Benutzer:Andyka/Mitschriften/SS08-Code2-09 05 08

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Mitschrift der VO Code(2) am 09.05.08

  • Vortragender: Herbert Hrachovec

Diesmal:

  • Wittgenstein und seine Vorstellungen über Kalkül, welche sich historisch in eine Entwicklung einbeziehen lassen, in der die Programmierung wichtig wird. Die Formulierung „Wäre Husserl Informatiker geworden“ könnte man auch in Bezug auf Wittgenstein stellen „Wäre Wittgenstein Informatiker geworden“, wobei Informatik verstanden ist als ein Spiel formalisierter, regelgeleiteter mechanischer Abläufe, z.B. bei Turingmaschinen.

ad Richard Demiray: Paradigmenwechsel in der Programmierung

Der Paradigmenwechsel ist dadurch gekennzeichnet, dass die Vorstellung eines mechanisch-sinnlosen Verfahrens ein bisschen in den Hintergrund rückt (im Falle der Turingmaschinen: Lesekopf links/rechts, Schreiben, usw.) und versucht im objektorientierten Programmieren gewissermaßen die alltägliche Weltsicht (AKA: oder die Weltsicht des jeweiligen Fach-/Anwendungsbereiches) unterzubringen.

Die alltägliche Betrachtungsweise der Welt im Zu-handen-sein mit den Dingen, so wie es Heidegger in Sein und Zeit formuliert hat, rückt als bestimmendes Zentrum in die Programmierung mit hinein und zwar in dem Sinn, dass der Code gestaltet/strukturiert wird nach Kategorien, die wir in der Welt kennen, nämlich: Gegenstände, Objekte.

Dies lässt sich sehr gut an dem Pseudo-Code von Richard Demiray auf der Diskussionsseite zeigen:

serielle Programmierung

Bei der seriellen Programmierung sieht es so aus: Es gibt eine Mainroutine, welche eine Anweisung enthält und diese Anweisung kann bei Ausführen interpretiert werden als Auslösen von elektrischen Impulsen an ein Peripheriegerät. Ein bisschen ein Sinn ist auch hier schon drinnen, denn das Peripheriegerät wird entsprechend der Anweisung „print“ etwas anzeigen, und nicht z.B. etwas akustisch abspielen, oder etwas von einer CD lesen usw. Doch dieses Miteinbeziehen des alltäglichen Verständnisses kommt beim Objektorientierten Programmieren viel mehr zu tragen. Auf jeden Fall wird am Ende eine Zeichenkette „Hansi sagt Servus“ ausgegeben.

objektorientierte Programmierung

In der Objektorientierten Programmierung (im Folgenden: OOP) gibt es einen viel größeren Anfangsinvestitionsaufwand, wie ein Code zu gestalten ist. Man gestaltet den Code so, dass man sich fragt, was man in weiterer Folge beim Umgehen des Codes alles braucht und zwar im Hinblick darauf, dass die Zeichen des Codes, die vom Programmierer produziert werden, adäquat sein sollen bestimmten Zielen in der Welt, die dieser Code verfolgt.

Die Zeichenkette „Hansi“ ist in der seriellen Programmierung nichts anderes als fünf Zeichen, die ausgegeben werden sollen. Hier gibt es zwar auch eine solche Zeichenkette „Hansi“, doch es sind zusätzliche Strukturannahmen enthalten, die es ermöglichen, diese Zeichenkette mit anderen Zeichenketten zu verbinden: Hansi ist von der Kategorie Mensch. Wenn Hansi ein Objekt von der Art Mensch ist, dann ist in unserem alltäglichen Verständnis mitimpliziert, dass dieses Objekt eine Haarfarbe, ein Gewicht usw. hat. Das sind die Eigenschaften eines Objekts. Aber Objekte können auch Funktionen haben. Menschen können sprechen, singen, tanzen. (AKA: Wie man sieht sind die Strukturen, also die Kategorien, Eigenschaften und Funktionen, orientiert an den intuitiven Vorstellungen aus unserem Alltag oder den fachlichen Vorstellungen aus einem Anwendungsbereich)

Der Output ist bei beiden Paradigmen derselbe: „Hansi sagt Servus“.

Bei der seriellen Programmierung enthält nur die letzte Stufe des Kalküls einen Output. Jede einzelne Druckausgabe muss wörtlich angegeben werden. Bei OOP kann man bestimmte allgemeine Voraussetzungen machen (z.B.: Dieses Objekt ist ein Mensch, was dann zum Beispiel mitimpliziert, dass es einen Namen und eine Haarfarbe hat und dass es sprechen kann). Dadurch kann der Code einfacher verstanden und auch andernorts wieder verwendet werden.

(AKA: man muss natürlich fairerweise zugeben, dass man in der seriellen Programmierung nicht unbedingt alle Fälle einzeln behandeln muss, weil man durch bestimmte Tricks ganze Klassen von Fällen behandeln kann, doch mit dem Preis, dass der Code bei größeren Projekten unverständlicher und schwerer wartbar wird).

Rück- und Ausblick der Vorlesung

Heidegger und die Pauschalverurteilung der Logik

Aus dem Jahr 1953, in einer Phase, in der Heidegger nach 'Sein und Zeit' und nach dem katastrophischen Verlauf seines politischen Engagements und der deutschen Geschichte beginnt, eine neue Deutung des abendländischen Philosophieverlaufes vorzulegen. Er versucht in einem im Rahmen von Seinsgeschichte und am Rande der skandalösen Vereinfachung befindlichen Textes die Sache so darzustellen, dass sowohl Kapitalismus und Kommunismus gottlose und Naturzerstörende Kräfte sind. Die Aufgabe des deutschen Philosophen ist die Frage wach zu halten, wie das Eigentliche des Menschen gegen die Wissenschaft, gegen die Physik, gegen die Zerstörung aufrechtzuerhalten ist. Das wäre alles ein Fall fürs Lächeln, wenn nicht damit etwas verbunden wäre, was mich dabei wirklich schmerzt und das ist die Pauschalverurteilung des Wiener Kreises, von Carnap und von Logik.

Rückblick: von Husserls wundersamen Maschine zu Heideggers Formalismus-Kritik

Ich habe begonnen mit Husserl dem Mathematiker, habe die Sache verfolgt zu Heidegger, der bei Husserl anknüpft, der das Motiv der Algebra von Husserl aufnimmt und in eine Art und Weise transformiert, mit der sehr viel anzufangen ist: nämlich den pragmatischen Zusammenhang, in dem Zeichen eine Verweisungsfunktion in der Analyse des Menschen und der menschlichen Umgebung haben. Diese Linie von Husserl/Heidegger geht von Heidegger weiter in eine strikte Ablehnung der Formalismen, der Mathematik, so wie sie Husserl noch zu einem Teil inspiriert. Das hat im Rahmen der Technik- und Zeichenphilosophie zu einer Unmenge von „Heideggerianisierenden“ plastisch-human-ökologischen Ansätzen geführt, die alle das miteinander zu tun haben, dass sie mit Technik brechen und ein neues Denken ins Auge fassen.

Ausblick: Zwei Antworten, die gegen Heideggers Pauschalablehnung sprechen

Wie ich jetzt weitergehen möchte:

  • contra Heidegger: Wittgenstein und der Wiener Kreis
Ich gehe zum Wiener Kreis in einer Zeit, wo Husserl über Algebra spricht und sage dazu etwas über Wittgenstein. Dies wird Sie hoffentlich zu der Auffassung führen, dass das ein bestürzender Fehlschritt ist, den Heidegger da macht. Man kann es ihm nicht vorwerfen, aber heute wissen wir, welche Entwicklungen stattgefunden haben und wie unfundiert diese Kehrtwende unter dem Aspekt von Vernichtung des Seins, von Vernichtung der Metaphysik von Heidegger gewesen ist. Das ist die erste Antwort, auf das, was Heidegger hier sagt.
  • contra Heidegger: Derrida
Die zweite Antwort, die einer nicht unerheblichen Ironie nicht entbehrt ist, dass es im weiteren Verlauf der post-heideggerianischen Auseinandersetzung mit Zeichen eine sehr prominente Stelle gibt, in der jemand, der weitestgehend inspiriert ist an wichtige Punkte des späten Heideggers, sich unter Rückbezug auf Husserl gegen diese Form von „Heideggerianei“ wendet und das ist Jacques Derrida. Und das nun aber in einer Art und Weise – damit es in der ganzen Komplexität deutlich wird – das Derrida nun wieder Wittgenstein nicht zur Kenntnis nimmt. Wir haben eine Situation, wo es eine aus der deutschen Husserl-Heidegger -Tradition kommende Rückwendung gibt zu Fragestellungen von Husserl verbunden mit einer Kritik an Husserl, mit einer Kritik an Heidegger, aber mit einer Schwerpunktsetzung auf den Zeichen- und Kalkülbegriff - bei Derrida. Das ist etwas eigenständig Geniales: Er kritisiert Husserl, er kritisiert Heidegger, er kritisiert Husserl mit Heidegger, aber akzeptiert auch das, was Heidegger sagt nicht wirklich. Das ist - um es in einem Stichwort zu sagen – der intuitive Gehalt von Grammatologie. Grammatologie ist eine vom informatisch-mathematisch-technischen Aspekt gelöste Lehre von zum Teil automatisierten Zeichensystemen. Bei der Grammatologie - in der Intuition von Derrida - geht um die Sonder- und Eigenwirksamkeit von Formalsystemen, gewendet gegen die existentialen, subjektiven, personalen Aspekte, die bei Husserl und Heidegger im Vordergrund stehen. Das wird die Linie sein, auf die ich im weiteren Verlauf kommen werde, die einen Knick in der phänomenologischen Entwicklungstradition mit sich bringen und für die ich versucht bin zu sagen, dass sich Derrida sehr viel davon hätte ersparen können, wenn er das gelesen hätte, was Wittgenstein in den 30er Jahren geschrieben hat, weil es sich vom Motiv her deckt. Das Beeindruckende von Derrida besteht genau darin, dass er ohne Bezug auf den Wiener Kreis mit Motiven gegen Husserl und Heidegger antritt, die man auf eine bescheidenere – zugänglichere Art und Weise schon 40-50 Jahre vorher hätte haben können. Das ist kein Vorwurf – aber für die gegenwärtige Einschätzung der Situation ist wichtig zu sehen, dass zwischen dem mittleren Wittgenstein und dem mittleren-späteren Derrida sachlich sehr starke Parallelen festzustellen sind im Hinblick auf die Rolle von Code.

ad Andreas Kirchner: Heidegger und Gotthard Günther

Auf der Diskussionsseite von Aushöhlung des Seyns hat Andreas Kirchner seine Darstellung und Auseinandersetzung von dem, was Gotthard Günther tut, zur Verfügung gestellt.

Gotthard Günther ist ein deutscher Gelehrter, der in die USA ausgewandert und in den Bereich der Kybernetik und Programmiertechnik gekommen ist und der außerdem Sci-Fi-Autor gewesen ist. Ein ursprünglich an Hegel ausgerichteter Philosoph, der ins Zwielicht der US-amerikanischen Verteidigungsindustrie in den Einflussbereich der Kybernetik geraten ist und der als jemand, der Hegel mitbekommen hat, einen Touch von der deutschen weltumstürzenden Systemphilosophie mitgenommen hat. Die deutsche weltumstürzende Systemphilosophie ist in diesem Fall derjenige Post-Hegelianismus, der eine Vorstellung von Logik und System entwickelt hat, in der schon drinnen steht, dass die europäische Philosophie zu einem Abschluss in der Hegelschen Philosophie gekommen ist. Diese weltgeschichtlichen Perspektiven, verbunden mit einem radikalen Bruch von dem, was bisher gewesen ist, hat Günther bei Hegel gesehen. Das ist bei Heidegger und Derrida, und wenig ansatzweise auch bei Husserl vorhanden.

Bei Gotthard Günther hat das aber dazu geführt, dass er mit einer Breitseite gegen Heidegger und seine Aushöhlung des Seins operiert. An der Schaltstelle, an der Heidegger sich von der Mathematik wegbewegt, um eine Transformation des Denkens für die ganze Welt zu befürworten, akzeptiert Gotthard Günther, dass es da ums Ganze geht, aber er geht in die andere Richtung und sagt: Das muss man mit der nicht-aristotelischen Logik machen. Eine Verabschiedung der klassischen zweiwertigen aristotelischen Logik ist dafür nötig. Ich habe einen Artikel über Gotthard Günther in diesem Zusammenhang geschrieben, in dem ich Günthers Lösungsversuch kritisiere. Aber die Pointe ist vollkommen berechtigt. Es gibt gegen den Heidegger-Schwenk bei Gotthard Günther Hinweis auf eine formalistisch-informatische Tradition und einen anderen Umgang mit Codierung.

Wittgenstein und Kalkül

Ich habe Ihnen einige Textfragmente von Wittgenstein aus dem Jahr 1930/31 zur Verfügung gestellt. 1921 hat Wittgenstein den Traktat publiziert und gemeint: Damit ist alles geschehen, was er zur Philosophie beitragen kann und hat sich verabschiedet von der Philosophie. Er ist dann unter anderem Volksschullehrer und Klostergärtner gewesen und dann 1929 doch wieder in die Philosophie zurückgekommen, wo er in Cambridge weiter zu gearbeitet hat. Er hat in große Notizbücher permanent Gedanken hineingeschrieben. Immer vertiefter und in verschiedenen Ansätzen hat er versucht seine philosophischen Ergebnisse aus dem Traktat aufzugreifen, zu verändern, weiterzuführen, mit einem Resultat das von der höchsten Wichtigkeit und philosophischen Brillanz ist. Was ich Ihnen hier zur Verfügung stelle ist von 1930. 1927 ist Heideggers „Sein und Zeit“ entstanden.

Die Abgeschlossenheit und Endgültigkeit des Traktatus

Die erste wichtige Beobachtung ist das Folgende: Man muss diese Manuskripte immer im Kontrast sehen zur Finalisierung der philosophischen Fragestellung im Traktatus. Im Traktatus ist die Lage die, dass Wittgenstein bestimmte rigorose Festlegungen macht, die die Sache auf der einen Seite derartig erhaben und prinzipiell machen, dass man nicht anders kann als zu staunen – so als ob es sich dabei um ein ewiges Produkt handeln würde, was aber genau der Grund ist, warum man diese Festlegungen nicht aufrecht erhalten kann.

Zwei Voraussetzungen im Traktatus: Kein Bewusstsein und keine Zeit

Zwei von diesen Festlegungen/ impliziten Voraussetzungen, die Wittgenstein im Traktatus unkommentiert macht, sind:

  • a.) Es gibt keine Psychologie. Es gibt keinen Menschen. Es gibt nicht das menschliche Bewusstsein, das eine ausgezeichnete Rolle spielt in der Involvierung mit der Welt.
  • b.) Es gibt keine Zeit. Es gibt nur die Ewigkeit. Es gibt nur die ewige eine Logik und es gibt nicht die Menschen, die innerhalb der Zeit Erfahrungen in der Welt machen und transportieren und verändern.

Nur wenn man diese Voraussetzungen gelten lässt, kommt man zu diesen Aussagen, die Wittgenstein macht. Es gibt kein Subjekt. Die Logik der Welt liegt ein für allemal fest. Die Logik sagt uns, was sinnvoll und was nicht sinnvoll ist. Das was nicht sinnvoll ist soll man vermeiden oder aussortieren. Wenn man die Sinnlosigkeit aussortiert hat, dann heißt das: Man bewegt sich im Gebilde dessen, was die Welt für die Wissenschaft sinnvoll macht. Das, was wir in der Wissenschaft erforschen können ist als wissenschaftlich garantiert durch die richtige Art und Weise, Sätze zu bilden.

  • Wir können nicht vermeiden, tendentiell zu sagen: „Die Sätze der Wissenschaft, alles was wir brauchen, um die Welt korrekt zu beschreiben, ist doch etwas, was selber begründungsbedürftig sein könnte.“ Wir könnten fordern: „Gib mir bitte nicht nur die Sprache, mit der ich korrekt beschreibe, sondern erklär mir auch, warum das die Sprache ist, mit der ich korrekt beschreibe.“
  • Das ist der berühmte Punkt, wo Wittgenstein sagt: Nein, das gibt die Philosophie nicht. Wir haben nur eine Sprache; diese ist die eine sinnvolle Sprache. Bei dieser einen sinnvolle Sprache, die nach den logischen Gesetzen ein für alle mal funktioniert, können wir nicht so tun, als könnten wir uns noch über diese erheben und die Bedingungen diskutieren, wie diese eine Sprache, mit der wir alles beschreiben können, auf die richtige Art und Weise die Welt darstellt.

Ich müsste einige Stunden aufbringen, um hier in Details zu gehen. Warum ich nur darauf hinweise: Das Obige ist der Absprungpunkt, den man im Auge haben muss um zu verstehen, womit es hier gleich im ersten Satz beginnt:

Wittgenstein weicht die Traktatus-Festlegungen auf

Was heißt es ein Gesetz in einer Reihe von Erscheinungen wahrnehmen?

Das ist eine Frage, die auf eine wichtige Art und Weise transformiert ist vom Traktatus. Der Traktatus würde in etwa folgenderweise antworten:

Die Sprache hat bestimmte Sprachformen, wie also zum Beipiel Eigenschaften, zum Beispiel dass es Menschen gibt und das diese Menschen eine Körpergröße haben (vgl. die obigen Überlegungen zum OOP). Das liegt einfach im Sinn unserer Sprache. Sie haben eine Körpergröße nicht aufgrund der Untersuchungen, sondern es liegt im Sinn der Sprache, dass Menschen eine Körpergröße haben. Das ist eine Art Gesetz. Gesetz heißt, nicht in einzelnen Rechercheverfahren als ein Resultat notiert, sondern Gesetz ist etwas, was Einzelerfahrungen bündelt, charakterisiert, zusammenfasst.

  • Wittgenstein im Traktat sagt: Die Gesetzhaftigkeit, um die es hier geht, zeigt sich. Es zeigt sich in unserer Sprache, dass die Ausdrücke vom Menschen so beschaffen sind, dass man von Menschen sagen kann, dass sie eine Körpergröße haben. Wir können vom Menschen zum Beispiel nicht aussagen, dass sie Primzahlen sind. (AKA: Das sind Syntax-Fragen)
  • Doch hier stellt er die Frage neu: Er distanziert sich von diesem Ein-für-alle-Mal des „Etwas zeigt sich in der Sprache“ und geht dazu über, dass es eine Reihe von Erscheinungen gibt, die wir wahrnehmen. Hier sind die beiden von mir genannten Tabus, Voraussetzungen zurückgenommen. Er denkt die Sache so, dass es Menschen wie du und ich gibt und diese sind in der Zeit mit einer Reihe von Erscheinungen konfrontiert.

Die Frage, die ihm im Traktat beschäftigt hat: Welche Erklärung man dem Funktionieren der sinnhaften Sprache geben konnte, stellt sich jetzt auf eine neue Art und Weise; man kann nämlich fragen: Welche Gesetzlichkeiten gibt es im Rahmen von Weltverläufen? (AKA: die Mehrzahl dürfte meinem Verständnis nach hier von Bedeutung sein)

Ersetzungsregeln bei Wittgenstein

Und da ergibt es sich jetzt auf eine ungeplante, aber eindringliche Art und Weise, dass das, was Wittgenstein macht, zurückbezogen werden kann, auf die Erläuterungen, die wir im Zsh. mit dem Husserlschen Code-Überlegungen gemacht haben.

Husserl hat gefragt: „Wie können wir uns der Wahrheit von maschinenartigen Abläufen versichern, die als ein Formalismus und nicht als Inhalte funktionieren“. Husserl hat von der Algebra geredet, heutzutage ist die moderne Form diese Re-Write-Systeme. Bei Wittgenstein ist es ähnlich. Er hat nicht die modernste, informatische Systemgestalt, aber auch er sieht ein Re-Write-System vor:

Input-Zeichenkette: AACB Output-Zeichenkette: DDFE

Das sind die Reihe der Erscheinungen in der Zeit. Das was W. später Kalkül nennen wird und was hier noch heißt: Wir fragen uns nach dem Gesetz, das hier wirkt, wird hier durch eine Tabelle dargestellt. Ich habe Input und Output und stelle die Frage: Wie komme ich vom einen zum anderen? Die Antwort ist: Mit Hilfe einer Ersetzungsregel (Re-Write-Rule).

       a | d
       b | e
       c | f

Das Herunterschlucken von Regeln: eine unzureichende Erklärung

Das Interessante ist, dass man das, worum es Wittgenstein hier geht, auch mit Derridaschen Überlegungen klarmachen kann. Was ist die Besonderheit dieser Ersetzungsregeln? Diese Regeln wären gänzlich nutzlos, wenn wir keine allgemeinen Regelmäßigkeiten finden könnten. Wir könnten dann die Regeln nur jeweils in den Einzelfällen feststellen, aber nicht generell. Man könnte, wenn man keine Regelmäßigkeiten findet, aus einer anderen Betrachtungsweise sagen: Die Maschine spinnt. Die Maschine ist kaputt.

(AKA: vgl. auch eine Formulierung eines Neffen Wittgensteins: Heinz von Foersters Unterscheidung zwischen trivialen und nicht-trivialen Maschinen)

Umgekehrt erläutert das, was als Leistung hinter diesen Ersetzungsregeln steht, dass es sich bei einer Regel darum handelt, dass wir die Notation finden für eine Stabilität/Voraussagbarkeit in einem bestimmten Ablauf von Erscheinungen. Wir können mit Hilfe von Input und Regel die Menge der erlaubten Ersetzungen voraussagen.

Hier kommt ein Motiv hinein, bei dem mit Husserl als auch mit Wittgenstein als auch mit Derrida deutlich gemacht werden kann, wie wichtig es ist. In welcher Weise mach ich von dem Zeichen der allgemeinen Regel Gebrauch? Was ist der Sprachausdruck, der hier drinnensteht? Was ist die Funktion des Sprachgebrauchs im Vergleich zum Input und Output? Da sagt er: Dieses Zeichen (das, was für die Regel steht) funktioniert nicht so, dass dieses Zeichen magisch oder wie ein medizinisches Mittel wirkt. Wir sind aber versucht, die Funktion dieses ReWrite-Regel so zu beschreiben, dass wir sagen: Ich schaue schnell auf das Zeichen und dann habe ich verstanden, wie ich von Input zum Output komme. Das ist die psychologisierende Weise zu erklären, wie eine Regel funktioniert. Die Regel wird symbolisiert durch ein Zeichen, sie nehmen das Symbol wahr und sagen: „Ah, jetzt verstehe ich die Regel“. Das suggeriert, dass dieses Symbol ein Symbol für einen Gedanken ist.

Zwischen den Zeichenketten gibt es eine Aktivität des Regelfolgens (die Aktivität des Aus der einen Zeichenkette zur anderen zeichenkette zu kommen) und diese Aktivität glauben sie, in ihrer Gesetzlichkeit verstehen zu können, wenn sie einen schnellen Blick drauf werfen. Mit Wittgenstein formuliert:

Es handelt sich beim Verstehen nicht um einen Akt des momentanen, sozusagen nicht diskursiven, Erfassens der Grammatik. Als könnte man sie gleichsam auf einmal herunterschlucken.

Wittgenstein und Derrida kritisieren gleichermaßen die (u.A. Husserlsche) Vorstellung eines intuitiven Regelfolgens

Die Husserlsche Konzeption ist Folgende: Das eigentliche Zeichen ist dadurch gekennzeichnet, dass man eine Zeichengestalt hat und indem man diese Zeichengestalt versteht, hat man in einem Schub gesehen, worum es geht. Das eigentliche Zeichen ist das Zeichen das sofort überführt in eine Vertrautheit mit dem Bezeichneten, die das Zeichen eigentlich unnötig macht. Ein Beispiel: Wenn Sie den Brandgeruch riechen und Sie nehmen das als Zeichen des Brandes dann ist das Zeichen des Brandes nicht mehr ein Zeichen des Brandes sondern ein Teil des Brandes. Sie nehmen etwas als Zeichen, das Teil des Phänomens ist und das deswegen eine Verlässlichkeit als Zeichen hat, weil es gar nicht anders sein kann als gemeinsam mit dem Phänomen selber Ihnen zu begegnen. Das „Auf einmal Herunterschlucken“ eines Ausdrucks wäre eine unmittelbare Vertrautheit der Regel: „Das ist die Regel. Ich sehe die Regel, ich habe die Regel und jetzt kenn ich mich aus.“ Das ist der Punkt, wo Wittgenstein sagt: „Hoppla, das ist komplizierter“.

Das allgemeine Thema, wie ich Regeln erkenne und Regeln folge, kann man nicht dadurch diskutieren, dass man sagt, man erkennt eine Regel intuitiv, indem man den Ausdruck einer Regel sieht. Wie wissen Sie, dass sie Schach spielen können? Das wissen sie nicht dadurch, indem sie einen Blick auf die Regeln werfen. Wenn sie nur aufgrund dessen, dass Sie die Regeln sehen sagen: „Ja, ich kann Schach spielen“, ist das keine geeignete Basis.

Die Regularität des Kalküls macht es notwendig, sich einzulassen in die Praxis, wie Menschen trainiert werden und gewohnt sind, mit Zeichen im Verlauf der Zeit umzugehen. Das geht nicht im (AKA: quasi-zeitlosen) Augenblick. Das gerade Gesagte ist…

  • (1) einerseits eine Kritik am frühen Husserl und die Vorstellung des eigentlichen Zeichens
  • (2) ein Hinweis darauf, dass das nicht über „Privatsprache“ geht. Das geht nicht, dass ich sage „ich weiß schon wies geht“ und das „ich weiß schon wies geht“ ist eine Garantie dafür, dass ich es richtig mache. Das findet sich nicht im Rahmen des menschlichen Bewusstseinsvermögens.
  • (3) Ist die Kritik die Derrida an Husserl anbringt, im Zusammenhang mit diesem Zeichenproblem: die Kritik ist genau die, dass wir die Fundierung des Gebrauchs der Zeichen nicht verorten können in menschlichen Bewusstseinsleistungen. Ich kann noch so oft sagen: „Ich weiß aber, dass ich Schach spielen kann“. Die Intuition „Ich kann Schach spielen“ ist eine eigentliche Intuition. Erinnern Sie sich an den frühen Husserl, der sagt: die Fundierung dessen, warum wir sagen können, ein Zeichen ist legitim, besteht darin, dass wir es unterschreiben können. Wir können noch so viel unterschreiben, dass wir der Auffassung sind, wir können Schach spielen. Es hat mit dieser Art von Tätigkeit etwas Wesentliches zu tun, dass das nicht ausreicht und gar nicht einmal das Wichtigste ist, um wirklich beurteilen zu können, wir könnten Schach spielen.

Wenn wir dieses Thema fortschreiben in den Zusammenhang mit Zeichen und Code, dann ergibt sich etwas, was sowohl der mittlere/späte Wittgenstein als auch die dekonstruktive Tradition im Post-Heideggerianismus festhalten, dass nämlich die Rolle des Zeichens, des Codes, und die Rolle der Verfahrensweise mit Code eine Priorität hat gegen das, was die andere von mir beschriebene Seite als die erfahrungsmäßige, bewusstseinszentrierte, Verifizierung von Zeichenabhängigkeiten/Zeichenprozessen beschreibt.

Bewandtniszusammenhang bei Wittgenstein

Ich möchte nun bei Heideggers Unterstellung verdeutlichen, inwiefern es eine Unterstellung ist. Die Unterstellung lautet: In der Orientierung an mathematischen kalkülartigen Zusammenhängen entfernen wir uns von Lebenszusammenhängen, von Sinnstrukturen des Lebens. In den Manuskripten von Wittgenstein kann man überraschende Parallelitäten feststellen:

Das muß sich auch zeigen wenn ich mir z.B. etwas notiere und mit Zeichen die gewöhnlich nicht in Gebrauch sind. Ich wollte mir etwa rasch die Zahl der männlichen und weiblichen Hörer im Zimmer notieren und machte dazu für jeden Mann ein Kreuz für jede Frau einen Strich ins Notizbuch; auch diese Notiz ist eine solche nur in einem System, das ich mir geschwind für mich zurechtgelegt habe.

Das ist ein klarer Fall von Bewandtniszusammenhang, um den Heideggerianischen Ausdruck zu verwenden. In diesen Bewandtniszusammenhang hineinplaziert ist ein Zeichengebrauch, der nicht so anders ist wie der Winker im Heideggerianschen Rahmen.

Das ist etwas, was bei Derrida ebenso stark gemacht wird und eine Rolle spielen wird. Wenn ich nicht der Auffassung bin, dass ich solche Regelausdrücke intuitiv schlucke und dann verstehe, sondern sage, dass diese Regelausdrücke diskursiv aufzulösen sind, dann bin ich ganz nahe bei der Beobachtung, das Zeichen nur einen Sinn haben im Verhältnis zu anderen Zeichen; dass Zeichensysteme damit zu tun haben, dass ich Einzelmarken habe, die untereinander ein bestimmtes Differenzverhältnis haben und dass Zeichensysteme im Ganzen auf unterschiedliche Art und Weise voneinander abgekapselt werden können. Dies ist eine Beobachtung, die Derrida von Saussure übernimmt.

(AKA: und die auch bei Luhmanns Verständnis von Erkenntnistheorie gefunden werden kann, welches ja darin besteht, dass Systeme mit Unterscheidungen nicht IHRE Umwelt erkennen, oder besser: interpunktieren)

Bei Saussure sind die Zeichen die Phoneme, dadurch gekennzeichnet, dass sie nur in einer gegenseitigen Absetzung funktionieren können. Sie haben akustische Produktion, Sprachproduktion. Was dort vorkommt, muss von Ihnen systematisiert werden zum, beispielsweise im Hinblick auf bedeutungstragende Bestandteile der Rede. Dies kann nur innerhalb eines Phonemensystems geschehen. Sie müssen in der Lage sein, mit Hilfe von Phonemen Bedeutungsunterschiede auszudrücken, die in einer anderen Sprache diese Funktion nicht unbedingt erfüllen müssen. Eine akustische Modulation, die in einer Sprache oder einem Dialekt einen Unterschied macht, im anderen aber nicht und deshalb nur in einem System als ein distinktes Zeichen funktionieren kann. Diese Idee ist auch bei Wittgenstein vorhanden, wenn man wie hier getan hinterfragt, was bei obigen Zitat mit 'System' gemeint ist.

Die Traditionelle Repräsentationstheorie

Ich komme nun zu Überlegungen, von denen Wittgenstein von Kalkülen direkt zu Fragen des menschlichen Bewusstseins übergeht. Dort wirft er eine Frage auf: Wie gehen wir um mit der traditionellen Idee, dass Menschliches Erkenntnisvermögen etwas zu tun hat mit Repräsentation der Welt? Die traditionelle Erkenntnistheorie sagt uns, dass wir Vorstellungen der Welt haben und die Vorstellungen der Welt, die wir in uns tragen repräsentieren die Dinge.

Ich habe eine Vorstellung dieser Fernbedienung. Und dann gibt es diese Fernbedienung. Der traditionelle Vorschlag der Erkenntnistheorie: Ich muss den Beamer anstellen. Dazu brauch ich eine Fernbedienung. Aha, wo ist die Fernbedienung? Indem ich meinen Gedanken, dass ich eine Fernbedienung brauche korreliere mit diesem Ding, das eine Fernbedienung ist, gibt es eine Übereinstimmung und ich kann mich in der Welt bewegen.

Ich kann in der Welt erfolgreich agieren, weil meinen Vorstellungen etwas als Ding in der Welt korrespondiert. Ich schaffe eine Verbindung zwischen meiner Repräsentation und dem Ding. Richard Rorty spricht vom Spiegel im Kopf, der uns die Welt repräsentiert. Der frühe Husserl ist an dieser Stelle durchaus noch von einer solchen Repräsentation geprägt, aber der wichtige Punkt ist, dass der frühe Husserl schon etwas macht, mit der er sich abhebt: Er sieht Vorstellungen nicht nur als Repräsentation, sondern bringt es in Zusammenhang mit dem Zeichenbegriff. Unter dem Terminus Zeichen kommt die traditionelle Abbildungs/Repräsentationstheorie in Zusammenhang mit Mechanik und Formalismus. Deshalb kann die Kritik an Husserl greifen, da er ein bisschen was von Formalismus drinnen hat, was in der traditionellen Erkenntnistheorie noch nicht der Fall war.

Die Ablehnung der traditionellen Repräsentationstheorie bei Heidegger

Heideggers Kritik an der Repräsentationstheorie, die er in Sein und Zeit gibt ist die, dass er sagt, wir müssen mit einer Analyse des Menschen ganz anders beginnen. Die Menschen sind nicht Lebewesen, die in sich (AKA: in ihren Köpfen) Vorstellungen haben, die dann glücklicherweise mit den Dingen korrespondieren. Das ist die Pointe des Bewandtniszusammenhangs: Menschen sind Lebewesen, die mit Dingen umgehen. Das wichtige an der Fernbedienung ist nicht, dass ich ein Konzept der Fernbedienung habe und dadurch die Fernbedienung wieder finden kann.

Die klassische Lehre würde sagen: Du musst einen richtigen Begriff von Fernbedienung haben um herauszufinden, dass das keine Fernbedienung ist. Heidegger sagt: Du musst einmal lernen, wie du mit dem Ding umgehst.

Beim mittleren Heidegger wird die Repräsentationslehre aufgefangen von der Praxis des In-der-Welt-Seins und des Umgangs mit Zeug. Auf diese Art und Weise wird Zeichengebrauch integriert in Kompetenzen mit Zeug: Zeig-Zeug, war der Ausdruck davon. Diese Kette von Bemerkungen sollte dazu dienen, Ihnen etwas über die Art und Weise zu liefern, wie auch Wittgenstein mit Vorstellungen im Sinn von Repräsentation umgeht.

Wieder zurück zu Wittgenstein

Wittgenstein formuliert es so: Ich stelle mir vor, der Dekan ist gerade am Gang. Dann öffnet sich die Tür und der Dekan kommt rein. Es ergibt sich die Frage: Wie ist es zu erläutern, dass ich mir vorgestellt habe, der Dekan kommt und dann kommt er wirklich?

Ich habe eine bestimmte Vorstellung, und dann kommt jemand zur Tür herein. Aber warum nenne ich nun die Vorstellung die ich hatte „die Vorstellung daß dieser Mensch zur Tür hereinkommen werde”? Aber so verwenden wir die Sprache eben.

Das ist Wittgensteins Art und Weise, die Relations-&Wahrheitsfrage zu stellen. Ich lasse das hier einmal so im Raum stehen.

Sprachspiele

Das Kalkül wird wahrgenommen als regelgeleitete Transferaktion zwischen Zeichen. Das regelgeleitete impliziert: Wie komm ich an die Regeln? Wie kenne ich die Regeln? Dazu ist zu sagen: Die Regeln sind nicht durch einfaches Hinschauen runterzuschlucken, sondern sind selber eine Praxis des Umgangs mit diesen Dingen. Wenn wir alles das gemacht haben, dann sind wir schon ganz nahe an dem Begriff des Sprachspiels. Sprache als ein System von Regeln besteht dann darin, dass wir in der Lage sind, verschiedene Transaktionen mit Zeichen durchzuführen, die nun einerseits – daher kommt die Idee von Wittgenstein – parallel gesetzt werden zu mathematischen Zeichentransformation, die aber andererseits generalisiert werden von ganzen Sets von Verhaltensweisen. Das Set von Verhaltensweisen von Schachspielen und das Set von Verhaltensweisen einer Diplomprüfung oder das Set von Verhaltensweisen einer Nachrichtensendung – sind bestimmte Grammatiken, die den Umgang mit Zeicheninputs und Zeichenoutputs steuern. Insofern ist die weitere Entwicklung der wittgensteinschen Philosophie bis hin zu den Sprachspielen vom Kalkülbegriff und den ReWrite-Gesetzlichkeiten sehr massiv beeinflusst.

Bemerkung zu Wittgensteins Bezug auf Augustinus beim Erlernen der Sprache: Kalkül vs. System

In Ms 111, S. 17 f bezieht sich Wittgenstein das erste Mal auf Augustinus.

  • Augustinus erinnert sich, wie er die Sprache gelernt hat. Die Älteren haben hingezeigt und ihm die Dinge benannt. Auf diese Art und Weise hat er hinweisende Worte gelernt.

Es ist eine signifikante Beobachtung, dass das erste Mal in seinen Vorarbeiten, in denen diese Beziehung auf Augustinus zutage tritt, folgende Formulierung verwendet wird:

Ich will damit sagen: Augustinus beschreibt wirklich einen Kalkül; nur ist nicht alles was wir Sprache nennen dieser Kalkül.

Die Art und Weise wie man Sprache lernt, nennt er noch Kalkül im Sinne des regelgeleiteten Transformationsprozesses. Im späteren ersetzt er Kalkül durch System der Verständigung. Das ist mir deswegen wichtig, weil ich Ihnen deutlich machen wollte, dass sich von dem Punkt aus, an dem wir formale Kalküle betrachten als interessante Mechanismen/Prozeduren, bis dort, wo wir sagen, formale Kalküle operieren mit Zeichengestalten sich folgende Frageketten ergeben können, die dann bis zu den Sprachspielen hinführen und die diese Tranformatino von Kalkül zu System erklären:

  • Zeichengestalten sind für bestimmte Zwecke nur sinnvoll, wenn sie Bedeutung haben.
  • Damit ergibt sich die Frage, wo die Bedeutungen herkommen.
  • Damit ergibt sich die Frage, wenn sie nicht durch die intuitiven Vorstellungen in mir kommen, müssen sie aus dem System kommen.
  • Dann stellt sich die Frage: Wie kann das System beschaffen sein? Wie soll das System analysiert werden, dass es als das System diese Bedeutung verleiht?
  • Dann sind wir dabei, dass das System – an dieser Stelle wird die Zeichengestalt zum Code –dass diese bedeutungsverleihende Gestalt hat, im allgemein philosophischen Zusammenhang Sprachspiel werden kann.

Wie passen diese Überlegungen von Kalkül in die allgemeine Philosophie Landschaft?

Wir haben über den allgemeinen Begriff von Regel geredet. Der Begriff von Regel ist notwendig, damit wir nicht verdammt sind, Einzelentwicklungen nachzulaufen, sondern den Sinn, das Wichtige, die Form, das Gesetz, das Entscheidende dahinter zu sehen, was in den Erscheinungen abläuft. Im Traktatus ist das noch ganz explizit gewünscht: Die Philosophie soll uns sagen, nach welchen Regeln die Welt und die Sprache stattfindet. Hier sagt Wittgenstein aber: Wie kommen wir zu den Regeln? Es besteht das Problem, dass Regeln selbst auf verschiedene Art und Weisen auftreten können. Man hat viele verschiedene Regeln.

Ich habe am Anfang der Vorlesung gesagt: Menschen haben eine Körpergröße, das liegt im Begriff des Menschen. Doch gibt es nicht (AKA: wenn von einem anderen Sprachspiel aus) Menschen ohne Körpergröße? Wenn man an ein Weiterleben nach dem Tod glaubt, muss man vermutlich zugeben: Es gibt Menschen ohne Körpergröße.

Ist diese philosophische Tätigkeit, nach DEN Gesetzen, der REGEL zu suchen, berechtigt oder nicht berechtigt? Hier macht Wittgenstein eine querverbindende Bemerkung zu Sokrates/Platon: Seit Sokrates und Platon sind wir geneigt/gewöhnt, diese Form von Gesetzlichkeit zu suchen. DIE Logik der Sprache. DIE Beschaffenheit des Menschen und so weiter. Sollten wir nicht stattdessen bescheidener sein und Zusammenhang mit Gesetzen/Regeln so ähnlich umgehen wie z.B. mit der Frage der Pflanzenbestimmung. Wir sollten eine Bestandaufnahme von dem machen, was alles Regeln sind. Und dann sollten wir sehen, ob wir das in gewisse Regelgruppen (Regelsets) ordnen. Aber das große eine Einsehen in das, was eine Regel ausmacht, das gibt es nicht. Das ist eine Frage, die sich beim Wittgenstein so auswirkt, dass er dann letztlich seine allgemeinen Gesetzlichkeiten aus dem Traktat zunehmend entfernt aus seiner Philosophie. Das ist auch eine der Gründe, warum er nicht mehr vom Kalkül redet, weil es so etwas Statisches und Endgültiges hat und dann lieber von Sprachspielen redet.

Ich habe außerdem einen Vortrag über Bildungsdiskussion gemacht, wo ich die sokratische Frage „Was ist“ mit Wittgensteins Äußerungen in diesem Kontext in Verbindung gebracht habe, was Herr Kirchner auf der Wittgenstein-Diskussionsseite angesprochen hat.