche die beschriebene Grenzziehung nicht vornimmt, besteht darin, auch bloßes „Spielzeug“, dem im Unterschied zu der Perspektive, die eine Grenzzeihung durchführt, „Lernpotential“ zugeschrieben wird, in ihre Theorie aufzunehmen.
Eine solche Perspektive hat allerdings wiederum den Nachteil, dass diese Theorie hoffnungslos überladen wird mit potentiellem „Lernmaterial“, was zu großer Unübersichtlichkeit führt und vielleicht eine Theoriebildung überhaupt verhindert.
Bezogen auf den Unterschied: Federball/Räuber und Gendarm-Spielen möchte ich in diesem Eintrag ein Bedenken äußern, nämlich dass hier, so wie ich das verstehe, anscheinend „Federball“ ausgeschlossen werden soll (analog zu Tetris und Pac Man). Den Unterschied macht das „narrative Moment“ aus, das den einen inhärent ist und den anderen nicht. Damit ist eine recht klare Trennungslinie formuliert, die dabei hilft, sich auf die Suche nach dem „Lernmaterial“ zu machen, für das Bedingungen formuliert werden können. Eine Aufhebung dieser Grenzen würde es ermöglichen, das „narrative Moment“ im Fußball zu suchen. Die Form erzählt die Geschichte der archimedischen Körper, das Luftventil verweist auf den interessanten Streit zwischen Boyle und Hobbes, der die Naturwissenschaften bis heute prägt, ein kleiner Aufkleber „Made in China“ erzählt die Geschichte der Herstellung und der Hersteller des Balls, usw.
Natürlich ist das „narrative Moment“ beim Räuber und Gendarm-Spiel deutlicher zu erkennen. Es wäre jedoch in der kurz angesprochenen Weise einschränkend, wenn dem „Federball“ das „Lernpotential“ nicht und dem „Räuber und Gendarm-Spiel“ als gewissermaßen essentiell zugeschrieben werden würde.
Wie gesagt möchte ich hier nur ein Bedenken äußern, das dem von Ihnen Gesagten nicht widersprechen soll, sondern eine Diskussion über den von Ihnen angesprochenen Unterschied anregen.
--Euphon (Diskussion) 11:18, 27. Okt. 2014 (CET)


Allgemein könnte man aber auch die vorläufige Behauptung aufstellen, dass jedes Videospiel gewisse Arten des Erwerbs von skills verlangt, die, aufgrund der Mannigfaltigkeit der Arten dieser Spiele, viel unterschiedlicher ausfallen, als von jenen vorausgesetzt wird, die einen sehr eingeschränkten Begriff von „Videospielen“ haben. Analog der Metapher der „Steinzeit“ kann auch auf dem Gebiet der Videospiele davon gesprochen werden, dass sich in den letzten zehn Jahren sehr viel auf diesem Sektor verändert hat.

Zwei Beispiele sollen folgendes verdeutlichen:

  • Verschiedene Spiele erfordern verschiedene skills
  • Diese skills werden auf verschiedene Weise erlernt
  • Hinter unterschiedlichen Spielen stehen unterschiedliche Arten von Institutionen, die den Zugang zu dem Spiel genauso wie das Spielerlebnis unterschiedlich „färben“

Bsp. 1: Textbasierte Adventures gehören mittlerweile zur Steinzeit der Videospiele. Sie verlangen dem Spieler bestimmte Fertigkeiten ab: Es müssen Listen geschrieben und Karten gezeichnet werden, damit der Spielbereich überschaubar bleibt. Es ist notwendig, dass man jede vom Spiel gestellte Motivation (in Form von Rätseln) in Relation zur Spielumgebung verbildlicht, denn im Kopf können die in manchen Fällen bis zu fünfundzwanzig Schritte zur Lösung nicht behalten werden. Die meisten Textadventures sind nur für Einzelspieler gedacht. Trotzdem bildete sich bei guten Adventures wie „Get lamp“ eine Gemeinschaft von Spielern, die sich über ihre gemeinsame Vorliebe identifizierte. Die Zielgruppe dieser Spiele waren hauptsächlich Personen, die eine Affinität zu EDV im Allgemeinen verband, also damals ein fast schon „esoterischer“ Verbund.


Die Pointe des Spiels besteht nicht darin, rasch auf einen Reiz zu reagieren. Es gibt einen "prompt", aber der verlangt keine körperliche Fertigkeit. Er ist die Einladung zur Exploration einer Datenvorgabe, die in die Spielumgebung eingespeichert ist. Konventionell: "Trivial Pursuit". in der "interactive fiction" übernimmt eine Datenbank die Rolle der Aussenwelt. Sie lässt sich viel flexibler und dramatischer gestalten, als schriftlich festgehaltene Spielunterlagen.
--anna (Diskussion) 11:23, 23. Okt. 2014 (CEST)


Bsp. 2: Internetbasierte Multiplayerspiele bringen die Spieler dazu, bessere Reflexe auszubilden, einen Sinn für Orientierung und Taktik zu entwickeln und vorgegebene Aufträge innerhalb einer Befehlsstruktur zu erfüllen. In diesem Bereich spricht man von „eSports“. Meisterschaften in den eSports werden in Fussballstadien ausgetragen und es winken hohe Preisgelder. Die Teilnehmer sind, anderen Sportlern wie etwa Profifussballern vergleichbar, Stars für ihre Fans und dementsprechend lukrative Werbeträger. Welche Art des Spiels sich für derartige Wettbewerbe durchsetzen hängt sehr stark davon ab, wie gut die Spiele „gebalanced“ sind, d. h. wie fair die Stärken und Schwächen der spielbaren Fraktionen aufeinander abgestimmt sind. Obwohl die Grundlage von Spielen wie etwa „Starcraft“ oft sehr simpel ist – es handelt sich meistens um das Schere/Stein/Papier-Prinzip - können sich im Balancing Möglichkeiten ergeben, die einem Spieler einen Vorteil und einem anderen einen Nachteil bringen. Man spricht dann davon, dass das Spiel „imba“ ist und gewisse Aspekte „generft“ werden müssen. Ist ein Spiel gut „gebalanced“, kann es sich über lange Zeit gegen andere, neuere Spiele durchsetzen und große Bekanntheit auf dem eSports-Sektor erlangen. Einer der einflussreichsten Spielehersteller auf dem eSports-Sektor ist „Blizzard Entertainment“. Euphon (Diskussion) 22:37, 21. Okt. 2014 (CEST)

Der Faktor Mitgestaltung im Freiraum

Etwas wesentliches ist bei der Vorstellung des Freiraum nicht ganz herausgekommen, und das ist der Fokus auf das Mitgestalten im Gegensatz zum reinen Spielen. - Wie ich schon umseitig angemerkt habe, sind MUDs wesentlich aus Textadventures entstanden. Bei Adventures, wie bei Computerspielen heute, gab es eine klare Aufteilung - eine Entwicklerin gestaltet eine Textwelt und stellt diese einem User zur Verfügung, der sie erkundet. Als die Idee des Adventures mit der des Online-Treffpunkts fusioniert wurde, gab es eine Neuerung: Die neuen Welten wurden so konzipiert, daß mehrere Personen verschiedene Bereiche innerhalb der selben Welt gestalten und auch wechselseitig erkunden konnten. Entwickeln und Rezipieren waren nun Facetten der selben Tätigkeit. Das führte dazu, daß die Welten ihre Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit verloren; statt je einer einzelnen durchkomponierten Welt hat man nun einen Cluster von Ideen und Projekten verschiedenster Leute, die irgendwie miteinander verbunden werden müssen. Darin liegt wohl ein Teil der Unübersichtlichkeit des Freiraum.

Dennoch gibt es bei klassischen MUDs/MOOs die Trennung zwischen Erkunden und Gestalten - wer sich bei LambdaMOO, dem berühmtesten MOO, anmeldet, bekommt (soweit ich das verstanden hab) zunächst die Möglichkeit, das eigene Profil zu gestalten und mit anderen Leuten zu interagieren, kann aber selbst nichts erschaffen, dieses Recht bekommt erst verliehen, wer sich erfolgreich in der Gesellschaft eingeführt hat. Eine Besonderheit des Freiraum war, daß alle Neuangemeldeten von vornherein mit der Möglichkeit eingestiegen sind, selber Objekte zu erzeugen. Die Idee des Projektes war, sich philosophisch durch das Gestalten einer Welt auszudrücken, und ich glaube, es ist wesentlich für das Verständnis des Projekts, daß es nicht galt, den Freiraum zu "spielen", sondern ihn zu schreiben. Auch das kann dazu beitragen, daß man in die Anlage hineinspaziert und nicht weiß, worum es geht. (Ansonsten spielt auch hier mit, daß der Freiraum ein sozialer Treffpunkt war und kein Spiel mit einem Spielziel.)

Die Möglichkeit, selbst zu gestalten, ist übrigens ein wesentlicher Teil des Appeals derartiger technisch einfach gestrickter Plattformen im Vergleich zu den elaborierteren dreidimensionalen Environments von heute. In einem MOO reicht es, schreiben zu können, es braucht viel weniger Aufwand und Programmierkenntnisse, um eine Geschichte zu erzählen. Das reine Erleben ist natürlich in einem FPS spannender, aber das GEstalten kann in einer Textwelt dafür dankbarer sein. - Textadventures waren als Spiele ein Hit, als es noch keine graphischen Betriebssysteme für Privatanwender gab, in dieser Form sind sie mittlerweile untergegangen. Als Medium für Hobbyautoren bzw. -programmiererinnen haben sie sich jedoch eine durchaus lebhafte Community erhalten.

--H.A.L. (Diskussion) 01:23, 27. Okt. 2014 (CET)

ad: "Visualisierung" und "reine Texteingabe": Könnte man nicht von einer "Amputation", in McLuhans Sinne, sprechen, wenn von der Entwicklung vom textbasierten Adventure hin zum "Grafik-Adventure" gesprochen wird? "Amputiert" wird durch die Visualisierung die Fähigkeit, selbst Karten anzulegen, wie es bei Text-Adventures üblich und gefordert war. Eine solche Amputation ist eine Verkürzung, eine geraffte Zusammenfassung von etwas, das sonst mühsam angeeignet werden muss. Bei einer solchen Verkürzung geht anscheinend "Lernpotential" verloren. Könnte dieses "Lernpotential" nicht irgendwie wieder "entpackt", "entkomprimiert" werden?

--Euphon (Diskussion) 11:18, 27. Okt. 2014 (CET)