Diskussion:Bildung als Ware (tphff)

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Version vom 24. Februar 2012, 18:42 Uhr von Diana (Diskussion | Beiträge)
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Ich bin mir jetzt nicht ganz im Klaren, ob ich diesen Beitrag als einen besonders „praktischen“ ansehen soll. Es ist glaube ich ein Teilproblem, welches einer ganzheitlichen Betrachtungsweise doch zukommt.

Zu einer umfassenden Bildungsdebatte gehört ja nicht nur, dass immer mehr Menschen die Matura machen und anschließend einen Universitätsabschluss anstreben und auch abschließen. Dies ist sicher ein bedeutsamer Index für einen Staat, für eine Gesellschaft. Zusätzlich zu diesen sehr erstrebenswerten Faktoren sollte es ein unbestrittenes Ziel eines Wirtschaftsraumes oder Staates sein, dass alle seine ins Berufsleben tretenden jungen Bürger einen Berufsabschluss nachweisen können. Dies sollte für einen Teil nach wie vor das Erlernen eines Handwerks bedeuten. Ganz eindeutig befinden wir uns in einer epochalen Zeitenwende, möglicherweise in einem Paradigmenwechsel, das wird man, wie immer, erst im Rückblick analysieren und ausdeuten können. Daher stellt sich natürlich die Frage, hat Handwerk in einer zukünftigen hoch technologisierten Dienstleistungsgesellschaft noch Chancen sich zu etablieren und zu überleben? Diese Frage ist sicher sehr schwer zu beantworten und in groß angelegten Zahlen von Berufsabgängern mit großer Wahrscheinlichkeit eher zu verneinen. Aber was mit großer und bestimmter Sicherheit ausgesagt werden kann, dass der Handwerker der Zukunft der „seinen Job versteht“ einen Bedarf weckt und gleichzeitig deckt, der unglaubliche Möglichkeiten auszuschöpfen in der Lage (leider im Konjunktiv) sein könnte. Tatsache ist auch, dass die meisten Handgewerke einem der Zeit und dem Zeitgeist entsprechendem Austrocknungsprozess ausgesetzt sind. Keine Frage: der Mainstream geht in die entgegengesetzte Richtung, das Phänomen des abbröckelnden Mittelstand wird sich fortsetzen, was soviel heißt, die große Masse wird beim Lebensmittel-Discounter und beim Textilkonzern am Wühltisch nach Preisschnäppchen (aus China) jagen. Aber dreissig Prozent der Bevölkerung werden sich anders orientieren (wollen), und zehn Prozent davon werden sich im Besonderen etablieren. Dies „ist“ eine große Chance des Handwerks, wenn es bis dato dann nicht zu spät ist. Die Nachfrage ist gewiss, ob das Angebot noch befriedigt werden kann, ungewiss. Die Frage lautet: Wer wird dieser Klientel in naher Zukunft die Anzüge, die Schuhe, die Hemden anmessen und in dementsprechend exklusiver Qualität ausfertigen? Das sind nicht die Joop, Versace oder sonstigen Kunden, die bedient die nächste Ebene. Wer wird bei ihrem Oldtimer den Vergaser einstellen, ja, überhaupt den Motor reparieren? Beim täglichen Essen (ausgenommen der bemerkenswerten Spitzengastronomie), geht es ja schon den sprichwörtlichen Bach hinunter. Über Jahrzehnte, wird durch eine Verengung im Angebot (das darf nicht mit Vielfalt im Angebot verwechselt werden) der Geschmack, da vor allem der nachkommenden Generation, nach unten nivelliert. Wo gibt es noch abseits der Industrieproduktion so etwas wie „hausgemachte Produkte“? Was versteht man heute unter einem „ehrlichen Produkt?“ Dieses Wissen ist wirklich einem kleinen Kreis von in der Tiefe der Problematik „beheimateten“ Experten vorbehalten. Auch bei den vielen Bäuerlichen Angeboten ist durchaus zu differenzieren und Vorsicht angebracht. All diese Betrachtungsweisen haben ein Für und ein Wider, eines ist unbestritten: Gerade in sensiblen handwerklichen Bereichen, geht von Generation zu Generation jede Menge Wissen verloren. Und das könnte ein beunruhigendes Faktum sein! Hier möchte ich ausklammern so hochstehend künstlerische Tätigkeiten, wie Geigenbauer oder Klavierbauer, aber auch die haben große Probleme dem hohen Standard entsprechenden Nachwuchs auszubilden. Nur ein banales Beispiel aus meiner eigenen Branche. Es ist durchaus nicht so banal echtes gutes Sauerteigbrot herzustellen. Ich habe das von meinem Vater über jahrelange Praxis gelernt. Und hier geht es nicht darum von einer Tabelle die genauen Mengen und Verhältnisse abzulesen, abzuwiegen und dann für die Verarbeitung bereitzustellen. Es geht um ein Gefühl, welches man auf die richtige Weise vermittelt bekommt, Erfahrungen die sich in vielen Erzeugungsvorgängen herauskristallisierten, darauf richtig zu reagieren und diese im Sinne des Geschmacks weiterzuentwickeln. Dies entsteht im Vieraugengespräch, daraus wird ein (und im Endeffekt viele) Versuch abgeleitet und das daraus entstehende Produkt wird auf die dadurch sich bildende Qualität des Geschmackes auf den Verfahrensprozess rückgeführt. So entsteht (vereinfacht) durch viele Erzeugungsvorgänge, die aktiv begleitet werden, ein wichtiger Erfahrungsschatz, der ebenfalls wieder nur im aktiven Arbeitsprozess weitergegeben werden kann. Nun ist es nicht meine Art mich besonders wichtig zu nehmen, es gibt im deutschen Sprachraum sicherlich noch genug „Experten“ für gutes Brot, aber mit großer Wahrscheinlichkeit werden es von Tag zu Tag weniger. --Felber Franz 22:55, 6. Dez. 2011 (CET)

Hier sehe ich eindeutig Analogien zur Philosophie. So wie die grundsätzliche Philosophie Platons und Aristoteles auch heute noch volle Gültigkeit aufweist, ist es mit den Grundlagen-Nahrungsmitteln bestellt, die sind in ihrer ursprünglichen Natürlichkeit seit Jahrhunderten ausgereizt, alles was dann dazukommt, kommt einer Veränderung oder gar Verfälschung gleich.

Das würde ich auch auf die Behandlung der platonischen und aristotelischen Überlegungen zur Entstehung des Staates, der Wirtschaft und des Reichtums anwenden. Liest man die aristotelische Herleitung, erscheint sie ein wenig naiv und "hausbacken". Aber diese Intuitionen sind nach wie vor die Ausgangsbasis weiterer Überlegungen. Die "autarkia" des guten Lebens steht gegen die Maßlosigkeit des Bedürfnisses. Eine Frage wäre, ob die Aufgabe der Philosophie darin besteht, die großen Linien der Fortschritts- und Krisenentwicklung nachzuzeichnen, oder ob sie ihr eigenes Handwerk in den Prozess einbringen kann. (Vermutlich beides.) --anna 09:47, 9. Dez. 2011 (CET)



Der Mensch als Ressource und die Bildung

Der Pädagoge Otto Rühle beschäftigte sich bereits Anfangs des 20. Jahrhunderts mit der bildungsökonomischen Sicht auf die kindliche Entwicklung. In „Das proletarische Kind" von 1922 erwähnt er, dass die „kapitalistische Wirtschaft" in der Schule „geistige Qualität in bares Geld verwandelt sehen will" (Rühle 1922, S. 263 [1]).

Das geistige Vermögen der Menschen soll über die Arbeit in Bildungseinrichtungen in wirtschaftlichen Reichtum transformiert werden. Die Kompetenzen der Menschen sind sozusagen die Ressourcen eines Landes. Da Bildung ein Sozialphänomen ist, stellt sich schon die Frage, ob eine Chancengleichheit, ein Zugang für alle an die Universität sinnvoll ist, oder ob Bildung nicht auch mehr als wirtschaftliche Investition betrachtet werden sollte bzw.wird. Denn immerhin investiert der Staat enorm in Bildung und muss quasi Qualifikationen der Individuen mit Sicht auf eine Verbesserung der Gesellschaft betrachten. Durch die wirtschaftliche Komponente kann Bildung tatsächlich als „Ware“ betrachtet werden, da sie Bedeutung für den Markt hat und Bildungseinrichtungen somit zu Ausbildungsstätten qualifizierter Arbeitskräfte werden. In Deutschland sind die Studienplätze beschränkt und eine Aufnahme erfolgt nach dem Numerus Clausus Prinzip. Der Staat versucht auf diese Weise die am besten qualifizierten Studierenden zu erreichen. Es gibt bereits Bedarfsanalysen, die die Studienplätze am Markt ausrichten, wodurch Überschüsse an qualifizierten Akademikern vermieden werden könnten. Mc Kinsey entwickelt in Deutschland Verbesserungsvorschläge für das deutsche Bildungssystem aus der Perspektive der Unternehmensberatung.

„Das so genannte Manifest zur Bildung, das der Leiter dieser Organisation, Jürgen Kluge, präsentiert hat, trägt alle Merkmale einer neoliberalen Funktionalisierung von Bildung: (1) Die Ausschöpfung der Begabungsreserven soll durch eine möglichst frühe Investition in kindliche Bildung optimiert werden, da das kindliche Entwicklungspotenzial nicht hinreichend ausgeschöpft wird. 5 (2) Flächendeckende Messungen von Schülerleistungen sollen ebenso zur Qualitätssicherung beitragen wie regelmäßige Schulinspektionen. Bildung wird demgemäß als messbare Größe angesehen, die empirisch überprüft werden kann. (3) Es sollen mehr Freiräume für die einzelnen Bildungseinrichtungen geschaffen werden. Die "Überregulierung" von Bildungsinstitutionen muss abgeschafft und durch mehr "Autonomie" und Wettbewerb ersetzt werden. (4) Bildung muss als wirtschaftliche Investition begriffen werden (Kluge 2003, S. 324 ff.), sie darf offensichtlich nicht mehr primär als ein Mittel der Persönlichkeitsentwicklung und des Erwerbs von Mündigkeit angesehen werden: eine paradigmatische Abkehr von jeder Form einer humanistischen Bildung.“ ([ http://www.linksnet.de/de/artikel/20440])

Bildung als Ware fördert die Trennung der Gesellschaft, denn dadurch wird der „bildungsferneren“ Schicht immer mehr der Zugang zur Bildung genommen, da es um eine rasche Ausbildung von ökonomisch qualifizierten Arbeitern geht. Internationalität würde somit gefördert werden, aber natürlich auch das Wettbewerbsprinzip.

Laut Spiegel investieren immer mehr Eltern in Deutschland in die Zukunft ihrer Kinder. In den meisten Fällen sind es Eltern mit Matura bzw. Universitätsabschluss. Privatschulen weisen einen Leistungsvorsprung auf (laut PISA-Studie), da die Schüler generell aus einem besseren Elternhaus kommen und somit die besseren Voraussetzungen mitbringen. Die Kinder lernen so unter Gleichgesinnten und können schneller und effizienter lernen.

Bildung war schon zur Zeit Platons bis in die Spätantike ein Privileg der Oberschicht. In vielen Ländern –ich denke hier insbesondere an Südamerika- kann sich nur eine bestimmte Schicht Bildung leisten und ihre Kinder in private Schulen schicken. An öffentliche Schulen herrschen größtenteils katastrophale Bedingungen, denn es fehlt ihnen an jeglichen Utensilien und Ausstattungen. Anhand Deutschlands ist erkenntlich, dass Privatschulen immer mehr im Kommen sind und das vermutlich auch in einigen Jahren in Österreich der Fall sein könnte.

Quellen: [2] [3] --Diana 17:42, 24. Feb. 2012 (CET)