4.11.2010 Riepe, Manfred (2002): »The Fly « (1986): Spiegelbilder

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Maria Ilona - Die Bedeutung des Absatzes auf der vorletzten Seite, in welcher Riepe die Traumszene beschreibt, bleibt mir zeimlich verschlossen. Dort, wo Bründle seinen körperlichen Zerfall damit aufhalten will, indem er mit seiner schwangeren Freundin Veronica zu einer androgynen menschlichen Einheit,...., einer Koinzidenz von Mann, Frau und Phallus (Kind) verschmelzen will,... "was gleichbedeutend wäre mit einer völligen Entsexualisierung und einer totalen sexuellen Vereinigung". Und weiter im Text: "In Gestalt der Fliege hatte er sich das phallische Element als reales einverlebt und wurde selbst real". ??? --Joechtl 16:48, 2. Nov. 2010 (UTC)


Liebe Ilona,

Ich habe die Konsequenz der Real-Werdung Seth Brundles so verstanden, dass er, der er ja versucht, der in der Spiegelung stets implizierten Kastration zu entgehen, eben darum kein eigentliches Spiegelbild von sich erschafft, jedoch zugleich auch nicht er selbst, also das originale Subjekt bleibt. Der Wissenschaftler verwandelt sich folglich vollständig in das von Lacan als das „flüchtigste Objekt“ bezeichnete reale Element. Für mich persönlich war es allerdings auch nicht so einfach, das Konzept des Objekts a, das ja sowohl als der bestätigende Blick der Mutter (vgl. Riepe 2002, 78) wie auch als schlichter Fehler (vgl. Riepe 2002, 79) und als Verlust (durch Seitenverkehrung) (vgl. Riepe 2002, 86) definiert wird, zu begreifen. Das Wesen dieses zentralen Aspektes noch einmal gemeinsam zu besprechen und präziser zu afssen, wäre demnach auch mir ein Anliegen.

Zu der zum Schluss des Filmes aufgeworfenen Vorstellung eines absolut ent- bzw. „versexualisierten“ androgynen Wesens möchte ich noch anmerken, dass mir hierzu spontan die wunderschöne Rede des Aristophanes über die ursprüngliche Natur des Menschen aus Platons „Symposion“ in den Sinn gekommen ist: Dort wird von Kugelmenschen berichtet, die jeweils entweder aus zwei Männern, zwei Frauen oder aber aus einem Mann und einer Frau zusammengesetzt waren. Zu Anbeginn der Zeit gab es also insgesamt drei Geschlechter und erst die Götter waren es, die diese Wesen aus Rache entzweit haben. Die Elenden mussten nunmehr ihre „zweite Hälfte“, sprich ihre wahre Liebe erst wieder suchen und finden, um komplett zu werden. Vielleicht spielt auch in Cronenbergs Film „The Fly“ dieser fundamentale Wunsch nach Komplettierung des eigenen Ich eine Rolle.--Carina Miesgang 19:28, 2. Nov. 2010 (UTC)


Simon Hagen Erstmal möchte ich sagen, dass mir dieser Text geholfen hat, Lacans Text (zumindest einigermaßen) zu verstehen. Ich finde fogenden Satz zentral: "Das Bild im Spiegel kann keine Reproduktion sein, da es vor dem Spiegel kein Original gibt" (Riepe S. 77). Dies wird im Film (laut Beschreibung) sehr deutlich dargestellt, da ein Gegenstand/eine Person in dem Moment, in dem er/sie an einem anderen Ort reproduziert wird, aufhört in seiner ursprünglichen Form zu existieren. Das kann also als eine Metapher für die Bildung des Ichs sein, die laut Lacan immer über ein Spiegelbild geschieht. Interessant finde ich auch das Zitat aus dem Film von Veronica, "sie sei so verliebt in Brundle, daß sie ihn 'auffressen' könnte" (Riepe S. 80), welches unweigerlich an den Caillois-Text erinnert. Auch die Spinne, die das "Fliegenmännchen" (S. 82) zu verschlingen droht ist eine weitere Szene der Einverleibung, der Riepe einiges an symbolischem Gehalt zuspricht. Vielleicht könnte man näher darauf eingehen, inwiefern nun das Fehlen eines Elements im Spiegelbild "notwendige Bedingung ist für die Subjektwerdung des Menschen" (Riepe S. 81). Was bedeutet es, wenn uns das Element, das im Spiegelbild fehlt, bewusst wird bzw. wenn es für uns sichtbar wird? --Simon Hagen 21:09, 2. Nov. 2010 (UTC)


Ich bin wie Simon auch der Meinung, dass die Aussage "Das Spiegelbild ist keine Reproduktion des Originals", welche relativ zu Beginn des Textes vorkommt und sich auf der letzten Seite wiederholt, die oder eine der Hauptaussagen des Textes ist. Die Fliege spielt dabei eine Schlüsselrolle, da sie von Brundle übersehen wurde und somit ein Element zu viel ist. Weiters wird behauptet dass diese überflüssige Fliege im Spiegelbild genau jenes Element ist welches immer fehlt und daher notwendig ist für die Subjektwerdung des Menschen, sie ist das Objekt Phallus. Ganz verstanden habe ich aber trotzdem auch nicht warum das die Bedingung für die Subjektwerdung ist. Ist das, was fehlt im Spiegelbild also jetzt der Mangel selbst? Und ist es aufgrund dieses Mangels so, dass es nie ein Original des Spiegelbildes geben kann? --Stefanie feilinger 09:16, 3. Nov. 2010 (UTC)


Thomas Karner:

Wie schon bei den ersten Kommentaren geschildert, finde auch ich den Gedanken der Unmöglichkeit das Ausgangsobjekt, nach dem formalen Muster von A=A, in der zweiten Kammer zu reproduzieren, beziehungsweise das Originalobjekt in der zweiten Kammer wiederzufinden, weil dieses ja zerstört wurde, als besonders interessant. Der Satz: „Das Bild im Spiegel kann keine Reproduktion sein, da es vor dem Spiegel kein Original gibt.“ – hat auch mir – so glaube ich zumindest – dabei geholfen den Text über das Spiegelstadium besser zu verstehen. Gut gefällt mir außerdem die Idee, dass der Mensch sein „Ich“ also im eigentlichen Sinne über ein Bild definiert, dass nicht den Charakter eines Originals hat, da es dem Menschen nie möglich ist, sich selbst zu betrachten. Die am Ende des Filmes von Brundle angestrebte Vereinigung mit Veronica interpretiere ich als den dem Menschen innewohnenden Versuch den Mangel durch die Vervollkommnung mit dem geschlechtlichen Gegenstück – also einer sexuellen Vereinigung nicht nur für den Moment des Aktes, sondern einer – laut Text – totalen sexuellen Vereinigung aufzuheben. Fräulein Carina Miesgang hat meines Erachtens einen sehr schönen Gedanken von Aristophanes eingebracht, dem es gut gelingt den Mangel und die alles durchdringende Sehnsucht des Menschen nach der Umkehrung einer scheinbar verlorenen Vollkommenheit auszudrücken. Mir bleibt allerdings der Stellenwert des Kindes als „Phallus“ etwas verworren.


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