Benjamin Libet: Handlungsabsicht

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Textgrundlage

Benjamin Libet: Wie das Gehirn Bewusstsein produziert. Frankfurt 2005. ISBN 3518584278. S. 159ff

Inhaltsverzeichnis


Benjamin Libet: Handlungsabsicht

1. Die Versuchsanordnung
2. Zwei Gruppen von Anfangszeiten des BP
3. Die Ereignisfolge in der "Jetzt-Handeln"-Situation
4. Das bewusste Veto
5. Haben wir einen freien Willen?

Auszug

Wie das Gehirn mit Willensakten umgeht, ist eine Frage von grundlegender Bedeutung für die Rolle des bewussten Willens und darüber hinaus für die Frage nach der Willensfreiheit.

Welche Faktoren werden hier identifiziert und einander gegenübergestellt? Ein Körperorgan und eine intentionale Einstellung? Das wäre so wie: "Wie geht der Bizeps mit dem Wunsch zur Ohrfeige um?" Wie unterscheiden sich Bizeps und Gehirn? In einer Hinsicht gar nicht, in einer anderen fundamental. --anna 17:50, 19. Okt 2006 (CEST)

Ge­meinhin nimmt man an, dass bei einem Willensakt der bewusste Wille vor oder bei Beginn der Gehirnaktivitäten erscheinen würde, die zu der Handlung führen.

Das ist ein neues Thema. Es geht nicht darum, wie das Gehirn "umgeht", sondern um Ereignisse, die auf einer Zeitachse eingetragen werden können. Es sind Gehirnaktivitäten feststelllbar und zweitens das Erscheinen des "bewußten Willens". Hinter den beiden Marken stehen unterschiedliche Vorgänge, messbare physiologische Daten und die Realisierung eines Willensaktes mit Bewußtsein. Der zweite Faktor ist bedeutend komplexer. Das Verhältnis ist etwa wie: Anspannung des Bizeps und aggressive Handbewegung. --anna 17:50, 19. Okt 2006 (CEST)

Wenn das richtig wäre, dann würde der Willensakt durch den bewussten Geist eingelei­tet und bestimmt.

Eine klassisches philosophisches Problem. Was ist das Verhältnis von "umgehen" und auf einer Zeitachse erscheinen? Anders gesagt zwischen Kausalbeziehungen und Zeitabfolgen. Der Bizeps kann die Ohrfeige verursachen; der Wunsch zur Ohrfeige kann vorher oder nachher auftreten. Die Position auf der Zeitachse alleine sagt nichts über Verursachung. --anna 17:50, 19. Okt 2006 (CEST)

Was aber, wenn das nicht der Fall wäre? Ist es möglich, dass die spezifischen Hirnaktivitäten, die zu einem Willensakt führen, vor dem bewussten Handlungswillen anfan­gen? Mit anderen Worten, bevor die Person sich dessen bewusst ist, dass sie eine Handlungsabsicht hat?

Hier wird ohne Kommentar der Übergang gemacht: früher ist gleich kausal auslösend.

Diese Möglichkeit wurde teilweise durch unsere Befunde nahe gelegt, die zeigten, dass das sensorische Bewusstsein durch eine beträchtliche Peri­ode von Gehirnaktivitäten verzögert ist. Wenn das innerlich erzeugte Bewusstsein des Willens oder der Handlungsabsicht ebenfalls durch eine notwendige Zeit von Aktivitäten verzögert wird, die etwa 500 ms andauern, dann scheint es möglich zu sein, dass die Gehirnaktivitäten, die einen Willensakt einleiten, weit vor der adäquaten Entwicklung des bewussten Willens be­ginnen.

Wille, Bewusstsein des Willens und Bewusstsein der Handlungsabsicht sind zu unterscheiden. "Sie hat einen starken Willen" , "Ihm fehlt der Wille" ist nicht vom Bewusstsein abhängig. Darüber bewusst zu sein, dass man will, ist etwas anderes, als dass man etwas bestimmtes will. Was sind die Umstände eines "Willensaktes"? "Der Bizeps kontrahiert sich vor der Ohrfeige." Das Problem entsteht aus einer Konzeption des "freien Willens". Es wird angenommen, dass dafür zuerst ein bewusster Akt des Prüfens von Handlungsabsichten anzunehmen ist und anschließend eine Durchführung. Dieses Modell wird durch die Versuchsanordnung in Frage gestellt. Darauf sind zwei Reaktionen möglich:
* der freie Wille in diesem Sinn existiert nicht
* diese Operationalisierung trifft nicht, was mit "freiem Willen" gemeint ist
Wer oder was entscheidet zwischen diesen Optionen?

Wir konnten diese Frage experimentell untersuchen. Wir fanden, kurz gesagt, dass das Gehirn einen einleitenden Prozess durchläuft, der 550 ms vor dem freien Willensakt beginnt; aber das Bewusstsein des Handlungswillens erschien erst 150-200 ms vor der Handlung. Der Willensprozess wird also unbewusst eingeleitet, und zwar etwa 400 ms bevor die Versuchsperson sich ihres Willens oder ihrer Handlungsabsicht bewusst wird. Die experimentellen Befunde für diese überraschende Abfolge werden in diesem Kapitel dargestellt.

"550 ms vor dem freien Willensakt" ist so wie: "1m vor dem Gewinn des Rennens". Man würde genauer sagen: "1m vor der Ziellinie", wobei die Ziellinie unter genau bestimmten Umständen die Repräsentation des Abschlusses eines Wettrennens ist. "Das Bewusstsein erschien erst 150-200 ms vor der Handlung". Wie erscheint das Bewusstsein auf einer Zeitachse? Welcher Art ist dieses Bewusstsein? Ist es vergleichbar mit jenem "Bewusstsein", von dem man sagt: "Ich bin mir der Konsequenzen meines Handlungen durchaus bewusst"?

<root><br /> <h level="2" i="1">== Kontext ==</h>

Freiheit im Kopf (Seminar Hrachovec, 2006/07)

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