Anarchismus, Relativismus und die Wissenschaften - Paul K. Feyerabend: Unterschied zwischen den Versionen

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(Against Method - Der Anarchismus als Arznei für die Wissenschaften)
(Relativismus und Wissenschaft - Es gibt nicht die Wahrheit)
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:Feyerabend Interview (v.a.: 11:50 -17:40) [http://video.google.com/videoplay?docid=-5514176914063562445 video]
 
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'''Wissenschaft als Kunst'''
  
 
== ''Against Method'' - Der Anarchismus als ''Arznei für die Wissenschaften''==
 
== ''Against Method'' - Der Anarchismus als ''Arznei für die Wissenschaften''==

Version vom 24. November 2011, 00:39 Uhr

588px-Paul Feyerabend Berkeley.jpg

Relativismus und Wissenschaft - Es gibt nicht die Wahrheit

Feyerabend Interview (v.a.: 11:50 -17:40) video


Wissenschaft als Kunst

Against Method - Der Anarchismus als Arznei für die Wissenschaften

"daß der Anarchismus vielleicht nicht gerade die anziehendste politische Philosophie ist, aber gewiß eine ausgezeichnete Arznei für die Wissenschaften und die Philosophie." (Feyerabend, Wider den Methodenzwang, S.13)

Wer von Arznei spricht, wittert eine Krankheit. Nach Feyerabend ist die Krankheit heutiger Wissenschaftspraxis der Methodenzwang. Dieser widerspricht nicht nur der Natur menschlicher Entwicklung und Praxis, sondern vor allem auch der Natur wissenschaftlicher Revolutionen und wissenschaftlichem Fortschritts selbst. Kopernikanische Revolution, die moderne Atomtheorie, Wellentheorie des Lichts, Relativitätstheorie und Quantenmechanik wären alle nicht entstanden, hätte man mit dem Methodenzwang ernst gemacht. In Bezug auf die Entwicklung des Kopernikanischen Standpunktes von Galilei bis ins 20. Jahrhundert schreibt Feyerabend:

"Man beginnt mit einem starken Glauben, der der Vernunft und der Erfahrung der Zeit zuwiderläuft. Der Glaube breitet sich aus und findet Stützen in anderen Anschauungen, die ebenso unvernünftig oder noch unvernünftiger sind (Trägheitsgesetz, Fernrohr). Die Forschung wird jetzt in neue Richtungen gelenkt, man baut neue Instrumente, setzt "Daten" in neue Beziehungen zu den Theorien, bis eine Ideologie zustande kommt, die reich genug ist, um unabhängige Argumente für jeden ihrer Teile bereitzustellen, und beweglich genug, um solche Argumente jederzeit bei Bedarf zu finden. Heute kann man sagen, daß Galilei auf einem engen Gebiet der Erkenntnis, nämlich dem der Bewegungslehre, auf der richtigen Spur war, denn seine hartnäckige Verfolgung einer zunächst als völlig abwegig erscheinenden Kosmologie hat inzwischen das notwendige Material zu ihrer Verteidigung gegenüber all denen herbeigeschafft, die einer Auffassung nur dann zustimmen, wenn sie in bestimmter Art vorgebracht wird, und die ihr nur dann Vertrauen entgegenbringen, wenn sie bestimmte magische Formeln, sogenannte "Beobachtungsaussagen", enthält. Und das ist keine Ausnahme - es ist der Normalfall: Theorien werden klar und "vernünftig", erst nachdem inkohärente Bruchstücke von ihnen lange Zeit hindurch verwendet worden sind. Ein solches unvernünftiges, unsinniges, unmethodisches Vorspiel erweist sich also als unerläßliche Vorbedingung der Klarheit und des empirischen Erfolgs." (S.27ff.)


Das Neue entsteht nicht durch das Haften an einer strikten Methode

"Es ist also klar, daß der Gedanke einer festgelegten Methode oder einer feststehenden Theorie der Vernünftigkeit auf einer allzu naive Anschauung vom Menschen und seinen sozialen Verhältnissen beruht. Wer sich dem reichen, von der Geschichte gelieferten Material zuwendet und es nicht darauf abgesehen hat, es zu verdünnen, um seine niedrigen Instinkte zu befriedigen, nämlich die Sucht nach geistiger Sicherheit in Form von Klarheit Präzision, "Objektivität", "Wahrheit", der wird einsehen daß es nur einen Grundsatz gibt, der sich unter allen Stadien der menschlichen Entwicklung vertreten läßt. Es ist der Grundsatz: Anything Goes" (S.31f.)
"Wenn man also die Freiheit ausweiten, ein erfülltes und befriedigendes Leben führen will, wenn man zusätzlich noch die Geheimnisse der Natur und des Menschen aufdecken möchte, dann muß man alle umfassenden Maßstäbe und alle starren Traditionen verwerfen." (S.18)


Autorität und Gewalt

"Wissenschaftler und wissenschaftlich eingestellte Individuen geben vielleicht zu, daß es in ihrem Leben viele Fragezeichen gibt, aber sie weigern sich, diese Sicht auf ihren Lieblingsspielplatz auszudehnen, eben auf die Wissenschaften. Selbst tolerante und liberal eingestellte Wissenschaftler haben das Gefühl, daß wissenschaftliche Sätze und Sätze, die nicht in den geheiligten Hallen der Wissenschaften entstanden sind, eine verschiedene Autorität haben - die ersten können die zweiten beseitigen, nicht aber umgekehrt. Das können sie natürlich, wenn man ihnen die nötige rohe Gewalt gibt. Wissenschaftlich geht man dabei aber nicht vor, und wenn man das doch glaubt, dann hat man eine sehr naive Vorstellung vom Funktionieren wissenschaftlicher Untersuchungen. Leider ist diese naive Vorstellung die Grundlage vieler methodologischer Systeme geworden." (Wissenschaft als Kunst, S.159)