Über Kriton (PJS)

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Anfang

(...)

SOKRATES: Wohl wahr! Aber warum doch bist du so früh gekommen?

KRITON: Um dir eine traurige Botschaft zu bringen, Sokrates. Nicht dir, wie ich wohl sehe, aber mir und allen deinen Freunden traurig und schwer, und die ich wie mich dünkt ganz besonders am schwersten ertragen werde.

SOKRATES: Was doch für eine? Ist etwa das Schiff aus Delos zurückgekommen, nach dessen Ankunft ich sterben soll?

KRITON: Noch ist es zwar nicht hier, aber ich glaube doch es wird heute kommen, nach dem was Einige von Sunion gekommene berichten, die es dort verlassen haben. Aus dieser Nachricht nun ergibt sich, daß es heute kommt, und daß du also Morgen dein Lehen wirst beschließen müssen.

SOKRATES: Also, o Kriton, Glück auf! Wenn es den Göttern so genehm ist, sei es so. Jedoch glaube ich nicht, daß es heute kommt.

[44 St.] KRITON: Woher vermutest du das?

SOKRATES: Das will ich dir sagen. Ich soll doch an dem Folgenden Tage sterben, nachdem das Schiff gekommen ist.

KRITION: So sagen wenigsten die darüber zu gebieten haben.

SOKRATES: Daher glaube ich nun nicht, daß es an dem jetzt anbrechenden Tage kommen wird, sondern erst an dem nächsten. Ich schließe das aber aus einem Traume, den ich vor einer kleinen Weile in dieser Nacht gesehen habe, und beinahe mag es sich recht gelegen gefügt haben, daß du mich nicht aufgeweckt hast.

(...)

Das Schiff aus Delos

aus Phaidon:

(...)

[58 St.] PHAIDON: Auch von der Klage also habt ihr nichts erfahren, wie es dabei hergegangen ist?

ECHEKRATES: Ja, das hat uns jemand erzählt, und wir haben uns gewundert, daß, da sie schon längst abgeurteilt war, er offenbar erst weit später gestorben ist. Wie war doch das, o Phaidon?

PHAIDON: Durch Zufall fügte es sich so, Echekrates. Es traf sich nämlich, daß gerade an dem Tage vor dem Gericht das Schiff bekränzt worden war, welches die Athener nach Delos senden.

ECHEKRATES: Was hat es damit auf sich?

PHAIDON: Dies ist das Schiff, wie die Athener sagen, worin einst Theseus fuhr, um jene zweimal sieben nach Kreta zu bringen, die er rettete und sich selbst auch. Damals nun hatten sie dem Apollon gelobt, wie man sagt, wenn sie gerettet würden, ihm jedes Jahr einen Aufzug nach Delos zu senden, welchen sie nun seitdem immer und auch jetzt noch jährlich an den Gott senden. Sobald nun dieser Aufzug angefangen hat, ist es gesetzlich, während dieser Zeit die Stadt rein zu halten und von Staats wegen niemanden zu töten, bis das Schiff in Delos angekommen ist und auch wieder zurück. Und dies währt bisweilen lange, wenn widrige Winde einfallen. Des Aufzuges Anfang ist aber, wenn der Priester des Apollon das Vorderteil des Schiffes bekränzt; und dies, wie ich sage, war eben den Tag vor dem Gerichtstage geschehen. Daher hatte Sokrates so viel Zeit in dem Gefängnis zwischen dem Urteil und dem Tode.

(...)


"[D]ie Gesetze kämen und (...) uns in den Weg tretend fragten:"

(..)

SOKRATES: Erwäge es denn so. Wenn indem wir von hier davon laufen wollten, oder wie man dies sonst nennen soll, die Gesetze kämen und das gemeine Wesen dieser Stadt, und uns in den Weg tretend fragten: Sage nur, Sokrates, was hast du im Sinne zu tun? Ist es nicht so, daß du durch diese Tat welche du unternimmst, uns den Gesetzen und also dem ganzen Staat den Untergang zu bereiten gedenkst, soviel an dir ist? Oder dünkt es dich möglich, daß jener Staat noch bestehe und nicht in gänzliche Zerrüttung gerate, in welchem die abgetanen Rechtssachen keine Kraft haben, sondern von einzelnen Männern können ungültig gemacht und umgestoßen werden? Was sollen wir hierauf und auf mehr dergleichen sagen, Kriton? Denn noch gar vieles könnte einer, und zumal ein Redner vorbringen zum Besten dieses gefährdeten Gesetzes, welches befiehlt daß die geschlichteten Rechtssachen sollen gültig bleiben. Oder sollen wir zu ihnen sagen: ja die Stadt hat uns unrecht getan und die Klage nicht recht gerichtet? Dies, oder was wollen wir sagen?

KRITON: Dies beim Zeus.

SOKRATES: Wie nun? Wenn die Gesetze sagten: O Sokrates, war denn auch das unser Abkommen, oder vielmehr du wollest dich dabei beruhigen, wie die Stadt die Rechtssachen schlichtet? wenn wir uns nun über ihre Rede wunderten, würden sie vielleicht sagen: Wundere dich nicht, Sokrates, über das Gesagte, sondern antworte, da du ja gewohnt bist in Fragen und Antworten zu reden. Denn sprich, welche Beschwerden hast du gegen uns und die Stadt, daß du suchst uns zu Grunde zu richten? Sind wir es nicht zuerst, die dich zur Welt gebracht haben; und durch welche dein Vater deine Mutter bekommen und dich gezeugt hat? Erkläre also, tadelst du etwas an denen unter uns Gesetzen, die sich auf die Ehe beziehen, was nicht gut wäre? Nichts tadle ich, würde ich dann sagen. Aber an den Gesetzen über des Geborenen Auferziehung und Unterricht, nach denen auch du bist unterrichtet worden? Ist es etwa nicht gut, was die unter uns hierüber gesetzt sind gebieten, indem sie deinem Vater auflegten dich in den Geistesübungen und Leibeskünsten zu unterrichten? Sehr gut, würde ich sagen. Wohl. Nachdem du nun geboren, auferzogen und unterrichtet worden, kannst du zuerst wohl leugnen, daß du nicht unser warst als Abkömmling und Knecht, du und deine Vorfahren? Und wenn sich dies so verhält, glaubst du, daß du gleiches Recht hast mit uns, und daß, was immer wir uns beigehen lassen dir anzutun, auch du das Recht habest uns wieder zu tun? Oder hattest du gegen deinen Vater zwar nicht gleiches Recht, oder gegen deinen Herrn, wenn du. einen gehabt hättest, so daß du, was dir geschähe, ihm wieder antun dürfest, noch auch wenn er dich verunglimpfte widersprechen, [51 St.] noch wenn er dich schlug wiederschlagen und mehreres dergleichen: gegen das Vaterland aber und gegen die Gesetze soll es dir erlaubt sein, so daß wenn wir darauf ausgingen dich zu Grunde zu richten, indem wir es für gerecht hielten, auch du wieder auf unsern der Gesetze und des Vaterlandes Untergang so viel an dir ist ausgehen und dann sagen dürftest, du handeltest hierin recht, du der sich in Wahrheit der Tugend befleißigt? Oder bist du so weise, daß du nicht weißt, wie viel höher als Vater und Mutter und alle andere Vorfahren das Vaterland geachtet ist, und wieviel ehrwürdiger und heiliger bei den Göttern und bei allen Menschen, welche Vernunft haben? Und wie man ein aufgebrachtes Vaterland noch mehr ehren und ihm nachgeben und es besänftigen muß als einen Vater, und entweder es überzeugen oder tun was es befiehlt, und was es zu leiden auflegt ganz ruhig leiden, wenn es auch wäre dich schlagen zu lassen oder dich fesseln zu lassen, oder wenn es dich in den Krieg schickt, wo du verwundet und getötet werden kannst, du dies alles tun mußt und es so allein recht ist? Und daß du nicht weichen und nicht weggehn und nicht deine Stelle verlassen mußt, sondern im Kriege und vor Gericht und überall tun was der Staat gebietet und das Vaterland, oder es überzeugen was eigentlich Recht sei? Gewalt aber nicht ohne Frevel gebraucht werden kann gegen Vater oder Mutter und noch viel weniger als gegen sie gegen das Vaterland? Was sollen wir hierauf sagen, o Kriton? Daß es wahr ist, was die Gesetze sagen oder nicht?

KRITON: Mich dünkt, ja.

SOKRATES: Überlege also, o Sokrates, würden die Gesetze vielleicht weiter sagen, wenn wir hievon mehr gesprochen haben, daß du alsdann nicht mit Recht uns das antun willst, was du jetzt willst. Denn wir, die wir dich zur Welt gebracht, auferzogen, unterrichtet und alles Gute was nur in unserm Vermögen stand, dir und jedem Bürger mitgeteilt haben, wir verkünden dennoch, indem wir Freiheit gestatten jedem Athener der es nur will, daß wenn jemand Bürger geworden ist, und den Zustand der Stadt und uns, die Gesetze, kennen gelernt hat und wir ihm dann nicht gefallen, er das seinige nehmen und fortgehn dürfe, wohin er nur will. Und keins von uns Gesetzen steht im Wege oder verbietet, wenn Jemand von euch dem wir und die Stadt nicht gefallen, in eine Pflanzstadt ziehen will oder auch anderswohin sich begeben und sich als Schutzverwandter ansiedeln wo er nur will mit Beibehaltung alles des Seinigen. Wer von euch aber geblieben ist nachdem er gesehen wie wir die Rechtssachen schlichten und sonst die Stadt verwalten, von dem behaupten wir dann, daß er uns durch die Tat angelobt habe, was wir nur immer befehlen möchten, wolle er tun. Und wer nicht gehorcht, sagen wir, der tue dreifach Unrecht, weil er uns als seinen Erzeugern nicht gehorcht, und nicht als seinen Erziehern, und weil er, ohnerachtet er uns angelobt, er wolle gewiß gehorchen, doch weder gehorcht noch uns überzeugt wo wir etwas nicht recht tun; [52 St.] und da wir ihm doch vortragen und nicht auf rauhe Art gebieten was wir anordnen, sondern freistellen eins von beiden entweder uns zu überzeugen oder zu folgen, er doch hievon keines tut. Und diese Verschuldungen nun, behaupten wir, werden auch auf dir, Sokrates, haften, wenn du ausführst was du im Sinne hast, und zwar auf dir nicht am wenigsten unter den andern Athenern, sondern wohl ganz vorzüglich. Wenn ich nun fragte: Weshalb denn das? so würden sie mich wohl ganz recht angreifen, wenn sie sprächen, daß ich ganz vorzüglich vor andern Athenern ihnen das Versprechen geleistet hätte. Denn würden sie sagen, hievon haben wir große Beweise, daß wir sowohl als die Stadt dir wohlgefallen haben. Sonst würdest du ja wohl nicht so vorzüglich vor allen Athenern immer einheimisch darin geblieben sein, wenn sie dir nicht vorzüglich gefiele. Denn weder bist du je zur Schau der großen Feste aus der Stadt herausgegangen, außer einmal auf den Isthmos, noch sonst irgend wohin anders als nur mit dem Heere ziehend, oder hast sonst eine Reise gemacht, wie andere Menschen, noch auch hat dich jemals Lust angewandelt andere Städte und andere Gesetze zu sehen, sondern wir genügten dir und unsere Stadt; so sehr zogst du uns vor, und gelobtest: uns gemäß dein Bürgerleben zu führen, hast auch überdies Kinder in der Stadt erzeugt, weil sie dir gefiel. Ja auch noch währendes Rechtshandels konntest du dir ja die Verweisung zuerkannt haben, wenn du gewollt hättest, und so, was du jetzt gegen den Willen der Stadt unternimmst, damals mit ihrem Willen tun. Du aber tatest damals zwar gar schön, als wärest du gar nicht unwillig wenn du sterben müßtest, sondern wähltest wie du sagtest lieber als die Verweisung den Tod: nun hingegen schämst du dich weder vor jenen deinen Reden, noch scheust du uns die Gesetze, sondern versuchst uns zu zerstören und handelst, wie nur der schlechteste Knecht handeln könnte, indem du zu entlaufen versuchst gegen alle Verträge und Versprechungen, nach denen du uns versprochen hast als Bürger zu leben. Zuerst also beantworte uns nur dieses, ob wir die Wahrheit reden indem wir behaupten du habest nach unserer Anordnung dein Bürgerleben zu führen uns durch die Tat ver sprochen nicht bloß durch Worte, oder nicht die Wahrheit? Was sollen wir hierauf sagen, Kriton? Sollen wir es nicht einräumen?

KRITON: Wir müssen wohl, Sokrates.

SOKRATES: Ist es also nicht so, würden sie sagen, daß du deine Verträge mit uns und deine Versprechungen übertrittst? Die du doch nicht gezwungen abgelegt hast noch überlistet noch in der Notwendigkeit etwa dich in kurzer Zeit zu beraten, sondern Siebzig Jahre lang, während deren du hättest fortgehen können wenn wir dir nicht gefielen und du die Bedingungen nicht für billig hieltest. Du aber hast weder Lakedaimon vorgezogen noch Kreta die du doch immer rühmst als wohlgeordnete Staaten, [53 St.] noch irgend einen andern von den hellenischen Staaten oder von den unhellenischen, sondern weniger hast du dich von hier entfernt, als die Lahmen, Blinden und andere Verstümmelte. So vorzüglich vor allen Athenern hat dir die Stadt gefallen, und wir die Gesetze also auch. Denn wem würde eine Stadt wohl gefallen ohne die Gesetze! Und nun also willst du doch dem Versprochenen nicht treu bleiben? Wohl, wenn du uns folgst, o Sokrates, und wirst dich nicht lächerlich machen durch deinen Auszug aus der Stadt. Denn erwäge nur, wenn du es übertrittst und etwas davon verletzest, was du gutes dir selbst bereiten wirst und deinen Freunden. Denn daß deine Freunde ja freilich in Gefahr geraten werden auch selbst flüchtig zu werden und sich der Stadt entsagen zu müssen, oder ihr. Vermögen einzubüßen, das ist wohl offenbar. Du selbst aber, wenn du zuerst in eine der nächstgelegenen Städte gehest, sei es nach Theben oder nach Megara, denn wohleingerichtet sind beide: so kommst du als ein Feind ihrer Verfassung; und wer nur seiner eignen Stadt zugetan ist, wird dich scheel ansehn als einen Verderber der Gesetze, und so wirst du nur das Ansehn deiner Richter befestigen, daß sie dafür gelten werden in deiner Sache recht gerichtet zu haben: denn wer der Gesetze Verderber ist, muß wohl gar sehr dafür gehalten werden, auch der jüngeren und noch unvernünftigen Menschen Verderber zu sein. Willst du also etwa die wohleingerichtetsten Staaten und die ehrenwertesten Menschen meiden? Und wenn du dieses tust wird es dir noch lohnen zu leben? Oder willst du dich zu ihnen halten und unverschämt genug sein was doch für Reden vorzubringen o Sokrates? Oder dieselben wie hier, daß über Tugend und Gerechtigkeit nichts gehe für den Menschen und über Ordnungen und Gesetze? und glaubst nicht des Sokrates Sache werde dann ganz unanständig erscheinen? Wohl muß man das glauben! Aber aus diesen Gegenden wirst du dich wohl fortmachen, und dich nach Thessalien begeben zu den Gastfreunden des Kriton! Denn dort sind ja Unordnung und Ungebundenheit am größten, und die möchten dir wohl mit Vergnügen zuhören, wie lächerlich du aus dem Gefängnis entlaufen bist in irgend ein Stück Zeug eingehüllt, oder mit einem gemeinen Kittel umgetan, oder wie sich sonst die Entfliehenden zu verkleiden pflegen, und nachdem du dich ganz unkenntlich gemacht. Daß du aber als ein alter Mann, dem wahrscheinlich nur noch wenig Lebenszeit übrig ist, dich nicht gescheut hast, mit solcher Gier nach dem Leben zu gelüsten mit Übertretung jedes heiligsten Gesetzes, wird das Niemand sagen? Vielleicht nicht, wenn du Niemanden beleidigst: wenn aber, o Sokrates, dann wirst du auch viel deiner unwürdiges hören müssen. Kriechend also vor allen Menschen wirst du leben; und was denn tun als schmausen in Thessalien? So daß du wie zum Gastgebot wirst hingereist scheinen nach Thessalien! [54 St.] Und jene Reden von der Gerechtigkeit und von den übrigen Tugenden, wo werden uns die bleiben? Doch deiner Kinder wegen willst du leben, um sie selbst aufzuziehen und zu unterrichten! Wie also? Nach Thessalien willst du sie mitnehmen und dort aufziehen und unterrichten? Und sie zu Fremdlingen machen, damit sie dir auch das noch zu verdanken haben? Oder das wohl nicht; aber hier sollten sie, wenn du nur lebst, besser aufgezogen und unterrichtet werden, obgleich du nicht bei ihnen bist? Deine Freunde nämlich werden sich ihrer annehmen. Ob nun wohl wenn du nach Thessalien wanderst, sie sich ihrer annehmen werden, wenn du aber in die Unterwelt wanderst, dann nicht? Wenn sie anders etwas wert sind, die deine Freunde zu sein behaupten, so muß man es ja wohl glauben. Also Sokrates gehorche uns, deinen Erziehern, und achte weder die Kinder noch das Leben noch irgend etwas anderes höher als das Recht, damit wenn du in die Unterwelt kommst du dies alles zu deiner Verteidigung anführen kannst den dortigen Herrschern. Denn es zeigt sich ja weder hier für dich besser oder gerechter oder frömmer dies wirklich auszuführen oder für irgend einen der Deinigen, noch auch wird es, wenn du dort ankommst, besser für dich sein. Sondern wenn du jetzt hingehst, so gehst du hin als einer der Unrecht erlitten hat, nicht zwar von uns Gesetzen, sondern von Menschen. Entfliehst du aber so schmählich Unrecht und Böses mit gleichem vergeltend, deine eignen Versprechungen und Verträge mit uns verletzend, und allen denen übles zufügend denen du es am wenigsten solltest, dir selbst nämlich, deinen Freunden, dem Vaterlande und uns: so werden nicht nur wir auf dich zürnen so lange du lebst; sondern auch unsere Brüder, die Gesetze der Unterwelt, werden dich nicht freundlich aufnehmen, wenn sie wissen, daß du auch uns zu Grunde zu richten versucht hast, so viel an dir war. Also, daß ja nicht Kriton mehr dich überrede, zu tun was er sagt, als wir. Dies lieber Freund Kriton glaube ich zu hören, wie die welche das Ohren klingen haben die Flöte zu hören glauben. Denn auch in mir klingt so der Ton dieser Reden, und macht daß ich andere nicht hören kann. Also wisse nur, was meine jetzige Überzeugung betrifft, daß wenn du etwas hiegegen sagst, du es vergeblich reden wirst. Dennoch aber, wenn du glaubst etwas damit auszurichten, so sprich.

KRITON: Nein, Sokrates, ich habe nichts zu sagen.

SOKRATES: Wohl denn, Kriton! So laß uns auf diese Art handeln, da uns hierin der Gott leitet.


bei Hippias I

(...)

SOKRATES: Das Gesetz aber, Hippias, meinst du denn das sei ein Verderben für den Staat oder ein Nutzen?

HIPPIAS: Gegeben wird das Gesetz, glaube ich, allerdings des Nutzens wegen, bisweilen aber schadet doch, wenn es schlecht gegeben wird, auch das Gesetz.

SOKRATES: Wie? Die die Gesetze anordnen, setzen die sie nicht ein als das größte Gut für den Staat, und ist es nicht ohne dieses unmöglich, in guter Ordnung zu leben?

HIPPIAS: Ganz recht.

SOKRATES: Wenn also die, welche unternehmen Gesetze zu geben, das Gute verfehlen, so haben sie ja auch das Gesetz und das Gesetzliche verfehlt. Oder wie meinst du?

HIPPIAS: Wenn man es recht genau nimmt, Sokrates, ist es allerdings so, allein die Menschen pflegen doch nicht so zu reden.

SOKRATES: Welche, Hippias, die Kundigen oder die Unkundigen?

HIPPIAS: Die Leute.

SOKRATES: Sind diese wohl des Wahren kundig, die Leute?

HIPPIAS: Wohl nicht.

SOKRATES: Aber die Kundigen werden doch wohl gewiß das nützlichere für in Wahrheit gesetzmäßiger als das unnützere halten, und zwar allen Menschen. Oder gibst du das nicht zu?

HIPPIAS: Für in Wahrheit gesetzmäßiger, ja das gebe ich zu.

SOKRATES: Und es ist doch und verhält sich wirklich so, wie die Kundigen dafür halten?

HIPPIAS: Allerdings.

SOKRATES: Nun ist es ja aber für die Lakedaimonier wie du behauptest nützlicher, [285 St.] nach deiner obgleich ausländischen Anweisung erzogen zu werden, als nach der einheimischen.

HIPPIAS: Und darin habe ich gewiß Recht.

SOKRATES: Und daß das nützlichere auch das gesetzmäßigere ist, auch dieses behauptest du, Hippias?

HIPPIAS: Das sagte ich.

SOKRATES: Nach deiner Rede also ist es für die Söhne der Lakedaimonier auch gesetzmäßiger von dem Hippias unterwiesen zu werden, von ihren Vätern aber, das wäre das gesetzwidrigere, wenn sie doch in der Tat durch dich werden besser gefördert werden.

HIPPIAS: Das werden sie wahrlich besser, Sokrates.

SOKRATES: Gesetzwidrig also handeln die Lakedaimonier, wenn sie dir nicht Geld geben und dir ihre Söhne überlassen.

HIPPIAS: Das gebe ich zu; denn du scheinst zu meinem Vorteil zu reden, und dem darf ich ja nicht widersprechen.

(...)



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Sokrates (PR Hrachovec, 2007/08)