Diskussion:Annäherungen (T): Unterschied zwischen den Versionen

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Mir leuchtet die Verknüpfung von Toleranz mit nicht unmittelbar gegebener Bedrohung bzw. Besserverdienertum hier nicht ganz ein. Man könnte im Ausgang von den ersten beiden Sätzen des obigen Zitates und der These, daß „Offenheit und Lernfähigkeit“ zumeist größere Erfolgsaussichten haben als ein allzu plumper Dogmatismus, noch weitreichender argumentieren: ''Gerade'', wenn es mir an den Kragen geht, ich schlechte Chancen auf die unmittelbare Durchsetzung meiner dogmatischen Ansprüche habe, komme ich nicht umhin, diese durch die Maske von „Offenheit und Lernfähigkeit“ zu tarnen, um sie vielleicht wenigstens teilweise und durch Kompromisse etablieren zu können. Demgemäß müßte man die These umkehren: Nur, wenn es mir gelingt, vom Andersartigen zu profitieren, geht es mir nicht an den Kragen.
 
Mir leuchtet die Verknüpfung von Toleranz mit nicht unmittelbar gegebener Bedrohung bzw. Besserverdienertum hier nicht ganz ein. Man könnte im Ausgang von den ersten beiden Sätzen des obigen Zitates und der These, daß „Offenheit und Lernfähigkeit“ zumeist größere Erfolgsaussichten haben als ein allzu plumper Dogmatismus, noch weitreichender argumentieren: ''Gerade'', wenn es mir an den Kragen geht, ich schlechte Chancen auf die unmittelbare Durchsetzung meiner dogmatischen Ansprüche habe, komme ich nicht umhin, diese durch die Maske von „Offenheit und Lernfähigkeit“ zu tarnen, um sie vielleicht wenigstens teilweise und durch Kompromisse etablieren zu können. Demgemäß müßte man die These umkehren: Nur, wenn es mir gelingt, vom Andersartigen zu profitieren, geht es mir nicht an den Kragen.
 
--[[Benutzer:Jakob|Jakob]] 8:55, 26.10.05
 
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<u>@ Jakob:</u> Mich würde interessieren, von wem das zweite Zitat ist (eigentlich würds mich auch beim ersteren interessieren) und wie der Zusammenhang dieses Textes aussieht, weil ich manches nicht wirklich verstehe. Z.B. was die "eben heraufbeschworene Dummheit" ist, wenn sie im nächsten Satz mit "Offenheit und Lernfähigkeit" gleichgesetzt wird. Und wie man aus "Offenheit und Lernfähigkeit übertrumpfen Dogmatismus." ein Gegenargument gegen die Toleranz (oder ihre Fürsprecher) machen kann, versteh ich auch nicht.
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Ich würde den Zusammenhang zwischen Besserverdienertum/"Nichtbedrohtwerden" und Toleranz in diesem Fall so verstehn: Der Autor meint, daß Toleranz ein Akt der Freiheit ist, und daß ein gutes (oder "besseres") Einkommen und "wenn es mir nicht an den Kragen geht" einen manche Hindernisse leichter überwinden lassen. Aber der Textzusammenhang mag das alles in ein anderes Licht rücken...
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Ich würde obige Überlegungen gerne mit einem recht aktuellen politischen Thema verknüpfen, nämlich dem Wahlkampf der [http://www.fpoe-wien.at FPÖ Wien]. Die [http://www.hcstrache.at/kampagne.php Parolen der Wahlwerbung] und das [http://www.fpoe-wien.at/index.php?id=2164 Parteiprogramm] thematisieren eindeutig das "einem an den Kragen gehen" und die Toleranz. Die "Offenheit und Lernfähigkeit", die sich im Normalfall auf den Toleranten beziehen, werden an dieser Stelle umgekehrt und als Forderung an Einwanderer gerichtet. Sie haben sich laut FPÖ Wien der Leitkultur(-> Parteiprogramm: [http://www.fpoe-wien.at/index.php?id=7492 "Verpflichtendes Anerkennen der Leitkultur"]) anzupassen, sonst geht es ihnen an den Kragen.
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An diesem Projekt kann man sicher viel kritisieren, ich möchte den Fokus aber auf folgendes lenken. Was bei diesem Konzept ausgeblendet ist und was meiner Ansicht nach ein wesentlicher Bestandteil von (funktionierender) Toleranz ist, ist die Wechselseitigkeit, auf der das Funktionieren beruht. Wenn man den Zuwanderern in einem Rechtsstaat auf Verordnung eine "Leitkultur" (laut FPÖ Wien: "[...] die deutsche Sprache lernen und die auf der abendländischen Tradition beruhenden Grundwerte sowie die Gleichheit von Mann und Frau achten."), was auch immer "unsere Werteordnung" auch sei, überzustülpen versucht, so ist das einerseits nicht sonderlich kreativ, andererseits steht es an Dogmatismus dem im übernächsten Satz als Feindbild zitierten "islamischen Fundamentalismus" um nichts nach.
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--[[Benutzer:Himmelsmeister|Himmelsmeister]] 01:05, 27. Okt 2005 (CEST)

Version vom 27. Oktober 2005, 01:05 Uhr

Der Empfang im Projektraum ist gut... :-)

Allerdings sind die Beiträge und Fragen der KollegInnen nicht bzw. schwer hörbar. Könnten Sie bitte die Frage, auf die Sie eingehen, wiederholen?

Danke, die Kollegen des Projektraumes




Nur eine Anregung zum Thema: ist es möglich, ein zweites, nämlich Raum-Mikro aufzustellen?




„Gesetzt, Herkunft und Überzeugung jeder Person seien prinzipiell relativierbar. Dann fehlt die theoretische Basis des Hegemonieanspruches; Toleranz ist die plausible Konsequenz. Aber diese Voraussetzung ist fragwürdig. Der gewünschte Effekt wird teuer bezahlt. Wenn alles gleich gut ist, fehlt überall ein Schwerpunkt.“

Eine Bemerkung dazu: Ist diese Voraussetzung tatsächlich so fragwürdig? Relativieren sich „Herkunft und Überzeugung“ prinzipiell nicht andauernd im sozialen Kontakt, insofern wir ständig auf ebensolche Determinanten anderer Menschen stoßen und damit unsere gegenüber den ihrigen relativ sind (das muß zunächst nicht mehr bedeuten, als daß wir sie als solche wahrnehmen und damit schon in Beziehung zu den unsrigen gesetzt haben)? Vielleicht fehlt die „theoretische Basis des Hegemonieanspruches“ – Überzeugungen, die als solche dienen, lassen sich argumentativ doch zumeist relativ leicht in einen Regreß treiben und somit als letztendlich nicht fundiert erweisen. Dennoch weichen deren Vertreter deshalb selten schon von ihrer Überzeugung ab. Möglicherweise geht die einfache Gleichung von Relativität und Toleranz als „plausible[r] Konsequenz“ daraus an einem entscheidenden Motiv vorbei, nämlich dem „Trotzdem“, mit dem ungeachtet aller Einsicht in die Relativität einer Überzeugung diese weiterhin mit – im Maximalfall – absolutem Anspruch vertreten wird? Ist das eigentliche Problem nicht vielleicht, daß obwohl „alles gleich gut ist“, überall Schwerpunkte beansprucht werden, und müßte nicht folglich nach den Möglichkeitsbedingungen dieser Konstellation gefragt werden? --Jakob 8:55, 26.10.05

„Die eben heraufbeschworene Dummheit erweist sich, bei näherer Prüfung, in vielen Fällen als die überlegene Einstellung. Offenheit und Lernfähigkeit übertrumpfen Dogmatismus. Und darin kann man erst recht ein Gegenargument gegen die Fürsprecher der Toleranz machen. Nur wenn es mir nicht an den Kragen geht, eröffnet sich die Freiheit, vom Andersartigen zu profitieren. Toleranz ist ein Erfolgsrezept für Besserverdienende, denen eine normverbürgte Leitkultur eher als Hindernis erscheint.“

Mir leuchtet die Verknüpfung von Toleranz mit nicht unmittelbar gegebener Bedrohung bzw. Besserverdienertum hier nicht ganz ein. Man könnte im Ausgang von den ersten beiden Sätzen des obigen Zitates und der These, daß „Offenheit und Lernfähigkeit“ zumeist größere Erfolgsaussichten haben als ein allzu plumper Dogmatismus, noch weitreichender argumentieren: Gerade, wenn es mir an den Kragen geht, ich schlechte Chancen auf die unmittelbare Durchsetzung meiner dogmatischen Ansprüche habe, komme ich nicht umhin, diese durch die Maske von „Offenheit und Lernfähigkeit“ zu tarnen, um sie vielleicht wenigstens teilweise und durch Kompromisse etablieren zu können. Demgemäß müßte man die These umkehren: Nur, wenn es mir gelingt, vom Andersartigen zu profitieren, geht es mir nicht an den Kragen. --Jakob 8:55, 26.10.05


@ Jakob: Mich würde interessieren, von wem das zweite Zitat ist (eigentlich würds mich auch beim ersteren interessieren) und wie der Zusammenhang dieses Textes aussieht, weil ich manches nicht wirklich verstehe. Z.B. was die "eben heraufbeschworene Dummheit" ist, wenn sie im nächsten Satz mit "Offenheit und Lernfähigkeit" gleichgesetzt wird. Und wie man aus "Offenheit und Lernfähigkeit übertrumpfen Dogmatismus." ein Gegenargument gegen die Toleranz (oder ihre Fürsprecher) machen kann, versteh ich auch nicht. Ich würde den Zusammenhang zwischen Besserverdienertum/"Nichtbedrohtwerden" und Toleranz in diesem Fall so verstehn: Der Autor meint, daß Toleranz ein Akt der Freiheit ist, und daß ein gutes (oder "besseres") Einkommen und "wenn es mir nicht an den Kragen geht" einen manche Hindernisse leichter überwinden lassen. Aber der Textzusammenhang mag das alles in ein anderes Licht rücken...

Ich würde obige Überlegungen gerne mit einem recht aktuellen politischen Thema verknüpfen, nämlich dem Wahlkampf der FPÖ Wien. Die Parolen der Wahlwerbung und das Parteiprogramm thematisieren eindeutig das "einem an den Kragen gehen" und die Toleranz. Die "Offenheit und Lernfähigkeit", die sich im Normalfall auf den Toleranten beziehen, werden an dieser Stelle umgekehrt und als Forderung an Einwanderer gerichtet. Sie haben sich laut FPÖ Wien der Leitkultur(-> Parteiprogramm: "Verpflichtendes Anerkennen der Leitkultur") anzupassen, sonst geht es ihnen an den Kragen. An diesem Projekt kann man sicher viel kritisieren, ich möchte den Fokus aber auf folgendes lenken. Was bei diesem Konzept ausgeblendet ist und was meiner Ansicht nach ein wesentlicher Bestandteil von (funktionierender) Toleranz ist, ist die Wechselseitigkeit, auf der das Funktionieren beruht. Wenn man den Zuwanderern in einem Rechtsstaat auf Verordnung eine "Leitkultur" (laut FPÖ Wien: "[...] die deutsche Sprache lernen und die auf der abendländischen Tradition beruhenden Grundwerte sowie die Gleichheit von Mann und Frau achten."), was auch immer "unsere Werteordnung" auch sei, überzustülpen versucht, so ist das einerseits nicht sonderlich kreativ, andererseits steht es an Dogmatismus dem im übernächsten Satz als Feindbild zitierten "islamischen Fundamentalismus" um nichts nach. --Himmelsmeister 01:05, 27. Okt 2005 (CEST)