13.1.2011 Morel, Geneviève (2007): Das Symptom, das Phantasma und die Pathologien des Gesetzes

Aus Philo Wiki
Version vom 27. Januar 2011, 20:42 Uhr von Hallogallo (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu:Navigation, Suche

Liebe KollegInnen!

Besonders faszinierend und deshalb umso bedenkenswerter erscheint mir die im Text von Geneviève Morel anhand recht plastischer Fallbeispiele (z. B. jenes über Frau M.) dargestellte Tatsache, dass sich diverse ungelöste innerpsychische Konflikte ausgesprochen hartnäckig auch über mehrere Generationen zu erstrecken und schlimmstenfalls schwerwiegende Psychosen auszulösen vermögen. Das Hauptaugenmerk legt Morel dabei auf das so genannte „Gesetz der Mutter“ wie auch auf jenes des Namens-des-Vaters, das Lacan geprägt hat. Das trennende Prinzip, worin das Letzere besteht, wollte mir, so glaube ich, zwar noch durchaus einleuchten, dessen „Frieden stiftende“ (Morel 2007, 64) Eigenschaft jedoch nicht mehr so ganz, da, wie ich meine, auf der Seite des Vaters doch immer auch zugleich der Kastrationskomplex eine potenzielle Katastrophe der Kindheit in Aussicht stellt.


Hallo auch von meiner Seite!

Dass sich ein "ungelöster innerlicher Konflikt" über mehrere Generationen sich wie ein Fluch weiterziehen kann - scheint mir nicht hundertprozentig einleuchtend. Wenn ich es richtig verstanden habe ist doch im Phantasma das Problem begründet. Frau M. hat als Kind sich ein Bild von sich selbst gemacht. Ein Bild von sich selbst als Objekt zu verstehen, welches nicht erwünscht war. Verursacht durch Aussagen der Mutter. Ich denke mir dass dieses Phantasma auch durch ein gewisses Gefühl entsteht - das Gefühl überflüssig zu sein - resultierend aus Gestik, Mimik und Zuneigung/Abneigung der Umwelt. Dass sich nun dieses komplexe Konstrukt, welches auf eigenen Erfahrungen beruht auf eine andere Person ( das eigene Kind ) übertragen kann- scheint mir recht unglaubwürdig.

lg Michael Hartinger --Michael Hartinger 18:57, 16. Jan. 2011 (UTC)

Morel: „Im Übrigen hat dieses Gesetz des Namen-des-Vaters, das als vermittelndes und Frieden stiftendes verstanden wird, eine pathogene Kehrseite: […]“ (Morel 2007, 64)

Außerdem: „Man kann auch daraus schließen, dass das Auftauchen des Vaters als Agent der Kastration selbst dann traumatisch ist, wenn es eine Verwerfung des Namens-des-Vaters gibt oder wenn das Kind dem ‚Gesetz der Mutter‘ unterworfen bleibt.“ (Morel 2007, 73)

Im Allgemeinen ist der in Rede stehende Text „Das Symptom, das Phantasma und die Pathologien des Gesetzes“ außerordentlich dicht und aufschlussreich. Allein der Aspekt der männlichen Homosexualität als Sinthom (Vgl. Morel 2007, 69ff) erscheint mir noch als diskussionswürdig.--Carina Miesgang 15:24, 13. Jan. 2011 (UTC)

Interassant in diesem Text war zu lesen, dass Lacan das Phantasma zur Einzigartigkeit des absoluten Urgrunds des Begehrens hin orientiert, welchen er als das Objekt klein a bezeichnet. Dass das Phantasma jetzt selbst den Platz des Realen einnimmt, wie aus dem Seminar "Die Logik des Phantasmas" hervorgeht, gibt methodologisch gesehen Aufschluss darüber, wie Lacan alte Denkkomplexe teilweise verwirft und neue schafft. Hier wird klar, dass das Phantasma jenes psychoanalytische Element ist, das in signifikanter Struktur in Erscheinung tritt und nicht auf das Imaginäre reduzierbar ist. Dieses fundamentale Phantasma, auf dem die Identität des Subjekts und die Formen seines Begehrens beruhen ist eine Weise, so hab ich das verstanden, wie das Subjekt sein Genießen, seine jouissance, reguliert und organisiert. Deshalb kommt das Objekt klein a hier auch ins Spiel. Vorm Hintergrund des Realen, (so im Text auf Seite 83), welches mit dem Genuss verschränkt ist, versteht Lacan das Phantasma als eine Konstante, ein Axiom im Leben des Subjekts, wodurch sich dieses Gesetz des Begehrens in seiner Einzigartigkeit von den Symptomen unterscheidet. Logisch scheint mir die Ausführung von Morel, dass diese These im klinischen Versuch keine zielführenden Ergebnisse erwirkt, denn:"(...) es genügt nicht das Genießen des Symptoms zu benennen, um es zu lösen. (dies funktioniert nur im Märchen: Sprich den Namen des Drachen, und nimm ihm damit seine Macht)--L.M. Steiner 16:06, 13. Jan. 2011 (UTC)



Kleine Anmerkung zum Begriff „Sinthom“: Interessant ist, dass der von Lacan gewählte franz. Neologismus le sinthome Assoziationen zu „Saint Thome“ („Heiliger Thomas“) aber auch zu „saint ton“ („gesunder Ton“) und „saint homme“ („heiliger Mann“) weckt (das habe ich irgendwo gelesen, leider kann ich selbst kein Französisch). Damit wird die positive Funktion der Symptom-Bildung als trennendes Prinzip, die im Text von Morel beschrieben wird, gut unterstrichen.

Nicht ganz klar ist mir, worin der genaue Unterschied zwischen „Symptom“ und „Sinthom“ besteht. Im Text ist die Rede davon, dass das Sinthom so etwas wie ein Geschick darstellt, mit dessen Hilfe das Subjekt sein Symptom „umwandelt“. An anderen Stellen habe ich den Eindruck, dass die Begriffe synonym gebraucht werden. Eine klare Differenzierung würde hier helfen. --Philip Waldner 15:32, 13. Jan. 2011 (UTC)


Hier wird es vlt klarer:" Lacan zufolge ist der die Anfänge der Psychoanalyse kennzeichnende Glaube an die Auflösbarkeit des Symptoms unhaltbar, da das Symptom dem Subjekt eine Verankerung gibt. So postuliert er, dass das Subjekt in der psychoanalytischen Kur lernt, mit seinem Symptom zu leben, sich mit ihn zu arrangieren. Er sieht in ihm etwas psychisch Reales am Werk, und so zeichnet er es durch eine besondere Schreibweise aus: le sinthome." (aus Subversion des Begehrens, Peter Widmer, S.188) Scheint, als seien Symptom und Sinthome quasi dasselbe, ich denke, das speziell ein Sinthome dasjenige ist, welches den Stellenwert der "Verankerung" hat, wenn man davon ausgeht, dass es auch Symptome gibt, die relevant, aber NICHT den 'Status' eines Sinthomes´ haben?!


Was mir noch nicht klar ist, was ich überhaupt nicht verorten kann, sind die Zusammenhänge Signifikant - Differenz -Signifikantenkette, es wurde letzte Sitzung angesprochen im Referat,..der Signifikant, der die Differenz zwischen den Signifikanten erzeugt und wiederum die Differenz zwischen 'dem' Signifkanten (?) und den Signifikanten (Die Differenz zw. Signifikant und Signifikat ist mir klar). Chris Oliver --CoS 03:11, 16. Jan. 2011 (UTC)

Das enge Zusammenspiel der Begriffe Symptom und Sinthom wird in der Schlussbemerkung Morels sehr deutlich. Zur Erläuterung des Symptoms als Pathologie des Gesetzes schreibt sie hier: „Erstens macht die Wirkung, die dem Subjekt von der Sprache aufgezwungen wird, aus ihm ein „Unaussprechliches“, Zweitens muss das Subjekt, um sich von dieser Wirkung zu trennen, die als das Gesetz der Mutter Form annimmt, ein Symptom ausbilden...drittens kann dieses Symptom durch ein gewisses Savoir – faire des Subjektes (oder dank seiner Analyse) zu dem werden, was Lacan ein Sinthom nennt.“(S.86)--SarahG 21:37, 26. Jan. 2011 (UTC)

Noch eine wichtige Frage bezüglich der Formel, die in der letzten Sitzung kam: (schräggestrichenes)S ◊ a - steht ◊ (die 'Punze') für das Ding - das 'Ding' verortet im Realen, also 'Raum der ungerichteten Triebe, Begierden...'(also quasi der Strauß, der vom Imaginären, der Vase umgeben (geformt?) wird und vom Symbolischen reguliert wird??? Chris, --CoS 10:39, 19. Jan. 2011 (UTC)


Kurz zur Punze: Sie steht nicht für "das Ding", sondern kennzeichnet das Verhältnis eines Subjekts zum Objekt klein a. Die Punze ist ein Konglomerat von logischen Zeichen, die sich in folgende Relationen überführen lassen: Sie kann als < und > eine Kleiner-Größer-Relation symbolisieren, als v und ^ steht sie für "und" bzw. "oder". --Uk 22:18, 19. Jan. 2011 (UTC)

Es gibt einen sehr guten Film, der diesen ungelösten innerpsychischen Konflikt illustriert: la teta asustada (Deutsch: Eine perle Ewigkeit) von Claudia Llosa aus dem Jahre 2009. Er beschäftigt sich mit der dem Bürgerkrieg zwischen der Guerillaorganisation Sendereo Luminoso und dem Militär, in dem viele Frauen vergewaltigt wurde. Die Hauptfigur des Films, Fausta, leidet an einer psychischen Krankheit, die als „Milch des Leids“ bezeichnet wird. Kinder, die als Ungeborene die Vergewaltigung ihrer Mutter miterleben mussten, nehmen deren traumatische Erfahrungen gleichsam mit der Muttermilch in sich auf – so die Volksmeinung. Eine ganze Generation findet nicht zurück in die Normalität, fürchtet Nähe und Beziehung. Interessant ist dieser Film deshalb, weil er sich nicht wie in dem Text auf die Familie konzentriert, sondern die Mechanismen des Traumas in einem größeren Kontext einer Gesellschaft analysiert. --Benutzer:So.ha 14:21, 23. Jan. 2011 (UTC) __________________

Michael Ebner:

Der in der Einheit gefallene Satz "Das Kind ist nicht in der Lage, Sätze (der Mutter) in variabler Form aufzunehmen/zu rezipieren" ließ mich an die Entwicklungsstadien Piagets denken. Konkret an das präoperative Stadium, dass von Rigidität des Denkens, Egozentrismus und begrenzter sozialer Kognition gekennzeichnet ist. Der hier wichtige Aspekt erscheint mir die Rigidität des Denkens zu sein - das Kind ist nicht in der Lage, die Worte der Mutter zu analysieren bzw. strukturieren und derart aufzunehmen, sondern geht von einem vorgefertigten Lautkonglomorat aus, dass es gedanklich nicht zersetzen kann und als ganzes aufnehmen muss, da seine kognitive Entwicklung noch nicht weit genug fortgeschritten ist. Ich glaube, jeder kennt das Gefühl, ein bestimmtes Wort oder eine Redewendung schon mal gehört zu haben bzw. sogar auch selbst von Zeit zu Zeit zu nutzen, ohne jedoch genau zu wissen, wie "man es schreibt" z.b. Dass solche Sätze/Worte im psychischen Geschehen eine Rolle spielen ist leicht möglich, sind sie ja präsent, jedoch nicht zu hundert Prozent strukturiert und eingebettet in das sonstige bewusste Erleben


Zurück zur Hauptseite