Diskussion:19. März 2007

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Zur Frage zur Anwendbarkeit des Begriffes der Kastration auf den Dogma-Film. Vielleicht ist das eine sehr voreilige Bemerkung und passt auch an dieser Stelle noch gar nicht in das Diskussionsfeld - trotzdem drängt sie sich mir auf, je intensiver ich über die Entsprechung Kastration - Dogma nachdenke. Ich kann mich überaus einverstanden erklären mit den Rahmenbedingungen, die beiden Begriffen zugeordnet werden: also das Gesetz, das bei beiden gewissermaßen als Beschneidungsmaßnahme fungiert. Das Zurücknehmen gernerell, in einen Rahmen zwängen und so fort. Doch in meinen Augen spießen sich die beiden Termini in einer bestimmten Hinsicht gewaltig: nämlich in dem, worauf sie abzielen. Während die Kastration als Drohung ja eine symbolische Ordnung herbeiführen will, will das Dogma im Film ja gerade das Gegenteil: nämlich die Befreiung von jeglicher Symbolik im Sinne eines Vordringens zum Unverborgenen, als dass jenes eben nicht mehr durch filmische Mittel entstellt wird. Die Gesetzhaftigkeit des Dogmafilms sehe ich eher als ein Hinauslaufen auf ein freies Feld, das sich irgendwie zwanghaft (eben wieder mittels Gesetzmäßigkeiten - hier steht man sicher auf doppeltem Boden) von den Regeln der Traumfabrik Film hin zum Authentischen befreien will...

also ich glaube ich bin noch nicht so weit wie du, ich reflektiere noch über den Begriff der Kastration. (Verwirrung) Du bezeichnest Katration als eine Drohung, die eine symbolische Ordnung herbeiführen will. Wenn jetzt aber die Frau als kastriert wahrgenommen wird... was heisst das genau? Kastration bedeutet in seinem ursprünglichen Sinn ja Entfernung/Ausschaltung des Geschlechts - die Frau gilt als kastriert ohne, dass ihr etwas entfernt worden ist.... ist sie durch diese Pseudokastration in die symbolische Ordnung eingefügt oder wie ...


    Ich glaube auch, dass der wesentliche Unterschied (vorausgesetzt man einigt sich auf die Gemeinsamkeit des beschneidenden Gesetzes) zwischen Dogma 95 und einem psychoanalytischen Kastrationsbegriffs der ist, dass ersteres eine bewusst und freiwillig gesetzte Einschränkung ist - mit dem Ziel der Wirklichkeit mit der Kamera näher zu kommen; Während sich nach Freud ja der Kastrationskomplex im Unbewussten abspielt und in seinem Verlauf eine Wirklichkeit (das Wissen um zwei Geschlechter) hartnäckig negiert, mit seiner Auflösung aber die (sexuelle) Wirklichkeit anerkannt wird. Es ließe sich die wahrscheinlich etwas gewagte Analogie ziehen: Die Filmgenres (zb Autorenfilm) gegen die Dogma 95 in Stellung gebracht wurde tendieren dazu Wirklichkeit nicht nach ihren Möglichkeiten so authentisch wie möglich abzubilden, sondern gleich dem Kind in der Kastrationsangst, diese zu verneinen und eine „metareale“ Wirklichkeit zu schaffen. Das Dogma Manifest könnte demnach als Befreiungsversuch aus einer wirklichkeitsverweigernden Filmrealität gedeutet werden, mit der Intention eine mit dem Kastrationskomplex vergleichbare Situation zu überwinden.--Julmoel 20:49, 22. Mär 2007 (CET)


Die Position des Filmemachers oder der Regisseurin, die Position der Kameraleute und die Position der ZuschauerInnen sind im Hinblick auf Regeln, denen die Erstellung eines Filmes unterworfen wird oder ist, sehr verschiedene. Während dem Filmemacher eine, zumindest oberflächlich so erscheinende, konzeptuelle Freiheit in der Erstellung von Regeln zukommt, sind die Kameraleute diesen Regeln bereits unterworfen. Und die ZuschauerInnen im Kino können die Art und Weise, wie ein Film gemacht ist, nicht mehr beeinflussen.

Der Vergleich zwischen Kastration(sgesetz) und Dogma95Regeln funktioniert am besten für die ZuschauerInnen. Sie werden in ihrer visuellen Allmachtsrolle in Frage gestellt. Denn der Überblick über die Situation kann durch das Dogma-Kameraauge viel weniger gewonnen werden als durch ein Kameraauge, das den Hollywoodkonventionen unterworfen ist. Kastration, sei sie nun Freudianisch oder Lacanianisch verstanden, impliziert das Auftauchen einer Unvollständigkeit, die Wahrnehmung, dass nicht alle Menschen (im Hinblick auf ihre Geschlechtsorgane) gleich ausgestattet sind, dass etwas fehlt. Damit verbindet sich der Verlust eines Zustandes der Sicherheit, der mit Allmachtsgefühlen einhergeht.

Die Frage nach der Realität, der "Authentizität" ihrer Repräsentation auf anderen Körpern oder im Film, stellt sich auf dieser ersten Stufe noch nicht. --Uk 17:32, 24. Mär 2007 (CET)



    noch eine kurze bemerkung zum freud text: Die oft vorgebrachte Kritik zu der auch die Haltung gehört Freud und sein Denken als Kinder ihrer Zeit, also als Ausdrücke der bürgerlichen Wiener Gesellschaft um die Jahrhundertwende, zu verstehen (und damit auch zu historisieren) ist –zumindest sobald sie den Anspruch erhebt die Psychoanalyse mit dem Verweis auf veränderte gesellschaftliche Verhältnisse zu verwerfen – in meinen Augen etwas verkürzt. Gerade in Zusammenhang mit einem Text wie „Über infantile Sexualtheorien“, der sich mit der frühkindlichen psychischen Konstitution beschäftigt, läuft derartige Kritik ins Leere: Die Erlebniswelt eines Kleinkindes wird von äußerlichen Veränderungen – die auch fortschrittliche Neuerungen in der elterlichen Erziehung mit sich bringen – nur vermeintlich so stark affektiert, dass sich damit auch infantile psychische Konflikte auflösen würden. Ganz im Gegenteil kann die öffentlich-mediale oder privat-familiäre Präsenz von Sex und Erotik einen Konflikt mit der eigenen Geschlechtlichkeit (der für Freud ausschlaggebend für den Kastrationskomplex ist) verschärfen; zumal ein Kind im präödipalen und ödipalen Alter vermutlich noch keinen Begriff seiner eigenen biologischen Sexualität hat, und gegenüber dem Fischreiher als auch dem tatsächlichen biologischen Tatbestand nur „die Ahnung von etwas Verbotenem“ gewinnen wird. --Julmoel 20:49, 22. Mär 2007 (CET)